Ihre ersten Skitage haben vermutlich 90 Prozent aller Skifahrer in der Skischule verbracht. Auf der Piste ist das nahezu Standard. Am Strand sieht das oft anders aus. Zumindest wenn die Eltern selber surfen, ist häufig „home schooling“ angesagt. Schließlich ist man ja selber ein halber Halsengott und wird das den Kindern schon beibringen.
Mehr zum Thema Windsurfen für Kinder:
„Das sehe ich häufig und sehe leider auch oft, dass es schiefgeht“, bedauert surf-Redakteur und VDWS-Instruktor Manuel Vogel, „vor allem, wenn die Eltern keine Erfahrung haben, wie man schult. Wenn ein Elternteil das gelernt hat, glaube ich, dann geht es schon. Aber es ist erfahrungsgemäß auch immer ein Unterschied, ob jemand Externes die Kinder unterrichtet oder die eigenen Eltern. Dazu kommen Anreize wie das Belohnungssystem in einer Schule – mit Urkunden und unterschiedlichen Levels, die man erreichen kann. Wenn Kinder bei der Anmeldung schon erfahren, dass sie am Ende einen Surfschein machen können, das finden die meisten Kinder cool.“
Was nicht bedeutet, dass das private Lernen von Kindern mit ihren Eltern keinen Spaß machen kann. Im Gegenteil. Im Idealfall mit anderen Kindern gemeinsam, kann es ein wunderbares Erlebnis sein. Vielleicht betreuen befreundete Eltern die Kinder auch mal „über Kreuz“? Denn wer kennt es nicht: Der gleiche Ratschlag – fünfmal von den Eltern oder nur einmal von einer anderen Person – wird in der Kinderwelt häufig völlig unterschiedlich bewertet und befolgt. Und „wenn Gleichaltrige dabei sind, kommt nicht so schnell Frust auf. Die Kinder sehen, dass die anderen auch nicht sofort alles können. So ist das zumindest bei meinen Kindern. Wenn wir dagegen alleine unterwegs sind, dann haben die häufig sehr schnell keinen Bock mehr,“ hat Manuel festgestellt.
Das richtige Windsurf-Material für Kinder
Häufig scheitert es leider auch am richtigen Material. Dabei soll natürlich auch dieses Special helfen, die passende Ausrüstung für den Nachwuchs zu finden. In die Materialkerbe schlägt auch Christian Winderlich von der Surfschule Norderney. Natürlich auch mit dem Hintergedanken eines Surfschulbetreibers, aber auch mit nachvollziehbaren Argumenten: „In einer guten Schule ist einfach immer das passende Material für jeden Wind vorhanden, da kann ein Sechsjähriger bei sechs Windstärken mit dem 1,0er Segel surfen. Und erfahrene Surflehrer wissen, wie man die Technik richtig vermittelt. Viele erwachsene Surfer benutzen zu große Segel, weil sie das richtige Balancieren nie gelernt haben. Und das fängt schon bei den Kindern an, das muss ein Surflehrer sehen und schulen.“
Zu große Segel und zu kleine Boards sind die häufigsten Fehler.” (Christian Winderlich, Surfschule Norderney)
Etwa 120 Kinder lernen in der Surfschule Norderney in der Hochsaison surfen – pro Woche. Daher kennt Christian alle großen, aber auch die kleinste Problemchen: „Die größte Hürde sind zu große Segel und zu kleine Boards. Ein Kindersegel sollte man auf jeden Fall kaufen, denn selbst ein 3,7er Erwachsenensegel können Kinder nicht leicht hinstellen. Außerdem sollte das Wasser stehtief sein und der Wind nicht ablandig wehen. Als Boards gehen auch Funboards, aber immer mit sehr kleiner Finne hinten und Schwert oder Mittelfinne. SUPs mit runden Kanten ohne Mittelfinne sind nicht geeignet.“
