RückspiegelDas waren die Highlights in surf 9/1986

Tobias Frauen

 · 23.12.2023

Die Highlights in surf 9/1986
Foto: surf-Archiv
Auf dem surf-Cover im September 1986: Angus Chater, der wenig später Suizid begang, “bei einem seiner letzten Sprünge”, wie es im Inhalt heißt. Fotograf war Warren Bolster.
1986 ist die Windsurf-Welt in heller Aufruhr: Mitten in der Saison schlägt der Cut Away-Trend voll ein! Kurz zuvor holte ein Windsurfer endlich den Speed-Weltrekord für Segelfahrzeuge und eine Kult-Marke wird neu belebt!

HiFly is back!

Es scheint, als ob viele der alten Windsurf-Marken mehrere Leben hätten: HiFly, gerade als Fashion-Marke wieder neu belebt, war auch 1986 eigentlich schon vom Markt verschwunden: Der frühere Besitzer Akutec war liquidiert worden, doch ein Mitarbeiter hatte sich die Rechte am Namen gesichert und an die Firma Rotex verkauft, die die Marke dann wenige Monate später wiederbelebte. “International hat der Name HiFly noch enorme Bedeutung und einen guten Ruf, es wäre einfach schade gewesen, ihn untergehen zu lassen,” so ein Manager. Doch der neue Besitzer betont, nicht für Garantieansprüche älterer HiFly-Boards verantwortlich zu sein. Zudem hat Rotex keine der alten Maschinen erwerben können und kann somit keine Ersatzteile nachproduzieren. Zum Neustart bringt HiFly einen 370er, einen 355er und einen 330er, ein kleineres Slalombrett soll noch kommen - alle produziert in “Marlite”, einem Polypropylen. Die Marke Marlin solle jedoch auf lange Sicht gesehen auslaufen.

Neuer Speed-Rekord von Pascal Maka

“It’s Crossbow-killing-day!” hieß es am 21. Juli 1986 beim Nabisco Speed Trial auf Fuerteventura. Der Renn-Katamaran “Crossbow” hielt bis dahin den Weltrekord für Segelfahrzeuge, doch dann kam Pascal Maka. Mit einem Vierer-Segel bei acht bis neun Windstärken legte mit 71,97 km/h fast fünf km/h mehr hin als der alte Rekord. Maka erwischt einen perfekten Tag und fährt noch 20 weitere Runs - allesamt schneller als der alte Kat-Rekord. Neben einer Speed-Needle fährt der Franzose ein seriennahes Gaastra-Segel mit Cambern (im Bericht noch sperrig als “Camber Inducer” bezeichnet). Keine pur mehr von den Spezial-Riggs vergangener Jahre, die ihre theoretischen Vorteile durch zu hohes Gewicht zunichte machen. Eines der extremsten Bretter fuhr der Zweitplatzierte Eric Beale: “Wie er es schafft, bei Start seine Füße auf dem nur 15 Zentimeter breiten Heck zu falten, ist vielen ein anatomisches Rätsel”, wunderten sich die Autoren. Bei den Damen gewann die erst 16 Jahre alte Britt Dunkerbeck, die sich ihr Rekord-Board erst am Tag zuvor gebraucht von Shaper Jimmy Lewis gekauft hatte. Das Duell mit Crossbow sollte aber noch weiter gehen, deren Konstrukteur wurde während einer Speedweek beim intensiven Segel-Studium der Konkurrenz erwischt.

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Segel-Hersteller im Cut Away-Fieber

Nach dem “Profilsegel-Schock” (O-Ton surf) zwei Jahre zuvor ist die Branche erneut in heller Aufregung. Der Cut Away-Trend ist nicht mehr zu bändigen, immer mehr Hersteller bringen mitten in der Saison neue Modelle mit Zacken im Achterliek und weit ausgestelltem Topp, obwohl die Lager der Shops noch voll sind. “In der Ski-Branche wäre es undenkbar, mitten in der Saison mit einer Neuerung an die Medien heranzutreten”, grummelt ein Business-Mann. Nach den ersten Versuchen auf Speedweeks haben frühere NeilPryde-Leute den Trend mit nach Europa an den Gardasee gebracht, jetzt wollen alle aufspringen. Die Theorie ist einleuchtend - in Böen kann das Segel oben twisten, ohne dass gefiert werden muss, der Druckpunkt wandert nach vorne -, die Praxis sieht noch anders aus: Hersteller machen sich wegen des oft flatternden Tops Sorgen um die Haltbarkeit, das weiche Profil kostet Leistung. “Das Cut Away steht für Surf-Spaß und Handling, nicht für Speed”, so North-Mann Eckart Wagner. Beim ersten Test am See Genezareth in Israel zeigt sich, dass die Grundidee bei den meisten Prototypen funktioniert, die Segel aber im Extrembereich kaum noch fahrbar sind. Fazit: Die positiven Eigenschaften werden durch ein twistendes Topp erzeugt - ob mit Cut Away oder durch andere, gemäßigte Schnitte, ist aber nebensächlich

