Spot Guide GriechenlandDie besten Windsurf-Spots auf Karpathos

Wolfgang Strasser

 · 06.06.2024

Wenn du nach Karpathos kommst, bring kleine Segel mit. Aber auch  hier scheint sich die Lage zu ändern –  moderate Bedingungen gibt es  mittlerweile häufiger.
Foto: Wolfgang Strasser
“Auf Karpathos ist so viel Wind, da fliegt dir das Dach weg” – lautet zumindest ein verbreitetes Vorurteil. Spot-Reporter Woife Strasser stellt euch die windigsten Ecken der griechischen Insel vor und verrät, warum das Eiland längst kein Ziel mehr nur für Starkwind-Fans ist.

Als mich die Surf-Redaktion im Frühjahr 2023 fragte, ob ich nicht einen Spot Guide Karpathos produzieren könnte, klang das für mich interessant. Ich hatte in der Vergangenheit schon auf mehreren griechischen Inseln gearbeitet und als ich im Jahr 2000 meine Surfstation auf Kreta verkauft hatte, kam ein Angebot in der Saison 2001 die Leitung einer Station auf Karpathos zu übernehmen. Diese Insel kannte ich damals noch nicht, aber es gab viele Geschichten über Karpathos: „Da ist immer Wind und das Tag und Nacht“. Auch ich wollte damals mal dem Mythos für einige Zeit auf den Grund gehen und nahm das Angebot an, denn danach sollte unsere kleine Tochter in die Schule kommen und mein Leben sollte ganz bodenständig in Deutschland weitergehen – so zumindest der Plan. Mit Frau und Kleinkind ging es also im Februar 2001 nach Karpathos.

Bereits im Mai, vor Beginn der eigentlichen „Windzeit“, blies der Meltemi stark und ohne Unterbrechung. Es war unvorstellbar, wie der Wind dann erst in den Sommermonaten sein würde. Im Freien und ohne Windschutz konnte unsere kleine Tochter nichts basteln oder malen, weil der Wind alles wegblies. Nachts klapperten die Fenster und Fensterläden – ich empfand die Zeit dort damals als ziemlich anstrengend.

Die Thermik auf Karpathos verstärkt den Wind deutlich, Neubauten machen ihn böig

22 Jahre später, im Juli 2023, reisten wir nun also von Sitia auf Kreta mit der Fähre nach Karpathos. Schon vorher auf Kreta hatte ich die Windvorhersagen für Karpathos gecheckt – und die sahen aus meiner Sicht nicht gut aus: Launischer Meltemi und nur leichter Nordwestwind waren angesagt. Doch ich stand in Kontakt mit Mikey von der Meltemi Windsurf Station in der Devil’s Bay, der mich beruhigte und auf die vorherrschende Thermik hinwies, die täglich zehn bis 25 Knoten mit sich bringt.

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Schon bei der Ankunft im Hafen von Pigadia waren wir vom Bauboom auf der Insel und den Touristenmassen überrascht – 2001 war das noch ein komplett anderes Bild gewesen. Auf dem Weg nach Afiartis hat man vom Berg aus einen tollen Ausblick auf die Spots der Leeseite und auch auf viele neu gebaute Häuser und Appartements auf dem zum Meer hin abfallenden Gelände. Was ein Vorteil für die Touristen ist, wurde ein Nachteil für die Qualität des Windes – in Ufernähe ist es nun böiger geworden.

Karpathos ist vom Starkwind- zum Familien-Revier geworden

Andererseits gibt es nun in Afiartis viele schöne Wohnmöglichkeiten für jeden Geschmack und mit kurzen Wegen zu den Surfspots. Anderes erscheint uns auch nach über 20 Jahren noch vertraut: die kahlen Hänge des über 1200 Meter hohen Kali Limni. Das bunte Treiben in den Läden, Tavernen und Restaurants der Inselhauptstadt Pigadia. Oder die alten Rituale und Traditionen im Dorf Olympos, wo auch heute noch das Brot im Steinofen gebacken wird und die Bewohner in traditionellen Trachten unterwegs sind.

Und auf dem Wasser? Während unseres einwöchigen Aufenthalts waren wir, trotz mäßiger Vorhersage, jeden Tag mit Segeln zwischen 4,0 und 5,2 m² auf dem Wasser. Auffällig war aber, dass die extremen Sturmtage, an denen der Meltemi komplett ausrastet, scheinbar über die Jahre weniger geworden sind. Auch viele Gespräche mit Surflehrern, Stationsleitern und Stammgästen haben diesen Eindruck bestätigt. Das ist aus meiner Sicht kein Nachteil, sondern für Karpathos als Surfrevier eigentlich gut, da sich die Insel somit zunehmend zum Kombirevier entwickelt, wo auch der Familienanhang gut aufgehoben ist und weniger geübte Windsurferinnen und Windsurfer auch beinahe täglich aufs Wasser können.

