Olympia 2024Sebastian Kördel über Material und Vorbereitung - “Der Druck ist extrem”

Tobias Frauen

 · 25.06.2024

Sebastian Kördel steht vor der wohl wichtigsten Regatta seiner Karriere. Bei den Olympischen Spielen geht er für Deutschland auf dem iQFoil-Material an den Start
Foto: Felix Diemer/DSV
Es ist nicht weniger als der wichtigste Event seiner Laufbahn: Sebastian Kördel geht für Deutschland bei den Olympischen Spielen an den Start - und hat große Chancen auf eine Medaille. Im surf-Interview berichtet er über seine Vorbereitung, das zugeloste Material und den Druck, der auf ihm lastet.

Hallo Sebastian, wo erwische ich dich?

Ich bin schon vor Ort in Marseille und habe gerade einen Rest Day. Ab morgen fahren wir fünf Tage lang eine Coach-Regatta, die letzte vor den Spielen. Das bedeutet, dass sich die Trainer zusammentun und eine richtige Regatta über mehrere Tage organisieren. Das ist optimal zum Trainieren.

Sind auch die anderen Olympia-Teilnehmer alle schon da?

Australien hat noch gefehlt, die sind aber vor zwei Tagen auch angereist. Es ist immer mal jemand unterwegs, zu Hause, bei Medienterminen oder Team-Präsentationen, aber dann kommen alle wieder hierher zurück und trainieren. Es ist wichtig, die Bedingungen vor Ort wirklich gut zu kennen.


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Wie sieht deine Vorbereitung konkret aus? Hast du einen Plan oder guckst du von Tag zu Tag, wie die Bedingungen sind und was du trainierst?

Ich bin im Austausch mit meinem Coach, er macht das Day-to-day-Management und plant, mit wem wir fahren, an was wir arbeiten, welche Kurse gefahren werden und worauf es dann an dem speziellen Tag ankommt. Das überlasse ich ihm, das ist einfach entspannter für mich. Ich komme morgens in den Hafen, kriege mein Briefing und dann weiß ich, was zu tun ist. Die größere Planung ist eher ein Dialog, wir entscheiden zusammen, wann der letzte Test vom Equipment stattfinden soll, wann man die Bucht richtig kennenlernt, also die unterschiedlichen Winde, Strömungen, Wellen und so weiter. Und manchmal konzentriert man sich aufs Rennenfahren, also dass man konstant seine Starts trifft, Manöver fährt und so weiter.

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Trainierst du alle Aspekte gleichgewichtet oder habt ihr Schwerpunkte?

Das hängt natürlich immer mit der Performance zusammen und wie gut man sich in den unterschiedlichen Bereichen fühlt. Wenn man mit seinem Material zufrieden ist, verschwendet man nicht noch mehr Zeit, es zum zehnten Mal zu testen. Wenn man auf der anderen Seite Probleme hat, seine Wenden anständig durchzufliegen, dann verwendet man vielleicht ein bisschen mehr Zeit darauf. Aber man muss natürlich auch immer aufpassen, dass man sich nicht in was verrennt. Bei mir persönlich ist es eine gute Mischung, das macht mein Training zurzeit aus. Wir schauen, dass wir alles abdecken und alles mal drankommt im Training.

Bereitest du dich auch mental vor?

Ja, ich arbeite mit einer Psychologin zusammen. Wir haben ein paar Sachen identifiziert, mit denen wir uns noch beschäftigen wollen. Und da bin ich ganz froh, eine gute Unterstützung zu haben, das ist neu für mich. Es ist schon extremer Druck, gerade durch unseren Modus mit den Medal Races. Je näher die Spiele kommen, desto deutlicher wird, dass eigentlich alle gleich schnell sind, das sind alles Top-Leute. Und dann kommt es nur drauf an, wer seine Tagesform richtig abrufen kann und wer mental das Rennen gewinnt.

Es kommt darauf an, wer mental das Rennen gewinnt.”

Ihr habt für die Olympischen Spiele neues Material zugelost bekommen. Wie weit bist du da mit der Vorbereitung, mit dem Einfahren, mit dem Testen?

