Olympia 2024IQFoil im Selbstversuch - Meeting mit dem Monster

Stephan Gölnitz

 · 26.07.2024

Leistung bei Leichtwind gibt’s auf dem IQ-Foil reichlich und einen Hauch olympischen Spirit obendrauf.
Foto: Sonja Duschek
2024 ist Olympia-Jahr und mit Sebastian Kördel und Theresa Steinlein sind zwei vielversprechende deutsche Starter dabei. Aber wie fährt sich eigentlich das olympische Windsurf-Material iQFoil? Stephan Gölnitz hat das 95 Zentimeter breite Foilmonster mit dem 9,0er-Segel im Selbstversuch gefahren.

Vollsperrung! Nichts geht mehr. Gerade haben auf diesem herrlichen kleinen Fleckchen Badestrand am See zwischen einem Schuppen und dichten Hecken noch zwei Kumpel locker ihr Freeride-Foilmaterial aufgebaut. Jetzt blockiert das 9,0er-Segel mit dem 520er Mast hier alles, es wirkt beim Handling doppelt so groß wie mein übliches 7,0er-Foil-Freeridesegel und das Board mit montiertem Foil liegt ständig wie ein Stück Berliner Mauer im Weg herum. Mal eben kurz zur Seite stellen geht kaum, weil man auf dem engen Raum in manchen Positionen gar nicht an die zweite Schlaufe greifen kann. Nach fünf Minuten ist das Aufriggen dennoch geschafft, war eigentlich mit den richtigen Handgriffen gar nicht so schwierig, die Camber klappen ordentlich an, die Trimmkräfte sind – sagen wir eine sportliche Herausforderung.


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Beim Waten durchs seichte Wasser spüre ich dann mit jedem Schritt, wie der große Schlund – verzeihe, die breite Masttasche – gierig Wasser schlürft. Meine 82 Kilo muss ich dementsprechend mit vollem Einsatz und ausdauernd an die Aufholleine hängen, bis das Segel – sehr langsam – aus dem Wasser kommt. Keine Frage, das Monster will erst mal gebändigt werden. Aber schwimmt das Board überhaupt schon? Oder sitze ich auf Grund auf? Die fast meterbreite Plattform schwimmt jedenfalls so stabil auf dem Wasser, dass der Unterschied kaum zu spüren ist. Abgesehen davon, dass das Segel wirklich groß ist, stehe ich daher ganz entspannt und gut balanciert. Die erste kleine Böe, vielleicht neun Knoten, fächle ich an – da ist kein Kleben, kaum Widerstand zu spüren, die 196 Liter Volumen allein scheinen das Board mit Leichtigkeit anzuliften, das Segel lädt sich mit jedem weiteren Fächeln auf, halb gleitend, halb fliegend beschleunigt das Set, wie man es mit einem Freeridesegel nie erleben wird, bevor es dann mit bereits sehr gutem Speed komplett abhebt.

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Entgegen dem spontanen Bauchgefühl sorgt die große Breite bei Foilboards für gute Kontrollierbarkeit.Foto: Sonja DuschekEntgegen dem spontanen Bauchgefühl sorgt die große Breite bei Foilboards für gute Kontrollierbarkeit.

iQFoil mit Finne ist möglich, aber sinnlos

Dass dem iQFoil bei ersten Fahrberichten vor einigen Jahren in Summe weniger gute Eigenschaften zugeschrieben wurden, liegt sicher auch daran, dass das Board anfangs auch stark für den Einsatz mit Finne angepriesen wurde – was schlichtweg nicht gut funktioniert. Für die Olympiabewerbung war das ein kluger Schachzug – als Garantie für Wettfahrten auch bei Events mit Dauersturm. Mittlerweile foilen die Profis aber auch bei 30 Knoten souverän, wegen zu viel Wind fallen auch iQFOiL-Events nicht aus – und Hobbysurfer haben dann ja glücklicherweise freie Materialwahl. Ich hänge bei acht bis 13 Knoten Wind fast wie ein Vorschoter auf einem Segelboot am Trapez – weit außen und mit den längsten Tampen, die ich im Testarsenal finden konnte – gefühlt dürften sie aber auch noch deutlich länger sein.

Das Speederlebnis ist gigantisch!”

