Interview mit Andy Wirtz von NordenVom Wave-Surfer zum Touring-Paddler

Stephan Gölnitz

 · 19.07.2024

Interview mit Andy Wirtz von Norden: Vom Wave-Surfer zum Touring-Paddler
Andy Wirtz war lange ausschließlich vom Wellenreiten besessen, mit dem Windsurf-, Wellenreit- und Stand-up-Board. Jetzt hat er auch das SUP-Touring für sich entdeckt und den hier gezeigten Image-Film produziert. Natürlich auf einem SUP-Hardboard, denen er auch im weiteren Interview huldigt.

Norden-Film “For The Love of Stand-Up Paddling”

Du bist quasi schon immer Surfer – aber wann hast du das erste Mal mit einem Paddel in der Hand auf einem Board gestanden?

2007 – ich war damals regelmäßig auf Hawaii und habe das bei Laird Hamilton gesehen. Ich war immer neugierig auf neues Material, vor allem, wenn man damit Wellenreiten kann.

Da hattest du bereits eine lange Wassersport-Karriere hinter dir.

Ja, aber das war ein Zufallskonstrukt. Ich bin als Kind gerne BMX-Rad gefahren und Skateboard. Aber ich hatte eigentlich keinen guten Start ins Leben, weil ich mit einem Hüftfehler geboren wurde. Mein Vater meinte, dass Radfahren und Skaten nicht optimal wären und hat mir zum Geburtstag einen Windsurfkurs an einem Baggersee geschenkt. Ich war davon so begeistert, dass ich mein BMX-Rad und Skateboard verkauft und mir mein erstes Windsurfboard gekauft habe. Das war der Einstieg in den Wassersport. Darauf folgte schnell der Plan, nach der Schule Surfprofi zu werden. Ich habe dann auch tatsächlich viele Jahre als Semi-Profi verbracht und dabei am Ende auch angefangen, für meine Sponsoren zu arbeiten. Dabei ist man in seinem Einfluss aber stark eingeschränkt und der logische Schritt war dann irgendwann, eine eigene Firma zu gründen – Norden Surfboards.

Andy Wirtz und seine Hardboards
Foto: Kirsten Frank

Es ist erstaunlich, dass du eine Wellenreit- und keine Windsurfmarke gegründet hast.

Ja, das stimmt, auch Stand-up-Paddeln kam erst später bei Norden dazu. Beim Wellenreiten hatte mich schon lange die Einfachheit fasziniert: Du brauchst nur ein Board, einen Anzug und kannst Spaß haben. Am Ende meiner Windsurf-Regattazeit hat mich das umfangreiche Equipment irgendwann genervt. Dagegen war Wellenreiten dann immer wie ein kleiner Urlaub.

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Die Einfachheit findet man doch auch beim Stand-up-Paddeln wieder.

Genau, das ist sehr ähnlich. Und beim Stand-up-Paddeln kommt noch dazu, wie vielseitig das ist. Wir haben in Deutschland ja nicht jeden Tag perfekte Bedingungen zum Wellenreiten, aber du hast das Feeling, du spürst die Waterman-Attitüde. Die Hawaii-Jungs um Laird Hamilton haben uns das vorgemacht, die haben ihre 12-Fuß-Boards geschultert und Coast-Runs gemacht oder sind um die Wette gepaddelt oder sind damit auch in teilweise große Wellen gegangen.

Andy testet Wave- und Touringboards gerne selber. In Kapstadt, Klitmøller oder am Westensee bei Kiel.Foto: Arno UfenAndy testet Wave- und Touringboards gerne selber. In Kapstadt, Klitmøller oder am Westensee bei Kiel.

Welcher Teil hat dich daran begeistert?

Egal mit welchem Board, für mich war die Faszination war immer die Welle. Ich habe zwar auf einem Baggersee Windsurfen gelernt, aber dann das erste Mal in die Welle zu gehen, das hat mich total geködert und das war beim Stand-up-Paddeln genau das gleiche. Der Fokus war immer auf der Welle, doch das Surffeeling bekommt man mit dem SUP auf der Ostsee selbst an den Tagen, an denen man keine Wellen absurfen kann.

Was für ein Board hast du anfangs benutzt?

Ich hatte von Starboard ein Board, das war 12’6” × 30”, das steht immer noch in meinem Lager. Damit haben wir Coast Runs gemacht, von der Kieler Förde bis in die Eckernförder Bucht, oder ich bin in Klitmøller bei dreieinhalb Meter Wellen an der äußeren Sandbank, weit draußen, alleine mit einem Kumpel mit den riesen Dingern die Wellen runtergeknallt. Das hatten wir im Internet und in Magazinen gesehen und einfach auch gemacht.

