Die Bora ist wie eine Frau, lautet ein überaltertes, kroatisches Sprichwort. Unberechenbar, aber optisch eine Wohltat. Die slowenisch-kroatische Adriaküste ist während der Bora vom üblichen Dunst befreit, meist wölbt sich sogar ein strahlend blauer Himmel über der Küstenregion, die ihre landschaftlichen Reize bei dieser Wetterlage voll ausspielen kann.
Dieser Wind ist sehr gewöhnungsbedürftig. Wie beim Mistral handelt es sich um einen ablandigen, verhältnismäßig kühlen und ziemlich lebhaften Wind. In Richtung und Stärke ist dieser Ost bis Nordost sehr launisch, ja, er übertrifft in dieser Beziehung sein französisches Pendant bei Weitem. Als plötzlicher Fallwind stürzt er sich auf die Adriaküste und erobert die Spots von jetzt auf gleich. Locals sprechen bei der Bora von einem Überfall aus dem Hinterland.
Die besten Bora-Spots in Kroatien
Typische Wetterkarte
Ein zuvor erfolgter Kaltlufteinbruch in den Norden des Balkans lässt den Luftdruck dort ansteigen. Zugleich ist der Luftdruck über Süditalien verhältnismäßig tief. Das hat an der Ostküste der Adria eine Winddrehung auf Ost bis Nordost zur Folge: Die Bora entsteht. Die Ostwinde werden durch Pässe im Dinarischen Gebirge auf dem Weg zur Küste düsenartig beschleunigt. Zugleich wirken die Hänge des Küstengebirges zur Adria hin wie Rampen, auf denen die – aus physikalischen Gründen schwere – Kaltluft zum Meer herabfällt. Ergebnis dieser unheiligen Allianz aus Luftdruckverteilung und Topografie sind heftige Fallböen, die überfallartig die Küstenregion heimsuchen.
Bei dieser Lage zwischen Hoch und Tief überwiegt an der slowenisch-kroatischen Küste, besonders im Sommer, der Hochdruckeinfluss. Zudem löst die absinkende Luftbewegung nach dem Föhnprinzip viele Wolken auf.
Bora – die kalte Schönheit
Voraussetzung für eine starke Bora ist ein Hochdruckgebiet über dem nördichen Balkan, bei tiefem Druck über dem Ionischen Meer. Dann ballert es in den bekannten Bora-Düsen und das Satellitenbild zeigt ein typisches Wolkenbild.
Wirkungsgebiet
Der Herrschaftsbereich der Bora reicht vom Golf von Triest im Norden bis runter nach Süddalmatien, etwa auf Höhe von Dubrovnik. Im Unterschied zu den meisten anderen Winden im Mittelmeergebiet sucht die böige Bora die Küstenabschnitte in sehr unterschiedlicher Stärke heim. Zum Glück sind es immer dieselben Zonen, in denen die Bora besonders heftig wütet. Die Locals kennen sie sehr gut. Oft handelt es sich bei den gefürchtetsten Bora-Schneisen um Ost-West- oder Nordost-Südwest-orientierte Täler, die an der Küste enden – oder um schmale Seestraßen in ähnlicher Ausrichtung (Düsen- oder Führungseffekt). Zu den besonders berüchtigten – bei hartgesottenen Surfern wohl eher gefragtesten – Bora-Düsen zählt der Golf von Rijeka mit der Kvarner-Enge östlich von Istrien. Oder der Velebitski-Kanal zwischen der Ostküste der Insel Rab und dem Küstenort Jablanac.
Hochsaison
Bora-Ausbrüche sind das ganze Jahr über möglich – von Mai bis September aber eher seltener, von kürzerer Dauer und auch weniger heftig als im Winterhalbjahr. Von Mai bis August dauert eine Bora-Episode in der Regel nicht länger als ein bis drei Tage. Im Winter dagegen sind sechs bis sieben Tage mit stürmischer Bora und vorübergehender Orkangefahr keine Seltenheit. Der Schiffsverkehr ruht dann in den Bora-Schneisen, und manche dalmatinischen Inseln sind von der Außenwelt abgeschnitten.
