John Carter, Spitzname JC, ist einer der am härtesten arbeitenden Personen in der Welt des Windsurfens. Er ist ohne Zweifel der Windsurf-Fotograf mit den meisten Veröffentlichungen in den letzten 20 Jahren, teilweise aufgrund seiner Arbeit für die Profivereinigung PWA (Professional Windsurfers Association) und der vielen Fotoshootings, die er für Marken wie Fanatic, Duotone, Starboard und Severne macht. Er ist außerdem Hausfotograf und Autor von Windsurf UK, Chefredakteur von SUP International und hat auch schon zahlreiche Interviews und Storys für das surf Magazin produziert. Sarah-Quita Offringa hat sich mit dem 57-jährigen Briten zusammengesetzt, diesmal stellte sie die Fragen.
Sarah-Quita Offringa: Ich kann mich noch an die ersten Bilder erinnern, die JC von mir gemacht hat. Ich war zwölf Jahre alt und nahm an meinem ersten Weltcup auf Bonaire teil. Die Zeitungsausschnitte und Zeitschriftenseiten befinden sich in einem der vielen Sammelalben, die meine Mutter für mich aufbewahrt hat. In den folgenden Jahren kreuzten sich unsere Wege bei unzähligen Shootings und Events auf der ganzen Welt. Ich habe ihn als sanften und freundlichen Menschen kennengelernt. Jemand, der superhart arbeitet – der Erste im Job und der Letzte, der geht – aber sich nie wirklich offenbart. Wer ist JC ohne seine Kamera und was treibt ihn an? Ich habe mit ihm auf Fuerteventura und Sylt gesprochen.
Sarah-Quita: JC, was …???
John Carter: Du musst den Knopf am Rekorder drücken.
Ach ja, stimmt. Ich drücke jetzt. Interview mit JC. Im Moment nenne ich es „JC kennenlernen“. JC, was magst du am meisten an deinem Job?
Ich denke, jeder Tag mit der Kamera ist eine Herausforderung, um das Beste aus dem Tag herauszuholen, was auch immer er bietet. Ob Event, Reise oder Fotoshooting, Ich versuche, meinen Job so gut und effizient wie möglich zu erledigen. Es geht nicht nur um die Action-Aufnahmen, es ist alles zusammen. Daraus ein Ganzes zu machen und die Menschen, ein Land und einen Ort gut zu zeigen, ist eine ständige Herausforderung und das macht mir Spaß, zumindest solange es funktioniert.
Außerdem arbeite ich gerne mit Spitzensportlern zusammen. Im Wasser liegen, während sie um dich herumspringen oder eine Welle abreiten, das gibt einen wahren Adrenalinkick. An einem guten Tag in Hookipa die Top-Fahrer aus dem Helikopter zu fotografieren, fühlt sich manchmal fast wie eine Ehre an.
Wie bist du in die Welt des Profi-Windsurfens gekommen?
Seit dem Jahr 2000 fotografiere ich für die PWA, habe aber 1989 schon mit dem Fotografieren angefangen. Nach der Schule habe ich zunächst etwa drei Jahre bei der Post gearbeitet. Einer meiner besten Freunde, Nigel Howell, der damalige britische Windsurfmeister, arbeitete auch dort und beschloss eines Tages, seinen Job zu kündigen und für neun Monate nach Australien zu gehen. Ich dachte, ich werde nicht hier sitzen und arbeiten, während mein bester Freund nach Australien geht – ich komme mit. Ich wusste nicht einmal genau, wohin es ging. Es stellte sich heraus, dass es Geraldton war, eine kleine Stadt fünf Stunden nördlich von Perth. Alles, was es zu tun gab, war Windsurfen. Außerdem bin ich als Gitarrist bei einer Band eingestiegen und habe sechs Monate lang jede Nacht gefeiert. Wir waren jung und sorglos, also war es eine lustige Zeit.
Im folgenden Jahr machten wir wieder eine Reise und ich dachte, dass ich dieses Mal besser etwas zu tun haben sollte, und Nigel brauchte Bilder, also kaufte ich eine Kamera. Als Teil des Round-the-World-Tickets, das wir hatten, ging es nach Australien und dann weiter nach Hawaii. Ich hatte mir gerade ein Wassergehäuse gekauft und fing an, immer mehr zu fotografieren. So ging es los. Seitdem habe ich nicht aufgehört zu fotografieren oder zu reisen.
Wie viele Tage im Jahr bist du unterwegs?
