Griechenlands größte Insel, Kreta, hat für Windsurf-Fans viel zu bieten. Wer an Kreta denkt, denkt meist an den im Osten gelegenen Topspot Palekastro, der mit einer atemberaubenden Windquote glänzen kann. Jetzt also der Westen? Stehen die in diesem Guide empfohlenen Spots etwa in Konkurrenz dazu? Ein ganz klares „Nein!“, denn: Wer zum Windsurfen nach Kreta reist und die ganze Zeit über an ein und demselben Spot einquartiert bleiben möchte, hat in Palekastro eindeutig die beste Chance, viel Wasserzeit abzugreifen und ein perfektes Paket aus guter Windquote, Surfcenter und spotnahen Wohnmöglichkeiten. Wer aber vor Ort mobil ist, sei es mit dem Camper oder einem Mietwagen, der sollte die Alternativspots im Blick haben, denn die Topspots im Osten brauchen allesamt eine Zutat, ohne die es nicht geht: Meltemi!
Und wie in ganz Griechenland kann es auch auf Kreta immer wieder vorkommen, dass der Meltemi mal für einige Tage zum Erliegen kommt. Spot-Reporter Woife Strasser, der jedes Jahr rund 70 Tage auf Kreta verbringt, hat festgestellt: „Seit zehn Jahren wird der Meltemi zunehmend launischer. Dass es im Hochsommer mal zehn, zwölf Tage komplett abstellt, war früher eine Seltenheit, kommt mittlerweile aber immer wieder vor, zuletzt 2023. Es war der schlechteste Meltemi-Sommer seit Langem, trotzdem war ich auf Kreta an 72 von 75 Tagen auf dem Wasser, vor allem, weil ich viel an den Westspots gesurft bin.“ Wer also bei aussetzendem Meltemi nicht in der brütenden Sommerhitze dahinsiechen möchte, sollte sein Surfmaterial einladen und aufbrechen in Richtung der unter Wassersportlern ungleich unbekannteren Nord- und Westküste. Denn wie unser Spot-Reporter Woife Strasser aus vielen Kreta-Trips weiß: „Wenn der Meltemi einschläft, bildet sich normalerweise im Westen der Insel eine verlässliche Thermik aus, die, je nach Spot, 15 bis 30 Knoten stark werden kann. Außerdem kommt man dann in den Genuss, mal etwas völlig Neues zu entdecken.“
Kreta – über 1000 Kilometer Küste
Auf dem Weg von Ost nach West wird aber auch klar: Erstens – Kreta ist verdammt groß, knapp 260 Kilometer dehnt sich die Insel von West nach Ost aus. Und zweitens: Kreta ist auch ziemlich hoch – statt also mal eben rüberzucruisen, ist so mancher Höhenmeter und so manche Steilkurve zu nehmen. Wer sich darauf einlässt, der kann aber auch noch sehr viel Ursprünglichkeit entdecken: kleine Bergdörfer, in denen die Zeit still zu stehen scheint, imposante Gipfel, atemberaubende Aussichten und freundliche Menschen.
Viel Spaß beim Entdecken des wilden Westens!
Windsurfspots im Westen von Kreta
1. Georgioupoli/Episkopi
35.3521, 24.3409
Der Ort liegt etwa 30 Kilometer östlich vor Chania, an einem kilometerlangen Sandstrand. Im Sommer wird der Spot nicht sehr oft belüftet, aber es gibt immer wieder schöne Meltemi-Tage (12 bis 25 Knoten aus Nordwest) mit schräg auflandigem Wind von links, leichter Welle bis 1,50 Meter und etwas Shorebreak! Bei NW- und WNW-Strömung kann sich dort auch eine Thermik von bis 25 Knoten aufbauen. Wenn der Nachbarspot Kalyves mit über 25 Knoten belüftet wird, kann man auch hier ab circa 16 Uhr mit Gleitwind rechnen. Im Winterhalbjahr verwandelt sich der Spot mitunter in einen Wavespot mit Wind aus Nordwest und Nordost, dann aber nur für Experten!
