Um gleich zu Beginn in die Firmenphilosophie einzutauchen: Wie kommt eine Schweizer Wassersportmarke zu dem Namen Indiana? So weit ich weiß, habt ihr nichts mit dem US-Bundesstaat Indiana zu tun, oder?
Nein, nein, das haben wir nicht, aber erst vor Kurzem haben wir wieder eine Anfrage auf Instagram bekommen, wo in den USA, in Indiana, unsere Firma denn sitzen würde (lacht). Doch der Name unserer Firma hat gar nichts damit zu tun. Wir sind eine Schweizer Marke vom Zürichsee. Der Name stammt noch aus der Zeit der Skateboards – damit hatten wir nämlich schon lange vor dem Wassersport zu tun. Mein ehemaliger Partner, Christof, Gründer der Skateboardmarke Indiana, hat damals einfach Freude an typischen Mustern und Symbolen aus der nordamerikanischen Geschichte gehabt – so ist er auf den Namen Indiana gekommen. In unserem aktuellen Logo findet man auch die Feder wieder: Diese verkörpert Naturverbundenheit und außerdem Leichtigkeit – nicht nur allgemein im Leben und im Sport, sondern es geht gleichzeitig auch um das tatsächliche Gewicht unserer Produkte.
Ihr kamt damals also über Skateboards zu Standup-Paddle-Boards?
Genau. Mich hat schon seit dem Kindesalter jedes Brett begeistert, auf dem man seitwärts steht und rutscht oder rollt. Egal ob auf Asphalt, auf dem Wasser oder Schnee. Ich habe ursprünglich Sport auf Lehramt studiert und bin somit auch mit ganz vielen anderen Sportarten in Berührung gekommen, doch meine Faszination für den Board-Sport war immer unantastbar. Sie hat mich so weit gebracht, dass ich zu meinen besten Zeiten zweimal Weltmeister im Slalomskateboarden wurde – trotz längerer Verletzungspause durch einen gebrochenen Rückenwirbel. Aber das ist eine andere Geschichte…
Erzähl!
An einem Freitag den 13.! Da brach ich mir bei einem miesen Sturz den Rückenwirbel. Jedoch beim Snowboarden. Da stellte ich mir die Frage, wo die Reise im Leben hingehen soll und wie abhängig ich in Zukunft von meinem Körper sein möchte. Statt Sportlehrer mit sicherem Einkommen und vielen Ferien, tauchte ich in die Eventbranche ein und war dort viel für Medienarbeit zuständig. Das war noch lange, bevor wir mit den SUPs begonnen.
Wie kam es dann letztendlich zu den SUPs?
Während eines Trips nach Hawaii im Jahr 2008, zu der Zeit, als Stand-up-Paddling aufkam, bin ich selbst dem Paddel-Virus verfallen. Danach kam der Stein ziemlich schnell ins Rollen, und 2010 gründeten Christof und ich unter dem Slogan „From the street to the ocean“ Indiana Paddle&Surf. Ohne Plan und ohne Know-how – wir haben es einfach probiert. Mit nur zwei Modellen fingen wir an: dem Indiana Allround in 10”6’ und 11”6’. Und wir waren damit, wie man so schön sagt, wirklich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das Standup-Paddling gefiel immer mehr Leuten. Mit dem wachsenden Trend konnten wir auch kontinuierlich die Produkte verbessern und unser Sortiment vergrößern. Wir haben einige Fehler gemacht, doch durch geringe Produktionsmengen gingen wir zu Beginn kaum ein Risiko ein und lernten langsam, aber sicher von der Pike auf das SUP- Business kennen.
Und jetzt habt ihr eine riesige Produktpalette, mit über sechzig verschiedenen Modellen, für jeden Einsatzbereich und in beinahe jeder Größe.
