Windsurfbedingungen für 3,7 sind eigentlich immer extrem und Ausnahmezustände lassen ja leider auch die schlechten Charakterzüge wie unter einem Vergrößerungsglas besonders deutlich hervorstechen. Was — das beweist der Test — auch für Wavesegel gilt. Sturm mit 30 Knoten und mehr kommt dabei selten so schön gleichmäßig wie aus der Windmaschine, verschärft wird die Lage, weil Böen mit zwei bis drei Knoten mehr als der Grundwind — also vielleicht zwischen 27 und 30 Knoten — sich deutlich stärker auswirken als die gleichen drei Knoten Windschwankungen zwischen 15 und 18 Knoten. Der Grund dafür liegt in der reinen Physik: Der Winddruck nimmt mit der Windgeschwindigkeit im Quadrat zu und das wirkt sich bei großen Zahlen einfach stärker aus. Die Natur lässt sich leider nicht überlisten, die Segeldesigner stehen also vor der schwierigen Aufgabe, einem Segel mit kurzem Mast und Gabel und wenig Fläche möglichst viel Dynamik und Leben zum ruhigen „Atmen“ in schwierigen Bedingungen einzuhauchen. Auch NeilPryde-Designer Robert Stroj sieht das als besondere Herausforderung: „Es ist definitiv schwieriger ein 3,7er zu designen, da die Vorliekslänge sehr kurz ist. Die Gabelbaumhöhe bleibt trotzdem gleich, so dass sie bei einem kleinen Segel am Mast relativ gesehen besonders hoch ist. Dadurch bleibt ein viel kürzerer Abschnitt des Masts über der Gabel frei zum Flexen. Das macht es schwierig, genügend Dämpfung und Nachgiebigkeit im Design beizubehalten. Eine andere Möglichkeit wäre, das Vorliek bei kleinen Größen so lang wie möglich zu halten. Aber das würde eine sehr kurze Gabel ergeben, was meist zu einem sehr ‚zappeligen’ Segel führt — genau das Gegenteil von dem, was man sich unter den meist stark böigen und anspruchsvollen Bedingungen, wenn die ganz kleinen Segel verwendet werden, wünscht.“
Ein Segel wie das 3,0er Combat ist so auch für den erfahrenen Designer eine der anspruchsvollsten Größen, neben den Wavesegeln am oberen Limit der Range: „Große Größen, wie ein Combat 5,7 auf einem 400er Mast oder ein Atlas 6,2 auf einem 430er sind besonders sensibel auf die richtige Biegekurve und Steifigkeit, weil hier viel Fläche über der Gabel unterstützt und stabilisiert werden muss. Auf der anderen Seite sind eben auch die Größen unter 4,0 sehr sensibel, weil bereits nur etwas zu viel Härte im Mast ausreicht — und das Segel wird steif wie ein Brett.“
Geometrie
Während bei einer x-beliebigen Segelgröße die Geometrie eine geringere Rolle spielt, wirkt es bei dem vermutlich kleinsten Segel im Sack nicht ganz nebensächlich. Zwischen 3,53 Meter und 3,67 Meter liegen die Vorliekslängen der getesteten Segel. Die Fahreigenschaften auf den unterschiedlichen Masten lassen sich nach unserer Testerfahrung aber nicht so einfach aus den technischen Daten ablesen. In erster Linie besagt die Vorliekslänge nur, wie viel Mast mehr oder weniger oben aus dem Segel heraus schaut. So wirkt ein Goya Guru selbst auf dem „langen“ 370er Mast gedämpfter und elastischer als das Severne Blade auf dem 340er — bei ansonsten identischen Vorliekslängen der beiden Segel. Labormessungen beweisen: Wenn der Mast oben 30 Zentimeter raus guckt, verändert sich die Härte des im Segel verbleibenden Mastes so, als wäre der Mast mehrere IMCS-Nummern steifer und in Richtung Hard Top. Der ohnehin schon zu harte 370er wirkt im Segel also noch härter, hier schaukeln sich die Zahlen beängstigend auf. Das Ergebnis ist oft ernüchternd, meint auch surf-Tester Manuel Vogel: „Ich habe eigentlich immer schlechte Erfahrungen mit zu langen Masten in kleinen Segeln gemacht. Manchmal hilft es auch, einen 370er unten zu kürzen, so dass er für die nächst größeren Segel gerade eben noch passt.“ (Wichtige Tipps dazu haben wir im Mast-Workshop ab Seite 54 zusammen gestellt.)
