Aus dem Arabischen stammt der Ursprung des Wortes: Scherki bedeutet Südostwind. Daraus wurde im Italienischen der Scirocco, die Kroaten nennen ihn Jugo und wir sprechen vom Schirokko. Manchmal weht er auch genau aus Süd, dann hört er auf den Namen Ostro.
Auch wenn Schirokko-Wetterlagen im gesamten Mittelmeer auftreten können, beobachtet man diese südliche Luftströmung in den Gewässern rum um Italien am häufigsten.
Spots mit Schirokko:
Dieser Wind ist das krasse Gegenteil zur Bora. Während jener Wind ein dreister Überfall aus dem Hinterland ist, zu Beginn oft am stärksten weht und uns mit seiner extremen Böigkeit in Atem hält (das alles bei Sonne und in kristallklarer Luft), neigt der Schirokko in seinem Temperament eindeutig zum Phlegmatismus. Er kommt nicht als dreister Überfall, sondern schleicht sich fast unmerklich durch die Hintertür an die Spots: am ersten Tag nicht mehr als ein Hauch, am zweiten eine schwache Brise, am dritten lebt er allmählich auf. Dabei ist die Sicht ausgesprochen schlecht. Erscheinen die Segel weit draußen bei der Bora zum Greifen nah, wirken sie im Dunstschleier des Schirokkos wie eine ferne Fata Morgana.
Typische Wetterkarte
Besonders oft tritt der Schirokko in der Adria auf. Die typische Luftdruckverteilung, um diese Südströmung in Gang zu setzen, ist tiefer Luftdruck über dem westlichen Mittelmeer, dessen Ausläufer mitunter bis zur Adria reicht. Vis-à-vis auf dem Balkan ist der Luftdruck hoch, manchmal mit einem Keil bis ins östliche Mittelmeer hinein. Bei dieser Luftdruckverteilung gelangt warme Luft aus dem südlichen Mittelmeer an die italienischen, dalmatinischen und auch an die westgriechischen Spots im Ionischen Meer.
Im Sommer ist der Tiefdruckeinfluss nur schwach ausgeprägt, der Hochdruck bestimmt meist die Witterung. Von Herbst bis Frühjahr dominiert dagegen wechselhaftes Tiefdruckwetter, besonders an den italienischen Stränden.
Wirkungsgebiet
Schirokko und dem Schirokko ähnelnde Wetterlagen sind überall im Mittelmeer möglich – von den Spots der Costa del Sol im Westen bis zu den Küsten der Türkei und Zyperns. Hauptsache, es stellt sich die klassische Druckkonstellation ein: ein Tief im Westen, ein Hoch im Osten. Das Tief ist dabei die treibende Kraft bei der Schirokko-Bildung, an dessen Ostflanke die Südwinde generiert werden.
Mediterrane Tiefs fühlen sich in den Seegebieten zwischen Balearen, ligurischer Küste und Tyrrhenischem Meer besonders wohl. Aus diesem Grunde gibt sich der Südwind östlich der Tiefdruckkerne, an den Küsten Italiens bis rüber nach Dalmatien und runter an die ionischen Spots wie Lefkas, besonders oft die Ehre.
Hochsaison
Schirokko ist das ganze Jahr über möglich, besonders vom Herbst bis zum Frühjahr, mit leichtem Vorsprung in der Häufigkeits- und Windstärkestatistik in der Vorsaison. Dabei tritt er je nach Jahreszeit und Region mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn bis 20 Prozent auf. Er ist also ein episodisch erscheinendes Phänomen – die einzige Eigenschaft, die er mit der Bora gemein hat.
Für gewöhnlich weht der Schirokko zwei bis drei, maximal vier Tage lang. Zu Beginn nur ein Hauch, steigert er sich dann aber von Tag zu Tag. Im Unterschied zur Starkwind- und Sturmanfälligkeit des Mistrals und der Bora bleibt der Schirokko aber bis zum Schluss meist ein friedfertiger Wind, mit selten mehr als fünf Beaufort.
Typische Wind- und Wetterbedingungen
Von Oktober bis in den Mai hinein ist es bei Schirokko angenehm warm, dank der südlichen Herkunft der Luftmassen. Von Juni bis September verwandelt sich die schöne Wärme in eine eher drückende Schwüle. Besonders zu Beginn dieser Wetterlage, bei der meist noch die Sonne scheint – und die nur schwache Brise keinen nennenswerten Windchill bietet.