Ich habe es nach der Regatta in Hyeres schon eine Woche getestet und dann war ich zwei Wochen am Gardasee. In Südfrankreich haben wir die Foils getestet, am Gardasee dann alles über Wasser, weil es natürlich im Salzwasser und im Süßwasser Unterschiede gibt. Ich bin damit eigentlich durch, ich weiß, welcher Mast, welches Segel, welcher Backwing, welche Fuselage ich fahren möchte. Beim Frontwing habe ich noch zwei Kandidaten, wo ich noch nicht genau weiß, welcher der Rennflügel wird. Aber das ist relativ schnell zu testen, da mache ich mir keine Sorgen. Das ist auch nicht super hoch auf der Agenda, das legen wir im Juli fest. Die Flügel sind auf dem Boot und können relativ schnell gewechselt werden. Beim Foil-Mast bin ich mir relativ sicher, welcher es wird und welcher mein Zweiter wird. Die hatten relativ große Unterschiede. Es gibt welche, die sind extrem steif, was natürlich super ist bei viel Wind, und dann haben wir welche, die sind ein bisschen weicher und haben dadurch ein bisschen mehr Performance Upwind bei mittleren Winden. Die sind dabei ein bisschen lebendiger, haben dann aber ein paar Nachteile, wenn es ruppig wird. Und da ist noch die Frage offen, für welchen ich mich entscheide. Aber da haben wir auch noch Zeit. Ich habe auf jeden Fall das ganze Material kennengelernt und weiß, woran ich bin.

Sein eigenes Material kenn er in- und auswendig, für Olympia muss sich Kördel auf ein neues Set einstellen.Foto: Sailing Energy / iQfoil ClassSein eigenes Material kenn er in- und auswendig, für Olympia muss sich Kördel auf ein neues Set einstellen.

Du hast also kein Lospech gehabt, sondern du kannst gut mit dem Material arbeiten?

Ja, es gab eine sehr große Streuung, gerade bei den Foil-Masten. Ich habe zum Beispiel einen, der ist so weich, den kann man gar nicht fahren. Bevor wir das Material bekommen haben, wurde alles vermessen und die Ausreißer sollen rausgenommen worden sein. Unter den Fahrern haben wir schon Späße gemacht, dass die wahrscheinlich die Dinger vertauscht haben, weil jeder in seiner Auswahl einen sehr steifen und einen sehr weichen Foil-Mast dabei hat. Ich glaube aber, das ist eine sehr gute Lösung, weil jeder definitiv was Konkurrenzfähiges finden wird. Und darum geht es. Es geht ja nicht darum, sich einen Vorteil zu verschaffen, sondern einfach nur das Lospech größtenteils zu vermeiden.

Es geht nicht darum, sich einen Vorteil zu verschaffen, sondern Pech beim Material zu vermeiden.”

Der Start ins Jahr ist ja nicht optimal gelaufen. Macht es das für dich schwieriger, als aus einer Top-Position in die Spiele zu starten?

Das wird sich zeigen. Ich habe kein Problem damit, nicht als absoluter Top-Favorit da reinzugehen. Ich freue mich eher, dass die Qualifikation vorbei ist, dass man sich nicht mehr mental darauf konzentriert, irgendwelche Qualifikationskriterien zu erfüllen. Ich kann mich wieder darauf konzentrieren, ein Windsurf-Rennen zu fahren und ein Windsurf-Rennen zu gewinnen - oder eine Regatta zu gewinnen, was ich ja schon gezeigt habe. Im Grunde geht es mir damit ganz gut, ob jetzt in der Favoriten-Rolle oder nicht.

Macht es für dich einen Unterschied, dass ihr bei Olympia in einem eher kleinen Feld startet, im Gegensatz zu sonstigen iQFoil-Events?

Es macht vom Setup her einen gewissen Unterschied, weil sich erlauben kann, schnellere Einstellungen zu fahren. In einer kleinen Gruppe ist einfach mehr Spielraum. Wenn du mit 24 Leuten unterwegs bist, ist es natürlich nicht so schlimm, wenn du mal am Start nicht wegkommst. Dann hängst du nicht hinter 60 oder 80 Leuten, sondern nur hinter 20. Da kannst du dir einfacher eine freie Linie suchen und dich nach vorne arbeiten. Mental ist es einfach, solange man nach vorne guckt. Nach hinten ist es schwierig. Beim Test-Event im letzten Jahr hatten wir den gleichen Modus, mit 24 Startern. Wenn man einen Fehler gemacht hat und 20 Leute vor sich sah, dachte man “Ist nicht so schlimm, ich bin noch irgendwo in den Top 20, das passt.” Und dann guckt man nach hinten und merkt, man ist Letzter (lacht). Das war schon schwierig. Also, es gibt positive Aspekte, es gibt aber auch negative.

Wen siehst du als Favoriten?

