Test MastenLohnen 100% Carbon oder genügt auch weniger?

Surf Testteam

 · 22.07.2024

Auf dem falschen Mast (hier ein etwa 10 Jahre alter NeilPryde X35) twistet das Achterliek bereits unter der vierten Latte von oben viel stärker als gewünscht.
Foto: Stephan Gölnitz
Ein top Triebwerk mit 100 Prozent Leistung und ein nur durchschnittliches Segel trennen manchmal nur wenige Zentimeter in der Biegekurve des verwendeten Masts. Dieser Test zeigt, bei welchen Marken sich der Aufpreis für den Hundertprozentigen lohnt oder sogar besonders sinnvoll ist – und einiges mehr.

Gäbe es surf nicht bereits über 45 Jahre, könnte man das Testlabor aktuell für den Firmen-Fitnessraum eines hippen Start-ups halten. Da wird zur besten Bürozeit gezogen und gebogen, dass sich Bizeps und Dyneematampen nur so spannen. Nach dem ausgiebigen Praxis-Masttest der aktuellen Freeridesegel im Februar war sich das Testteam einig: Den meistens gut spürbaren Unterschieden zwischen dem Top-Mast jeder Marke und der Nummer zwei in der Range sollten wir auf den Grund gehen. Und das nicht mit der alten, aufwendigen, aber dennoch sehr fehleranfälligen IMCS-Messmethode, sondern auf alternativen Wegen. Die Praxisresultate haben natürlich weiterhin oberste Priorität, aber eine grundlegende Untermauerung kann nicht schaden.

Die alte IMCS-Messung für Masten

Flashback zu den Anfängen des IMCS: Wir reisen ins Jahrzehnt der Holzgabelbäume und Segel ohne Loose Leech, die überwiegend über die Gabel getrimmt werden. Masten wurden damals (und heute immer noch) zur Messung horizontal an beiden Enden gelagert, in der Mitte mit (lächerlich geringen) 30 Kilo belastet und dann die Durchbiegung gemessen. In der Mitte für die Härte und nochmals bei 1/4 und 3/4 der Länge für die Einteilung der Biegeform, von Hardtop bis Flextop. Als Resultat steht auf allen 460er Masten im Shop: IMCS 25. Na ja, Carbon ist geduldig.

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Die Kompressionsmessung hingegen verrät weit mehr über jeden Mast als die „genormte“ IMCS-Messung. Die Biegecharakteristiken verschiedener Masten zeigen dabei größere Unterschiede und die Biegung des Masts im Segel wird dabei deutlich realitätsnäher nachempfunden. Nicht ohne Grund vergleichen zumindest einige Segel-Designer, Fahrer und Trainer ihre Masten auf eine ähnliche Weise, wenn es auf allerfeinste Unterschiede wie beispielsweise bei Rennsegeln ankommt. All unsere Messungen können nur Stichproben darstellen, immerhin hatten wir nur je einen Mast zur Verfügung. Betrachtet man die Ergebnisse über alle Marken, ergibt sich dennoch bereits ein interessantes Bild mit einem klaren Trend.


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Gleiche Härte ist (Marketing-)Wunschdenken

Abgesehen von einem Ausreißer lässt sich sicher sagen, dass – egal wie sehr und wie oft man an den Masten zerrt und biegt – bei allen Messungen im Labor die Härte mit höherem Carbongehalt gemäßigt bis teilweise deutlich zunimmt. Das bestätigen auch die zur Gegenprobe exemplarisch am GunSails Re-Rapid gemessenen Trimmkräfte: Auf dem 100er Mast zeigt die Kranwaage mit 90 Kilo Zug am Trimmgriff genau 10 Prozent mehr als auf dem 75er Mast. Die Marken, bei denen die Unterschiede im kühlen Labor besonders groß waren, zeigten überwiegend auch die deutlich spürbaren Unterschiede im heißen Wind.

