IWT World Cup FidschiLeon Jamaer berichtet vom Traum-Event in Cloudbreak

Leon Jamaer

 · 28.07.2023

Leon Jamaer auf der Traum-Welle von Cloudbreak. Für surf blickt er auf den World Cup in Fidschi zurück.
Foto: Fish Bowl Diaries
Viel exklusiver kann ein Wettbewerb wohl nicht sein – die IWT lockte mit Weltranglistenpunkten, aber vor allem der Aussicht auf perfekte Wellen ein Feld von zahlungskräftigen Ridern an den Traumspot Cloudbreak auf Fidschi. Leon Jamaer erfüllte sich mit der Teilnahme einen Traum. Aber in die Begeisterung über die Bedingungen mischt sich auch viel Skepsis.

Schien ein professioneller Wettkampf im Windsurfsport jemals der Perfektion näher als der Namotu Wave Classic, so wie er auf der legendären VHS-Cassette aus dem Jahr 1997 dokumentiert wurde? Eine Horde sonnengezeichneter Typen wird auf einer verlassenen Insel im pazifischen Ozean ausgesetzt, um bei tropischen Wassertemperaturen, konstantem Gleitwind und masthohen Wellen gegeneinander anzutreten.

Ich weiß nicht mehr, wer gewonnen hat, aber die stimmungsvollen Bilder von paradiesischen Stränden, unterlegt mit den Gitarrenklängen der Neunzigerjahre, den charismatischen Charakteren mit ihren verwegenen Dialekten: All das hat sich nicht nur in mein Gedächtnis für immer eingebrannt, sondern auch in das einer ganzen Windsurf-Generation – allen voran der legendäre Aerial von Josh Stone, bei dem er für eine gefühlte Ewigkeit über der hohlbrechenden Welle schwebt, als flirtete er hoch über den Wolken mit den melanesischen Göttern.

Cloudbreak - Ein Windsurf-Traum wird wahr

Ein Vierteljahrhundert nach dem Namotu Wave Classic steht Fidschi Kurukuru auf dem Kalender der Unified Wave Tour und liefert damit den langersehnten Gegenentwurf zum altbekannten Pozo-Teneriffa-Sylt-Format.

Nach Japan ist es der zweite Fünf-Sterne-Wettkampf – das bedeutet, die Punkte fließen zu hundert Prozent in die Jahreswertung ein. Auch wenn am Ende des Jahres nur die besten vier Ergebnisse gewertet werden, kann es sich ein zukünftiger Weltmeister kaum leisten, bei einem der Fünf-Sterne-Wettkämpfe zu patzen. Neben Japan und Fidschi zählen noch Gran Canaria, Sylt und Maui zu hundert Prozent. Außerdem gehen die Vier-Sterne-Wettkämpfe in Chile und Peru mit 40 Prozent in die Wertung ein.

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Als sich Ende Mai eine Vorhersage für konstanten Wind und aufeinanderfolgende Groundswells in den Modellen festigt, steigen die Erwartungen, sowohl der Fahrer als auch vieler Fans, an den von der IWT ausgeführten Fiji Surf Pro ins Unermessliche.

Ein Höllenritt über das messerscharfe Riff

Cloudbreak, die Einheimischen sagen auch Kurukuru, ist einer der besten Spots auf dieser Erde. Er liegt nur wenige Kilometer von Namotu entfernt und gilt als dessen großer Bruder. Die Wellen brechen an einer dem Festland vorgelagerten Riffkante. Wenn sich ein Groundswell zwischen der australischen und neuseeländischen Küste durchdrückt, schmiegen sich die Wellenberge der schnell flach werdenden Riffkante an, bauen sich am äußeren Peak auf und schmeißen eine Barrel, die in Perfektion von links nach rechts bricht und dabei nur noch an Energie dazugewinnt. Die Barrel wird größer und runder – die letzte Sektion gleicht einem Zylinder – bevor Kurukuru in Shish Kebabs, so wird die berüchtigte letzte Sektion genannt, in einem Closeout auf das bei Niedrigwasser trocken liegende Riff endet. Ein Höllenritt, der wie gemacht fürs Windsurfen ist, wenn man die nötigen Reflexe mitbringt.

