Strike Mission mit Leon JamaerIrland-Roadtrip mit Höhen und Tiefen

Leon Jamaer

 · 15.03.2024

Bis Leon Jamaer in den Genuss solcher Magheroarty-Lines kam, musste so manches Hindernis überwunden werden
Foto: Bulgenslag
Streikende Fluglotsen, knirschende Knochen und Kameraequipment, das von dunklen Mächten gekapert scheint – bei diesem Irland-Trip von Leon Jamaer und Friedel Blaasch war nicht alles eitel Sonnenschein.

Von und nach Deutschland geht kein einziger Flug mehr – es wird mal wieder gestreikt. Zum Glück konnten Friedel und ich unsere Flugtickets kostenlos auf die Niederlande umbuchen, denn sonst hätten wir den spontan geplanten Ausflug nach Irland direkt wieder abblasen müssen. Rund um das erste Februarwochenende verspricht die Wettervorhersage für den Nordwesten von Irland starken Südwestwind, zwei aufeinanderfolgende Swells, milde Temperaturen und trockenes Wetter.

Bei Friedel und mir stehen keine größeren Winterreisen mehr an, und von den vier Grad Lufttemperatur und immer gleich grauen Nord- oder Ostseewellen haben wir gerade die Nase voll. Die Aussicht auf langperiodischen Groundswell, saubere Riffwellen und dunkles Bier ist Anlass genug, um kurzfristig Urlaub einzureichen, das Kamera- und Windsurfmaterial einzupacken und uns auf eine – jetzt schon etwas strapaziöse – Reise zu begeben.

Action trotz Anreisetag

Gegen Mitternacht queren wir die holländische Grenze. Auf dem blanken Flughafenboden von Schiphol schläft es sich gar nicht mal so bequem. Nach knapp zwei Stunden bin ich ziemlich ausgekühlt wieder wach. Ein Kaffee bringt etwas Wärme, und dann heben wir auch schon ab. Der Tag ist durchgetaktet: Ankunft in Dublin, Mietwagen abholen und beladen, quer durch Irland fahren mit kurzem Stopp im Drive-through und Ankunft in Magheroarty, im äußersten Nordwesten von Irland.

Zwei Stunden Tageslicht verbleiben, also geht’s direkt aufs Wasser. Ein sauberer Swell, der vom starken sideoff­shore-Wind glattgeblasen wird, bricht am Riff links von der Hafenmole. Die Bedingungen liegen irgendwo zwischen perfekt und sehr schwierig – die Wellen richtig zu lesen, ist nicht leicht. Mein Segel ist etwas zu groß, und beim Trimm des Bretts habe ich irgendwas durchei­nanderbekommen. Neben einigen schönen Momenten, wenn ich die Lippe im richtigen Augenblick zum Aerial erwische, werde ich auch immer wieder abgeräumt. Irgendwann bricht mir die Lippe ins Shothorn, die Welle spült mein Brett Richtung Wellental und meinen Körper in die entgegen gesetzte Richtung – meistens ist das keine gute Ausgangslage für die Gelenke und Bänder. Als ich auftauche, frage ich mich kurz, wann wohl der nächste Flug zurück nach Deutschland gehen würde.

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Der Empfang in Irland war für Leon schmerzhaftFoto: BulgenslagDer Empfang in Irland war für Leon schmerzhaft

Da ich am Strand halbwegs normal auftreten kann, habe ich zumindest die Gewissheit, dass nichts richtig doll kaputt ist. Ebenfalls muss ich an den Windsurffotografen Pierre Bouras denken, der immer sagt: „Anreisetag ist Anreisetag – da gibt’s keine Action“. Für „Anreisetage“ bleibt uns diesmal allerdings nicht die Zeit.

Die Welle spült mein Brett Richtung Wellental und meinen Körper in die entgegen gesetzte Richtung – meistens ist das keine gute Ausgangslage für die Gelenke und Bänder

Dunkle Mächte

Zweimal Full Irish Breakfast lautet unsere Frühstücksbestellung im Bed and Breakfast Loch Altan – eine der wenigen Unterkünfte, die hier im Winter geöffnet haben, und sogar einen Windsurferrabatt kennen. Wir lassen uns Speck, Wurst, Bohnen und Ei besonders gut schmecken, denn wir wissen, es steht ein langer Tag an der frischen Luft an. So unausgewogen die irische Küche auch sein mag, die Fette und Kalorien bringen einen gut durch den Tag – das muss man ihr lassen. Und das ist auch genau das, was wir brauchen, plus Ibuprofen, denn auf dem Meer scheppert es bereits fürs 4,2er-Segel.