Im Laufe einer Schirokko-Periode nimmt die Bewölkung langsam zu, immer wieder ziehen lockere Wolkenfelder über den Himmel. Gegen Ende verdichten sich die Wolken. Im Sommer künden Sichtbesserung und ein Wechsel der Windrichtung auf westliche Richtungen vom Ende des Schirokkos. Von Ende September bis Anfang Mai hingegen endet der Südwind oft mit Regenfällen. Mitunter ist es ein fulminantes Finale mit kräftigen Schauern und Gewittern. Und vorübergehend sogar mit Starkwind- oder Sturmböen – doch genau genommen gehören diese Böen schon nicht mehr zum Schirokko. Sie fallen aus Südwest bis West ein und geben unserem Südwind praktisch den Laufpass.
Ansonsten sind typische Schirokko-Windstärken zu Beginn dieser Wetterlage eins bis zwei, später dann drei bis vier Beaufort aus Südost bis Süd. Eine ausgeprägte Schirokko-Wetterlage schafft an exponierten Küsten und zu ihrem Ende hin auch mal Stärke fünf.
Ein Markenzeichen dieses Windes ist der starke Dunst. Je nördlicher im Mittelmeer, desto stärker fällt die Sichtminderung aus. Die schlechte Sicht liegt nicht nur am feuchten Dunst, der Luftströmung ist allerdings oft auch ein nordafrikanisches Präsent beigemischt: Saharastaub.
Während sich der Surfer bei dem – an vielen Stränden ablandigen – Mistral und auch bei der Bora auf verhältnismäßig glattes Wasser freuen kann, geht die See bei Schirokko höher. Je länger die Einwirkstrecke der Luftströmung auf das Meer und je größer also der so genannte Fetch ist, desto höher sind die Wellen. Deshalb bringen länger andauernde Schirokko-Wetterlagen im nördlichen Mittelmeergebiet üblen Seegang. Zudem steigen in den Häfen die Pegel, die Lagunenstadt Venedig hat ihre berüchtigten Hochwasserlagen (agua alta) stets bei Schirokko.
Verstärkungsfaktoren
Je kräftiger das Tief (im Unterschied zu den Atlantiktiefs sind ein Kerndruck von unter 1000 hPa im Mittelmeer schon bemerkenswert) und je stärker das Hoch im Osten ist, desto lebhafter weht der Schirokko.
Zudem gibt es an manchen Küsten auch topografische Effekte, die für den Südwind als Speedfaktor gelten. Das ist zum Beipiel in der zwischen Sizilien und Kalabrien gelegenen Straße von Messina und an deren Nordausgang der Fall, wo ein Trichtereffekt dem Süd einen zusätzlichen Kick verleiht. In dieser nord-süd-orientierten Meerenge weht es bei Schirokko oft mit sechs bis acht Beaufort. Ähnlichen Effekt hat die Leitplanken-Wirkung vor der Halbinsel Gargano in der Adria. Die Locals wissen hier, dass bei Südwinden zu den im Wetterbericht vorhergesagten Stärken – topografisch bedingt – noch ein bis zwei Windstärken draufsatteln. So frischt der Schirokko an dieser Huk oft auf fünf bis sieben Beaufort auf.
Typisch für den Schirokko ist, dass er von Tag zu Tag stärker wird. Die Luft wird dazu immer diesiger.
Störfaktoren
Das Tief im westlichen Mittelmeer ist das wichtigste Fundament des Schirokkos. Zieht es weiter in Richtung östliches Mittelmeer (oder wird es allmählich schwächer und geht gänzlich in die Knie), sind auch die Tage oder Stunden des Südwinds am Spot gezählt. Die Wetteränderung erkennt man an einer Drehung des Windes auf westliche Richtungen. Zugleich wird die Sicht deutlich besser. Anhaltend steigender Luftdruck ist ein weiteres Anzeichen für das Ende einer Schirokko-Periode.
Schirokko – leicht benebelt
Der Tiefdruck-Wirbel über der Adria schaufelt an seiner Ostflanke warme und feuchte Luft in den Norden. Oft ist sie von Saharastaub durchmischt. Im Gegensatz zur überfallartig auftretenden Bora schleicht sich der Schirokko eher auf leisen Sohlen an.
Alle Teile des Wind-Specials:
- Der Westwind
- Der Ostwind auf der Ostsee
- Ora und Vento am Gardasee
- Der Föhn in den Alpen
- Der Meltemi in Griechenland
- Die Bora in Kroatien
- Der Schirokko im zentralen Mittelmeer
- Der Mistral in Südfrankreich
- Der Tramontana im nördlichen Mittelmeer
- Der Levante in Südspanien
- Die Passatwindzone
- Die Wurzeln der Passat-Winde
- Kernpassat – Im Zentrum des Passats
- Passat-Auslaufzone – Das Ende des Passats
- Interview: Klimaforscher Dr. Michael Sachweh – “Stürme jagen ist meine Leidenschaft”
- Windfinder: So entstehen Wind-Vorhersagen, das unterscheidet Forecast und Super-Forecast