Die besten Windsurf-Spots auf Karpathos

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1. Devil’s Bay

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Die Devil’s Bay hat meist den stärksten Wind auf Karpathos – was nicht immer unbedingt ein Vorteil sein muss! Vor Ort befindet sich die Meltemi Windsurf Station, mit aktuellem Windsurf- und WingfoilMaterial. An der Station gibt es auch eine Bar mit Terrasse, die Frühstück, Snacks, Burger und Getränke anbietet – und auch immer wieder mal einen Themenabend. Auch ein Rescue-Service steht hier zur Verfügung.

Normaler Meltemi aus Nordwest weht schräg ablandig von links und unter Land durchaus böig in die etwa 900 Meter lange und rund 500 Meter breite Bucht. Macht der Meltemi mal Pause und kommt die Thermik in Gang, kommt diese mehr aus West-Nordwest in der Devil’s Bay an. Zum Einsteigen gibt es einen Strand mit grobem Sand bzw. Kieseln. Unter Wasser liegen in Ufernähe einige flache Felsplatten, die man im Auge haben sollte – die Bereiche sind aber markiert.

Das Wasser ist in Ufernähe, je nach Windstärke, flach bis leicht kabbelig, oft hat man hier gute Bedingungen zum Manöverüben und Tricksen. Wenn der Meltemi feuert, baut sich weiter draußen ein steiler Chop mit einem halben bis einem Meter Höhe auf. Dafür ist weiter draußen der Wind aber auch spürbar konstanter. Wer sich weiter nach Lee in Richtung Gun Bay orientiert, findet hinter einer Landzunge einen schönen Flachwasserbereich vor.

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2. Gun Bay

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In der Gun Bay ist der Wind bereits oft etwas schwächer. Auch hier gibt’s eine gute Infrastruktur, hat sich doch der ION Surfclub mit aktuellem und gut gepflegtem Material hier angesiedelt. Hier werden auch MTB-Touren und Wingfoil-Kurse angeboten, zudem gibt’s hier eine Bar und ein Restaurant mit Terrasse und Blick auf die Gun Bay und das Windsurfgeschehen.

Der Meltemi aus nordwestlicher Richtung weht in der Gun Bay schräg ablandig von links und ist moderater als in der Devil’s Bay. Der Einstieg ist leicht möglich und kieselig, im Uferbereich gibt’s auch hier einige Felsen, die aber markiert sind. Auf den ersten 200 Metern ist es auch hier leicht böig, dafür ist das Wasser aber glatt und ideal zum Tricksen oder für Manöver. Weiter draußen stabilisiert sich der Wind dann spürbar, bei Starkwind entsteht dann aber ein kurzer, steiler Chop mit bis zu einem Meter Höhe. Die Landzunge in Lee vermittelt zumindest optisch etwas Sicherheit.

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3. Chicken Bay

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Die Chicken Bay ist für Aufsteiger ideal – das liegt vor allem am sandigen Stehbereich und der guten Infrastruktur.Foto: Wolfgang StrasserDie Chicken Bay ist für Aufsteiger ideal – das liegt vor allem am sandigen Stehbereich und der guten Infrastruktur.

Auch wenn der Begriff „Chicken Bay“ etwas abschätzig klingen mag – schämen, hier aufs Wasser zu gehen, muss sich niemand. Im Gegenteil: Die sehr geschützte Bucht hat einen knapp 100 Meter hinausreichenden, flachen und sandigen Stehbereich, in dem das Wasser knie- bis hüfttief ist. Damit ist die Bucht ideal für Anfänger, Aufsteiger und alle, die bei Starkwind noch nicht vollkommen sicher Wasserstarten und Kreuzen können. Die Wasseroberfläche in der Chicken Bay bleibt meist sehr flach, weiter in Lee umschließt eine Landzunge die Bucht teilweise, was ein Gefühl von Sicherheit vermittelt und Abtreiben im Prinzip unmöglich macht. Auch ein Rescue Service steht für die Gäste der Stationen natürlich bereit. Ist die Chicken Bay also immer easy? Nicht ganz, denn in den Monaten Juli und August sind auch hier schon mal Tage mit über 30 Knoten drin.