Vor Corona war ich sechs bis acht Monate im Jahr von zu Hause weg. Das Jahr begann normalerweise mit einem Shooting in Australien irgendwann im Januar oder Februar. Danach war ich meistens zu Hause und habe bei den Frühjahrsstürmen fotografiert. Etwa im April war ich auf Maui, da gab es manchmal Reisen, bei denen ich sechs Wochen lang jeden Tag an verschiedenen Fotoshootings gearbeitet habe. Im Mai ging es für die PWA oft nach Asien und im Juni dann weiter an die Costa Brava zum World Cup. Von Juli bis irgendwann im August waren die Kanaren-Events, gefolgt von der Türkei oder Dänemark, dann Sylt im September und manchmal Neukaledonien und Maui. Ich habe auch kleine Trips für das Magazin gemacht. Alles in allem ziemlich hektisch.
Und dann kam Corona.
Ja, und trat voll auf die Bremse. Ich fühle mich, als hätte ich ein Jahr lang still gesessen. Im ersten Jahr habe ich ein kleines Fotoshooting in Frankreich gemacht, das sieben PCR-Tests und zehn Tage Selbstisolation erforderte, als ich zurückkam. Wirklich das komplette Gegenteil der Jahre zuvor.
Wie hat es sich angefühlt, plötzlich nicht mehr reisen zu können?
Covid war gut und schlecht. Ich verlor fast mein gesamtes Einkommen für zwei Jahre. Es war wirklich eine Art Überleben – ich verdiente gerade noch genug, um meine Rechnungen zu bezahlen. Gleichzeitig war es eine schöne Pause. Es war ein bisschen seltsam, aber ich habe es auch sehr genossen, zu Hause zu sein. Meine Arbeit hat unsere Familie viel gemeinsame Zeit gekostet. Covid gab uns die Möglichkeit, verlorene Zeit aufzuholen, das hat mir sehr gut gefallen. Abgesehen von der Sorge darüber, was passieren würde, ob die Welt untergehen würde, ob ich genug Geld zum Leben hätte – das waren natürlich keine guten Gedanken. Es fühlte sich auch wie eine Art Reset an, ein Moment, um die Dinge zu klären. Möchtest du wieder so viel reisen und von deiner Familie weg sein?
Und was war die Antwort auf diese Frage?
Wenn es ab jetzt nicht mehr 16 große Trips im Jahr sind, hätte ich nichts dagegen. Solange ich genug Geld habe, um über die Runden zu kommen, geht es mir gut. Wenn der Zeitplan wieder so hektisch wird, würde ich das wahrscheinlich tun, aber das liegt daran, dass ich eigentlich nie einen Job ablehne. Aber ich fände es besser, wenn wir irgendwo in der Mitte landen.
Du hast eine Frau und zwei Kinder. Wie finden die es, dass du so oft weg bist?
Sie wissen, dass Reisen ein Teil von mir ist. Das bin ich. Meine Frau war auch immer cool damit. Anfangs kam sie oft mit, aber nach einer Weile merkte sie, dass ich auf so einer Reise wirklich nur arbeite. Sie hatte keine Lust, irgendwo an einem windigen Strand zu sitzen und mir bei meiner Arbeit zuzusehen. Ich arbeite hauptsächlich im Ausland, sodass ich von meiner Familie getrennt bin. Die meisten Menschen arbeiten 40 Stunden pro Woche und sehen ihre Kinder abends und am Wochenende. Ich bin dagegen vier Monate im Jahr zu Hause, dann aber auch wirklich zu Hause. Das ist viel im Vergleich zu den meisten Menschen. Ich denke, es ist am Ende ziemlich ausgeglichen. Und diese acht Monate im Jahr waren wirklich das Maximum, manchmal waren es auch vier oder fünf. Und dieses Jahr waren es sechs Wochen! Was ich jetzt hauptsächlich höre, ist: Gott, du bist im Moment viel zu Hause, du drehst bestimmt durch! (Lacht sehr laut.)
Was ist für dich Heimat?
Heimat ist die Isle of Wight, eine kleine, rautenförmige Insel vor der Südküste Englands. Ich wohne drei Minuten vom Strand entfernt und mein Garten öffnet sich zu einem Golfplatz. Das klingt vornehm, aber es ist ein normales Haus. Ich habe mein ganzes Leben auf dieser Insel gelebt. Es ist nervig, weil ich jedes Mal, wenn ich reise, ein Hovercraft oder eine Fähre nehmen muss, aber es ist auch schön. Auf Wight leben etwas mehr als 140.000 Menschen, und mein Dorf hat 600 Einwohner. Ich glaube, deshalb mag ich auch ruhige Orte, ich bin kein Stadtmensch.
Was machst du, wenn du nicht arbeitest?