Der See ist leer – jetzt schon den dritten Tag. Lediglich ein paar Wing Foiler treiben und flattern noch abwechselnd wie verzweifelte Tagfalter auf der Wasseroberfläche, einige mit ganz guten, viele mit mäßigen Erfolgen. Das neun Quadratmeter große Segel beschleunigt dagegen bei geschätzt zehn Knoten Grundwind mit leichten Böen regelmäßig in Richtung weit über 30 km/h, die 40 km/h sind in Sicht und mit dem 900er-Frontflügel sehr gut kontrollierbar: Das Speederlebnis mit dem Racematerial – zwischen Stand-up-Paddlern und an Bojen schaukelnden Segelbooten – ist gigantisch. Auch wenn man sich ein bisschen wie ein Beifahrer auf einem rasenden Truck fühlt, wirkt das gesamte Set doch beruhigend stabil.

2,20 Meter ist eine ordentliche Länge für ein Foilboard – die aber zum Abheben bei leichtem Wind weniger Körpereinsatz und Fahrtechnik erfordert.Foto: Sonja Duschek2,20 Meter ist eine ordentliche Länge für ein Foilboard – die aber zum Abheben bei leichtem Wind weniger Körpereinsatz und Fahrtechnik erfordert.

Halsen auf dem iQFoil erfordert eine andere Technik

Das große und sehr druckpunktstabile Rigg hält die Nase dosiert unter Kontrolle, viel besser als erwartet und sogar besser als ein kleineres Freeridesegel. Die lange Fuselage sorgt ebenfalls dafür, dass alle Bewegungen um die Querachse (rauf-runter) gedämpft und mit genügend Zeit zum Reagieren ablaufen. Die Füße stecken sicher in den bequemen Leichtschlaufen und das breite Heck vermittelt mit der langen Hebelwirkung ein Gefühl übermenschlicher Herrschaft über die beachtlichen Foilkräfte. Bei leichten Touch Downs springt das Board mit gutem Rebound wie ein flach geworfener Stein wieder nach oben, ohne groß abzubremsen.

In Böen steigt dann aber schlagartig die mentale Belastung: Fuß aus der Schlaufe nehmen und nach vorne baumeln wie ein Äffchen ist instinktive Überlebenstaktik, die Nadel schlägt in Gleitwind-Böen sofort satt über die 40 km/h aus. Dann folgt die Herausforderung. Mit Speed geht es in die Halse – und es passiert genau so, wie von Experten wie befürchtet: Das Segel schiftet nur langsam, steht im Weg, das Board setzt auf. Doch statt jetzt die Kontrolle zu verlieren, gleitet das Board sehr stabil weiter, ohne Tendenz wegzukippen, auch die erste unglücklich eingeleitete Halse endet so sicher und kontrolliert. Auch dabei gibt die große Breite offensichtlich mehr Sicherheit, als man vermuten würde.

Lange Arme erforderlich! Auch einfache Dinge – wie das Board mal eben umdrehen – erfordern die Anpassung alter Gewohnheiten.Foto: Sonja DuschekLange Arme erforderlich! Auch einfache Dinge – wie das Board mal eben umdrehen – erfordern die Anpassung alter Gewohnheiten.

surf-Fazit zum iQFoil-Test:

Aus dem Monster wurde nach drei Tagen Selbstversuch das Schmunzelmonster. Natürlich hängt man mit weniger als 1,90 Meter Körpergröße ein bisschen am Segel wie ein zu kleiner Jockey auf einem schottischen Kaltblüter. Aber zumindest im idealen Windbereich vermittelt das Set extrem sportliches, „olympisches“ Feeling bei sehr stabiler Fluglage. Und es bleibt der große Respekt für diejenigen, die auch bei weit über 19, 20 Knoten noch kompromisslos dicht halten – wenn dann das wahre Monster erwacht.

XXL-Packung: fast ein Meter breit, 2,20 Meter lang, 196 Liter Volumen; dazu ein 95-Zentimeter-Foilmast und eine Fuselage von 1,15 Metern.Foto: StarboardXXL-Packung: fast ein Meter breit, 2,20 Meter lang, 196 Liter Volumen; dazu ein 95-Zentimeter-Foilmast und eine Fuselage von 1,15 Metern.

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