  • Bei NeilPryde fällt der TPX 100 als besonders steifer Mast mit verhältnismäßig weniger stark flexendem Top auf. Dementsprechend wird auch der Unterschied zum SPX 70 im Speedster spürbar. Und das, obwohl der SPX immer noch nahezu ebenso steif ist wie ein Duotone Platinum und deutlich steifer als der Gunsails Expert.
  • Ebenfalls einen besonders großen Unterschied konnten wir bei den beiden Duotone-Masten herausfinden, hier wirkt der Silver insgesamt und zusätzlich auch im Top deutlich weicher als der Platinum und kann als mit Abstand weichster Mast im Testfeld das E_Pace SLS nicht so gut unterstützen wie der 100-prozentige Mast.
  • Ein ähnlich großer Unterschied lässt sich auch bei den beiden GA-Masten ermitteln und auch hier waren die Unterschiede auf dem Wasser spürbar. Dabei liegen alle drei genannten Segel weniger fahrstabil in der Hand und decken in einem Trimm einen kleineren Windbereich ab. Für diese drei Segel ist der hochwertigste Mast die spürbar beste Empfehlung – nach Meinung der Tester aus der 77- bis 85-Kilo-Klasse.
  • Das Segel von Naish ist das Vierte im Bunde der Marken, bei denen sich das Upgrade deutlich lohnt, hier ist der Carbonsprung von 60 auf 100 Prozent bereits auf dem Papier besonders groß.

Bei GunSails, Loftsails, Point-7 und Sailloft fällt der gespürte Unterschied immer noch leicht wahrnehmbar, aber sehr akzeptabel aus, der Vollcarbonmast fällt vorwiegend unter die Rubrik „Man gönnt sich mal was“.

Die Mastempfehlung von Naish für den 4,60-Meter-Mast fällt für das 7,0er Segel etwa zwei Zentimeter zu lang aus, was den Testern verdächtig vorkam. Zur Probe haben wir das Segel deshalb auf einem 430er GA-Mast gesurft, der im Segel viel zu weich wirkte, ein alternativer 460er Sailloft RDM passte dagegen nahezu perfekt: Die Hersteller-Mastempfehlung hat offensichtlich vollste Berechtigung.

So verhalten sich Masten vom Fremd-Marken

Neben den markeninternen Vergleichen haben wir zahlreiche „wilde Mischungen“ probiert. So funktionierte das NeilPryde-Segel mit dem GA-Mast nicht sehr gut, auch wenn das Profil an Land erst mal gut aussieht. Der Mast war für diesen Segelschnitt zu weich und im Kabbelwasser bildeten sich stauchende Querfalten. Umgekehrt wirkte sich der steifere Mast von NeilPryde im GA Matrix nicht negativ aus. Mit etwas mehr Profil blieb es sehr stabil und leicht. Ein etwas zu harter Mast scheint sich insgesamt zumindest für schwerere Surfer weniger auszuwirken als ein zu weicher Spargel.

Wie fährt sich ein zehn Jahre alter Mast?

Richtig spannend wurde der Test mit einem original NeilPryde-Mast X35, der bereits etwa zehn Jahre auf dem GFK-Carbon-Laminat hatte . Das Segel erfordert plötzlich weniger Vorliekslänge und schon im Medium-Trimm schlabbert das Loose fast bis zur Gabel. Erstaunlicherweise bleibt es trotz des ballonartig auswehenden Achterlieks auch bei viel Wind gut kontrollierbar. In Windlöchern ist aber die Leistung weg und das Fahrgefühl wirkt schwerer, indirekter und leicht schwammig, vor allem im oberen Bereich. Der X35 (war nicht mehr für das Labor verfügbar) stammt offenbar noch aus einer Ära topweicher Biegekurven, hier ist nicht die Gesamthärte das Problem, sondern das weiche Top.

Auf dem falschen Mast (hier ein etwa 10 Jahre alter NeilPryde X35) twistet das Achterliek bereits unter der vierten Latte von oben viel stärker als gewünscht.Foto: Stephan GölnitzAuf dem falschen Mast (hier ein etwa 10 Jahre alter NeilPryde X35) twistet das Achterliek bereits unter der vierten Latte von oben viel stärker als gewünscht.