Normale World Cups kosten 200 Dollar Startgeld - auf Fidschi sind es 1200.

Die Rahmenbedingungen des Fiji Surf Pro bringen einen schnell in das Jahr 2023 und auf den Boden der Tatsachen zurück. Während das Startgeld bei internationalen Wettkämpfen normalerweise bei etwa 200 USD liegt, sind es für Fidschi 1200 USD. Ein Teil der Veranstaltung wird also durch die Fahrerinnen und Fahrer selbst finanziert – und dass, obwohl die Reiseausgaben für nicht wenige Europäer bereits ein Großteil oder sogar das gesamte Jahresbudget verschlingen. 1997 war es der Titelsponsor O´Neill, der den Traum ermöglichte. Heutzutage haben Wettkampf-Veranstalter immer wieder mit dem kurzfristigen Abspringen von Geldgebern zu kämpfen. Ein Phänomen, das im Windsurfsport leider mehr zur Regel als zur Ausnahme geworden ist.

Gut, dass Leon nicht sieht, was in seinem Rücken für ein Chaos herrscht. Wer in Cloudbreak im Weißwasser gefangen ist, hat verloren.Foto: Fish Bowl DiariesGut, dass Leon nicht sieht, was in seinem Rücken für ein Chaos herrscht. Wer in Cloudbreak im Weißwasser gefangen ist, hat verloren.

Ein Contest mitten im Meer

Dazu kommt, dass der Wettkampf mehr oder weniger mitten auf dem Meer stattfindet – und somit mit einigen logistischen Hürden verbunden ist. Die gesamte Crew sowie die Fahrer müssen mitsamt Material und Ausrüstung vom Festland zum Riff gebracht werden – eine etwa 40-minütige Fahrt mit den Longboats der Einheimischen. Das Mutterschiff der Judges, Crew und Media-Teams braucht vom Festland ganze zwei Stunden. Über die Unterbringung auf einer der privaten Inseln ist gar nicht nachzudenken.

Der Fiji Surf Pro hat das Zeug dazu, das professionelle Windsurfen im Jahr 2023 wiederzubeleben – doch zu welchem Preis?

Schnell wird klar: Wegen des Geldes ist niemand hier. Egal, ob Fotografen, Filmer, Kommentatoren, Judges oder Fahrer und Veranstalter – alle bringen viel Engagement mit und investieren letztendlich deswegen, damit die Veranstaltung stattfinden kann. Eine Veranstaltung, die das Potenzial mitbringt, dem höchsten Niveau des Windsurfsports in der Welle gerecht zu werden, wie es wahrscheinlich kein anderer Austragungsort kann. Der Fiji Surf Pro hat das Zeug dazu, das professionelle Windsurfen im Jahr 2023 wiederzubeleben – doch zu welchem Preis?

Das Standby-Fenster streckt sich über elf Tage. Allerdings sind nur an drei Tagen Wettfahrten geplant – gerade genug, um eine Single-Elimination mit langen Heat-Zeiten bei den Männern und Frauen durchzuziehen. Die Fahrerfelder bestehen aus einem erfrischenden Mix aus IWT- und PWA-Größen, obwohl leider auch einige Top-Seeds wie Lina Erpenstein, die Moreno-Schwestern, Justyna Sniady, Thomas Traversa oder Camille Juban verletzungsbedingt bzw. aus finanziellen oder persönlichen Gründen fehlen.