Typische Wind- und Wetterbedingungen
Während der Bora ist es verhältnismäßig kühl und die Sicht von berauschender Klarheit. Man unterscheidet eine Schlechtwetter-Bora von einer Bora mit Sonnenschein bis zum Abwinken. Die wolkenreiche Bora (zyklonale Bora, Bora chiura) tritt am ehesten im Winterhalbjahr auf, Regen fällt aber kaum. Die Schönwetter-Bora dagegen (antizyklonale Bora, Bora sciara) ist typisch für die warme Jahreszeit. So richtig warm wird’s aber auch am Mittag und Nachmittag nicht, man spürt den kalten Ursprung der Luftmasse. Am ersten Tag des Bora-Ausbruchs weht der Wind am stärksten und wird dann Tag für Tag schwächer. Vier bis sechs Beaufort sind charakteristisch für die sommerliche Bora, eine schwache Bora wird auch Borino genannt. Im Winter ist der Wind hingegen als Boraccia gefürchtet – Stärke sieben bis neun ist dann typisch, die Sturmböen heißen Reffoli. Besonders heftige Bora-Stürme sind oft mit Orkanböen verbunden.
Verstärkungsfaktoren
Die Bora ist besonders stark, wenn der Kaltlufteinbruch auf dem Balkan, der diesen Adria-Wind einleitet, besonders intensiv ausgefallen ist. Von November bis April ist er sogar oft mit Schnee und Eis jenseits der dalmatinischen Berge verbunden. Eine starke bis stürmische Bora kann auch durch ein kräftiges Tief über Mittel- oder Süditalien ausgelöst werden – vor allem, wenn dessen Kerndruck unter 1000 Hektopascal sinkt. Schließlich gibt es die schon erwähnten lokalen Düsen-, Leitplanken- und Kap-Effekte, begründet in der reichhaltigen topografischen Gliederung der dalmatinischen Küstenabschnitte. Da kann es passieren, dass es hier mit vier bis fünf Beaufort weht, und einen Kilometer weiter braust eine Bora der Stärke sechs bis acht – mit Böen neun – über den Spot. Solche Bora-Schneisen erkennt man an den Gischtstraßen auf dem Wasser, den Fumarea.
Störfaktoren
Anhaltend steigender Luftdruck vom westlichen Mittelmeer her entzieht der Bora die Existenzgrundlage, die in der Konstellation aus Hochdruck über dem Balkan und tiefem Druck über der Adria besteht. Fallender Luftdruck über dem Alpenraum samt Balkan kündet ebenso vom nahen Ende des Adria-Fallwindes. Auch von Tag zu Tag ansteigende Temperaturen sind ein Zeichen dafür, dass an den Spots die Stunden oder Tage der Bora gezählt sind. Die Bora ist nachts und morgens meist am stärksten. Mit der üblichen, tageszeitlichen Erwärmung bekommt die Bora einen Gegenspieler in Gestalt des thermischen Seebrisen-Effekts. Dieser vermag den ablandigen Fallwind nicht unbedingt zu stoppen oder gar umzukehren. Aber er schwächt ihn doch zumindest vom Mittag bis zum Abend – besonders im Sommerhalbjahr.
Alle Teile des Wind-Specials:
- Der Westwind
- Der Ostwind auf der Ostsee
- Ora und Vento am Gardasee
- Der Föhn in den Alpen
- Der Meltemi in Griechenland
- Die Bora in Kroatien
- Der Schirokko im zentralen Mittelmeer
- Der Mistral in Südfrankreich
- Der Tramontana im nördlichen Mittelmeer
- Der Levante in Südspanien
- Die Passatwindzone
- Die Wurzeln der Passat-Winde
- Kernpassat – Im Zentrum des Passats
- Passat-Auslaufzone – Das Ende des Passats
- Interview: Klimaforscher Dr. Michael Sachweh – “Stürme jagen ist meine Leidenschaft”
- Windfinder: So entstehen Wind-Vorhersagen, das unterscheidet Forecast und Super-Forecast