Eltern helfen ja anfangs gerne und halten das Board, doch auch dabei muss man laut Christian fein unterschieden: „Um die Achse stabilisieren ist okay, festhalten nicht. Dann lernt man die Balance nicht und kann nicht steuern. Man kann auch helfen, das Segel in die richtige Position zu bringen, aber man muss dabei auch wissen, was man tut.“
In der Gruppe macht Lernen mehr Spaß
Der beste Katalysator für die Aktivierung des Surf-Virus ist für Christian aber das Lernen in der Gruppe: „Wenn Eltern darin geschult sind, wie man Windsurfen vermittelt, kann das gut gehen, aber es könnte in einer Gruppe von Gleichaltrigen besser funktionieren. Kinder vergleichen sich dabei auch nicht so doll, das ist bei Jugendlichen stärker, die sind dadurch auch leichter frustriert. Kinder gucken zwar auch auf die anderen Kinder aber lernen überwiegend dabei.“ Und den psychologischen Vorteil des „fremden“ Surflehrers kenn Christian natürlich auch. „Die Eltern fragen manchmal ganz erstaunt, wie man es geschafft hat, dass der Kleine sein Board selber trägt, oder sich den Neo anzieht, weil er das sonst nie macht.“
Kinder sind zwar oft ziemlich tapfer, aber im Kern doch alle ziemliche Frierbacken. Ein guter Kälteschutz ist mindestens so wichtig wie das passende Segel und Board. Auch bei sommerlichen Temperaturen in Kroatien sollte zumindest ein Long John die Kinder schützen: Vor Auskühlen im Wind, aber zusätzlich auch vor der Sonne und mit den langen Beinen werden vor allem auch die Knie besser geschützt als im beliebten Shorty. Der Klassiker mit den langen Beinen bietet hier eindeutig Vorteile. Und mit einem dicht schließenden Langarmanzug in passender Größe und 5/3 oder 5/4 Millimeter Dicke und warmen Surfschuhen steht stundenlangem Spaß im Wasser kaum noch etwas im Wege.
Ich kann euch nur raten, bleibt dran bis ihr richtig im Gleiten seid. Denn übers Wasser zu fliegen, das ist für mich das Allerbeste!” (Melli, neun Jahre)
In drei Phasen zum Windsurf-Freak
Was bei optimaler Betreuung möglich ist, zeigt ein außergewöhnlicher Fall: Miriam Küppers (Foto linke Seite mit Tochter Melli) ist nicht nur selber windsurfbesessen, sondern hat ihre Kinder ebenfalls im Rekordtempo an die Gabel, in die Fußschlaufen, ans Trapez und zu ersten Freestyle-Tricks gebracht. In drei methodischen Stufen beamte Miriam die Kids mit vier Jahren schon ins Gleiten.
- In Phase eins noch gemeinsam auf einem großen Board (auch auf iSUPs), der Lehrer sitzt vor dem Rigg und hilft beim Segelaufholen und stabilisiert heimlich das Rigg. Abtreiben und Entkräftung werden dabei ausgeschlossen.
- In Phase zwei wird das Kinderbrett mit einem Gummiseil (am Mastfuß befestigt) vom Lehrerbrett geschleppt und der Kurs stabilisiert. Für Motivationsschübe zwischen den Einheiten sind Gleitfahrten zwischen Papas Beinen (oben) gut geeignet, um zu zeigen, wofür es sich lohnt zu lernen.
- Phase drei ist dann „Flügge werden“, alleine surfen und sich durchkämpfen.
Und der Funke ist so mehr als nur übergesprungen. Miriams Tochter Melli, heute neun Jahre alt, gibt das Feuer schon weiter, „coacht die vierjährige Schwester Neli bereits beim Gleitsurfen und hat eine Botschaft für alle Kids: ‚Bleibt dran, bis ihr richtig im Gleiten seid, denn übers Wasser zu fliegen, das ist das Allerbeste!‘“