Handlich sind alle
In der Größe 3,6 oder 3,7 muss man sich über das Handling keinerlei Gedanken machen. Hier zählt vielmehr, wie gut das Segel Böen absorbiert und ob es auf Flachwasser halbwegs fahrstabil bleibt. Allerdings kann sich durch die falsche Mastwahl auch das „off“, also die Neutralität auf der Welle spürbar verschlechtern. Auf der sicheren Seite ist man immer mit dem kürzeren Mast. Die geringsten Haltekräfte empfanden wir in dieser Gruppe beim Ezzy-Segel, das nochmals besonders leicht wirkt. Am anderen Ende der Skala wirkt allerhöchstens das Goya Guru etwas satter in der Hand — wenn gleich auch weit entfernt von schwer und mancher Surfer empfindet dieses etwas „stabilere“ Fahrgefühl als angenehmer. Als ebenfalls leicht, aber zumindest relativ gesehen besonders fahrstabil — man darf hier nicht die Messlatte der 4,7er Segelgruppe anlegen — empfehlen sich das Simmer Blacktip und NeilPryde Combat und führen damit die kleine Auswahl unserer Flachwasserempfehlungen an. Das Ezzy wirkt hier am nervösesten und will bevorzugt in der Welle surfen. Robert Stroj verrät ein paar Tricks aus seinem Designer-Werkzeugkasten, welche „Werkzeuge“ bei den kleinen Segeln zum Einsatz kommen: „Zum einen machen wir beispielsweise die Masten in 340 und 370 weicher im Topp. Der 340er ist insgesamt deutlich weicher. Ich versuche bei den kleinen Segel die Spannung im Segel am unteren Ende der Range zu halten. Dafür muss die Vorliekskurve so geschnitten sein, dass das Segel mit relativ geringen Kräften am Vorliek getrimmt werden kann. Als Ausgleich hält die moderat erhöhte Schothornspannung diesen Bereich des Segels unter Kontrolle und verhindert, dass der Druckpunkt nach hinten wandert.“
Weiche Masten in kleinen Längen? Das empfiehlt auch surf-Tester Frank Lewisch und vermutet eine Ähnlichkeit zwischen den Masten von Ezzy und NoLimitz, die aus seiner Erfahrung sehr ähnlich und vor allem eine gute Spur weicher sind als viele andere Marken. Darauf beruht vielleicht auch die gute Eignung des 370er Masts in unserem Ezzy-Testsegel. Sein Fazit: „Der schwere Surfer kann bei kleinen Größen mit einem sehr weichen Mast gut leben, aber der leichte Surfer wird umgekehrt mit dem härteren (dem längeren) Mast meist überhaupt nicht glücklich.“ Richtig straff wirkte das Severne Blade — die böigen Testbedingungen waren da auch eine ordentliche Hürde. Auf Flachwasser, mit konstanterem Wind könnte auch das Blade etwas braver werden und die Kontrolle mit den fünf Latten ist bei gleichmäßigem Wind dann wieder sehr gut. Über die Lattenanzahl könnte jedes Segel weicher gemacht werden, doch das klingt leichter als es sich für den Designer gestaltet, daher bleibt die Lattenzahl meist innerhalb einer Wavelinie konstant. „Wir hören mit unserem 5-Latten-Segel bei Größe 4,2 auf“, erläutert Robert Stroj, „4 Latten sind für mich ein guter Kompromiss. Man kann easy auch ein gutes 3-Latten-Segel in kleinen Größen machen. Doch das erfordert ein völlig neues Segeldesign. Ich könnte mir das bei kleinen Größen des Zone gut vorstellen.“
Unsere Empfehlungen
Für engagierte Wavesurfer in radikalen Sideshore-Revieren sind ein gutes „Off“ und leichtes Handling die wichtigsten Aspekte. Hier ist das Ezzy Wave eine gute Wahl, federleicht aber auch etwas anspruchsvoller. Das NeilPryde Combat bietet auf beiden Masten sehr gute Waveeignung bei gleichzeitig hohem „Easy Surfing Faktor“. Richtig gute Wavesegel sind ebenso das GA IQ und das Simmer Blacktip — allerdings jeweils nur auf dem kurzen 340er Mast. Das Goya Guru dürfte — mit ordentlich Power — vor allem Surfern jenseits der 75 Kilo auch in der Welle gut gefallen.
