Die Finger halb eingefroren und Wasser von allen Seiten, es regnet wie aus Kübeln. Gegenwind mit bis zu 50 Kilometern pro Stunde. Hannah Leni Krah, Paulina Herpel, Emely Siewert, Paul Ganse und ich, Valentin Illichmann, stehen trotz allem voller Stolz auf unseren Boards. Zusammen mit dem Fotografen Andy Klotz hatte ich schon vor längerer Zeit die Idee, auf der Elbe durch das berühmte Elbsandstein-Gebirge zu paddeln.
Gemeinsam mit Paulina paddelte ich bereits die Elbe von Hamburg bis in die Nordsee, es scheint so, als hätte dieser Fluss mit seinen knapp 1100 Kilometern Länge einen ganz besonderen Reiz für’s Stand-up-Paddling. Dank Hannah und ihrem Vater Thomas bekamen wir wertvolle Tipps für die Tour. Die gebürtige Dresdnerin kennt sich auf ihrem Hausfluss aus wie in der eigenen Westentasche, also sind die Start- und Zielpunkte der Tour nach kurzem Überlegen klar. Wir werden von der tschechischen Grenze, selbstverständlich flussabwärts, bis zum TSV Rotation paddeln. Der TSV Rotation ist Hannahs Sport-Club, der sich auch uns Stehpaddlern gegenüber sehr offen zeigt und uns ein „Basecamp“ für die Tour angeboten hatte. Dort parken wir also unsere Autos, packen die Taschen und machen uns bereit für die zweitägige Tour.
Trockenanzüge sind immer eine gute Wahl
Nachdem Zelte, Isomatten, Schlafsäcke, Essen, Wasser und viele andere Kleinigkeiten in den Trockentaschen verstaut sind, bepacken wir ein Auto, mit dem wir flussaufwärts in den Grenzort Schmilka hinter Bad Schandau fahren. Der immer wieder in Kanu-Magazinen hochgelobten Tour steht also nichts mehr im Weg! Nur Petrus scheint uns nicht wohlgesonnen, mit Tageshöchstwerten von zehn Grad und Regen. Ein Hoch auf gute Zelte – dazu später mehr – und SUP-Trockenanzüge.
Die wilden Wälder rechts und links des Flusses lassen uns schon erahnen, was für eine wunderschöne Tour durch das raue Sandsteingebirge vor uns liegt. Die herbstlichen Blätter an den Bäumen glitzern in verschiedensten Gelb- und Rottönen, während der wolkenverhangene Himmel einen traumhaften Kontrast dazu bietet. Nachdem wir in dieser atemberaubenden Szenerie alle Trockentaschen auf den iSUP-Boards verzurrt haben, schieben wir sie über eine kleine Böschung und durch hohes Gras in den Fluss. Ein kleines Kehrwasser, in dem die Elbe nur leichte Strömung hat, ist der perfekte Ort, um sich in so einer großen Gruppe zu sammeln und gemeinsam zu starten.
Fröhliches Winken von den Schiffen auf der Elbe
Unser Tagesziel ist, etwa 25 bis 30 Kilometer zu schaffen. Die Elbe, einer der größten Flüsse Deutschlands, hat selbstverständlich auch eine gute Fließgeschwindigkeit. Es geht also mit einem guten Tempo von durchschnittlich sieben Kilometern pro Stunde dahin. Leider in die Richtung, wo die dicken Regenwolken hängen. Es hilft nichts, Kapuze vom Trockenanzug aufgezogen und durch. Das ist einer der Nachteile, wenn man Touren im Herbst macht. Der rege Verkehr auf der Elbe stört dagegen nicht, denn die Ausflugsschifffahrt zieht ihre Bahnen einfach an uns vorbei, es wird allerhöchstens mal nett gewunken oder der Kapitän hupt einmal fröhlich.