Die Top-Fahrer scheiden früh aus

Runde 1 startet. Eineinhalbfache, masthohe Wellen und Gleitwind. 28 Minuten. Keine zweite Chance, Alles oder Nichts! Bei Philip Köster bedeutet es Nichts oder besser: Aufgabe. Beim Bottom-Turn schmerzt sein kürzlich gebrochener Fuß zu sehr, als dass er den nötigen Druck auf das Brett ausüben kann. Victor Fernandez schafft es gegen die stark fahrenden Flo Jung und Anthony Ruenes nur auf Platz drei und scheidet damit als zweiter Weltmeister früh aus. Die größte Überraschung ist allerdings das Ausscheiden des amtierenden Weltmeisters Marcilio Browne. Einer der wenigen, der Cloudbreak schon zuvor besucht hat, an diesem Tag allerdings keinen Rhythmus findet und mehrfach die volle Härte von Cloudbreak zu spüren bekommt. Marc Pare, der ebenfalls keinen guten Heat hat und schon glaubt seinen Rückflug buchen zu können, kommt zusammen mit einem überglücklichen Federico Morisio auf Platz 1 weiter.

Bei reinen Waveriding-Events, bei denen keine Sprünge gezählt werden, können die Judges vier Fahrer gleichzeitig bewerten. Das bedeutet, es wird nicht Fahrer gegen Fahrer gewertet – stattdessen kommen die besten zwei von vier Teilnehmern eines jeden Heats weiter.

Baptiste Cloarec mit dem Aerial des Tages

Standout an Tag 1 ist sicherlich der noch relativ unbekannte Baptiste Cloarec, der es als einer der wenigen schafft, sein Brett unter die Lippe der Barrel zu navigieren, um von dort in einem radikalen Aireal à la Josh Stone davonzufliegen.

Nach dem ersten Wettkampftag meldet sich der Wind ab, und es kehrt einige Tage Ruhe ein. Nach und nach verschwindet die Euphorie des Auftakts, um die hohen Erwartungen an die Perfektion der Welle sogar noch übertreffen zu können. Dafür stärkt sich im Teilnehmerfeld das Bewusstsein dafür, wie brutal dieses Format ist. Ein falsch getimter Ritt – und das Ersparte versinkt zusammen mit aller Hoffnung auf wertvolle Ranking-Punkte in den Tiefen des Pazifiks.

Ein falsch getimter Ritt und das Ersparte versinkt in den Tiefen des Pazifiks.

Für mich stellte Runde 1 gegen Takuma Sugi und Björn Dunkerbeck, der natürlich auch 1997 schon hier in Fidschi dabei war und jetzt vor allem mit seinem Sohn Liam unterwegs ist, keine echte Gefahr dar. Und ich genieße die surreal wirkende Erfahrung, mit nur zwei anderen Personen auf dem Wasser in Cloudbreak zu windsurfen.

In Runde zwei haben sich die Vorzeichen allerdings geändert. Der Wind ist stark, doch die Wellen sind fast verschwunden. In 28 Minuten schaffe ich es nicht, eine Set-Welle zu finden, und scheide gegen Takuma Sugi, der eher konservativ fährt, aber die wenigen guten Wellen des Heats erwischt, und Antoine Martin, Liebling der Judges, aus.

Auch Morgan Noireaux und Bernd Roediger, die für mich in den Vortagen neben Baptiste die besten Fahrer waren, schaffen es an diesem mürrischen Tag nicht, sich für das Viertelfinale zu qualifizieren. Die beiden Hawaiianer haben schon längst bewiesen, dass sie nicht nur in Hookipa gewinnen können – so lange die Wellen gut sind. Da für den Finaltag ein neuer Swell bereits auf dem Weg ist, ist das besonders bitter.

Auch die Damen ziehen in Cloudbreak voll durch

Am Finaltag brechen die Wellen noch kraftvoller als an Tag 1. Endlich, und anders als 1997, dürfen die Frauen aufs Wasser. Viele der Fahrerinnen sammeln nun im Heat ihre ersten Erfahrungen in Cloudbreak. Die in Margaret River lebende Australierin und daher in großen Wellen erfahrene Jane Seman qualifiziert sich überraschend nicht fürs Finale. Dafür sorgt die Französin Coraline Foveau mit einer furchtlosen Herangehensweise für Aufsehen – sie reitet die Welle mit viel Risiko, wird mehrfach aufs Riff gewaschen, schafft es aber auch, gute Scores zu sammeln.