Kompressionstest: Messmethode mit viel Potenzial

Während bei einigen Masten die Last im Labortest auf über 140 Kilo steigt, um die gewünschten 35 Zentimeter Durchbiegung im Center zu erreichen (NeilPryde TPX), bleibt bei den 75-Prozent-Masten von Gunsails und Duotone die Anzeige ab 127 Kilo einfach stehen, die Masten biegen sich lediglich – vor allem mit extremer Auslenkung im Top – weiter, bis der Tester irgendwann die Nerven verliert und den Versuch abbricht. Erstaunlicherweise sind die gravierenden Unterschiede im Labor auf dem Wasser nicht im selben Ausmaß zu spüren. Im Kompressionstest werden alle Unterschiede im Vergleich zur IMC-Messung wie durch ein Vergrößerungsglas aufgezeigt.

Für einheitliche, vergleichbare Werte sollte ein neuer standardisierter Messaufbau festgelegt werden, der auf einfache Weise reproduzierbare Ergebnisse ermöglicht. Die Messung nach Kompression zeigt einen geeigneten Weg auf. Eine Herausforderung könnten die Eckdaten werden, da die festzulegende Prüfkraft oder Durchbiegung für sehr unterschiedlich steife Masten passen sollte. Wir bleiben auf jeden Fall weiterhin dran!

Praxis vs. Theorie: Acht Mast-Paare im Vergleich

Duotone E_Pace SLS 7,2

Duotone: Platinum-Veredelung für ein direkteres Segelgefühl und eine größere Windrange.
Foto: Stephan Gölnitz
  • Duotone Platinum SDM 460; 999 Euro, 1,76 Kilo
  • Duotone Silver SDM 460; 509 Euro, 2,24 Kilo

Auf dem Platinum-Mast überzeugte das E_Pace als sehr leichtes, handliches Rigg mit gutem Windeinsatzbereich. Der Silver-Mast wirkt im Labor insgesamt und zusätzlich in der Top-Härte deutlich weicher und das Segel musste im Praxistest öfter umgetrimmt werden. Die klare Empfehlung von Duotone vor dem Segeltest war der Platinum-Mast und das würden wir genauso unterschreiben.

GA-Sails Matrix 7,2

GA Sails: Der 100er Mast tut dem Segel spürbar gut und das Upgrade lohnt sich somit auf jeden Fall.
Foto: Stephan Gölnitz
  • GA-Sails C 100 SDM 460; 839 Euro, 1,92 Kilo
  • GA-Sails C 80 SDM; 569 Euro, 2,3 Kilo

Mit dem 100er Mast surft man bei GA spürbar direkter, das Segel bietet einen größeren Einsatzbereich in einem Trimm und reagiert weniger trimmsensibel. Im Labor wirkt der 75er Mast deutlich softer als der 100er GA-Mast und zählt im Gesamtvergleich zu den eher weichen Modellen. Das spürt man auch am Strand an den geringeren Trimmkräften, vor allem am Vorliek.

Gunsails Re-Rapid 7,2

Sehr ungewöhnlich: Bei GunSails ist der günstigere 75er Mast sogar minimal leichter.
Foto: Stephan Gölnitz
  • Gunsails Select 100 SDM 460; 404 Euro, 2,04 Kilo
  • Gunsails Expert 75 SDM 460; 267 Euro, 1,98 Kilo

Obwohl der Expert-Mast im Labor deutlich weicher ausfällt als der Select, scheint der Segelschnitt, der für ein sehr einfach zu trimmendes und besonders fahrstabiles Segel sorgt, davon viel zu kompensieren. Der 75er Expert ist im Labor der weichste Mast, wirkt im Re-Rapid aber nur etwas softer und stärker dämpfend – wodurch das Segel vergleichsweise wenig an Eigenstabilität verliert.