Das Norden Glider 12’4” (Test in SUP 1/2023) ist ja so ähnlich, jedenfalls kein kanuartiges Touringboard wie viele andere.

Im SUP verläuft der Materialzyklus ja ähnlich wie in vielen anderen Sportarten. Es fängt allroundig und für jedermann an, dann wird es sehr extrem. Dann verliert der Sport die Leute und dann kommt irgendwann der Umkehrpunkt. Im SUP wurden die Waveboards sehr früh immer kleiner, die Raceboards immer schmaler und dazwischen gab es die Widebodyboards: sehr breit und unsexy. Das klassische Allroundboard, mit dem man mal eine Welle catchen kann, aber auch die Küste entlangpaddeln – wie in den Anfangszeiten – das war die Herausforderung für den Glider. Wir haben aber auch einen Touringboard mit Verdrängerrumpf und einen Freeracer, aber der Glider ist das Board, das ich auf mein Womo packe, in die Bretagne fahre, die Küste entlangpaddle oder auch mal ein paar gute Wellen surfe, angelehnt an die Ursprünge des SUP.

Ein Hardboard wie der Glider bietet ja mehr Möglichkeiten der Formgestaltung als ein iSUP. Wie läuft da die Entwicklung ab?

Den Glider habe ich eigentlich für mich designt. Wir haben da ein Basismodell im Computer und das habe ich dann mit dem Shapeprogramm weiterentwickelt. Irgendwann hat mich dann ein Händler angesprochen, ob wir nicht mal so ein Board in Serie bringen wollen, er würde davon sicher welche abnehmen. Bei so einem Board baust du Prototypen, bekommst dazu dann Feedback – auch von Kunden – und kannst es weiterentwickeln. Du kannst den Kantenverlauf leicht verändern, du kannst die Volumenverteilung optimieren, du kannst die Rockerlinie, also die Aufbiegung, verändern, die Einfluss auf die Dreheigenschaften und auf die Paddelgeschwindigkeit hat. Dabei legen wir uns nicht auf Jahrgänge fest. Wir müssen nicht zwingend eine 2023er-Range rausbringen. Erst wenn ich der Meinung bin, ich kann etwas wesentlich verbessern, wird das gemacht und dann lässt sich das auch schnell umsetzen. Wir haben Boards, die sind seit fünf Jahren unverändert, weil es vom Kundenfeedback und vom eigenen Eindruck keinen Grund gibt, da groß dran rumzubasteln.

Für Waveboards steht Shaper Glen D’Arcy zur Seite.Foto: NordenFür Waveboards steht Shaper Glen D’Arcy zur Seite.

Stichwort Prototyp – wie wird der bei einem Hardboard gebaut?

Wir arbeiten da manchmal noch ein bisschen old school und shapen (Red.: aus einem Schaumblock heraushobeln und -schleifen) den Erlkönig von Hand. Der wird getestet, dann vermessen und daraus eine 3-D-Datei am Computer erstellt. Die Datei geht dann zur Produktion der Serienmuster per Mail in die Fabrik in Asien. Vom Prototyp bis zum ersten Serienboard vergeht ein Jahr.

Wie ist so ein Board aufgebaut?

Es handelt sich immer um ein sogenanntes Sandwichboard. Das ist ein Schaumkern, der mit mehreren Lagen unterschiedlicher Materialien verpresst wird. Dafür gibt es zwei Varianten. Beim Formbau wird alles gleichzeitig in einer sehr massiven, zweiteiligen Form miteinander verpresst, also der Schaumkern vorab rundum umhüllt mit den unterschiedlichen Materialien. Die andere Variante ist, aus einem Schaumblock mittels Computerfräse die Form des Boards sehr präzise herauszuschneiden und anschließend mit Fiberglas, Carbon, Holzfurnieren oder Hartschaumplatten und Harz von beiden Seiten zu laminieren. Anschließend wird es geschliffen, lackiert und das EVA-Deck aufgebracht.

Testest du deine Boards auch im Flachwasser?

Überall. Ich wohne außerhalb von Kiel an einem See, der auch in Bayern liegen könnte. Da teste ich die ganz normale Paddelgeschwindigkeit, auch bei glattem Wasser ohne Wind. Dann gehe ich auf die Ostsee mit kabbeligen Bedingungen und am Wochenende gehe ich damit in Klitmøller in richtige Wellen. Das Board muss mir gefallen, damit ich es auch verkaufen kann. Meine Testpiloten kommen aus dem Freundeskreis, vom totalen Anfänger bis zum Profistatus-Paddler.

Andy bei der Probefahrt auf Flachwasser.Foto: Kirsten FrankAndy bei der Probefahrt auf Flachwasser.

