Text: Jono Dunnett
Wer weiß, ob das gut gehen wird! Die Windsurfreise rund um Japan war nicht einmal meine Idee. Ein in Japan lebender Leser meines Buches In The Balance meldete sich bei mir und sagte: “Wenn du so einen Reise wie bei Windsurfing Round Europe nochmal machen möchtest, komm nach Japan!” Was soll ich sagen - ich ließ mich von der Begeisterung mitreißen. Sein Plan sah etwas mit hoher medialer Aufmerksamkeit vor, was ich nicht gewohnt bin. Aber zum Glück wurde das verworfen und ich kehrte zu der Methode zurück, die ich kenne und die mehr auf Heimlichkeit basiert, zumindest am Anfang! Zur gleichen Zeit tauchte ein Freund aus meiner Vergangenheit auf. Als Paul erklärte, er wohne jetzt in Japan am Strand und könnte mich vom Flughafen in Tokio abholen, war das eine Einladung des Universums, die ich nicht ignorieren konnte. Ich machte mich also daran, die Expedition in die Tat umzusetzen.
Zuerst brauchte ich passendes Equipment: Unifiber und Loftsails lieferten ein Set und ich machte mich daran, das Board so umzubauen, dass ich das Gepäck an Deck befestigen konnte. Die Reise mit dem knapp 3,60 Meter langen Board nach Japan zu organisieren, war eine Herausforderung - am Ende klappte es nur, weil ich die richtigen Leute bei einer Fluggesellschaft kannte (HIER gibt’s ein Interview zu den Reisevorbereitungen).
Außerdem bin ich dieses Jahr 50 geworden. Körperlich bin ich in guter Form, aber wie lange noch? War es an der Zeit, über eine Rente oder einen Job nachzudenken? Ich habe mich für das Abenteuer entschieden, und ich vermute, dass es die bessere Investition sein wird!
Sollte ich an die Rente denken oder einen Job? Ich habe mich für das Abenteuer entschieden
Der Flug und die Abholung in Tokio verliefen wie am Schnürchen und plötzlich war ich in Japan, in Onjuku, einem kleinen Fischer- und Surferort auf der Halbinsel Chiba. Ich glaube, selbst mein alter Freund Paul und seine Familie waren von meinem völligen Mangel an kultureller Vorbereitung überrascht! Meine Gastgeber brachten mir schnell bei, wie ich in Japan alleine überleben kann: Sei es beim kontaktlosen Bezahlen, oder dabei, bei GoogleMaps einen Konbini (Lebensmittelgeschäft mit 24-Stunden-Öffnung) zu finden, in dem ich einkaufen kann. Nach ein paar Tagen Kulturkampf war ich bereit - bereit für den Start ins Abenteuer.
Start mit Hindernissen
Da ein Taifun im Anmarsch war, beschloss ich zunächst, ein paar Tage zu trainieren und dann zu Paul und seiner Familie zurückzukehren, um das schlechte Wetter zu überstehen. Trainingstag 1 verlief ereignislos - der Pazifik war freundlich. Tag 2 war windig und rau. Ich steuerte auf eine markante Landzunge bei Choshi zu, wo starke Strömungen aufeinander treffen. Es war eine rumpelige Session, aber alles schien gut zu sein, bis ich plötzlich einen lauten Knall hörte! Irgendetwas an meinem Material hatte gerade seinen Dienst quittiert. Ich hielt sofort an und verhinderte gerade noch rechtzeitig, dass mein Fass, welches auf dem Heck des Boards mein ganzes Hab und Gut beinhaltet, von den Wellen mitgerissen wurde. Ich schleppte mich knapp zwei Kilometer nach Lee zurück ans Ufer und rief Paul an, weil ich wusste, dass ich in der Klemme steckte.
Ich glaube die Menschen waren von meinem völligen Mangel an kultureller Vorbereitung überrascht
Paul vertritt die Philosophie, dass ein Problem kein Problem ist, wenn es eine Lösung dafür gibt. Er kaufte etwas Karbon und Epoxidharz und ein paar Tage später war ich mit einem verstärkten Laufträger für mein Fässchen bereit, aufzubrechen für meine Reise rund um Japan.
Jono Dunnett bricht auf - diesmal wirklich
Diesmal schaffte ich es rund um die Landzunge und fuhr weiter - was sich rückblickend als Fehler entpuppte. Der Seegang wurde im weiteren Verlauf so stark, dass ein Anlanden an den Stränden unmöglich war. Also brauchte ich einen Hafen und bei schwächer werdender Brise wurde schnell klar, dass ich den nächsten (Kashima) erst weit nach Sonnenuntergang erreichen würde. Not good! Es war weit nach Sonnenuntergang, bevor der Hafen in Reichweite kam. In der Ferne konnte ich im Dämmerlicht eine schützende Außenmauer erahnen, die weit ins Meer hinausreichte. Der Hafen, den ich ansteuerte, war auch nicht gerade ein freundlicher Eingang. Ich stellte fest, dass die Westküste Japans stark industriell geprägt und oft befestigt ist: Zum Schutz vor den Wellen des Pazifiks und vor Tsunamis. Wellen prallten gegen die Mauer. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Mole zu umfahren, aber ich hatte kaum noch Licht. Ich umrundete das Ende, kurz nachdem ein Schiff abgefahren war. Vielleicht ein Lotsenboot? Vielleicht hatten sie einen Fleck auf ihrem Radar gesehen und würden mich einsammeln? Unwahrscheinlich! Wenigstens der Wind hielt zu mir, denn mit noch leichterer Brise hätte ich keine Chance gehabt, in der Dunkelheit auf meinem schmalen Board zu balancieren. Ich folgte der nächsten Wand und tastete mich zu einer Lücke vor, von der ich wusste, dass sie da war, die ich aber kaum sehen konnte. Eine Änderung des Seegangs sagte mir, dass es Zeit war, abzubiegen - und ich war drin.