Auffällig ist, wie sich das Wasser im Fluss verändert, wenn eins dieser Schiffe im Anmarsch ist. Schon weit bevor der Dampfer in unsere Nähe kommt, geht das Wasser ein paar Zentimeter zurück, danach folgt eine kleine schnelle Welle, die das zurückgegangene Wasser wieder bringt. Diese Welle rast blitzschnell die Flussböschung entlang und überspült jede Sandbank mit Wasser. Noch wusste keiner, dass diese kleine, gerade mal 20 Zentimeter hohe Welle, durch ein nicht sehr vorauschauendes Handeln, vielleicht das Ende unseres Trips bedeuten könnte.
“Wird schon passen”
Nach einigen Regenschauern wurde es langsam trockener, aber auch dunkler. Es ist an der Zeit ein Camp zu suchen. Gar nicht so einfach eine Sandbank zu finden, die groß genug ist, um vier Zelte zu beherbergen. Doch direkt hinter der nächsten Flussbiegung werden wir zum Glück fündig,: Eine ausreichend große, allerdings sehr flache Sandbank für ein gutes Lager. Der Unterschied zwischen der Wasserkante und der obersten Stelle der Sandbank sind knapp zehn Zentimeter. „Wird hoffentlich schon passen“, beschließen wir, der Regen soll über Nacht weniger werden, deswegen sollte die Elbe eigentlich nicht steigen.
Das Camp steht schnell und nach unzähligen Versuchen glüht dann auch endlich irgendwann das Lagerfeuer. SUP-Boards oder Trockentaschen dienen uns als Sitzkissen, es ist eine super gemütliche Stimmung, wir lassen uns auch von gerade mal fünf Grad Lufttemperatur und immer wieder leichtem Regen nicht beirren. Plötzlich, aus der Dämmerung heraus, hören wir Maschinengeräusche, ein Schaufelraddampfer nähert sich. Und wie wir es ja vom Paddeln gewohnt waren, zieht sich das Wasser beim Erscheinen zurück. Uns allen wird blitzschnell klar was gleich kommen wird – eine kleine, aber kraftvolle Welle. Unsere Zelte, Isomatten, Schlafsäcke und die offenen Trockentaschen, sowie das mühsam entzündete Feuer, alles ist in Gefahr. Paul ruft: „Schnell, hebt die Zelte hoch!“. Ich selber renne vor zum Anfang der Sandbank, um zu beobachten ob die Welle so stark kommt wie erwartet.
Ja, sie tut es. Ungefähr 100 Meter von mir entfernt sehe ich, wie die unheimliche Erhebung im Wasser die Böschung entlang schießt. Jetzt wird’s ernst. Der Mini-Tsunami rast über die Sandbank, aber glücklicherweise bleiben die Zelte wie durch ein Wunder verschont, zwar nur um einige Zentimeter, aber immerhin bleibt alles trocken. Das war pures Glück. Wären die Schlafsäcke nass geworden, wäre der Trip hier beendet gewesen. Das wirkliche Unglück passiert dann doch noch und zwar mitten in der Nacht. Hannahs Zelt wurde vom Regen schlicht überwältigt. Der Fluss, der durch ihr gemütliches Ein-Mann-Zelt läuft, ist zwar nicht so gewaltig wie die Elbe, aber immerhin groß genug, um Schlafen unmöglich zu machen. Hannah aber denkt nicht daran, die anderen zu wecken und hält tapfer bis zum Morgen durch. Nachdem wir alle diese ziemlich turbulente Nacht mehr oder weniger gut überstanden haben, stellen wir beim Aufstehen fest, dass das Wasser schon bis auf einen Meter vor unsere Zelte gestiegen war.
Am zweiten Tag wird auf der Elbe bis Dresden gepaddelt
Ein kleines Frühstück und ein heißer Ingwer-Tee, der uns zumindest etwas wärmt, sollen uns bereit machen für die letzte Etappe unsere Zweitagestour. Die weiteren 25 Kilometer bringen uns an der weltberühmten Bastei und den prunkvollen Gebäuden der Stadt Dresden vorbei. Durch eine wunderbare Herbstlandschaft paddeln wir entlang der Bastei, die erste richtig große Sehenswürdigkeit. Auf der rechten Seite der Elbe erblicken wir die hohen Sandsteintürme und die markante Brücke, die die Türme verbindet.