Ich mag Laufen. Zu Hause gehe ich fast jeden Tag laufen, um mich fit zu halten, oder schlage ein paar Golfbälle.
Ich habe gehört, du magst auch Pferderennen …
Ich mag Pferderennen sehr. Ich schaue sie mir gerne an, das ist etwas, das ich ein bisschen nebenbei mache.
Aber wettest du auch? Oder schaust du einfach gerne zu?
(Lacht) Das habe ich von meinem Vater, Wetten war wirklich sein Ding. Ich mache es immer noch hin und wieder, aber das hänge ich lieber nicht an die große Glocke.
Was würdest du tun, wenn du fünf Millionen Pfund im Pferderennen gewinnen würden?
Boah, gute Frage. Ich würde sicher weniger arbeiten. Aber Geld interessiert mich nicht wirklich. Seit dem Jahr 2000 habe ich meine Preise für Fotoshootings nicht erhöht. Ich gehöre zu den Leuten, die einfach mitschwimmen. Meine einzige Sorge ist, dass ich genug Geld verdiene, um mich um meine Frau und meine Kinder zu kümmern, die Rechnungen zu bezahlen und hoffentlich eines Tages in den Ruhestand zu gehen und lustige Dinge zu tun. Fünf Millionen würden all diese Sorgen nehmen.
Würdest du trotzdem weiter fotografieren?
Ich wäre wahrscheinlich wählerischer. Nie mehr acht Monate im Jahr unterwegs sein und von Event zu Event hetzen.
Gibt es noch unerfüllte Fotografenwünsche oder einen Ort, den du gerne fotografieren würdest?
Ich habe eine Liste mit Dingen, die ich fotografieren möchte. Ich würde gerne nach Teahupoo und an einem guten Tag nach Nazaré (legendäre Wellen in Tahiti und Portugal, Anm. der Redaktion) gehen. Und ich würde Jaws gerne von einem Boot oder Helikopter aus fotografieren. Ich habe noch einiges zu erledigen. Ich möchte den Ruf haben, ein Fotograf zu sein, der großartige Bilder von Megawellen oder vom besten Tag aller Zeiten gemacht hat. Dafür muss man sehr engagiert sein und im Handumdrehen um die Welt fliegen. Wenn du fünf Millionen auf der Bank hast, kannst du so etwas einfach zum Spaß machen.
Aber so etwas hast du schon getan, nicht wahr?
(Lacht.) Das stimmt. Da klingelte das Telefon und es war Scotty McKercher: „JC, wir fahren morgen nach Fidschi, bist du dabei?“ Ich musste die Entscheidung in diesem Moment treffen. Klar willst Du mit, aber du weißt auch, dass es schwer für deine Familie ist. Ich habe gesagt: Ich kann diese Entscheidung nicht alleine treffen, das liegt an meiner Familie. Sie waren der Meinung, das sollte ich mir nicht entgehen lassen, also habe ich gepackt und bin nach Fidschi geflogen.
In England macht man aber oft solche Last-Minute-Trips, oder?
Es kommt oft vor, dass ich an einem Freitagabend um 22 Uhr eine SMS von Timo Mullen bekomme: „Kommst du morgen nach Cork Island? Dann musst du jetzt losfahren!“ Heutzutage denke ich oft: Scheiße, das hätte ich lieber nicht gesehen. Es gibt mir das miese Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich nicht dabei bin, aber wenn ich fahre, bin ich von meiner Familie getrennt – es ist wirklich ein moralisches Dilemma.
Das Problem beim Windsurfen ist, dass alles in letzter Minute geschieht und nicht wirklich planbar ist. Vor allem zu Hause in Großbritannien. Dann taucht plötzlich ein Swell an der Nordostküste auf, und du musst in dieser Nacht weitere sechs Stunden fahren, um pünktlich anzukommen. Jetzt, wo meine Arbeit etwas weniger hektisch ist, habe ich nichts dagegen, solche Reisen zu unternehmen – es ist normalerweise auch schön, all diese alten Bekannten wiederzusehen.
Was ist mit der Reise nach Patagonien, von der du mal erzählt hast?
Das war mit Marco Lang und Gonzalo Costa Hoevel. Eine verrückte Reise, auf der wir in zwei Wochen 9.000 Kilometer gefahren sind. Das ist eine andere Seite meiner Bucket List – die landschaftlich reizvollen Reiseziele. Das Gegenstück zu den großen Wellen: Finde eine fantastische Location und mach dort schöne Surffotos! Patagonien war wunderschön, aber es war ein ziemliches Unterfangen, dorthin zu gelangen. Nun, du weißt, wie es ist, du warst in Island. Es sieht großartig aus, wenn man es in den Zeitschriften sieht, aber es erfordert extrem viel Mühe, eine solche Geschichte selber zu machen. Das Foilen hat dies viel einfacher gemacht: Jetzt können die Fahrer bei fünf Knoten übers Wasser fliegen und du kannst großartige Fotos machen. Du musst nicht mehr ewig auf viel Wind warten.
