RückspiegelDas waren die Highlights in surf 12/1984

Tobias Frauen

 · 30.03.2024

Die Highlights aus surf 12/1984
Foto: surf Archiv
surf-Zeichner Bernhard Förth hat Robby Naish für das Dezember-Cover 1984 festgehalten - leider mit ungünstig platziertem Archiv-Sticker
In der letzten surf-Ausgabe des Jahres 1984 geht es unter anderem um Surfer-Gebäck, ganz viel Speed-Surfen, die Lage der Branche und das neue Olympia-Brett. Außerdem dabei: Robby Naish, Jenna de Rosnay und zweifelhafte Spot-Tipps!

Superstar Robby Naish

Erst in unserem letzten Rückblick ins Jahr 1992 hatten wir eine große Geschichte über Robby Naish, im Weihnachts-Heft 1984 war der Superstar das Hauptthema - auf dem Titel mit einer Karikatur von surf-Cartoonist Bernhard Förth! Naish ist damals 21 Jahre alt und “schon wieder” Weltmeister geworden. Er berichtet im Interview über sein Training mit Fahrrad und Gewichten (”Es ist in erster Linie Eigeninteresse an meinem Körper.”) und dem Mythos, dass auf Hawaii immer gute Trainingsbedingungen herrschen: “Wir [sind] einfach schon viel zu verwöhnt [...]. Wenn der Wind nur für ein 5,5-Quadratmeter-Segel ausreicht, dann gehen wir nicht aufs Wasser.”

Seine Frau und seine damals dreijährige Tochter nimmt Robby nicht mit zu Regatten, die bleiben im warmen Hawaii und haben kein Interesse daran, in Scheveningen oder auf Sylt zu frieren. Aus diesem Grund ist ihnen jedoch auch nicht bewusst, wie berühmt Robby in Europa ist: “Solche Menschenmassen wie in diesem Jahr in Scheveningen oder La Torche - 50.000 Leute, die dich anstarren - das hat sie noch nie mitgemacht.” In den USA und selbst auf Hawaii ist er damals kein Promi, er hofft dass der Surf-Boom in den USA noch zu seiner aktiven Zeit einsetzen wird. Denn eigentlich mag Robby es, berühmt zu sein - auch wenn immer jemand anders sein Material vom Strand holen muss, weil er sich bei den Europa-Events nicht einfach so blicken lassen kann. Und auch, obwohl er erst 21 Jahre alt ist, beschäftigt sich Naish schon mit einem möglichen Karriereende: Es geht so lange weiter, wie er Spaß hat, danach gibt es auch damals schon mehrere Business-Optionen.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Die Windsurf-Branche im Jahr 1984

Schlechtes Wetter hat die Board-Verkäufe 1984 einbrechen lassen, dafür freuten sich Reiseveranstalter - alle wollten in die Sonne. Das meistgefragte Zubehör der Saison seien Regenschirme gewesen, frotzelte surf. Auch die Surfschulen bekamen den schlechten Sommer zu spüren, doch “die Familienschulung floriert nach wie vor” - also Surfstunden von Mann, Freund oder Vater (dass auch Frauen ihr Können weitergeben, war damals offenbar nicht denkbar). Bezahlt wird dabei “mit Kuß, Kognak oder schlichtem Dankeschön.” Marktführer in Deutschland ist 1984 HiFly, die ihr eher unattraktives PE-Image mit einer Kleinserie aus 2000 Epoxy-Boards erfolgreich auftakelten - bei einer Gesamtzahl von 50.000 Brettern weltweit eine beeindruckende Kosmetik. surf durfte dort sogar Bücher und Lieferscheine einsehen um die Zahl zu bestätigen. Ganz anders bei Mistral, die sich selbst als weltweiten Marktführer bezeichnen, während Branchenkenner das deutlich anzweifeln. Deutschlands meistverkauftes Brett war 1984 der Klepper S 205 mit 4801 Exemplaren. Einige große Namen aus der Gründerzeit des Windsurfens hingegen verblassen langsam: Ten Cate ist auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit, Bic Marine hat nach der Liquidierung von Windglider schwer zu kämpfen. Auch zu dieser Geschichte steuerte Karikaturist Bernhard Förth übrigens ein großartiges Titelbild bei!

Speed-Windsurfen: Wing-Riggs, Profilmasten und Lack-Anzüge

Ganz viel Speed: Bei der “Johnnie Walker Speedweek” in Weymouth wollen zahlreiche Starter den Rekord von Fred Haywood (57,08 km/h) brechen. Bei acht Windstärken treten viele mit fünf bis sieben Quadratmeter Segelfläche und winzigen 30-Liter Sinkern an. Auch abenteuerliche Konstruktionen wie das Starrflügel-Rigg von Peter Bridgman sind zu sehen, ebenso wie Profilmasten und Wingriggs. Während Arnaud de Rosnay sein Segel in einem Mega-Crash zerstört, kommt Fred Haywood nicht mal aufs Wasser, sein Mast bricht bereits an Land. Axl Ohm fährt ein neues Rigg mit herkömmlichem Mast und Profilkörper aus Schaum, das ihn mit einem Serien-Sunset aus dem Vorjahr (!) jenseits der 50-km/h-Marke bringt. Was das Material nicht kann, müssen dann hochglänzende “Lackanzüge” bringen, die die Fahrer besonders windschlüpfrig machen sollen. Auch am Start: Ein gewisser Eberhard von Osterhausen mit einem Speed-Rigg namens “The Gun” - die Geburtsstunde einer der heute größten Segelmarken!