Ja, in unserer rasanten Entwicklung gab es zwei wichtige Meilensteine: erstens, als wir 2014 mit unserem Fabrikpartner in China in die Inflatableboard-Produktion eingestiegen sind. Stand-up-Paddling wurde für jeden zugänglich, günstiger, weniger heikel – Lagerung und Transport wurden unkomplizierter. Wir konnten im Inflatable-Bereich von Anfang an eine sehr gute Qualität liefern. Damit ging es für uns steil nach oben. Die Absatzzahlen stiegen und unser Team wurde größer. Ich war mittlerweile über zwanzig Mal selbst in China, um Qualitätskontrollen aufzustellen und so weiter. Der direkte Draht zu unserem Fabrikpartner ist uns sehr wichtig. Der zweite große Meilenstein war, als wir in der sehr angesehenen Schweizer Fernsehsendung namens „Kassensturz“ den ersten Platz belegt haben: Es wurden zehn SUPs namhafter Hersteller im Preissegment unter eintausend Franken getestet. Und wir haben gewonnen. Die anschließende Nachfrage war unglaublich. Wir mussten nachproduzieren und teilweise Boards einfliegen lassen, um die Bedürfnisse der Kunden im Sommer stillen zu können. Von diesem Gütesiegel, also dem ersten Platz beim „Kassensturz“, zehren wir heute immer noch.
Du sprachst es gerade an: Produktionsstätte China. Wie viel Schweiz steckt eigentlich in euren Produkten?
Ha! (lacht). Guter Punkt. Warte, lass mich vorher noch ganz kurz in einem Satz den kleinen Einblick in die Firmengeschichte abrunden: Denn seit 2017 gehen Christof und ich nämlich getrennte Wege. Er mit den Skateboards und ich, genau auf der anderen Seite des Zürichsees, im Wassersportbereich.
Okay, also wie viel Schweiz …
Also, was Entwicklung und Ideen angeht, steckt natürlich sehr viel Schweiz in unseren Produkten. Was die Produktion angeht, na ja, auch wenn wir unsere Surfboards teilweise in Portugal produzieren lassen und die hohlen SUP-Carbon-Raceboards von einem Spezialisten in Kroatien gefertigt wurden, muss man natürlich sagen, dass das Hauptvolumen der Produkte aus China stammt. Prototypen und Kleinserien hingegen, zum Beispiel die der aktuellen Downwindboards, lassen wir allerdings auch in Lettland produzieren. Und pass auf: Wir bieten außerdem schon seit Beginn Holzprodukte „Swiss made“ an. Das sind extrem schön verarbeitete Holzpaddel von einem Ruderhersteller am Zürichsee oder maßgeschneiderte Holzbretter in der Spantenbauweise von einem Schweizer Schreiner. Kostenpunkt: 4500 Franken für ein Board – wir bieten es an – doch keine Sau kauft es (lacht). Ich habe das Gefühl, der Sport ist zu jung und zu simpel für solche Preise. Für das Carbon-Rennrad mit all seinen Komponenten gibt der Ü-50-Manager gerne mal 15.000 Franken aus. In der SUP-Welt unvorstellbar – wenn du hier mitspielen willst, dann gibt es nur die asiatische Produktionsstätte namens China. In Europa gibt es zum Beispiel niemanden, der Inflatableboards herstellt – und ich selbst bin mit meiner Firma einfach zu klein, um den Bau einer Fabrik zu riskieren.
Kommen wir auf die eben erwähnte Entwicklung zu sprechen. Trotz eurer großen Produktpalette wirkt bei euch jedes einzelne Produkt sehr gut durchdacht und ausgereift. Wer steckt hinter diesen technisch anspruchsvollen Innovationen wie dem geteilten Finnenkasten oder dem speziellen Finnen-Schräubchen namens Smart Finbolt?
Mit der Kombination aus Ingenieur Jan Pütz und Shaper Andi Widmann haben wir quasi Daniel Düsentrieb in der Entwicklung stecken. Dazu kommt unser ausgebildeter IT-Fachmann und Foil-Pionier Gunnar Biniasch, der ein Faible für Modellierung hat, und, wie die beiden anderen auch, viel Erfahrung auf dem Wasser mitbringt.
Ich sag mal, ich selbst bin auch kreativ und mir kommen auf dem Wasser auch hin und wieder gute Ideen. Ich habe grundsätzlich den Ansporn, weiter voranzukommen und Dinge zu verbessern. Wir müssen immer versuchen, einen Schritt voraus zu sein – als kleine Schweizer Firma kannst du nicht nur Durchschnitt bieten, da gehst du im Marketing unter. Wir versuchen ständig, mit Neuheiten auf den Markt zu kommen, wie gerade zum Beispiel mit dem Transport-Bag, das man praktisch mit seinem eigenen Paddel ziehen kann. Das war zum Beispiel die Idee eines Shops. Ich denke, das A und O ist es, dem Kunden, den Shops und den Athleten richtig zuzuhören! Also herauszufinden, was überhaupt die wirklichen Bedürfnisse beziehungsweise Probleme sind. Und dann im Team intern, aber auch zusammen mit den Fabriken – wo ja auch gute Leute und Ingenieure arbeiten – zu tüfteln und Lösungen zu finden, um somit Ideen schlussendlich umsetzen zu können. Daher unter anderem auch meine vielen Besuche in China.