Loftsails Oxygen HD 7,0

Loftsails: Zwei tendenziell eher weiche Masten, die aber für ein ähnliches Segelgefühl sorgen.
Foto: Stephan Gölnitz
  • Loftsails Team 100 SDM 430; 599 Euro, 1,72 Kilo
  • Loftsails Vision 75 SDM 430; 389 Euro, 1,86 Kilo

Das weiche, gedämpfte Gefühl dürfte auch von den beiden ziemlich soften Masten kommen. Der 75er ist im Labor eine Nuance straffer und kann so den Gewichts- und Carbonnachteil weitgehend ausgleichen. Minimal instabiler sowie etwas gedämpfter und schwerer empfanden die Tester das Segel auf dem Vision 75 dennoch, aber mit nur sehr geringem spürbaren Unterschied.

Naish No-Cam Freerace 7,0

Der Unterschied zwischen 60 und 100 Prozent ist im Naish Freerace stark spürbar.
Foto: Stephan Gölnitz
  • Naish SDM 460 C100; 759 Euro, 2,0 Kilo
  • Naish SDM 430 C60; 469 Euro, 2,6 Kilo

Neben den nur 60 Prozent Carbon und 0,6 Kilo Mehrgewicht geht der 60er Naish-Mast nach dem Labor-Check auch mit dem softesten Top ins Rennen. Das Segel benötigt für gleiches Loose einen Zentimeter weniger Vorliek (sonst zu viel Loose) und wirkt auch dadurch weniger straff, schwerer und zumindest in ruppigem Kabbelwasser machen sich leichte Stauchfalten bemerkbar.

NeilPryde Speedster 7,2

NeilPryde: Der SPX 100 ist der steifste Mast aller Marken, mit obendrein sehr geringem Gewicht.
Foto: Stephan Gölnitz
  • NeilPryde TPX 100 SDM 460; 1049 Euro, 1,84 Kilo
  • NeilPryde SPX 70 SDM 460; 499 Euro, 2,16 Kilo

Der steifste (und teuerste) Mast in diesem Test ist der NeilPryde TPX 100 und so wundert es kaum, dass das Segel auf dem messbar flexibleren 70er Mast spürbar mehr arbeitet. 30 Prozent sind ein großer Sprung und das Fahrgefühl ist auf dem 100er deutlich knackiger und im Kabbelwasser und bei böigem Wind superstabil – wo der 70er schon eher nachgibt. Alternativ-Tipp: SPX 90 oder 95.

Point-7 AC-0 6,9

Point-7: Das AC-0 verändert seine kernige Leistungs-Charakteristik auf dem K80 nur wenig.
Foto: Stephan Gölnitz
  • Point-7 K100 SDM 430; 599 Euro, 1,62 Kilo
  • Point-7 K80 SDM 430; 439 Euro, 1,72 Kilo

Der starre Shape und das wuchtige Fahrgefühl ändern sich beim Mastwechsel nicht, lediglich ein geringfügig leichteres Fahrgefühl im Chop meinten die Tester auf dem K100-Mast zu spüren. Das dürfte aber mehr vom direkten Gefühl des deutlich steiferen 100er Masts herrühren als vom geringen Unterschied im Materialgewicht. Der 100er macht geringfügig mehr Spaß, gut surfbar sind beide.

Sailloft Cross HR 7,2

Das Sailloft-Segel funktioniert auf beiden leichten und steifen RDM-Masten bestens.
Foto: Stephan Gölnitz
  • Sailloft Red C100 RDM 460; 779 Euro, 1,9 Kilo
  • Sailloft Blue C 80 RDM 460; 619 Euro, 2,18 Kilo

Die RDM-Masten von Sailloft liegen in der Biegehärte im Bereich von SDM-Masten. Der 80er fällt im Labor etwas steifer aus und kann vermutlich dadurch den kleinen Gewichtsnachteil gut kompensieren. Er ist im Top etwas weicher und produziert mehr Loose. Die Unterschiede wirken auf dem Wasser gering: mit minimal leichterem, fahrstabilerem Feeling auf dem 100-Prozent-Mast.


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