”Zoltan”Nordsee-Sturm als Glücksfall für die Ostsee

Andreas Fritsch

 · 02.01.2024

”Zoltan”: Nordsee-Sturm als Glücksfall für die OstseeFoto: dpa/ap
Spaziergänger bei Sturmflut am Ufer der Wesermündung in Bremerhaven als Sturm “Zoltan” durchzog
Der Wintersturm “Zoltan” brachte zwei hohe Sturmfluten an der Nordseeküste - und wurde zugleich zum Segen für die Ostsee, die dringend das Wasser der Nordsee braucht

Mag seltsam für viele klingen, doch wenn es der Ostsee gut gehen soll, braucht sie das Wasser der Nordsee. Genauer gesagt das sehr sauerstoffreiche, salzhaltigere Tiefenwasser. Denn die Ostsee als Binnenmeer, das obendrein auch noch oft flach ist, leidet seit Jahrhunderten an zunehmender Sauerstoffarmut. Die entsteht, weil das viel zu nährstoffreiche Wasser im Sommer viele Algen bildet, die dann später im Jahr absterben, auf den Grund sinken und dort zu faulen beginnen. In der Folge entsteht Sauerstoffmangel. Der ist auf der Ostsee seit Jahren ein Riesenproblem und hat zu quadratkilometergroßen “Todeszonen” am Grund geführt, in denen kein Leben mehr möglich ist. Das dezimiert dramatisch auch Fischbestände, etwa vom Dorsch.

Deshalb ist die Ostsee biologisch auf möglichst regelmäßigen, kräftigen Zustrom von kalten, viel salzhaltigeren Nordsee-Wasser angewiesen. Vor allem in der Tiefe. Das durchmischt und verdrängt das sauerstoffarme Wasser am Grund.

Größter Salzwasser-Einbruch seit 2014

Genau diesen Vorgang beobachte das Leibniz Institut vor Weihnachten, wie das BSH mitteilt: “ Die vom BSH betriebene autonome Messstation Darßer Schwelle maß seit dem 20.12.2023 einen starken Einstrom salzreichen Wassers in der gesamten Wassersäule. Es handelt sich um einen der stärksten Salzwassereinbrüche seit 2014. “

Kurz nach dem Sturm drückte selbst das Oberflächenwasser vor Skagen stark in die Ostsee.Foto: Nobletec Time ZeroKurz nach dem Sturm drückte selbst das Oberflächenwasser vor Skagen stark in die Ostsee.

Obendrein herrschten vor “Zoltan” auch noch lange Südostwindlagen, die zuvor das Wasser aus der Ostsee heraus drückten, den Wasserspiegel deutlich senkten. Um so stärker war der Rückstrom, befeuert vom Orkantief. Dadurch konnten sauerstoffarme tiefere Beckenbereiche wie das Gotlandbecken mit Sauerstoff belüftet werden. Das verhinderte jedenfalls vorübergehend die Bildung von giftigem Schwefelwasserstoff am Grund.

Ausbreitung der Sauerstoffarmen Zonen in der Ostsee über die JahrzehnteFoto: HansenAndersson et. alAusbreitung der Sauerstoffarmen Zonen in der Ostsee über die Jahrzehnte

Seit Jahrzehnten hatten Meeresbiologen beobachtet, dass diese Zustrom-Ereignisse weniger und schwächer geworden waren und die Algenbildung der Ostsee zeitgleich immer dramatischer wurde, weil zu viele Nährstoffe aus der Landwirtschaft und Abwässern eingetragen werden. Bleibt zu hoffen, dass der nun kräftige Zustrom die Situation vielleicht etwas verbessert.


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