Wo siehst du aktuell deine wichtigste Aufgabe als Geschäftsführer?
Ich bin nicht derjenige, der am Ende den Sack in der Entwicklung zumacht, sondern der Dirigent des gesamten Orchesters. Ich brauche in allen Bereichen Leute, die ihre Instrumente in Perfektion beherrschen. Dann schaue ich, dass diese Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort spielen. Das Wichtigste aber ist, dass ich als Geschäftsführer immer zusehe, dass die Stimmung im Orchester gut ist (lacht).
Und wer gibt die Produkte frei, bevor sie in die Produktion gehen? Es kommt einem so vor, als hättet ihr ein riesiges Test-Team.
Unser Entwicklungsteam testet selbst und kriegt dazu von unseren vielen Brand Ambassadors, die beinahe rund um die Welt verteilt sind, enorm viel Input. Es ist wichtig, in unterschiedlichen Bedingungen zu testen – auf Fuerteventura und Portugal im Salzwasser, auf den Schweizer Seen im Süßwasser. Auch hier haben wir ein großes Orchester, das ich dirigiere – wir müssen alle zusammenspielen und uns am Ende einig sein, bevor wir etwas auf den Markt bringen.
Du sprichst es gerade an: Fuerteventura und Portugal. Ihr bietet auch SUPs für die Welle an. Wie kommt da als Schweizer Firma der Bezug zustande?
Ja, stimmt, die Schweiz ist sehr schlecht aufgestellt in Sachen Wellen (lacht). Obwohl, wir haben Flusswellen, einen Wavepool und Boote zum Wakesurfen (lacht). Na ja, Schweizer haben jedenfalls die Möglichkeit, viel zu reisen, an die Ozeane dieser Welt. Ich war nach dem Studium in Costa Rica und war seither vom Wellenreiten begeistert. Wir haben schon lange Surfboards im Programm, weil uns das einfach selbst interessiert. Und das ist auch ein großer Teil unserer Philosophie als Marke: Was uns selbst interessiert, begeistert und vor allem was wir auch selbst an Brettern brauchen, das bauen wir und bieten wir auch an. Da gehört eben auch Wellenreiten und SUP-Surfen dazu.
Da viele Schweizer wellenreiten und auch das nötige Kleingeld haben, um Urlaub an den besten Wellen der Welt zu machen, haben wir uns eine kleine Kundschaft im Wave-Segment aufgebaut. Der totale Freak im Ausland kauft aber natürlich bei den gängigen internationalen Surfboard-Marken und nicht bei uns am Zürichsee. Ich sag mal, dieser Bereich ist mehr eine Leidenschaft, beziehungsweise Liebhaberei als umsatzsteigernd. Knallhart gesagt: Wären wir von einem Anzugträger mit Krawatte am Schreibtisch gesteuert, würde die Wave-Sparte schneller gekillt werden, als ich gucken kann (lacht).
Ihr entwickelt auch Produkte für diverse weitere Wassersportarten wie Wind- und Wingfoilen oder eben Wellenreiten. Verschmilzt die Entwicklung da innerhalb der Wassersportarten und es entstehen Synergien, oder betrachtet ihr alles separat?
Nein, das läuft alles zusammen und überschneidet sich. Es entstehen definitiv überall Synergien. Unser Shaper Andi Widmann baut seit über 35 Jahren Bretter – gewisse Prinzipien und physikalische Eigenheiten bleiben einfach gleich, wenn ein Board durchs Wasser schneidet, egal bei welcher Sportart. Es zählen Verständnis, Know-how und Erfahrung. Wir haben im Brettsport Erfahrung vom Herzen bis in die Fingerspitzen und diese können wir auf alle Sportarten übertragen. Ich spreche von den Fingerspitzen, denn wer meiner Meinung nach zu viel am Computer modelliert und das perfekte Brett für nur einen speziellen Einsatzbereich berechnet, hat vielleicht in einer idealen Umgebung ein perfektes Brett, aber nichts, was bei verschiedensten Bedingungen, unterschiedlichsten Leuten und Gewichtsklassen funktioniert und an allen Tagen Spaß macht. Das entsteht aus Feedback in Kombination mit Verständnis, Know-how und Erfahrung – aus den unterschiedlichen Sparten des Wassersports.