Angus Chater, Erfinder der Mast-Fotos

Er erfand die Kamera-Perspektive aus dem Mast, bei der sich der Windsurfer selber fotografiert: Angus Chater, in den Jahren zuvor mit seinen spektakulären Bildern in fast allen großen Magazinen vertreten, hatte mit nur 26 Jahren Suizid begangen. Die Entstehungsgeschichte seiner Foto-Konstruktion ist eher traurig: Weil Angus auf Hawaii als Brite von den meisten Profis nicht anerkannt wurde, bekam der Fotograf und Shaper kaum gute Shots. Also dachte er sich diese Möglichkeit aus, wie er sich selber fotografieren konnte, denn Chater war selber ein sehr guter Brandungssurfer und stand durchaus gerne im Mittelpunkt. Er war jedoch ein Außenseiter ohne viele Freunde, schreibt Uli Stanciu in seinem Nachruf. Wichtigste Bezugs-Person war seine Frau Pam, die er wegen der Aufenthaltsgenehmigung geheiratet hatte und zu der sich erst später eine echte Liebe entwickelte. Nach einem schweren Unfall folgte er der Surf-Szene nach Maui, doch seine Beziehung zu Pam zerbrach an der Entfernung. Chater sah keinen anderen Ausweg als den Suizid.

Und sonst so?

  • In Suhrendorf an der Ostsee wurde mit 134 Brettern ein neuer Weltrekord für die längste Kette aus Windsurfern aufgestellt - aber nur wenig später am Ammersee mit 201 Mistral-Boards wieder übertroffen. Die neue Rekord-Kette gab es als Poster in der Heftmitte!
  • Surf-Verbot am Eisbach! Weil ein wegfliegendes Brett einen Badegast verletzt hatte, verbot ein Gericht das Surfen im Münchener Cityrevier und drohte 10.000 Mark Strafe an
  • Händewaschen leicht gemacht: Lange vor pandemiebedingten Wasch-Anleitungen zeigt surf, wie man bei einhändigen Manövern elegant-lässig die freie Hand im Wasser schleifen lässt. Zwar nicht lange genug für zwei Mal “Happy Birthday”, aber deutlich angenehmer!
  • Mistral bringt den neuen Equipe, damals mit sensationellem Gewicht für ein Raceboard. Im ersten surf-Test kann das mit 3800 Mark damals teuerste Serienbrett überzeugen, und auch heute noch sind der Equipe und seine Nachfolger in der Raceboard-Klasse häufig zu sehen.
  • Auf dem Weg vom an den Mast geknebelten Teak-Baum bis zur modernen Schnellverschluss-Gabel sind die Griffleisten ist einer wenig überzeugenden Zwischenstufe angekommen: Im surf-Test können weder die Verstellsysteme noch die Mastverbindung per Tampen überzeugen
  • In einer Glosse über die vollen Wochenenden am Brouwersdam amüsiert sich Autor Hans-Jürgen Kraatz über all die Rheinländer und Ruhrgebietler, die jeden Freitag Richtung Renesse pilgern und auf dem Wasser und an Land aufeinandertreffen: “Nach den internationalen Regeln weicht hier der mit der größten Angst oder Familie aus.”
  • surf zeigt fünf Kombis und testet sie auf ihre Tauglichkeit für Windsurfer. Alle bestehen den Packtest und bekommen das Prädikat “Sinkersafe”: Das bedeutet, dass kleinere Boards in den Innenraum passen und eingeschlossen werden können.
  • Zum zehnjährigen Jubiläum von Mistral gibt es die EM und WM der Mistral-Klasse als Riesen-Event in der heimischen Schweiz. 230 Starter aus 21 Ländern sind dabei.

Das gesamte Heft gibt es oben in der Galerie zum Durchklicken!

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