Das werde ich ja öfter gefragt, und wenn ich dann Leute aufzähle, fühlt sich das so an, als ob ich immer noch einen vergessen hätte. Alle Top-Leute sind Favoriten - Italien, Holland, Frankreich und ich für Deutschland, wir sind die, die sich bei den Weltmeisterschaften auf dem Treppchen abgewechselt haben. Der Australier ist wahrscheinlich der Schnellste auf dem Wasser, der hat fast 100 Kilo, super trainiert, ein bisschen wie ein Rugby-Spieler. Man kann aber auch Israel nicht rauslassen, auch Amerika gehört zum Favoriten-Kreis.

Leader of the pack: Kördel gehört bei Olympia 2024 zu den FavoritenFoto: iQFoil Class/Sailing EnergyLeader of the pack: Kördel gehört bei Olympia 2024 zu den Favoriten

Hast du auch jemanden, wo du sagst, das ist noch ein total unbeschriebenes Blatt?

Nein, die Leute, die um die vorderen Positionen fahren, die kenne ich alle. Und ich weiß, wie sie fahren, und worauf es ankommt. Man kann das natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber es ist sehr, sehr unwahrscheinlich, dass da jemand nachkommt, der sich noch gar nicht gezeigt hat und dann plötzlich rausfährt.

Bist du bei der Eröffnungsfeier dabei oder guckt ihr das von Marseille aus?

Ich wollte eigentlich unbedingt hin. Aber mein Coach hat von Anfang an davon abgeraten, er war schon viermal bei den Spielen. Das ist ganz schön anstrengend, man steht viel rum, ist erst um vier Uhr nachts wieder im Hotel in Paris und muss noch wieder nach Marseille kommen. Wir haben nur einen Tag zur Erholung, bevor es dann losgeht. Er meinte, das ist meine Entscheidung und wenn es für mich wichtig ist, das zu erleben und diesen Hype mitzukriegen, dann will er mir da nicht im Weg stehen. Aber er legt mir doch sehr stark ans Herz, da drauf zu verzichten und dann lieber bei der Abschlussfeier dabei zu sein - die sowieso die viel coolere Party ist. Dementsprechend wird das glaube ich nichts mit der Eröffnungsfeier, wenn man realistisch ist. Wenn er das liest, ist er sehr glücklich, mein Coach (lacht). Das ist bestimmt auch ein unglaubliches Erlebnis, aber ich glaube, es ist noch cooler, eine Medaille um den Hals zu haben.

Die Eröffnungsfeier ist bestimmt ein unglaubliches Erlebnis, aber ich glaube, es ist noch cooler, eine Medaille um den Hals zu haben.”

Ihr seid ja in der ersten Woche terminiert. Hast du Pläne für die zweite Woche?

Auch wenn ich die Eröffnungsfeier wahrscheinlich verpassen werde, bin ich froh, dass wir am Anfang dran sind. Dadurch müssen wir nicht erstmal rumsitzen und warten, dass es losgeht. Danach werde ich schauen, dass ich das Team noch unterstützen kann hier in Marseille. Wir sind ja als German Sailing Team gemeinsam hier und die anderen Klassen fahren auch in der zweiten Woche noch. Vielleicht gucke ich auch mal in Paris vorbei und schaue mir da die ein oder andere Sportveranstaltung an. Aber grundsätzlich will ich auch für die anderen deutschen Teams da sein. Wenn ich da irgendwie helfen kann, dann ist das eine Chance.

Und weißt du schon, wie von zu Hause aus der Support ist? Gibt es Public Viewing am Bodensee?

(lacht) Das wäre ziemlich cool. Ich weiß, dass meine Familie zum Teil hier vor Ort sein wird. Es ist ja auch super, dass die Olympischen Spiele so nah sind. Von Bodensee aus ist man an einem Nachmittag hier. Ein paar Freunde haben sich auch angekündigt. Ich weiß nicht, wie viel ich mich um sie kümmern kann, aber es ist auf jeden Fall schön zu wissen, dass ein paar Leute hier vor Ort sind.

Wie ist das Setup in Marseille, gibt es in der Bucht Tribünen? Kriegt ihr auf dem Wasser etwas mit von den Zuschauern an Land?

Ja, es wird große Tribünen geben auf der Hafenmauer. Und einer der Kurse, die für uns vorgesehen sind, ist auch direkt dort. Es kommt natürlich immer auf die Windrichtung an, aber bei normaler Brise und bei Mistral kannst du da fahren. Und ich glaube, es wird schon eine ganz coole Atmosphäre. Mein Coach warnt mich immer, ich müsse dran gewöhnt sein, dass der Helikopter über mir fliegt. Also es wird atmosphärisch sicher anders als die anderen Events. Aber es wird schon was Spezielles. Da kann ich mich definitiv auf was gefasst machen.

Danke für das Gespräch - und natürlich viel Erfolg!


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