Als am Abend dann noch die Heizung in der Unterkunft ausfällt und wir die verregneten Aufnahmen ansehen, ist der Tiefpunkt der Stimmung erreicht

Friedel, der das letzte Mal vor zehn Jahren einen Fuß in ein Flugzeug gesetzt hat, hat auf dieser Reise sein Windsurfmaterial zu Hause gelassen, damit er sich voll und ganz auf das Fotografieren und Filmen konzentrieren kann. Es stürmt, doch leider schüttet es an diesem Tag, anders als vorhergesagt, ununterbrochen vom Himmel. Während ich mit getaptem Fuß eine gute Session am Riff habe und mich der Neo, wie ein magischer Umhang, vor jeglichen Wettereinflüssen beschützt, kämpft Friedel an Land mit den widrigen Bedingungen. Die komplexe Technik der Kamera fängt im Dauerregen an zu spinnen, und kaum ein Shot will klappen, so wie er es sich wünscht. Als am Abend dann noch die Heizung in der Unterkunft ausfällt und wir die verregneten Aufnahmen ansehen, ist der Tiefpunkt der Stimmung erreicht.

Nach Regen kommt SonnenscheinFoto: BulgenslagNach Regen kommt Sonnenschein

Silberstreif am Horizont

Am nächsten Tag ist endlich Sonnenschein, Wind und ein neuer, deutlich größerer Groundswell vorhergesagt. Timo Mullen, der irische „windsurf die hard“ der ersten Stunde, schreibt mir: „Magheroarty wird episch, du wirst es lieben!“ Voller Vorfreude sind wir früh am Spot, und ich warte mit aufgeriggtem Material darauf, dass der Wind zulegt und die neuen Swelllinien an die Küste heranrücken. Dabei genießen wir die wenigen Sonnenstrahlen, die sich zwischen den Wolken hindurch den Weg auf unsere blassen Gesichter bahnen.

Magheroarty ist für die Iren, was Klitmøller für uns Norddeutsche ist.

Mittlerweile sind wir auch nicht mehr so alleine. Ein knappes Dutzend irischer und britischer Windsurfer ist von der guten Vorhersage in den Norden Irlands gelockt worden. Mit dabei sind der Ex-Worldcupper Phil Horrocks, der es in diesem Winter auch nicht nach Kapstadt schafft, und der Däne Lars Petersen, der regelmäßig von Klitmøller nach Irland reist und hier eine Art zweite Wellenheimat gefunden hat. Magheroarty ist für die Iren, was Klitmøller für uns Norddeutsche ist. Bei Windrichtungen zwischen SSW und WNW findet man eigentlich immer windsurfbare Bedingungen – ob an der Riffkante links vom Pier oder in der lang gestreckten Sandbucht. Dazu vermittelt die umarmende Bucht ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit und macht diesen Ort besonders beliebt.

Wenn Magheroarty läuft, gehört der Break sicher zu den besten Wellen EuropasFoto: BulgenslagWenn Magheroarty läuft, gehört der Break sicher zu den besten Wellen Europas

Irland verwehrt uns seine Magie - vorerst

Mittlerweile rollen massive Wellenberge in die Bucht, aber der Wind hat auflandiger gedreht. Zwar wäre der Wind stark genug, doch die Bedingungen sehen so unberechenbar aus, dass ich meinen Knöchel dem Risiko eines harten Wipe-outs heute nicht aussetzen will. Als sich abzeichnet, dass sich die Bedingungen nicht mehr ändern, nutzen wir das verbleibende Tageslicht, um einige andere Spots in der Gegend zu erkunden und ein Gefühl für windsurfbare Swellgrößen, Tidenstände und Windrichtungen zu bekommen. Irlands Magie wird uns heute verwehrt bleiben. Tag drei der Reise ist um, und wir haben kaum brauchbare Aufnahmen im Kasten. Der Wetterdienst verspricht fortan zwar mehr Wind und Welle aber auch wieder dunkles, graues Wetter.

Magheroarty-PerfektionFoto: BulgenslagMagheroarty-Perfektion

Lange habe ich mit der Entscheidung gerungen: Hier bleiben oder Richtung Sligo fahren, wo sich die Regenwolken weniger in den Bergen verhängen und andere Spots mit mächtig Potenzial aufwarten. Das fleischlastige irische Frühstück im B&B können wir nicht mehr sehen, und alles in mir sehnt sich nach einem Wechsel. Auf der anderen Seite will ich Magheroarty erleben, wenn es richtig aufdreht. Beim Storm Chase durfte ich das 2019 zwar schon genießen, allerdings war es damals fürs Down-the-line-Abreiten eigentlich zu windig.

