Text: Franz Kühnlein
Jede Sekunde auf dem Wasser ist wertvoll! Jedoch steht jeder junge, ambitionierte Surffanatiker vor dem Dilemma: Wie schaffe ich es, in der mir zur Verfügung stehenden Zeit so viel wie möglich auf dem Wasser zu sein und wie löse ich das Finanzielle? Meine Antwort darauf: Die Arbeit als Beach Assistant in den Semesterferien in der windigen Ägäis. Konkret fiel meine Wahl schon vor knapp vier Jahren auf die Insel Karpathos. Bekannte berichteten mir von der unschlagbaren Windsicherheit. Der Gedanke, einen ganzen Sommer kein größeres Segel als 4.8 zu fahren, gefiel mir einfach. So bewarb ich mich bei der Meltemi Windsurfing Station, bei welcher auch Meiky Wieczorek arbeitet. Der Typ surft ja ganz gut, dachte ich mir damals, dann müssen die Bedingungen für Freestyle dort ja ganz in Ordnung sein!
Der Bewerbung folgte ein Interview via Skype mit den Stationsleitern. Für den Job des Beach Assistent ist bei Meltemi weder eine Ausbildung zum Surflehrer noch ein Bootsführerschein nötig. Wichtig sind passable Surfkenntnisse, grundlegendes Englisch, Offenheit und Motivation. Den Rest lernt man ohnehin vor Ort. Ich wurde für den Job angenommen und konnte meinen ersten Flug nach Griechenland buchen. Dass dies nicht der einzige bleiben würde, war schnell klar. Nun, fast vier Jahre später, blicke ich voller Freude auf mehrere unglaubliche Sommersaisons auf Karpathos zurück.
Warum ich die Sommer auf Karpathos verbringe? Das Leben dort ist für zwei Monate sorgenfrei
Warum ich seitdem jeden Sommer auf die scheinbar einseitige und karge Insel zurückgekehrt bin? Weil dort mein Traum, jeden Tag auf dem Wasser zu sein und immer wieder unvergessliche Momente zu erleben, in Erfüllung gegangen ist. Das Leben dort ist für zwei Monate sorgenfrei. Die Unterkunft vor Ort wird durch die Surfstation gestellt, man erhält ein Mittagessen und hat Rabatte an der Bar. Es ist möglich das Material der Station zu nutzen. Von diesem Angebot mache ich gerne Gebrauch, da in regelmäßigen Abständen mein eigenes Board als Folge der Dauerbelastung reparaturbedürftig ist. Die Reparatur kann ich glücklicherweise gleich vor Ort durchführen und mir dabei vom Profi Einiges abschauen und selbst Hand anlegen.
Für die Arbeit in de Surfstation wird man natürlich auch entlohnt. Reich wird man nicht, aber kommt nach Gegenrechnung mit Flügen und Verpflegung vor Ort sogar mit einem kleinen Plus nach Hause. Aus diesem Grund bezeichne ich meine Zeit dort manchmal als bezahlten Urlaub (aber sagt das nicht den Stationsleitern). Als Student wäre es mir kaum möglich jedes Jahr zwei Monate an einem Surfspot im Ausland zu bleiben, ohne dort zu arbeiten. Deshalb ist es insgesamt eine Win-Win-Situation.
Arbeiten, Surfen, Schlafen - der Karpathos-Rythmus
Der Alltag sieht folgendermaßen aus: An sechs Tagen die Woche arbeitet man von 9 bis 18 Uhr. Während dieser Zeit darf man eine Stunde selbst windsurfen. Da mir dies nicht ausreicht, stehe ich meist um 7:00 Uhr auf und gehe bereits eine Stunde vor Arbeitsbeginn aufs Wasser. An den Tagen mit zu starkem Wind ist dies ohnehin sinnvoll, da es in den Morgenstunden noch etwas moderater zugeht und man nicht direkt wegfliegt. Dasselbe gilt für den Abend, wenn die Station um 18:00 Uhr für die Kunden schließt und der Wind wieder etwas nachlässt, sodass man perfekt mit 4.4 im Flachwasser Freestyle-Manöver zelebrieren kann. Zu dieser Zeit surft meist das gesamte Team der Station und man genießt die gemeinsame Zeit auf dem Wasser, während die Sonne hinter dem Hügel verschwindet und den Himmel rötlich färbt. Um den Tag ausklingen zu lassen, wird gemeinsam zu Abend gegessen und auf die geniale Zeit angestoßen. Am liebsten in den griechischen Tavernen. Partys gehören standesgemäß natürlich auch zum Programm. Jedoch nur in einem gewissen Maß, sodass das Windsurfen (und die Arbeit) nicht darunter leiden.