Bevor wir nach Dresden kommen, haben wir noch eine gefährliche Stelle in Rathen zu passieren. Eine sogenannte Gierseilfähre, ein Fähre, die an einem langen Seil nur mit der Kraft des Wassers von Ufer zu Ufer pendelt. Ist die Fähre auf dem anderen Ufer, gegenüber ihres Heimathafens, spannt sich also einige Zentimeter unter Wasser das Drahtseil, von dem eine ernstzunehmende, tödliche Gefahr für Paddler ausgeht.
Ist diese Gefahrenstelle passiert, nähert man sich langsam, an Königstein und Pirna vorbei, Dresden. Wir alle können es kaum erwarten, durch das „Blaue Wunder“ zu fahren. Die Loschwitzer Brücke, die von der Bauart der Golden Gate Bridge in San Francisco ähnelt, ist allerdings kleiner und wie der Name schon sagt, Blau statt Rot. Das „Blaue Wunder“, nur eins der vielen tollen architektonischen Highlights, die wir passieren.
Direkt in Dresden ist der prächtigste Stadtteil, als wäre er für uns Paddler so angelegt, ganz am Wasser erbaut. So geht es an prachtvollen alten Gebäuden weiter Elbe abwärts. Auf den letzten Kilometern, bevor wir wieder am TSV Rotation ankommen, erblicken wir also noch bekannte Gebäude wie die Frauenkirche, Katholische Hofkirche, die Kunsthochschule und einige andere imposante Bauwerke.
Kurz nachdem wir das Stadtzentrum hinter uns gelassen haben kündigt Hannah an, dass wir es mehr oder weniger geschafft haben. Dann eine kleine Abzweigung vom Hauptstrom, rechts in den Pieschener Hafen, dort ist die Heimat des TSV Rotation. Geschafft! 54 Kilometer in gut sieben Stunden. Der Club verleiht jedem, der diese Strecke bewältigt, eine Medaille. Stolz mit unserer Leistung und vor allem durch die Anerkennung des Vereins freuen wir uns, diese Tour so gut gemeistert zu haben.
Tipps: SUP auf der Elbe
Jahreszeit & Wetter
Wir haben die Tour Anfang Oktober gestartet. Im Grunde ist der Trip sehr gut geeignet für den Herbst, die Farben der Natur sind gigantisch, der größte Tourismus ist vorbei. Da die Elbe eher nicht zum Baden einlädt, sind sommerliche Temperaturen keine Voraussetzung.
Übernachten
Das wilde Zelten ist an der Elbe irgendwie verboten, aber auch irgendwie erlaubt. Aus Erfahrung und Erfahrungsberichten vieler anderer Paddler ist es die übliche Art diesen Trip zu machen. Es gibt auch Campingplätze, bitte davor Öffnungszeiten checken. Das Wichtigste: Einfach keinen Müll am oder im Fluss lassen.
Sicherheit
Nun zum wichtigsten und letzten Punkt des Infokastens. Da die Elbe nie wirklich warm wird ist es wichtig, ganzjährig warme Wasserklamotten zu tragen, bei kälteren Temperaturen ist ein Trockenanzug sehr empfehlenswert. Eine Schwimmweste ist sehr zu empfehlen, da der Strom recht breit sein kann. Ein Helm ist kein Muss. Ich empfehle festes Wasserschuhwerk.
Die oben bereits genannte Gierseilfähre in Rathen ist meiner Meinung nach die gefährlichste Stelle im ganzen Fluss. Nachdem die Wassersportwelt an dieser Fähre bereits einen tödlichen Unfall, wegen einer Leash, verzeichnen musste, wäre es absolut wichtig, diesen Fehler dringend zu vermeiden. Wie in allen Flüssen sind klassische Leashes (Verbindungsleine zwischen Brett und Paddler) Tabu. Wer dennoch nicht auf eine verzichten kann, darf nur eine Hüftleash tragen mit Sicherheitsverschluss.
Da die Elbe viel Wasser führt, können hinter Brückenpfeilern große Kehrwasser entstehen. Sollte man in eins geraten, gilt es Ruhe zu bewahren, es geht von diesen Gegenströmungen keine Gefahr aus, allerdings fühlt es sich ungewohnt an.