Masthohe Sets mit kernigen Sections

Als ich aufs Wasser gehe, ist es noch relativ düster. Wir haben uns mit dem Wetter abgefunden. So wenig Friedels Kamera Feuchtigkeit mag, umso besser kommt der hochtechnisierte Apparat mit schlechten Lichtverhältnissen klar – ISO, Blende und Verschlusszeit werden angepasst, und das Ziel lautet, jeden einzelnen Regentropfen scharf abzulichten. Übermasthohe Sets reihen sich an der Riffkante auf und brechen geordnet von links nach rechts. Mit 4,2er- Segel und meinem asymmetrischen 82-Liter-Brett fühle ich mich nun endlich auch pudelwohl. Die längere Innenkante kann ich beliebig doll in den Bottom Turn drücken, und gleichzeitig erlaubt das abgeschnittene Swallow Tail vertikales Drehen in der Pocket der Welle. Die schmeißende Section der Welle im richtigen Moment zu erwischen, finde ich dennoch ausgesprochen schwierig, und die Welle erinnert mich damit ein wenig an Margaret River in Australien. Phil Horrocks und ich haben den Spot heute für uns allein, freuen uns über die Abwesenheit von Kitern und zerlegen genüsslich ein Set nach dem anderen. Ein Mastbruch beendet die Session, und wir setzen uns ins Auto in Richtung Süden.

Roadtrippin’Foto: BulgenslagRoadtrippin’

Mullaghmore - Spaß trifft Adrenalin

In Mullaghmore – ein Ort, berüchtigt für die dort brechende Monsterbarrel – erwartet uns ein aufgewühlter Atlantik. An der Felsformation brechen massive Wellenberge, doch Tide und Windrichtung stimmen heute nicht ganz – trotzdem ein guter Tag, um den Spot auszutesten. Mittlerweile ist auch Timo, zusammen mit John Carter, wieder eingetroffen. Am Hafen macht sich eine Gruppe rund um Megan und Aleksy Gayda gerade daran, ihr Material aufzubauen und den Safety-Jetski ins Wasser zu lassen. Sie wirken dabei, als wäre heute nur irgendein gewöhnlicher Februartag, an dem sich ein paar Freunde zum Windsurfen treffen. Und genauso fühlt sich die gemeinsame Session dann auch an: ein wilder Mix aus Spaß und Adrenalin. Dabei lässt der Spot heute nur erahnen, wozu er in der Lage ist. Der Burger und das Guinness schmecken Friedel und mir nach dem langen Tag, an dem endlich alles zusammengekommen ist, besonders gut. Mit Timo und John Carter verabreden wir uns für den nächsten Tag an einem weiteren Spot, an dem ich schon immer bei den passenden Bedingungen rausgehen wollte.

Einladend - MullaghmoreFoto: BulgenslagEinladend - Mullaghmore

Ende gut, alles gut

Am Abreisetag bleibt nur noch Zeit für eine kurze Morgensession – dann müssen wir zurück zum Flughafen. Doch leider hat es, entgegen der Vorhersage, kaum Wind, und das Wellenbild ist noch immer sehr aufgewühlt und weniger sortiert, als ich erhofft hatte. Mit großem Material kann ich ein paar gute Wellen erwischen, doch der löchrige Wind und etwas Strömung im Meer untermalen die Katerstimmung.

Ich bin dankbar, Teil dieses manchmal absurden aber auch einzigartig fantastischen Sports zu sein

Auf der Fahrt zum Flughafen verspüre ich trotzdem vor allem Dankbarkeit. Dafür, dass ich die Möglichkeit habe, zusammen mit Friedel für ein paar Tage dem Alltag zu entfliehen und gemeinsam an der irischen Küste auf Erkundungstour zu gehen. Dafür, den Stoke nach einer Session mit anderen Windsurfen teilen zu können. Dafür, dass mein Fuß und Körper die Strapazen heil überstanden haben. Dafür, Teil dieses manchmal absurden aber auch einzigartig fantastischen Sports zu sein und von Sponsoren dafür unterstützt zu werden, mit deren Material in den Wellen zu tänzeln und das Ganze auf Bildern für die Magazine zu dokumentieren. Dankbar, für das Glück der Iren, das uns auf dieser Reise zumindest stückweise begleitete.

Auf dem YouTube-Kanal von surf gibt’s auch das Video zur Strike Mission Irland - klickt mal rein!


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