iQFOiL OlympiaNach Marathon-Farce - Steinlein und Kördel drehen mächtig auf

Tatjana Pokorny

 · 01.08.2024

Das Marathon-Rennen sollte ein Zuschauer-Spektakel werden, endete aber leider mit unansehnlichem Stehsegeln.
Foto: Sailing Energy
War die Farce um die missglückte Marathon-Premiere der iQFOiL-Damen der Startschuss für eine grandiose Aufholjagd von Theresa Steinlein und vor allem Sebastian Kördel? Nach dem Flautenabruch des Marathons surfte sich Steinlein in den folgenden Rennen bis auf den sechsten Gesamtrang vor und Sebastian Kördel gelangen neben einem zweiten Platz sogar zwei Laufsiege. Als 13. hat er jetzt doch noch Chancen auf die Top-Ten und damit die Medal-Series.

Für Theresa Steinlein, mit 22 Jahre die jüngste im deutschen Segelteam, war der vierte Tage in Marseille ein Wechselbad der Gefühle. Erstmals wurde ein Windsurf-Marathon bei Olympischen Spielen gestartet. Diesen etwas zu ambitionierten Versuch hätte die olympische Wettfahrtleitung an diesem Tag wohl besser bleiben lassen. Er endete nach 90 Minuten mit dem Greifen des Zeitlimits in schwachen Winden mit Abbruch des Rennens. Zuvor hatten sich die Windsurferinnen die Seele aus dem Leib gepumpt, die Boards, die nicht mehr auf die Foils kamen, durchs Wasser gequält. Das war in den angesagten eher leichten und erneut unbeständigen Winden keine gute Werbung für den Surf- und den Segelsport.

iQFOiL-Marathon - gute Idee zum falschen Zeitpunkt

Theresa Steinlein hatte nach dem physischen Härtetest, dem noch eine Salve kurzer Rennen folgten, kritische, aber auch lobende Worte für den als Fan-Spektakel vor grandioser Kulisse angedachten Marathon, der in der Flaute verhungerte und die übertragenden TV-Sender verzweifeln ließ: „Wir standen erst zweimal hinter der Insel. Das war richtig frustrierend, weil Leute, die 20 Minuten hinter dir waren, plötzlich wieder ankamen und mit dir auf einer Linie standen. Aber eigentlich ist der Marathon eine ziemlich coole Idee. Wenn wir durchgefoilt wären, wäre das richtig gut geworden! Ich hatte eine richtig gute Platzierung. Deswegen war der Abbruch umso ärgerlicher. Aber ich habe versucht, es mit den Slaloms auszugleichen.“ Was der früheren Seglerin, die erst vor vier Jahren aufs Windsurf-Board umgestiegen ist, am Mittwochnachmittag im Aufstieg mit den Rängen 5, 5, 13 und 12 mit herausragender Konditionsleistung gut gelang.

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Für Hochspannung sorgte am Nachmittag und Abend in der Bucht von Marseille und auch in den Jury-Räumen im Olympia-Hafen dann Sebastian Kördel. Der Windsurf-Weltmeister von 2022 und Vizeweltmeister von 2023 war nach dem Totalausfall aller Windsurf-Rennen am Sonntag am Montag als Co-Favorit in seine Olympia-Premiere gestartet. Statt vorne mitzumischen, geriet Kördel jedoch schwer ins Wanken. Er surfte sieben schwache Rennen in Folge, kassierte teilweise hohe zweistellige Ergebnisse. Die schwarze Serie des bei Olympia co-favorisierten NRV-Akteurs schien sich am Mittwoch zunächst mit einer Frühstart-Disqualifikation fortzusetzen.

Kördel mit Comeback, Kollision und Protest-Erfolg

Dann aber kam mit etwas stabileren Winden die krasse Wende, an die kaum einer mehr glauben mochte. Dabei lag Sebastian Kördel im achten Rennen am Mittwoch auf dem Weg ins Ziel als Zweiter erstmals bei dieser Olympia-Regatta in aussichtsreicher Position. Das Ziel war schon nah, als es zur schmerzhaften Kollision mit dem Niederländer Luuc Van Opzeeland kam.

Kördel beschreibt die folgenreiche Situation, während er mit der rechten Hand den Eisbeutel hält, der den demolierten linken Unterarm kühlt: „Er kam ein bisschen höher aus der Halse raus, ich war in Lee, aber noch vorne, er hatte mehr Höhe. Das heißt, er kam von hinten mit Speed auf mich runter. Dann habe ich ‚Raum‘ gebrüllt, um ihm zu zeigen, dass ich da bin, dass ich überlappend bin. Das hat ihn, glaube ich, irgendwie erschreckt. Da hat er angeluvt, hat den Frontflügel verloren, hat sich nach vorne rübergedreht und ich habe den Mast auf den Arm bekommen.“

Anschließend ließ Kördel es wie nach einem Weckruf auch mit schmerzendem Arm zweimal in Folge krachen – er holte die ersten beiden Rennsiege für das German Sailing Team bei dieser Olympia-Regatta. Nach dem fulminanten Comeback rangierte der 1,91 Meter große Windsurfer zunächst auf Platz 17. In Folge der Kollision protestierten später Kördel und der Niederländer gegeneinander: Kördel gegen Van Opzeeland. Und Van Opzeeland gegen Kördel.

Die Olympia-Besinnung aufs Wesentliche

Die Jury gab dem deutschen Windsurfer recht – und den zweiten Rang zurück. Was Sebastian Kördel im Klassement am späteren Mittwochabend noch bis auf Platz 13 vorrücken ließ. So wurde aus dem mit einer Frühstart-Disqualifikation begonnen Tag noch eine Gala für Kördel, der am Donnerstag voraussichtlich fünf Rennchancen erhält, um sieben Punkte zu Platz zehn aufzuholen und sich für die Finalrunden der neu-olympischen iQFOiL-Windsurfer zu qualifizieren.

Sein Erfolgsrezept von diesem bewegten vierten Regattatag will Kördel in die ausstehenden Rennen mitnehmen. Er will die vor ihm liegenden Rennen Schritt für Schritt angehen und sagt: „Ich habe mich heute einfach auf meine alten Sachen konzentriert, die ich gut kann: Am Pin starten und schnell sein. Ich hatte auch ein bisschen Glück, dass wir guten Wind hatten und ich nicht so viel pumpen musste. Endlich gab es mal normalen Wind, zehn bis 14 Knoten, nicht irgendwelche Löcher.“

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