Das Finale wird von der Queen of Windsurfing, Sarah-Quita Offringa, eröffnet. Sie schnappt sich weit draußen eine der größten Wellen des gesamten Events und reitet diese bis zum Channel mit sauberen, kraftvollen Turns ab – auf allen Booten wird applaudiert. Sarah Hauser wartet lange, bis sie ihre erste Welle nimmt. Diese ist nicht so groß wie die von Sarah-Quita, wird dafür allerdings deutlich steiler. Sarah setzt ihre perfekt getimten Turns an den kraftvollsten Teil der Wellen, um dann der gewaltigen Kraft der tosenden Barrel hinter ihr um Haaresbreite zu entkommen. Auf ihrer zweiten Welle überbietet sie das Kunststück noch einmal – wieder Applaus, und die Siegerin steht fest!

Sarah Hauser gewann mit perfekt getimten RittenFoto: Fish Bowl DiariesSarah Hauser gewann mit perfekt getimten Ritten

Takuma Sugi, Robby Swift, Ricardo Campello und Baptiste Cloarec heißt die Finalbesetzung bei den Männern. Der Wind ist sehr schwach, und die Wellen brechen so hohl wie eh und je. Und wieder ist es Baptiste Cloarec, der in einer anderen Liga fährt. Mit seiner geringen Körpergröße und dem darauf perfekt abstimmten Material kann er sich tiefer positionieren und die Lippe später attackieren als alle anderen. Mit viel Speed und Flow reiht er einen Air oder Turn an den nächsten. Der Bretone absolviert derzeit ein Studium, um auf den Britanny Ferries als Kapitän zu arbeiten. Auch für ihn war die Reise eine Investition. In seinem Fall hat sie sich voll ausgezahlt, denn er fliegt als Fidschi-Champion nach Hause – und das sogar mit einem Plus auf dem Konto.

Die Bilder aus Cloudbreak gehen um die ganze Welt

Die fantastischen Bilder von Paul und Sofie von Fishbowl Diaries, von Maleen Hoekstra, von Guillermo Cervera sowie die Videos von Jace Panebianco und – allen voran – die Drohnen-Aufnahmen von Paul van Bellen gehen um die ganze Welt. „Die beste Windsurfaction, die es je zu sehen gab“, wird kommentiert. Ein Artikel auf einer Wellenreit-Webseite macht sich darüber lustig, dass es die mit Millionen von US-Dollars aufgepumpte World Surf League nicht zustande bekommt, den prestigeträchtigen Fiji Pro am Leben zu halten. Die Windsurfer hingegen, dieser Sport aus dem letzten Jahrhundert, bekämen es gestemmt. Dazu ein Bild von einem Windsurfer, der über einer mächtigen Barrel schwebt. Ja, man kann ein wenig stolz sein.

Mission accomplished?! Ein Großteil der Fahrerinnen und Fahrer fliegt mit gemischten Gefühlen nach Hause, wobei es kaum jemand bereut, gekommen zu sein. Es ist ein weiter Weg, den die Unified Wave Tour vor sich hat, es gilt nun, nach vorn zu denken und den Realitäten der heutigen Zeit, fern der verklärten Neunzigerjahre-Romantik, ins Auge zu sehen. Ein angemessenes Startgeld und mehr Wettkampftage, die ein faires Format erlauben (sei es eine Single- und Double oder Dingle-Elimination), sind für mich die Voraussetzung dafür, noch einmal den weiten Weg rund um die Erde auf mich zu nehmen und um das Wunder von Kurukuru zu erleben.


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