Wer kennt ihn nicht, den untersten gleitbaren Windbereich. Der Punkt, an dem man gerade so aufs Brett kommt, gerade so losgleitet – oder eben haarscharf nicht. Das ist der Bereich, in dem alles stimmen muss, in dem einem jeder Fehltritt oder die kleinste Fehleinstellung zum Verhängnis wird und darüber entscheidet, ob man eine spaßige Session hat oder den ganzen Tag am Ufer sitzt und auf stärkeren Wind wartet.
Frühes Angleiten, das sind 50 Prozent Technik, 50 Prozent Tuning.
Während es bei viel Wind heißt: draufspringen und dichthalten, ist bei Leichtwind deutlich mehr Feinmotorik und Technik gefragt, um den gegebenen Wind möglichst effizient zu nutzen. Dafür müssen die geringen Kräfte bestmöglich auf Brett und Segel übertragen werden, um sie lohnend wirken zu lassen. Es geht um Anstellwinkel, Belastungen und Körperhaltungen, die gleichzeitig von einer angepassten Einstellung des Materials unterstützt und begünstigt werden. Bei ausreichend Wind nimmt man diese „Kleinigkeiten“ oftmals gar nicht wahr. Doch wer sich bei 15 Knoten genauso passiv hinten reinhängt wie bei 25 Knoten oder versucht, sich genauso vom Segel aus dem Wasser ziehen zu lassen, der wird nicht weit beziehungsweise hoch kommen. Anstatt dann einzupacken und sich über zu wenig Wind zu beklagen, probiert sie mal aus, unsere Leichtwind-Tipps.
Tuning-Tipps für Leichtwind
Generell wollen wir versuchen, möglichst viel Wind einzufangen, möglichst viel Lift zu erzeugen und dadurch das Brett frei zu bekommen. Jeder Knoten Wind soll dabei so effizient wie möglich genutzt werden. An folgenden Stellschrauben könnt ihr dazu drehen:
Aufrechter Stand durch höhere Gabel
Ein aufrechter Stand spielt bei Leichtwind eine wichtige Rolle, denn je aufrechter dein Segel steht, desto mehr Wind fängst du ein. Den Gabelbaum hochzuschieben, führt durch automatisches Verkürzen der Tampen nicht nur zu einer aufrechteren Körper- und dadurch Segelposition, sondern lässt auch insgesamt den Schwerpunkt etwas hochwandern. Wir wollen bei wenig Wind unbedingt vermeiden, das Brett zu satt im Wasser liegen zu haben und dadurch mehr Wasser zu verdrängen. Was aber ist die „richtige“ Gabelhöhe? Hier wird oft Schulterhöhe genannt, aber es ist wichtig zu wissen, dass die Gabel umso höher angeschlagen werden muss, je breiter dein Brett ist – einfach weil man auf breiten Boards weiter von der Mittelachse und damit vom Segel entfernt steht als auf schmalen. Das bedeutet, dass du zum Beispiel auf einem 80 Zentimeter breiten Freeridebrett die Gabel einige Zentimeter höher montieren musst als auf einem Freestyle-Waveboard mit nur 65 Zentimetern Breite, um auf dem Wasser eine vergleichbare „gefühlte“ Gabelbaumhöhe zu haben. Wenn du also breite Boards nutzt und beim Einstellen des Gabelbaums an Land neben deinem Segel stehst, darf die Gabel auch mal deutlich über Schulterhöhe montiert sein.
Lange Trapeztampen
Eine höhere Gabel kann sich nur gut anfühlen in Verbindung mit längeren Trapeztampen. Längere Tampen sind auch beim Dümpeln und bei böigen Bedingungen von Vorteil, weil du nicht so nahe am Segel hängst und mehr Bewegungsfreiheit und Kontrolle bekommst. Unser Tipp: Kaufe dir im Shop Variotampen mit 24 bis 30 Inch Länge. Du kannst dann die Gabel sukzessive etwas höher schieben und gleichzeitig die Trapeztampen etwas verlängern, um dich weiterhin entspannt einhängen zu können.
Mastfuß ein Stück zurück
Kontrollprobleme sind in dem Windbereich, von dem wir hier sprechen, ausgeschlossen. Der Bug wird dir im absoluten Leichtwind nicht fliegen gehen. Schiebe den Mastfuß also ruhig ein Stück weiter nach hinten, um das Brett möglichst frei und schnell auf die Finne zu kriegen. Unser Tipp: Ausgehend von der Mittelposition bringt ein Verschieben nach hinten um ein bis zwei Zentimeter das gewünschte Ergebnis. Ganz ans Ende der Mastspur sollte man dabei nicht gehen, denn steht der Mastfuß zu weit hinten, kann dies zu allgemeiner Rücklage führen, die beim Angleiten wiederum kontraproduktiv ist.