Auf Flachwasser sind NeilPryde Combat und Goya Guru mit der besten Fahrstabilität gesegnet und überzeugen so auch beim Sturmritt auf dem Ammersee. Das Severne Blade verhindert bei konstantem Wind auf dem 340er jegliche Druckpunktwanderung, bei Böen ist es weiterhin nervöser. Das Simmer Blacktip bietet mit beiden Masten ordentliche Flachwassereignung für Bump&Jump-Bedingungen. Das Ezzy leuchtet auf Flachwasser — neben dem Blade — als Schlusslicht, einfach weil es am ehesten in dieser Gruppe ein hyperaktives Segel für die Welle ist. Der extrem kurze Weg mit der Segelhand zwischen „on“ und „off“ ist auf der Welle für geübte Surfer faszinierend, zum Heizen auf Flachwasser aber seltener wirklich gewünscht.
Mit welchem Segel auch immer: 3,7er Tage sind meistens die härtesten — aber vielleicht mit diesen Tipps und dem passenden Mast auch die besten Tage.
Diese Masten haben wir getestet:
Ezzy Wave 3,7
Die „Empfehlung“ von Ezzy sollte man gleich vergessen: 340er Base plus 370er Topp steht auf dem Segel — das ergibt ein stark profiliertes Segel nahezu ohne Loose Leech, das sehr nervös und mit wenig Haltekräften eigenwillig vor sich hin zappelt, mit eigenständigem „on-off“ schon auf der Geraden. Auf dem kompletten 340er Mast wirkt das Segel nicht mehr wie ein unerzogener Hund, sondern spürbar braver in der Hand. Das Profil dämpft jetzt mehr, insgesamt bleibt es ein besonders agiles Wavesegel mit bestem „off“ für gehobenes Fahrkönnen und gutes Segelgespür. Am vielseitigsten wirkte es auf dem 370er Mast: Beim Auffieren und Dichtholen verläuft der Übergang zwischen „on“ und „off“ weniger abrupt, es bleibt immer ein bisschen Segelkraft spürbar, an der man sich festhalten kann. Dennoch zählt es zu den extremen „Off“-Segeln, die eher in große Wellen und weniger ins Flachwasser gehören.
Fazit: Sehr radikales Wavesegel, am besten auf dem 370er.
GA Sails IQ 3,6
Wie Tag und Nacht unterscheiden sich die beiden Masten. Auf dem 370er wirkt das Segel bereits an Land wie ein Brett mit vorgekrümmten Latten. Auf dem Wasser muss ständig der Winkel korrigiert werden, hart und bockig reißt das Segel in starken Böen abrupt an den Armen. Ganz anders auf dem 340er Mast: Hier erinnert es an das sehr gut getestete 4,2er Manic: Beim Trimmen wird etwa ein Zentimeter mehr an der Gabel gezogen, auf dem Wasser sind die hohen Haltekräfte der 370er-Kombo wie weggeblasen: sowohl flach wie bauchig getrimmt „arbeitet“ das gesamte Segel plötzlich effizient, wirkt gedämpfter und liegt viel stabiler und gleichzeitig leichter in der Hand. Die Mischung aus Vortrieb und Kontrolle bei sehr leichtem Handling — und auf der Welle mehr „off“ als „drive“ — macht es zu einem gut funktionierenden, agilen Wavesegel.
Fazit: Vergiss die Variante auf dem 370er Mast. Mit dem 340er funktioniert das Segel sehr gut.