Am Spot gibt’s feinen Sandstrand, der Stehbereich fällt mit knapp fünf Metern aber überschaubar aus. Der beste Einstieg ist am Episkopi Beach, sieben Kilometer östlich von Georgioupoli. Hier gibt es einen großen Parkplatz, Kiosk und die Taverne Kymata mit Sonnenschirmen, Liegen und Duschen. Ansonsten gibt es entlang des Sandstrandes zahlreiche Hotels, Bars, Supermärkte und Tavernen.
2. Kalyves
35.4532, 24.1738
Der Ort Kalyves liegt etwa 15 Kilometer östlich von Chania und ist ein Spot nur für Wind aus West- bis Westnordwest. Wenn im Sommer kein Meltemi weht, ist dieser Spot eine Alternative, da sich dann dort normalerweise eine Westströmung entwickelt, die sich in der Souda Bay durch Thermik auf vier bis sechs Beaufort (an guten Tagen fünf bis sieben Beaufort) verstärken kann. Der Wind kommt dann in Kalyves sideshore von links. Die Surfbedingungen in Ufernähe sind von Flachwasser bis leichtem Chop, der Stehbereich beträgt circa 20 Meter. Weiter draußen gibt es bis ein Meter Welle je nach Windstärke.
Parkplätze, Duschen, Hotels und Bars sind am Sandstrand vorhanden. Meist weht der Wind etwa drei Kilometer westlich in Kalami schon ab vormittags aus West oder WSW und dreht meist ab Mittag nach Kalyves mit WNW herein. Wohn- und Einkaufsmöglichkeiten sowie Bars und Tavernen sind im Tourismuszentrum des Ortes Kalyves zahlreich vorhanden, wodurch dort am Abend reges Treiben herrscht.
3. Kolymbari
35.5439, 23.7809
So wie sich der Meltemi aus NO in Phalasarna verstärkt, so ist es in Kolymbari genau umgedreht. Bei einer Vorhersage in Phalasarna aus WSW ist der Spot und dessen Umgebung die erste Wahl. Der Wind verstärkt sich bei Kolymbari mit einer Vorhersage von 10 bis 18 Knoten aus WSW Richtung meist auf 15 bis 25 Knoten, und der Wind kommt schräg ablandig/sideshore von links. Es gibt Flachwasser und Chop im Wechsel.
In Kolymbari ist der Wind am stärksten, es gibt dann Tage mit sechs bis neun Beaufort. Dann gibt es die Möglichkeit, sich an der Küste etwa fünf Kilometer weiter östlich Richtung Maleme, einige Einstiegsstellen zu suchen, da der Wind dann in der Regel mehr auf West dreht und etwa ein bis zwei Beaufort schwächer ist. Es gibt auf dieser Strecke viele kleine Hotels mit Strandbars und eine gute Infrastruktur. Der Wind weht mehr sideshore von links, und je nach Wind kann der Chop bis zu einem Meter hoch werden. Feiner Sandstrand mit fünf bis zehn Meter Stehbereich.
4. Kissamos
35.4997, 23.6521
Dieser Spot funktioniert bei starkem Meltemi aus Nord bis Nordost, dieser weht recht auflandig und bringt etwas Brandung und Shorebreak mit – Aufsteiger sind hier weniger gut aufgehoben. Wenn es auf der Leeseite der Halbinsel, in Falassarna, mit 30 bis 40 Knoten ballert, dann herrschen hier auf der Nordseite meist gut fahrbare 15 bis 20 Knoten, die jede Menge Spaß bringen können. Wenn Falassarna aber nur thermischen Wind aus Nordost mit 12 bis 20 Knoten hat, weht in Kissamos nur eine leichte Brise. Vom Hafen von Kissamos führt eine Uferstraße (circa 1,5 Kilometer) an mehreren Badebuchten mit Infrastruktur entlang. Am Ende liegt der Kaliviani Beach, ein breiter Sandstrand, teils mit Felsplatten im Wasser und ohne Infrastruktur. Der Einstieg ist am Ende des Strandes, geparkt wird auf der Uferstraße.
Einen alternativen Einstieg bei nördlicher Windrichtung gibt es in einer schmalen Bucht, die auf dem Weg von Kissamos nach Balos direkt hinter der Mautstation liegt. Parken ist am Kieselstrand möglich, allerdings auch hier keine Infrastruktur. Der Einstieg ist im linken Bereich der Bucht, wo es allerdings auch größere Felsen unter Wasser gibt, deren Lage man sich vorher ansehen sollte. Hier darf der Wind allerdings nicht zu nordöstlich kommen, da ansonsten der Shorebreak zu heftig ist.