Die Surfstationen an der Chicken Bay sind gut sortiert und haben Material für alle Surfbedingungen. Die Schulungen sind ein Traum, angesichts des Stehreviers, des feinen, weißen Sandes unter den Füßen und des glasklaren Meers. Die Surfstationen sind so ausgerichtet, dass sich auch Landratten dort in windgeschützten Bereichen gut aufhalten können, um das Geschehen in der Chicken Bay zu beobachten – auch Bars, Restaurants und Duschen sind vorhanden.

Geübte Windsurfer und Windsurferinnen finden außerhalb des Stehbereiches tolle Bedingungen vor, je nach Windstärke gibt’s dann flaches bis leicht kabbeliges Wasser.

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4. Secret Spot

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Abseits der Hauptspots gibt’s noch einen etwas versteckten Spot, dieser befindet sich beim Nikoliou O Kolpos Beach auf halbem Weg von Afiartis zum Luvspot, direkt hinter der Start- und Landebahn des Flughafens. Eine unbefestigte Straße führt zur felsigen Küste. Der Einstieg erfolgt rechts der Bucht über einige kleinere Felsen oder im linken Teil über eine Felsentreppe in eine geschützte Bucht mit Kieselsteinen und vorgelagerter Felsenplatte. Schuhe sind hier nicht zwingend nötig – aber auch kein Fehler!

Am Strand gibt es keinerlei Infrastruktur. Der Wind weht ablandig und sehr böig, zaubert aber bestes Flachwasser zum Heizen und Freestylen, da die Böen lang und kräftig sind. Der Spot ist, meist bei stärkerem Wind, einen Abstecher wert. Was man wissen sollte, ist allerdings, dass es hier, im Gegensatz zu den Hauptspots, keinen Rescue Service gibt. Wer Materialbruch erleidet, treibt hier auf direktem Wege Richtung Ägypten.

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5. Luv Spot

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Vorne moderate Chops, draußen Dünung und leichte Brandung – der Luv Spot ist eine super Ergänzung zu den Flachwasserpisten.Foto: Wolfgang StrasserVorne moderate Chops, draußen Dünung und leichte Brandung – der Luv Spot ist eine super Ergänzung zu den Flachwasserpisten.

Am südwestlichen Kap, etwa drei Kilometer entfernt von Afiartis, befindet sich der sogenannte Luv Spot mit dem Agrilaopotamos-Strand. Es ist eine kleine Bucht mit feinstem Sandstrand und türkisem Wasser, der Stehbereich beläuft sich auf etwa zehn bis 15 Meter.

Wind kommt bei der Thermik aus WNW eher sideonshore von rechts und bei Meltemi aus Nordwest dann mehr sideshore an. Bei zwölf bis 25 Knoten ist das Wasser noch recht flach, mit allenfalls kleinen Chops und die ersten 150 Meter liegen noch in der Windabdeckung und sind deshalb böiger. Am Riff entstehen immer mal wieder kleine Wellen, die aber nur selten Brandungscharakter haben. Wenn der Meltemi einige Tage durchfeuert, entstehen auch mal Dünungs- bis sehr gemäßigte Brandungswellen bis 1,5 Meter Höhe, die sich für Sprünge und Freestyle-Tricks nutzen lassen. Das Riff ist voller Seeigel und scharf, hat aber zwei Durchgänge, die gut zu erkennen und gefahrlos zu durchqueren sind.

Außerhalb des Riffs gibt’s dann lange Dünungswellen, die zum Heizen und Springen einladen. Der Wind ist weniger böig als auf der Leeseite und normalerweise auch drei bis acht Knoten schwächer. Wenn also auf der Leeseite der Insel, in Devil’s Bay und Co., der Wind unfahrbar stark wird, dann ist der Luv Spot ein guter Ort zum Ausweichen. Am Spot gibt es das Wassersportcenter Naish Greatdayz mit Schwerpunkt Kite- und Wingsurfen aber auch mit aktuellem Windsurfmaterial von Naish sowie eine Taverne und einige Appartements. Parkmöglichkeiten befinden sich ebenfalls an der Straße. Da auf der Leeseite der Insel das Kiten untersagt ist, ist hier der Hotspot der Kiteszene.

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Revier-Infos Karpathos

Anreise

Es gibt zwei Wege, nach Karpathos anzureisen: entweder per Flieger, im Sommerhalbjahr werden viele Charterflüge von mitteleuropäischen Flughäfen direkt nach Karpathos angeboten. Der Vorteil: In knapp drei Stunden ist man da, der Transfer vor Ort an die Windsurfspots rund um Afiartis dauert nur zehn Minuten.