Goya Guru X Pro 3,7
Die Gunst der Wahl bietet das Goya-Set-up. Denn auf beiden Masten zeigt sich das Guru als eher druckvolles „Drive“-Segel — aber immer mit guter Kontrollierbarkeit. So bietet es mehr Druck als das Combat, aber auch weniger „off“. Schwere Surfer können dabei bedenkenlos zum 370er greifen und das Segel mit etwas Bauch als kraftvolles Wavesegel genießen. Ganz flach getrimmt, wird es darauf etwas nervöser. Unsere leichteren Tester unter 75 Kilo bevorzugten dennoch die noch etwas weichere Abstimmung auf dem 340er, würden aber auch mit dem 370er gut klar kommen. Auch mit kurzem Mast behält es die eher kraftvolle Charakteristik mit mehr Punch als das GA IQ, aber auch etwas weniger „off“ auf der Welle. In jedem Fall ein gut einzusetzendes Segel für Flachwasser bis zu richtig guten Wellenbedingungen, mit ordentlich Vortrieb auch für die Nordsee.
Fazit: Bei recht langen 3,67 Meter Vorliek funktioniert das Goya auch auf beiden Masten ähnlich gut.
Neilpryde Combat Pro HD 3,7
Auf dem 340er überzeugt das Combat als gut gedämpftes, gemäßigt agiles, je nach Trimm auch vortriebsstarkes Wavesegel. Es lässt sich auch auf bestes Handling mit sehr gutem „off“ trimmen — „zickig“ gebärdet sich das 3,7er dabei selbst flach gezogen nie. Es liegt immer etwas spielerischer in der Hand als auf dem langen Mast und stellt sich beim Auffieren schneller auf „off“. Der längere Mast funktioniert ebenfalls noch gut. Das Combat wirkt darauf straffer, allerdings nicht „tot“, es bietet mehr Drive, liegt noch fahrstabiler in der Hand, ohne Druckpunktwanderung und mit sehr guter Kontrollierbarkeit. Es vermittelt immer eine sichere Haltekraft, lässt sich einfach hinstellen und du surfst damit recht easy durch die Brandung oder über den See.
Fazit: Beide Masten funktionieren gut — zum 340er sollten vor allem engagierte Waver greifen, der 370er bietet neben guter Flachwassereignung aber ebenfalls gute Wellencharakteristik.
Severne Blade 3,7
In größeren Größen überzeugt das Blade regelmäßig als sehr gut kontrollierbares und agiles Wavesegel mit großem Einsatzbereich, in der Größe 3,7 wirkt die „Klinge“ aber wie doppelt gehärtet – fünf Latten sind hier etwas viel des Guten. Die Trimmkräfte sind hoch, vor allem auf dem 370er Mast zeigt das Segel schon an Land sehr viel Shape in den Latten und verursacht einen ordentlichen Lattenruck beim Schiften, das Segel wirkt jederzeit sehr hart. Auf dem 340er findet man eine ähnliche Charakteristik, nur in etwas abgemilderter Form. Auf dem Wasser überwiegen die wahrgenommenen Haltekräfte und ein eher nervöses Fahrgefühl. In der Welle ließe sich damit auf dem kurzen Mast zur Not noch leben, bei böigen Bedingungen fehlt aber die nötige Fahrstabilität für wirklich entspanntes Surfen.
Fazit: Die Größe 3,7 überzeugt auf dem 340er nur eingeschränkt, vom 370er Mast ist abzuraten. Das S1 ist in dieser Größe unsere klare Empfehlung.
Simmer Style Blacktip 3,7
Klare Empfehlungen können wir für das Simmer gleich geben: Leichte bis mittelschwere Surfer, die viel Welle surfen, greifen zum 340er und schwere Surfer mit viel Flachwassereinsatz zum 370er. Die Unterschiede ergeben sich ähnlich wie bei NeilPryde, allerdings etwas ausgeprägter. Gut bis ordentlich arbeiten beide Masten in den Segeln. Auf dem 370er benötigt das Segel sichtbar mehr Loose Leech zum Twisten. So bietet es gute Leistung, viel Drive im Turn und Zug in die Halse hinein, dabei aber ausreichend „off“, wenn auch nicht so wie das Ezzy. Das straffe Fahrgefühl wandelt sich auf dem 340er zum komfortabel gedämpften Feeling. Mit lediglich leicht erhöhten Haltekräften steht das Segel ruhiger auf dem Board und beschleunigt in Böen moderater, weniger ruppig. Es fehlt etwas das Speedfeeling, dafür gewinnt es an weicherem Handling.
Fazit: Beide Masten funktionieren und bieten einen guten Einsatzbereich von Flachwasser bis Welle.