5. Livadia/Zebra
35.3484, 23.5379
Livadia funktioniert ideal bei Wind aus NNW bis NNO. Am Einstieg liegen lauter Kieselsteine mit Zebra-Muster, daher haben wir ihm, gemeinsam mit dem Local Christos, den Namen „Zebra-Spot“ gegeben. Man surft etwa 500 Meter südlich vor dem Strandkiosk von Livadia, der Wind kommt nahezu sideshore von rechts. Das Wasser wird nach wenigen Metern tief, und die ersten 50 bis 100 Meter (je nach Windrichtung) surft man noch in einer kleinen Windabdeckung. Draußen bietet der Spot Flachwasser und, abhängig von der Windstärke, eine kleine Dünungswelle mit bis zu einem Meter, die zum Springen und Tricksen einlädt.
6. Stomio
35.3284, 24.5482
Der Spot liegt an der Westküste etwa sieben Kilometer vor Elafonissi und ist eine gute Alternative dazu, da Elafonissi seit 2023 aus Naturschutzgründen für Autos gesperrt ist. Dort muss man jetzt im Ort parken und dann knapp drei Kilometer (!) zu Fuß zum Strand laufen – mit Material kein Zuckerschlecken. Anders in Stomio: Parken ist hier direkt an der Straße neben dem Strand überall möglich. Der Spot, eine große Bucht mit breitem Strand und großen Steinen, funktioniert mit nordwestlicher Windrichtung. Bei einer Vorhersage von acht Knoten wird der Wind durch einen Kapeffekt verstärkt auf etwa zwölf bis 20 Knoten, meistens am Nachmittag. Je nördlicher es weht, desto böiger kommt der Wind an. NW-Wind kommt sideonshore von rechts und bietet in Ufernähe Flachwasser, weiter draußen entsteht Chop von einem halben Meter. Bei Meltemi aus Nordost funktioniert der Spot nicht. Infrastruktur gibt es wenig, nur eine Bar, um den Sonnenuntergang im Meer nach einem guten Surftag zu erleben.
7. Krios
35.2343, 23.6035
Der Spot liegt rund zehn Kilometer westlich von Paleochora und etwa 300 Meter vor dem eigentlichen Krios Beach und funktioniert bei WSW bis NW. Der Wind weht sideshore oder leicht sideoff von rechts und beschert perfekte Freestyle- oder Slalombedingungen mit Flachwasser oder Kabbelwasser. Am Krios Beach zieht es oft am Nachmittag durch, oft gibt es am Abend noch mal einen Nachschlag mit super Wind mehr aus Nordwest. Der Kieselstrand fällt recht schnell ab, wodurch sich kein nennenswerter Stehbereich ergibt. Vorsichtig sein sollte man weiter rechts am Kap, da es außerhalb eine starke Strömung gibt! Geparkt wird am Einstieg neben der Straße. Am Krios Beach selbst gibt es Duschen, Schirme und Liegen sowie einen Kiosk. Im kleinen Ort Grammeno (etwa fünf Minuten östlich) gibt es kleine Supermärkte, Tavernen, Unterkünfte und einen Campingplatz.
8. Kountoura
35.2324, 23.6208
Der wohl beste Flachwasserspot mit Westwind auf Kreta liegt etwa in der Mitte auf dem Weg von Paleochora zum Krios Beach. Eine vorgelagerte etwa 200 Meter lange Landzunge beschert bei Wind aus WSW bis WNW eine 1-a-Piste zum Heizen, für Manöver und zum Freestylen. Der Wind kommt sideshore von rechts bis leicht schräg ablandig, aber relativ konstant. Hinter der Landzunge gibt es einen Chop bis zu einem Meter Höhe, abhängig von der Windstärke. Die Zufahrt zum kieseligen Strand erfolgt über einen unbefestigten Weg. Parken ist vor Ort möglich. Es gibt keinen Schatten und keine Infrastruktur, aber im nahen Ort gibt es Einkaufsmöglichkeiten.
Revier-Infos Kreta
Anreise
Am besten reist man mit der Fähre von Venedig oder Ancona nach Patras mit anek.gr oder minoan.gr, dann circa drei Stunden Autofahrt nach Piräus, wo die Fähren nach Heraklion, Rethymnon oder Chania ablegen.