Des Weiteren kann man per Camper anreisen. Ideal sind die Fähren von Ancona oder Venedig nach Patras, z. B. mit Anek oder Minoan Lines. Nach Karpathos setzt man von Piräus über, Angebote gibt’s bei Bluestar Ferries, unter faehren.de sowie bei Seajets

Wohnen & Campen

Über die bekannten Buchungsplattformen im Internet gibt’s zahlreiche Wohnmöglichkeiten rund um Afiartis. Wer auf der Suche nach Komplettangeboten ist, sollte unbedingt auch die Angebote der Surfreiseveranstalter checken:

Es gibt keinen Campingplatz auf Karpathos. Wildcampen ist, wie überall in Griechenland, offiziell verboten, wird auf Karpathos aber teilweise noch geduldet. Sofern man sich an einige Regeln, die selbstverständlich sein sollten, hält: Nicht einrichten, als wäre es dein Zuhause, keinen Müll hinterlassen und die benachbarten Tavernen unterstützen, indem man dort auch mal zum Essen hingeht und nicht nur aufs Klo.

Wind & Wetter

Die ideale Reisezeit für einen Trip nach Karpathos ist das Sommerhalbjahr, die beste Windzeit ist zwischen Mai und September. Dann bildet sich östlich über Kleinasien und dem Nahen und Mittleren Osten ein Hitzetief aus, welches beständig Luft ansaugt – der berühmte Meltemi entsteht. Er beschert Griechenland den strahlend blauen Himmel mit klarer Luft. Seinen Höhepunkt erreicht der Meltemi in den Monaten Juli und August, die Windwahrscheinlichkeit auf Karpathos liegt dann bei rund 90 Prozent. Auf Karpathos gibt es noch eine Verstärkung durch die Lage der Insel von Nord nach Süd und die hohen Berge im Norden, die nach Süden hin auslaufen und somit durch einen Leitplanken-Effekt den Wind aus Nordwest verstärken. Der Meltemi weht im Hochsommer normalerweise Tag und Nacht mit einer Stärke von 18–35 Knoten, aber auch absolute Sturmtage mit 40 Knoten und mehr können vorkommen – kleine Segel gehören hier nach wie vor ins Gepäck. In der Nebensaison bis Juni und ab September fällt der Meltemi oft moderater aus. Sollte der Meltemi mal ganz ausbleiben, gibt es im Süden von Karpathos eine zuverlässige Thermik aus West- bis Westnordwest mit 12–20 Knoten, die aber böiger und meist nicht den ganzen Tag weht.

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Das Klima auf Karpathos ist mediterran, mit heißen, sonnigen und windigen Sommern, in denen es nicht regnet. Wegen der langen Sommerdürre und des Windes ist die Landschaft dann ausgetrocknet.

Die Lufttemperatur im Sommer bewegt sich zwischen 25–35 Grad. Das Meer hat in der Nebensaison schon 20 Grad, im Hochsommer steigen die Wassertemperaturen auf bis zu 27 Grad an. Dann surft man hier in Shorts oder im Shorty.

Surfstationen

Alternativprogramm

Menetes ist eines der beliebtesten Ziele auf Karpathos. Das Dorf selbst hat keine 500 Einwohner. Der malerische Ort ist gut zu erreichen und bestens zu Fuß zu erkunden. Traditionelle Musik und Essen locken zahlreiche Touristen an.

Pyles liegt im Südwesten von Karpathos und hat ca. 400 Einwohner. Das Dorf zieht mit einer Heiligkreuzkirche mit verschiedenen Ikonen und einem Landwirtschaftsmuseum zahlreiche Touristen aus aller Welt an. Viele Wanderfreunde kommen hierher, um die Flaskia-Schlucht zur Lastos-Ebene zu entdecken.

Des Weiteren gibt es noch viele schöne Strände zu erkunden. Zu empfehlen ist der Bootsausflug auf die Nachbarinsel Saria ab Diafani. Neben mehreren einladenden Bade-Stopps beeindruckt die Naturlandschaft und so einige historische Relikte, die es zu sehen gibt. Wer auf MTB-Touren aus ist, sollte am ION Club in der Gun Bay nachfragen.

Gut zu wissen

Die Hitze im Hochsommer kann kernig werden, vor allem wenn der Meltemi mal Pause macht. Entsprechender Sonnenschutz ist an Land und auf dem Wasser unerlässlich.


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