Nach dieser Erfahrung beschloss ich, dass mehr Vorsicht nötig sein würde, um in Zukunft kein Waterloo zu erleben. Das Problem: An diesem Küstenabschnitt gab es nur wenige sichere und einladende Orte zum Anhalten. Vor allem bei starkem Wellengang war ich deshalb stets sehr nervös, weil ich befürchtete, der Wind könnte einschlafen. Und mit dem Material zu paddeln, ist bei hohem Wellengang echt kein Spaß!
Geheimniskrämerei
Zu Beginn der Reise versuchte ich, mich täglich unbemerkt aus den Häfen zu entfernen. Natürlich rechnete ich damit, irgendwann auf die Küstenwache zu treffen, aber wenn ich das hinauszögern konnte, bis ich mich ein ordentliches Stück der Küste entfernt hatte, würden die Bedenken oder Einwände vielleicht geringer sein - so meine Kalkulation. Vor der Küste der großen Häfen - jenseits ihrer Außenmauern - herrschte zwar Anonymität, aber die reflektierten Wellen sorgten für einen chaotischen und äußerst unangenehmen Seegang, der sich über viele Meilen seewärts erstreckte.
Der gute Wille ist ein Ausgleich für das Fehlen einer gemeinsamen Sprache
Einige Tage mit leichtem Wind und hohem Wellengang boten Gelegenheit, meine Paddeltechnik zu verfeinern, aber es wurden nur wenige Meilen zurückgelegt, und häufig musste ich auf den Knien paddeln, um nicht zu vom Brett zu fallen. Die Woche nach dem Abschied von Paul und seiner Familie war somit eine Herausforderung auf dem Wasser - und einsam an Land. Rückblickend weiß ich: Meine Einsamkeit lag wohl daran, dass ich noch nicht die körperliche Erscheinung eines Reisenden hatte. Denn einige Tage später - sonnenverbrannt, bärtig und ob der gesammelten Meilen mit mehr Selbstvertrauen ausgestattet, fiel es mir zunehmend leichter, Leute kennenzulernen. Hiroshi Kitada - ein berühmter Segler, den ich vor meiner Reise kontaktiert und um Rat gefragt hatte - machte einen Abstecher, um mich zu begrüßen. Das machte nicht nur meinen Tag, sondern auch meine Woche perfekt! Mittlerweile weiß ich: Die Japaner respektieren die Privatsphäre anderer, aber sobald das Eis gebrochen ist, sind sie neugierig und freundlich. Der gute Wille ist ein Ausgleich für das Fehlen einer gemeinsamen Sprache. Eine einfache Kommunikation ist daher möglich, und die Technologie (Google Translate) hilft, die Lücken zu füllen.
Die Japaner respektieren die Privatsphäre anderer, aber sobald das Eis gebrochen ist, sind sie neugierig und freundlich
Geisterkulisse vor Fukishima
Industriegebiete und Kraftwerke zwangen mich während der folgenden Tage zu weiteren Umwegen auf See. Ich fuhr an Fukushima Daiichi vorbei, dem Atomkraftwerk, in dem es nach dem Tsunami 2011 zu einer Kernschmelze gekommen war. An einer europäischen Küste würde ein solcher Standort sicherlich patrouilliert werden. Nach vier Kilometern auf See sah ich niemanden mehr und landete im nahen Fischereihafen von Ukedo. Die Hafenbehörden waren überrascht, mich hier zu sehen, und waren sich offensichtlich nicht sicher, ob ich überhaupt hier sein durfte. Sie bekommen vermutlich nicht viele Besucher. Hinter dem Hafen wird eine verstrahlte Landschaft eingegraben, um sie “sicher” zu machen. Ich sah mehr Erdbagger als Menschen. Fukushima ist ein gespenstischer Ort, an dem die Vögel singen, aber das menschliche Leben noch lange nicht zurückkehren wird.
Dann, endlich, kam ich in den Genuss einer Reihe von ruhigen Tagen. Der Pazifik zeigte sich pazifischer und macht seinem Namen “Stiller Ozean” alle Ehre. Bald erreichte ich die Außenbezirke von Sendai, wo ich in einem Segelzentrum anlandete. Ich war schon tausend Fischerbooten begegnet, aber hier waren zum ersten Mal Segel zu sehen. Geografisch gesehen war das Erreichen von Sendai der Abschluss der ersten Etappe. Die lange und meist gerade Küstenlinie von Tokio in Richtung Norden ist damit komplettiert. Das beruhigt mich, denn ich habe das Gefühl, dass ich die Reise nun richtig begonnen hat. Jetzt kann ich in einen Fischereihafen einlaufen, mit dem Gefühl, dass ich mir das Recht verdient habe, dort zu sein! Wenn der Wind kommt, werde ich heute die Sendia-Bucht überqueren und zu einer Küste mit Inseln und Buchten gelangen. Ich werde den Leuten immer noch sagen, dass ich nach Hokkaido fahre, aber vielleicht verrate ich auch meine Absicht, ganz Japan zu umrunden.
Wenn ihr Jono Dunnett bei seinen Abenteuern verfolgen wollt, findet ihr auf seiner Website weitere Fotos und einen Blog. Natürlich lest ihr auch auf der surf-Website in regelmäßigen Abständen über seine Erlebnisse.