Vibrionen, Staphylokokken und KorallenSo versorgt ihr Surf-Verletzungen, um Infektionen zu vermeiden

Andreas Erbe

 · 30.07.2024

Das sogenannte Reef Tattoo tragen manche Wellenreiter wie eine Trophäe. Wir zeigen euch, wie ihr kleinere Verletzungen richtig versorgt
Foto: Flo Jung
“Da hilft nur pusten!”, sagte Mutti immer, wenn ein kleiner Ratscher bei uns Kindern Todesängste auslöste. Die Zeit zeigte uns dann aber doch, dass es durchaus andere und erfolgversprechendere Behandlungsmethoden gibt. Denn leider kann aus einem kleinen Kratzer auch schnell eine ernsthafte Infektion entstehen. Wir haben uns die besten Tipps zur Wundversorgung von Dr. Thomas Gangl vom Verein Surfmedizin e. V. geholt.

Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben schaffte es Ende des Sommers 2023 wieder einmal, mit einer fetten Schlagzeile Auflage zu machen und Panik zu schüren: „Killer-Keime in der Ostsee“ titelte sie und meinte das Auftreten von Vibrionen. Tatsächlich gab es einige wenige Infektionen mit den Bakterien, die einen dramatischen Verlauf hatten. Müssen wir deshalb jetzt alle panische Angst haben?

Symptome einer Vibrionen-Infektion

Sicher nicht, doch richtig ist auch, das Vibrionen in den letzten Jahren vermehrt in der Ostsee oder auch in niederländischen Revieren wie dem Grevelingenmeer nachgewiesen wurden. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen vermehren sich die Bakterien besonders gut bei über 20 Grad Wassertemperatur, zum anderen mögen sie salziges, aber nicht zu salziges Wasser. Beides findet man in den genannten Revieren. Vor allem die Wassertemperatur in der Ostsee ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, sodass sich die Vibrionen auch im Norden und nicht nur in tropischen und mediterranen Gewässern immer wohler fühlen.

Trotzdem ist Panik nicht angebracht. Bei gesunden Menschen ist eine Vibrionen-Infektion, frühzeitig entdeckt, gut in den Griff zu kriegen. Ein auffälliges Symptom ist ein ungewöhnlich starker Schmerz auch bei kleinen Wunden. In so einem Fall sollte man schnell einen Arzt aufsuchen. Durch Antibiotika lässt sich die Infektion in den meisten Fällen schnell in den Griff bekommen – pusten und abwarten ist in diesem Fall eine denkbar schlechte Therapie.

Infektion mit Staphylokokken

Eine andere, auch nicht zu unterschätzende Infektion ereilte im vergangenen Jahr Rekordweltmeister Björn Dunkerbeck: „Ich hatte eine Staphylokokken-Infektion im Schienbein. Man sieht immer noch die Verfärbung, es kann Jahre dauern, bis die Pigmente in der Haut wieder normal sind. Ich muss immer noch alle zwei Wochen einen Infektionstest machen, um die Werte im Blick zu behalten, aber bis jetzt ist alles gut. Diese bakteriellen Infektionen muss man heutzutage ganz, ganz ernst nehmen. Jeder sollte alle kleinen Wunden gründlich mit Desinfektionsmittel säubern nach dem Surfen. Der Sand und Staub sind ganz, ganz schlecht, weil da alles mögliche drin sein kann.“ Diese Art der Staphylokokken-Infektion kann einen tatsächlich überall erwischen, denn diese an sich harmlosen Bakterien sind sehr weit verbreitet.

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Eine weitere Infektionsgefahr lauert vor allem für Wavesurfer in Korallenriffen. Wenn die Wellen über flachen Riffen brechen, holt man sich schnell ein sogenanntes Reef Tattoo. Dabei stellen die winzigen abgebrochenen Riffteilchen an sich und die darin lebenden Mikroorganismus eine Gefahr dar. Zum Glück (oder leider, wie man möchte) kommen allerdings die wenigsten von uns in den Genuss, perfekte Wellen über flachen Riffen zu surfen.

So behandelt ihr kleine Wunden beim Surfen

Die allermeisten Blessuren beim Windsurfen sind allerdings recht harmlos und können in vielen Fällen selbst versorgt werden. Wir haben Dr. Thomas Gangl von Surfmedizin e. V. gefragt, worauf man bei Verletzungen beim Windsurfen achten sollte und wie man Schlimmeres verhütet.

Ich habe einen kleinen Schnitt/eine kleine Schürfwunde. Was sollte ich unmittelbar machen und wie sollte ich die Wunde abends weiter versorgen?

Bei oberflächlichen Wunden, die auch nicht stark bluten, kann man bis zum Ende der Surfsession warten. Danach am besten mit sauberem Wasser abspülen, wenn möglich desinfizieren und zum Schutz mit einem Pflaster abdecken. Am nächsten Tag erneut die Wunde kontrollieren: Wenn die Schmerzen, die Rötung und Schwellung zunehmen, sollte man einen Arzt aufsuchen! Wenn nicht: erneut desinfizieren und mit einem frischen Pflaster abdecken. Da sich die meisten durch eine kleine Wunde nicht vom Windsurfen abhalten lassen: die Wunde mit dem Pflaster zusätzlich mit Leukoplast oder Ähnlichem abkleben. Am Abend dann wieder eine erneute Wundkontrolle durchführen.

Wo ist die Grenze zwischen „weitersurfen“ und „lieber Schluss machen“?

Wenn die Wunde stärker blutet und/oder bis in tiefere Gewebeschichten reicht, sollte man vorerst lieber Schluss machen und die Wunde an Land in Ruhe untersuchen. Tiefe Wunden sollte man dann auf jeden Fall ärztlich behandeln lassen. Eine frühzeitige professionelle Wundbehandlung erspart viele Komplikationen.

Woran erkenne ich, ob eine Wunde „normal“ verheilt oder Probleme bereitet, zum Beispiel Entzündungen oder Infektionen?

Eine Wunde verheilt normal: wenn die Schmerzen, die umgebende Rötung und Schwellung zurückgehen. Außerdem sollte sie spätestens nach ein paar Tagen trocken sein. Wenn nicht, könnte eine Entzündung vorliegen – oder ihr wart trotz der Wunde weitersurfen. Auch wenn sich die Wunde dadurch nicht „entzündet“, regelmäßiges Surfen mit Auswaschen der obersten Wundschicht verzögert die Heilung.

Was sollte ich zur Wundversorgung immer dabeihaben?

Kompressen (Tupfer) und Trinkwasser aus der Flasche zum Abtupfen und Reinigen, Pinzette, um Sand, Splitter oder ähnliches aus der Wunde zu entfernen. Desinfektionsspray oder -creme, Pflaster in verschiedenen Größen und Leukoplast.

Wer weitersurft, ohne eine Wunde abzudecken, riskiert eine verzögerte Heilung.

Gibt es Unterschiede zwischen Süß- und Salzwasser oder bei unterschiedlichen Wassertemperaturen?

Egal ob Salz- oder Süßwasser, keimfrei ist keines von beiden und beide können zu Infektionen führen! Warmes Wasser – ab circa 20 Grad – fördert und beschleunigt das Bakterienwachstum. Meerwasser desinfiziert nicht und fördert auch nicht die Wundheilung – nicht zu verwechseln mit „medizinischem Salzwasser“ (physiologische Kochsalzlösung)!


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