TIPP: Bei Buchung bis Ende Februar gibt es eine Frühbucher-Ermäßigung auf den Fährpreis. Bei gleichzeitiger Buchung der Rückfahrt und der innergriechischen Fähre gibt es zusätzliche Prozente, ebenfalls gibt es Abschläge für Mitglieder von Automobil- oder Campingclubs – nachfragen lohnt sich! Auch „Camping on Board“ ist buchbar, allerdings ist es nicht möglich, im Wohnmobil/Bus zu bleiben, sondern man erhält eine Kabine. Das Kontingent ist sehr begrenzt und meist schon Anfang Januar nicht mehr verfügbar.
Es gibt auch eine Fährverbindung von Githio/Peloponnes nach Westkreta zum Ort Kissamos.
Charterflüge gehen meist von vielen deutschen Flughäfen nach Heraklion und begrenzt nach Chania.
Wind & Wetter
Kreta ist so groß und bietet derart vielfältige Landschaften und Spots, dass eine Reise ganzjährig faszinierend sein kann. Das Sommerhalbjahr zwischen Mai und September ist freilich zum Windsurfen die ideale und konstanteste Reisezeit. Durch die Sonneneinstrahlung entwickelt sich über dem Nahen und Mittleren Osten dann ein stabiles Hitzetief, welches Luft ansaugt, es entsteht der Meltemi, der auf Kreta als Nord- bis Westwind ankommt.
Die windsicherste Ecke ist der Osten um den bekannten Topspot Palekastro, hier weht es im Hochsommer beinahe täglich für kleine Segel. Die Spots der Nord- und Westküste sind vor allem dann ein Tipp, wenn der Meltemi zusammenbricht, es entsteht dann oft eine Thermik aus westlichen Richtung, die aufgrund lokaler Effekte beachtliche Stärken erreichen kann. Die Temperaturen auf Kreta sind ganzjährig mild, die Wassertemperatur sinkt selten unter 17 Grad und steigt im Hochsommer bis auf 26 Grad. Angesichts der dann heißen und trockenen Witterung sind Shorties bis maximal Kurzarmneos dann die erste Wahl.
Mehr Spots auf Kreta:
Wohnen & Campen
Die gesamte Insel ist touristisch gut erschlossen, über die bekannten Buchungsplattformen im Netz findet man auch Unterkünfte aller Preisklassen im Westen der Insel. Auch einige Campingplätze im Westen sind zu finden – hier eine Auswahl:
Chania
Kissamos
Krios/Paleochora
Wildes Campen ist in Griechenland offiziell verboten, vor allem zur Hauptferienzeit wird auch kontrolliert. Vielerorts wird man allerdings geduldet, sofern man sich an die Regeln hält: Nicht zu sehr ausbreiten, Müll mitnehmen und die lokale Gastronomie vor Ort unterstützen.
Surfschulen
Wer den Westen Kretas erkunden möchte, sollte mit eigenem Material anreisen. Es gibt hier keine Verleihstationen. Auch Shops sucht man im Westen vergeblich.
Alternativprogramm
Der See von Kournas, Kretas einziger natürlicher Süßwassersee, und das Dorf Kournas mit urigen Tavernen, circa vier Kilometer entfernt, lohnt einen Besuch. Vom Episkopi Beach einige Kilometer weiter im Inselinneren liegt das historische Avocado-Dorf Argiroupoli mit mächtiger Quelle, Forellenzuchtstation und mehreren Tavernen. Unser Favorit ist die Taverne „Agia Dinamis“, die seit 1989 in Familienbesitz ist und die erste Taverne an der Quelle war. Hier kann im Grünen und unter vielen Wasserkaskaden die fangfrische Forelle oder auch die traditionelle kretische Küche, wie Schnecken, gefüllte Zucchiniblüten, wildes Gemüse (Xorta) und Antikristo (traditionell gegrilltes Lamm oder Rind) authentisch genossen werden.
Gut zu wissen
Die Sommerhitze kann bei ausbleibendem Wind heftig werden, auch auf dem Wasser ist entsprechender Sonnenschutz absolut essenziell. Surfschuhe sollte man im Gepäck haben, da die Einstiege nicht überall sandig sind.