Der Neukaledonier Jean-Pierre Siret, der zuhause ausgiebig an seinem Material getüftelt hat, fährt unterdessen mit 55 km/h den Spitzenwert der ganzen Woche - mit einem selbstgeshapten 285er Board und einem 6,4er Segel mit fünfeinhalb-Meter-Mast und 1,70 m langer Gabel, das butterweich aussieht: “Gerade deshalb ist es so einfach zu fahren!”

Ein ähnliches Rigg fährt auch Jenna de Rosnay, die das Damen-Feld dominiert und mit 50,17 km/h auch schneller unterwegs ist als viele Männer. Sie hat elf Monate nach der Geburt ihrer Tochter den World Cup in Japan sausen lassen, um in Weymouth dabei zu sein. Eines ihrer Geheimnisse: Sie fährt das Rigg sehr aufrecht, um mehr Segelfläche im Wind zu haben. “Diese Fahrposition ist allerdings ziemlich unangenehm, weil man das Gefühl hat, jeden Moment über Board gezogen zu werden.” Dass sie all das nur stemmen kann, weil ihr Mann, der französische Baron Arnaud de Rosnay, sehr wohlhabend sei, streitet sie ab: “Wir sind nicht reich. Arnaud hat von seinen Eltern überhaupt nichts geerbt [...]. Wir haben dann hart gearbeitet [...] und in diesem Jahr stehen wir zum ersten Mal nicht mehr unter finanziellem Druck!”

Das gesamte Heft gibt es oben in der Galerie zum Durchklicken!

Und sonst so?

  • Perlen der Werbung: Wie wäre es mit sechs Schuss Not-Munition als Weihnachtsgeschenk? “Das ist eine neue, zündende Geschenk-Idee, die mit Sicherheit ankommt!” ist sich Hersteller Nico sicher. Wer es ganz persönlich mag, kann sogar den Namen des oder der Beschenkten eingravieren lassen
  • Mit Pacific kommt eine neue Marke ins Board-Business, Tornado benennt sich in Top Sport um und HiFly hat neue Investoren, die die teuren Formen finanzieren sollen
  • Ungewöhnlicher Spot-Tipp: Wer über das Reisebüro der DDR bucht, darf nicht nur Surfmaterial in den Nachbarstaat einführen, sondern auch auf Seen und Bodden surfen. Die Ostsee ist allerdings auch für Westdeutsche tabu.
  • Bei der Fahrtechnik zeigt surf den Wasserstart - und für Fortgeschrittene die Aerial Jibe
  • In London wählt die “International Yacht Racing Union” das Olympia-Brett für 1988 aus. Unter großformatigen Gemälden von Admiral Nelson und Queen Elizabeth entscheiden betagte Herren in dunkelblauen Blazern über den Nachfolger des Windglider. Gewonnen hat bekanntlich die Division II-Klasse, das Brett lieferte dann später Lechner. Nur Russland sprach sich für einen überarbeiteten Windglider aus.
  • Mehl statt Schleifstaub: Zur Weihnachtszeit gibt es Rezepte für Windsurfer-Gebäck. Zur Auswahl stehen Ausstech-Plätzchen in der Form von Football-Finnen und Powerjoints, Segellatten aus Waffeln und das Gabelbaumendstück “Linzer Art” - “shaped by Oma”.
  • Zwei völlig unterschiedliche Welten bei den Spot Guides: Neben Hawaii gibt es einen großen Ruhrgebiets-Report. Tolle Szene, viele Seen, zweifelhafte Wasserqualität: Neben offen sichtbarem Gift-Schaum lauern Viren und Bakterien - laut einer Untersuchung der Ruhr-Universität wurden sogar Kinderlähmungs-Viren gefunden, Ärzte raten generell zu umfangreichen Impfungen bevor es aufs Wasser geht. Local Peter Dengler rät angesichts der Darm-Bakterien: “Immun werden!” Nachdem er “wochenlang an Darmkrankheiten und Hautausschlägen” laboriert habe, mache ihm die Brühe inzwischen nichts mehr aus. 40 Jahre später sind solche Horror-Geschichten zum Glück vergessen...

Das gesamte Heft gibt es oben in der Galerie zum Durchklicken!

Weitere surf-Rückblicke:

Meistgelesen in der Rubrik Windsurfen