Geht’s noch?Irrenhaus am Strand

Tommy Brandner

 · 02.06.2024

Geht’s noch?: Irrenhaus am StrandFoto: Bernhard Förth
Eine eigene Surfstation! Arbeiten am warmen Traumspot, jeden Tag aufs Wasser, zwischendurch ein bisschen Touristen unterhalten - oder etwa nicht?

Wie vom Blitz gestreift schrecke ich mitten in der Nacht hoch und eine Stimme spricht: „Du musst was Neues machen, was ganz Neues.“ – „Hallo, was ist? Endlich Hobby und Beruf verbinden!“ Hmm, Hobby Windsurfen. Beruf? Klar, Surfschule mit Verleih! Gar nicht so dämlich. Tagsüber cool am Strand sitzen, Spritz schlürfen, einteilen, Material ausgeben und abends die Kohle zählen. Jawoll, absolute Entspannung, easy living! Schwein gehabt! Tatsächlich konnte ich eine Station an einem südlichen Urlauberstrand übernehmen. Der Kollege war nur eine Saison dort, also alles frisch.

Die ersten Tage bestanden aus Saubermachen, lokale Beamte schmieren, Material kontrollieren, Beamte nachschmieren. Aber dann ging’s los, die ersten Sets wurden verliehen. „Hallo, habt ihr den 251er Magic Wave von BJ Austria?“ „Nein, wir haben nur Material von Monotone. Der Monotone Fast 236er, der ist fast gleich, sogar etwas flotter.“ „Neenee, der BJ halst aber besser!“ „Kommt auf den Fahrer an.“ „Na, na, ich bin Clubmeister in Ülpenich.“ „Na dann …?!“

Am späten Nachmittag kam er zurück. Zu Fuß, und auf meine Frage, wo denn Brett und Rigg wären, meinte er: „Scheiß Sideshore-Wind, bin ganz runter abgetrieben, das Brett halst ja nicht. Bin dann an Land und erst mal ins Hotel zum Essen.“ „Und?“ „Was und? Nach dem Essen war alles weg, aber ihr seid ja versichert, no Problem. Ah, habt ihr den 120er Igel auch da? Der halst ja viel besser.“

Das war ein Einstieg in die Abteilung Klugscheißer. Aber dann kamen die ersten Anfänger zurück. Einer war in einen Seeigel getreten, hatte Stacheln im Fuß und wollte Schmerzensgeld. Ein anderer konnte den bayerischen Surflehrer nicht verstehen und verlangte Unterricht auf Hochdeutsch. Dann wollten sich drei Nichtschwimmer zum Wasserstart-Kurs anmelden und einer wollte sein Geld zurück, weil er nach 20 Privatstunden immer noch nicht halsen konnte. „Der Mast ist ab!“ „Echt – nach nur zehn Minuten Waschgang im Shorebreak?“ „Der hatte bestimmt schon einen Knacks!“ „Und wo ist die Finne?“ „Na, darauf kommt’s doch wohl auch nicht mehr an.“

Nach drei Wochen war ich nervlich am Anschlag und wurde mufflig. „Das Wasser ist aber kalt!“ „Morgen hängen wir einen Tauchsieder für dich rein!“ „Was, eine Surfstation ohne Wind, wo gibt’s denn so was?!“ „Wind? Kannste kaufen, eine Stunde fünf Beaufort macht 80 Euro!“ „Viel zu viel Wind hier!“ „Schalten wir nachmittags ab.“ „Wind von links – geht gar nicht!“ „Dreh dich um, dann kommt er von rechts, du Pfeife!“

Ein Irrenhaus war nichts dagegen, weshalb ich nach Lösungen suchte. Da meldete sich beim Mittags-Nickerchen wieder diese Stimme: „Na, läuft’s?“, und ich motzte los: „Da hast du mir ja was eingebrockt mit der Surfstation, von wegen Hobby und Beruf verbinden.“ „Surfstation? Ich meinte Grillen, du grillst doch so gern Würste, Grillen und eine Currywurstbude aufmachen!“

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