Was glaubst du, wie viele Fotos hast du in deinem Leben gemacht?
Pff – das geht wirklich in die Millionen. Ich bin nun seit 33 Jahren als Fotograf unterwegs. Ich denke, wenn man alles zusammenzählt, war ich mindestens drei Jahre auf Maui, ein paar Jahre in Australien und mehr als ein Jahr auf den Kanarischen Inseln. Und ich habe wahrscheinlich ein halbes Jahr meines Lebens in Taxis verbracht und mehr als ein Jahr in Flugzeugen!
Wie gefällt es dir, Wasseraufnahmen an Plätzen zu machen, an denen es viele Haie gibt? Ich mache mir manchmal Sorgen um dich in Australien.
Es gibt einige Stellen, die wirklich gruselig sind. Australien, aber auch Südafrika. Da schwimmt man manchmal zwischen Seetang und Seehunden. Du weißt, dass es Haie gibt, also ist das definitiv in deinem Kopf. Aber am Ende heißt es nur Daumen drücken und los geht’s.
Dass ich ein paar Mal beinahe mit einem Helikopter abgestürzt wäre, fand ich spannender. Einmal vor Hookipa war es wirklich wie in einem Film. Wir flogen rückwärts und der Pilot verlor die Kontrolle. Wir begannen uns zu drehen und das Heck des Heli berührte das Wasser. Kurz bevor wir abstürzten, bekam der Pilot den Heli wieder unter Kontrolle und wir stiegen wieder auf. Er brachte uns auf tausend Fuß und dort saßen wir schweigend und dachten darüber nach, wie knapp das war. Etwas später ging es weiter mit dem Shooting – ein Helikopter kostet 1.000 Euro pro Stunde, also muss man weitermachen. Aber es war wirklich so, als wäre mein Herz für einen Moment stehen geblieben.
Wow! Abgesehen davon, ruhig zu bleiben, wenn dein Heli fast abstürzt, gibt es noch ein weiteres Geheimnis für ein gutes Windsurffoto?
Die Herausforderung für mich besteht darin, einem Foto das gewisse Extra zu verleihen. Jeder kann eine Actionaufnahme machen, aber für eine wirklich gute Aufnahme braucht man etwas mehr Fantasie, abgesehen davon, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein muss. Windsurffotografie hat viel mit Vorausschauen zu tun. Ich kann mittlerweile ziemlich gut einschätzen, was ein Fahrer machen wird, das hilft. Und ein Foto sollte spannend sein. Um das hinzukriegen, bin ich eigentlich immer unterwegs. Zum Beispiel benutze ich gerne eine Leiter im Wasser, damit es etwas anders aussieht, oder eine Kamera an einem Stock, um noch einen anderen Blickwinkel zu erzielen. Je mehr Mühe du darauf verwendest, desto besser werden deine Fotos.
Wie sieht ein Arbeitstag im Leben von JC aus?
Bei einer Veranstaltung fange ich normalerweise um sieben Uhr morgens an und fotografiere den ganzen Tag, bis es dunkel wird. Dann gehe ich zurück ins Hotel, hole schnell etwas zu essen und gehe auf mein Zimmer, um alle Speicherkarten herunterzuladen. Ich schaue mir die etwa 3000 Fotos an, die ich gemacht habe, und treffe eine Auswahl, die ich bearbeite, Bildunterschriften hinzufüge und dann auf die PWA-Website und in die sozialen Netzwerke hochlade. Dann benenne ich die Fotos für die Galerie um, die am Ende der Veranstaltung für die Medien und Fahrer online geht. Dieser „administrative“ Teil dauert in der Regel weitere drei Stunden und ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Es ist schön zu sehen, was du fotografiert hast, aber bei der Arbeit danach fühle ich mich manchmal wirklich wie eine Maschine; als hätte ich zwei Jobs.
Kannst du eigentlich selbst windsurfen?
Ja, ich habe aber einfach kaum Zeit dafür, also ist mein Niveau nicht so hoch. Ich habe Freeride-Material zu Hause, das ich im Sommer manchmal fahre, aber die meiste Zeit verbringe ich im Wasser mit dem Fotografieren, was mir in vielerlei Hinsicht genauso viel Spaß macht.