Wie ist eure Strategie was den Zyklus der Produkte angeht? Überarbeitet ihr die Produkte jährlich, oder bringt ihr nur neue Modelle raus, wenn es auch wirklich etwas Neues gibt?
Ein Produkt wird bei uns nur überarbeite, wenn es auch etwas zu verbessern gibt! Das muss keinesfalls zwingend jährlich sein.
Die Grafiken, vor allem auf eueren SUPs, sind schon immer recht schlicht gehalten. Ist das ein persönlicher Geschmack von dir oder steckt da eine Philosophie dahinter?
Wir waren uns innerhalb des Teams immer einig, was das Design angeht. Wir arbeiten seit Beginn, also schon seit 1989, mit dem Grafiker Jan Indermühle zusammen. Der hat damals schon die Grafiken für Indiana Skateboards gemacht. Er ist ein begnadeter Grafiker. Er hat damals das schlichte, reduzierte Yachtdesign mitgebracht. Bei Foil-Produkten hingegen haben wir uns von Beginn an aber auch etwas frecher gewagt, muss man sagen. Nächstes Jahr kommen wir mit einem komplett neuen Pad-Design: Wir gehen weg von den Tiki-Mustern, so viel verrate ich schon mal.
Du sprachst sie eben bereits an, die Ambassadors. Was macht einen guten Teamfahrer für dich aus?
Wir reden, wenn es um unser Team geht, generell von Ambassadors, sprich Markenbotschaftern. Zum einen haben wir die „Adventure-Ambassadors“, das sind so coole, abenteuerlustige Jungs und Mädels, die paddeln beispielsweise von der Zugspitze bis zur Nordsee oder liefern einfach Hammer-Aufnahmen von außergewöhnlichen Orten.
Dann haben wir die „Race-Ambassadors“, da haben wir jetzt mit Manuel Lauble aus Konstanz einen europaweiten Top-Ten- Paddler im Team Und zuletzt gibt’s noch die „Adrenaline-Ambassadors“, das sind verrückte Athleten, die fahren zum Beispiel in großen Wellen – oder auch Weißwasserpaddler sind da dabei. Unser Team soll gut drauf und sympathisch sein. Resultate sind mir nicht so wichtig. Ich bin auf der Suche nach langfristigen Kooperationen. Die Marke Indiana soll durch sie nach außen, natürlich auch durch die sozialen Medien, positive Energie ausstrahlen. Wir sind nicht diejenigen, die Verträge mit Weltmeistern machen, die vielleicht als Person gar nicht gut drauf sind und nur Resultate liefern. Unser Team soll einfach Spaß haben, mit uns zu arbeiten und von unseren Produkten überzeugt sein.
Meinst du, dass SUP-Racing eine Zukunft hat?
Hm (überlegt lange). Also ich glaube schon, auch wenn die Vorzeichen dafür nicht gerade gut sind. Von Olympiaseite weiß man nichts Neues, ob die Disziplin jetzt mal olympisch wird oder nicht. Fanatic zum Beispiel hat ja jetzt gerade den Stecker gezogen und das Team aufgelöst und die Raceboards aus dem Programm genommen. Wir hingegen glauben dran und machen weiter – auch wenn es kommerziell, wenn überhaupt, eine Nullrechnung ist.
Zum Abschluss: Wo siehst du den SUP-Markt in fünf Jahren? Und wo ist Indiana dann positioniert?
Es wird in den nächsten zwei Jahren eine Bereinigung geben! Ich sehe, dass sich viele Player raushalten, weil sie meinen, der Trend sei langsam vorbei und sie den Rahmen ausgeschöpft hätten. Doch ich denke, das Großartige an dem Sport, jederzeit selbstständig und überall aufs Wasser zu können, abzuschalten, dabei etwas Gutes für den Körper zu tun, an der frischen Luft zu sein und die erholende Wirkung des Wassers – das ist doch alles immer noch da. Die Leute sind noch da und werden auch dabeibleiben. Es wird nicht verschwinden, aber es wird sich etwas konsolidieren. Also ich sag mal, die Verkaufszahlen, gerade im Billigsegment werden sicher massiv zurückgehen, aber der übrige Markt wird von guten Playern, die geile Produkte anbieten und guten Service bieten, bedient werden – und da sehe ich ganz klar Indiana vorne mit dabei!