Dein Glider hat sehr viel Durchbiegung. Das würde beim Windsurfen auf Flachwasser nicht funktionieren, beim SUP anscheinend doch?

Das Board hat viel Nose Lift, damit es auf der Welle nicht so schnell einspitzelt. Dahinter hat es eine relativ lange, flachere Sektion, über die das Board Geschwindigkeit aufbaut und abschließend hinten den Tail Rocker. Ein Windsurfboard ist dort sehr flach, aber das fährt praktisch auf der Finne, das touchiert nur die Wasseroberfläche, während ein SUP relativ viel Wasser verdrängt. Deshalb brauchst du hinten deutliche Aufbiegung, damit der Wasserabfluss nach hinten sauber ist. Du siehst, wenn das nicht sauber abreißt, oder wenn sehr schwere Personen auf einem SUP stehen, eine Heckwelle wie bei einem Motorboot. Und das bremst. Deshalb sind SUPs mit viel Tail Rocker erstaunlich schnell.

Wie ist denn bei Norden das Verhältnis verkaufter Wave-SUPs zum Rest?

Der Wavemarkt ist mittlerweile anteilig sehr klein. Da hat sich das Verhältnis von 90:10 in Richtung 10:90 verändert.

Wenn man aber doch mal mit einem Allroundboard eine Welle runtergleiten will, wie und wo fängt man damit idealerweise an?

Man kann erst mal auf einem großen See mit einem Downwinder anfangen. Also mit Rückenwind eine längere Strecke paddeln und die kleine Dünung runterfahren, um mal zu spüren, was passiert, wenn das Board von einer Welle nach vorne geschoben wird. Selbst bei uns am Westensee baut sich bei Windstärke sieben in Seemitte eine kleine Dünung auf, die richtig schiebt. Ansonsten ist ein guter Einstieg sicher, an einem windlosen Tag, also ohne störende seitliche Wellen, an der Küste maximal hüfthohe Wellen anzupaddeln und sich so heranzutasten.

Aufblasbare Boards gibt es bei deiner Marke nicht?

Die Marke Norden ist eine Surfboardmarke, da passt ein aufblasbares Board nicht rein. Welle hin oder her, wir machen ja viele verschiedene Shapes, aber das war nie ein Thema.

Kommen denn Umsteiger zu deiner Marke?

Ich habe immer vehement vertreten, dass wir eine Hardboardmarke sind und jeder, der ein aufblasbares Board kauft, irgendwann bei uns landen würde. Witzigerweise glauben viele Kunden sogar, dass die großen Marken nur aufblasbare Boards haben und dass es Hardboards nur von Norden gibt.

In den Wellen von Kapstadt fühlen sich Andy und seine Boards sichtlich wohl.Foto: Arno UfenIn den Wellen von Kapstadt fühlen sich Andy und seine Boards sichtlich wohl.

Trifft das aktuelle Überangebot an SUP-Boards und die geringere Nachfrage im Vergleich zu 2021 vor allem den Hardboardmarkt dann überhaupt?

Wir stecken ja in einer Konsumflaute, aber wir haben im Hardboardbereich den Vorteil, dass viele Marken auf Hardboards keinen Bock haben. Das fängt beim Importeur an und hört beim Shop auf. Die haben keinen Bock, sich diese riesen Kisten hinzustellen. Da stehen zwar 80 Hardboards im Katalog, aber die meisten sind nicht lieferbar. Das ist bei uns anders.

Du hast ja auch längere Modellzyklen, macht es das einfacher?

Natürlich auch. Ein Problem ist doch, dass viele Marken zwar auf dem Thema Nachhaltigkeit rumreiten, aber jedes Jahr neue Kollektionen auflegen und diese auch in den Markt bringen müssen. Da wird teilweise ältere Ware vernichtet, weil die aktuellen Produkte verkauft werden sollen.

Was ist denn für dich nachhaltig?

Für mich ist wichtig, dass die Qualität geil ist, damit die Leute sagen: „Boah, das Norden-Board habe ich schon so lange, aber das ist so gut!“ Beim Windsurfen oder Kiten ist ein Board vom letzten Jahr vom Image ein schlechteres Board, wenn du damit an den Strand kommst. Beim Wellenreiten höre ich dagegen eher „Wow“ und „Geil“ als Kommentare, wenn ich mein 20 Jahre altes Longbord unter dem Arm trage. Das ist für mich wertig.

Wie würdest du denn die Lebenserwartung eines Allroundhardboards einschätzen?

Ich sehe in Klitmøller noch Boards aus unserem ersten Firmenjahr auf den Wohnmobilen. Wenn man Schäden immer rechtzeitig repariert, sodass kein Wasser reinkommt, kann so ein Board immer wieder instand gesetzt werden und ohne Probleme zehn oder sogar 20 Jahre halten.


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