Warum wird man selber regelmäßig abgeräumt, während andere Surfer scheinbar immer die richtige Lücke finden, um es heil durch die Brandungszone zu schaffen? Wann lohnt sich das krampfhafte Festhalten am Material und wann lässt man besser alles schwimmen und nimmt Reißaus? Surfen in der Welle hat viel mit Erfahrung zu tun. Damit du diese nicht erst schmerzhaft sammeln musst, gibt’s hier drei Basic-Tipps für das richtige Verhalten in der Brandungszone.
Manuel Vogel, surf-Tester: “Wer ein paar Grundregeln beachtet, minimiert seinen Materialschwund unabhängig von Kraft oder Fahrkönnen.”
Tipp 1: Gas geben oder bremsen?
Wer als weniger geübter Waver an einem Spot mit solider Brandung einfach aufs Brett springt und losrast, schwimmt nicht selten eine Minute später wieder Richtung Strand auf der Suche nach seinem Equipment. Beim Weg durch die Brecherzone geht es nicht darum, möglichst schnell zu sein, sondern sich den Wellen anzupassen. Bei Wellenhöhen von über 1,5 Metern will man unbedingt vermeiden, dass eine Welle direkt auf einen bricht – dann besteht Gefahr für Material und Gesundheit. Daher ist der Weg durch die Brandung ein Wechselspiel von Beschleunigen und Abbremsen. Dabei gilt: Steuerst du eher auf runde Wellenschultern zu, gib Gas, um die Wellen vor dem Brechen zu überqueren. Bist du nicht sicher, ob du es vor dem Brechen der Welle schaffst, diese zu überqueren, oder türmen sich bereits weitere Setwellen vor dir auf, nimm frühzeitig den Speed raus und lass die Wellen kontrolliert vor dir brechen, denn: Ist die Welle erst mal gebrochen, verliert sie mit jeder Sekunde an Kraft.
Tipp 2: Schlangenlinie beim Wellenqueren
Beim Queren von Weißwasser ist es immer das Ziel, dieses möglichst frontal zu treffen. Bei Sideshore- oder sogar schräg ablandigem Sideoffshorewind ist das am leichtesten, da man auf Halbwindkurs die Welle in der Regel ohnehin direkt von vorne bekommt.
Je stärker von der Seite einen das Weißwasser trifft, desto schwieriger ist das Queren – deshalb sind große Wellen in Verbindung mit platt auflandigem Wind („onshore“) auch extrem anspruchsvoll zu surfen. Wer mal beobachtet hat, wie sich die besten Windsurfer der Welt bei auflandigem Wind auf Sylt abmühen, weiß, was gemeint ist.
Auf dem Wasser bedeutet dies, dass man abhängig von der Windrichtung, seinen Kurs vor dem Treffen des Weißwassers anpassen muss. Bei schräg auflandigen Windbedingungen, wie sie an Nord- und Ostsee meist vorkommen, empfiehlt sich eine Schlangenlinien-Taktik:
- Speed holen auf Raumwind (parallel zur Welle)
- Deutliches Anluven bevor man das Weißwasser trifft und dieses queren möchte. Auf diese Weise triffst du das Weißwasser möglichst frontal
- Nach dem Queren der Welle wieder abfallen und erneut Speed aufnehmen
Wie gut du es übers Weißwasser schaffst, hängt von der Kraft und Höhe der Welle ab, aber auch davon, wie viel Segelzug du gerade hast. Immer gilt: Verlagere vor dem Treffen des Weißwassers dein Körpergewicht über das Heck (Foto oben rechts). Dadurch steigt der Bug leicht nach oben und die Welle läuft unter dem Board durch. Unmittelbar nach Überschreiten des Wellenkamms bringst du dein Gewicht dann wieder nach vorne (Foto oben links).
Tipp 3: Festhalten? Abtauchen? Oder doch die Flucht ergreifen?
Stürze in der Brandung gehören unabhängig vom Fahrkönnen dazu – sei es beim Wellenabreiten oder auf dem Weg nach draußen. Wie viel Zeit man nach einem Crash hat, um wieder aufs Board zu kommen, hängt von der Wellenperiode ab: Während diese bei solidem Ozean-Swell mitunter zehn bis 20 Sekunden beträgt, brechen auf kleineren Meeresflächen die Wellen mit höherer Frequenz – auf Nord- und Ostsee sind es oft nur drei bis neun Sekunden. Das bedeutet, dass die Zeit aufs Brett zu kommen, oft nicht ausreicht, bevor einen die nächste Welle trifft. Dann stellen sich die Fragen, wann es sinnvoll ist, sein Material festzuhalten und wann man es besser schwimmen lassen sollte. Auch dieser Aspekt hat viel mit Erfahrung, Kraft und natürlich auch der Wellenhöhe zu tun. Trotzdem gibt es einige Grundregeln, die für Wave-Einsteiger und -Profis gleichermaßen gelten:
Festhalten
Das Material festhalten kann man in der Regel, wenn man es bis in die Wasserstart-Position geschafft hat und die Welle noch nicht unmittelbar bricht (Foto unten). Auch wenn die Welle schon gebrochen ist und das Board mit dem Bug in Richtung Welle liegt, kann ein Festhalten Sinn machen. Schiebe dabei aber das Material weit nach vorne Richtung Welle und damit von dir weg, damit dir die Welle es nicht ins Gesicht haut.
Abtauchen
In großen, kraftvollen Wellen kann man sein Material nur festhalten, wenn man es schafft, das Rigg vor dem Einschlag der Welle unter Wasser zu drücken. Dazu muss idealerweise das Segeltop zur Welle zeigen, notfalls geht es auch, wenn der Mast quer zur Welle ausgerichtet ist. Peter greift mit einer Hand am Mast, mit einer Hand am Frontstück des Gabelbaums und drückt das Segel mit seinem Körpergewicht so unter Wasser (Foto unten). Notfalls kann auch es auch helfen, mit den Füßen nachzudrücken – je tiefer das Masttop unter Wasser ist, desto größer die Chance, es festhalten zu können. Beim Festhalten gilt: Behalte den Griff mit einer Hand am Mast und mit der anderen Hand am Frontstück der Gabel unbedingt bei. Lasse dich mitziehen und bleibe mit dem Körper seitlich neben dem Rigg, um das Segel nicht mit Trapezhaken, Knie oder Ellenbogen zu beschädigen.
Wenn ich bei einem Waschgang das Material festhalte, greife ich immer am Gabelbaumkopfstück und am Mast. - Peter Garzke
Flucht zur Seite
Wenn das Material nach einem Sturz zwischen dir und der heranrollenden Welle liegt, besteht auch bei moderaten Wellenhöhen bereits erhebliche Verletzungsgefahr! Ist absehbar, dass du bis zum Anrollen der nächsten Welle das Segel weder mit dem Masttop zur Welle drehen, noch in die Wasserstartposition bekommen kannst, solltest du schnell das Feld räumen. Schwimme zur Seite weg und lass das Material treiben (Foto unten). Notfalls kannst du auch abtauchen und das Material von der Welle über dich hinweg spülen lassen.