Natürlich schafft man aufgrund von physischer Erschöpfung nicht jeden Tag drei Sessions bzw. drei bis vier Stunden auf dem Wasser, wenn man an einem Ort ist, an dem zwei Monate fast durchgehend Wind ist. Dies gilt meiner Erfahrung nach aber gleichermaßen für Arbeitende wie Urlauber. Ein weiterer Punkt, der für das Arbeiten am Spot spricht.
Reich wird man nicht. Aber am Ende kommt man meist mit einem kleinen Plus nach Hause
Bei der Arbeit als Beach Assistant steht man viel in Kontakt mit anderen Windsurfern, die das Material der Station mieten. Man gibt stets sein Bestes, alle Kunden mit dem passenden Setup auszustatten. Die Schwierigkeit dabei ist es, das Surfkönnen und die Vorlieben jedes Einzelnen passend einzuschätzen. Einen Teil des Tages verbringt man auf dem „Baywatch-Tower“, wo man über die Bucht wacht und die Sicherheit aller Windsurfer sicherstellt. Eine der aufregendsten Aufgaben ist die Rettung mit dem Motorboot, falls am Material eines Kunden mal etwas zu Bruch gegangen ist, oder die Person nicht aus eigener Kraft zurück an Land kommt. Bei Starkwind und fliegendem Wasser mit dem Boot durch die Bucht zu heizen gibt einen krassen Adrenalinkick. Instandhaltung und Reparatur des Materials gehören ebenfalls dazu: Segel kleben und Tampen auswechseln stehen häufig auf dem Programm - alles Aufgaben, die Präzision und kleine Tricks erfordern, mir aber immer Freude bereiten.
Surft man mehrere Sommer an einem ablandigen Flachwasserspot mit Starkwind, so bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als den Einstieg in die Welt der Freestyle-Manöver zu wagen. Meine Erfahrung zeigt: Jeder Saisonarbeiter, der sie noch nicht kann, fängt an die Airjibe zu üben, bis es irgendwann klappt! Zum Glück konnte ich mir Airjibe und Spock schon vor meinem ersten Besuch auf Karpathos aneignen und Jahr für Jahr neue und radikalere Manöver probieren. Das Gefühl, ein neues Manöver zum ersten Mal zu meistern, ist unvergleichlich und motiviert mich immer wieder zu probieren und zu crashen. Damit wird der Wasserstart übrigens zu dem am besten eingeübten „Move“. Gemeinsam mit den Teamkollegen an Manövern zu feilen, die Theorie an Land zu diskutieren und Videos zu analysieren, hilft unheimlich für den Fortschritt auf dem Wasser. Es ist mehr als zufriedenstellend, wenn man Manöver wie Burner oder Normal Kono die ersten Male noch etwas nass landet, was mir im letzten Sommer gelungen ist. Vor allem wenn man sich in Erinnerung ruft, dass genau diese Powermoves vor gerade einmal zehn bis 15 Jahren erfunden worden sind. Slidingmoves und Kombinationen machen auch wahnsinnig Spaß. Bei Grubby, Eslider und Ähnlichem über die Wasseroberfläche zu rutschen gibt einem das Gefühl eins mit Wind und Meer zu sein. Der Wille, weiter zu machen und immer wieder Neues zu erlernen, ist damit lange nicht erloschen. Jedes Manöver ist so einzigartig und jede Rotation fühlt sich auf seine eigene Art und Weise unglaublich an. Für das nächste Jahr stehen deshalb Culo und Skopu ganz oben auf meiner Liste.
Ich hoffe ich konnte mit diesem Artikel einige Leute motivieren, auch den Schritt zur Saisonarbeit an einem Surfspot zu wagen. Ihr werdet sicher eine gute Zeit haben! Wer Fragen hat oder weitere Infos möchte, sollte meinen Insta-Account checken.