Segel auf Leichtwind trimmen
Besonders aus Camber-losen Freeridesegeln, aber auch aus Freemove- oder Wavesegeln lässt sich über einen bauchigen Trimm viel rausholen. Wenn der Wind so schwach ist, dass Druckpunktwanderungen und Böenkontrolle keine Rolle spielen, lass einfach mal an beiden Enden Spannung raus und schaue, was geht. Wenn der Wind zunimmt, kannst du immer noch nachtrimmen. Wenn am Schothorn zwei Ösen zur Option stehen, wähle bei Leichtwind immer die obere. Und keine Sorge, das Segel kann im letzten Drittel bis zum Schothorn ruhig am Gabelbaum anliegen.
Gleiten bei Leichtwind
1: Kerzengerader Stand
Versuche im möglichst aufrechten Stand und mit viel Körperspannung den Schwerpunkt oben und über der Brettmitte zu halten. Der vordere Arm ist dabei vollständig gestreckt, um den Mast so aufrecht wie möglich zu halten. Bei Leichtwind gilt besonders: Gabel hoch! Das bringt mehr Lift.
Eine stärkere Böe würde dich aus dieser Position schnell raushebeln und problemlos vorne rüberwerfen, daher sollten bei stärkerem oder böigem Wind tendenziell längere Tampen zum Einsatz kommen um tiefer zu sitzen und den Hebel besser kontrollieren und ausgleichen zu können.
2: Hinteren Fuß aus der Schlaufe
An der Gleitschwelle kann es helfen, den hinteren Fuß aus der Schlaufe zu nehmen oder erst gar nicht reinzusetzen, um das Board bei geringem Speed hinten nicht abzuwürgen. Auch so lässt es sich kontrolliert umhergleiten.
Den Fuß dabei eher mittig an Deck zu platzieren hilft dabei, das Brett von der Luv- mehr auf die Leekante und damit freier und auf Geschwindigkeit zu bekommen.
3: Kraftübertragung nach vorne
Vor allem in der Angleitphase, also bevor der vordere Fuß in die Schlaufe wechselt, sollte man auf eine nach vorne gerichtete Kraftübertragung achten. Drehe den vorderen Fuß in der Angleitphase nach vorne, die Fußspitzen zeigen tendenziell Richtung Bug. Dadurch drehen sich unbewusst auch deine Hüfte und dein Oberkörper nach vorne auf, die Kraft des Segels wird nun stärker nach vorne gerichtet aufs Board übertragen. Steht der vordere Fuß hingegen quer zur Fahrtrichtung, überträgst du auch die Kraft quer aufs Board – schlechteres Angleiten und ein Wegschieben des Hecks nach Lee sind die Folgen.
Auch mit nur einem Fuß in der Schlaufe lässt es sich kontrolliert umhergleiten.
Dümpeln bei Leichtwind
Sobald vom Wind her gar keine Chance mehr auf Gleiten besteht, gilt im Leichtwind vor allem eines: Höhe laufen! Jeder Angleitvorgang oder ein Wasserstart kann schnell ein paar Meter Höhe kosten. Nur wer genügend Höhe hat, kann diese auch sinnvoll für spaßige Dinge nutzen.
Um hart am Wind zu bleiben, gilt:
- Einhängen, um Kraft zu sparen
- längere Tampen machen dir auch hier das Leben leichter
- Luvkante gegen seitliche Abdrift belasten
- Druck durch Strecken des vorderen Beines auf den Mastfuß geben
- Segel hinten dicht halten
- Entspannen und Ausschau nach der nächsten Gleitböe halten
Wasserstart bei Leichtwind
Das richtige Ausrichten und Positionieren des Materials ist ein eigenes Thema, hier findet ihr eine detaillierte Beschreibung des Wasserstarts und der Vorbereitungen. Hier soll es um die richtige Technik beim Aufstieg gehen.
Beim Wasserstart gilt das Motto: Nicht hochziehen, sondern hochziehen lassen!
Profi-Tipp 1: Griff an den Mast
Aber was, wenn der Lift beim Wasserstart einfach nicht zum Aufsteigen reicht? Dann kannst du mit einigen kleinen Tricks noch nachhelfen!
Das Ziel soll sein, das Segel zum Wasserstarten so aufrecht wie möglich zu stellen.
Profi-Tipp 2: Griff ans Unterliek
Beim Leichtwind-Wasserstart gibt es noch ein letztes Upgrade. Der Griff ans Unterliek sieht nicht nur speziell aus – dieser Profi-Tipp hat es in sich, besonders mit größeren Segeln. Kleine Wave- oder Freestylesegel (unter 5,5 m²) sind bei dieser Technik deutlich einfacher auszubalancieren, es geht aber auch mit großen Freeridesegeln.
Den Tipp, das Segel bei Leichtwind für den Startvorgang so weit wie möglich aufzurichten, um so viel Wind wie möglich einzufangen, treibt man mit dieser Technik auf die Spitze. Auch hier unterscheiden sich die ersten Schritte (Positionieren, Ausrichten, Luvzug) nicht vom normalen Wasserstart.