“Es war sooo windig!” - wenn das selbst ein Pozo-Local wie Alexia Kiefer sagt, dann muss da etwas dran sein. Der Wind hatte im Gegensatz zu gestern nochmal zugelegt, bei einigen Damen stand eine Zwei vorne bei der Segelgröße. Auch die Wellen waren zeitweise sichtbar besser als gestern, eine perfekte Bühne für die Final-Heats im Waveriding!
Der neue, etwas überraschend eingeführte Wettkampf-Modus der PWA sorgt dafür, dass es keine echte Rückrunde gibt und die Gewinner nach den Finals unverrückbar feststehen (hier haben wir den Modus zusammengefasst). Besonders die Halbfinals mit drei Fahrern waren hauteng und unfassbar spannend - wie es scheint schafft es das Format, wirklich die besten Fahrer zu pushen und medienwirksamen Sport zu bieten.
Halbfinals sind enorm wichtig
Lina Erpenstein musste glich in ihrem ersten Heat des Tages gegen Sarah-Quita Offringa ran, gegen deren enorm hohe Punktzahl von über 21 die Chile-Siegerin das Nachsehen hatte. Alexia Kiefer, die gestern schon gegen Lina gewonnen hatte, gewann wiederum ihren Vierer-Heat vor Pauline Katz. Alle waren also sicher im Halbfinale, während das belgische Wunderkind Sol Degrieck in die Redemption Round musste, in der die Verlierer der Viertelfinals für eine zweite Chance aufeinandertreffen. Degrieck holte den Sieg vor Maria Morales, die ein wenig unter den Erwartungen blieb.
In den Halbfinale traf dann Lina Erpenstein wieder auf Alexia Kiefer, dieses Mal mit dem besseren Ausgang für Lina. “Ich wusste, dass das ein sehr wichtiger Heat ist und mich eigentlich alle schlagen können”, sagte Lina hinterher. Wer hier verliert, kann nicht besser als Platz fünf werden, wer gewinnt hat immer noch Chancen auf den Sieg. Sol Degrieck hatte ohne Backloop und Pushloop keine Chance, diese Moves machen auf dem Level den Unterschied. Auch wenn Alexia zwischenzeitlich auf knapp 0,1 Punkte herankam, ließ sich Lina den Platz im Finale nicht nehmen. Maria Morales ließ dann im anderen Halbfinale ihr Können aufblitzen, doch gegen Sarah-Quita Offringa reichte es nicht.
Lina Erpenstein auf WM-Kurs
Offringa hatte das klare Ziel, in die Fußstapfen der Moreno-Zwillinge zu treten und ihren ersten Sieg in Pozo zu holen. Daida und Iballa hatten Pozo in den letzten zwanzig Jahren fest im Griff, SQ ist ihre naheliegende Nachfolgerin und wurde ihrer Favoritenrolle gerecht. “Ich wollte schon immer hier gewinnen, die Bedingungen sind extrem herausfordernd,”, sagte sie hinterher. “Man fährt mehr gegen sich selbst als gegen jemand anderen.”
Mit drei massiven Sprüngen machte sie ihren Anspruch auch im Finale gleich klar, Lina kam mit einer herausragenden Welle später dann auf Schlagdistanz ran. Doch um Offringa zu schlagen, muss einfach alles perfekt sein, am Ende fehlte Lina nur etwas mehr als ein Punkt. Doch mit dem Sieg in Chile und diesem zweiten Platz im Rücken ist Lina nun erste Anwärterin auf den WM-Titel - zumal der Fiji-Event offenbar im Laufe des Tages abgesagt wurde. Alexia Kiefer gewann dann das kleine Finale gegen Maria Morales, ihr zweites Podium in Folge nach dem zweiten Platz in Chile.
Stillrich-Verletzung überschattet den Tag
Mit Philip Köster und Ricardo Campello gingen gleich im ersten Heat des Tages zwei der Top-Favoriten aufs Wasser, nachdem mehr als eine Stunde lang auf bessere Wellen gewartet werden musste. Campello, dank Promi-Sponsor motiviert bis in die Haarspitzen, reichte auch ein zweiter Platz zum Weiterkommen, während Köster mit einem Zehn-Punkte-Doppelloop in den Tag startete. Drei Sprünge auf dem ersten Schlag und schon 24 Punkte nach drei Minuten zeigten, dass Köster wieder voll da ist.
Campello strauchelte jedoch in den folgenden Runden: Während seine Gegner Liam Dunkerbeck, Robby Swift und Alessio Stillrich drei Doppelloops in der ersten Minute abfeuerten, kam der Vizeweltmeister von 2023 nicht in den Heat. Zwar arbeitete er sich noch heran, musste sich am Ende aber hinter Dunkerbeck und Swift mit Platz drei begnügen. Spektakuläres Highlight war ein massiver einfüßiger Frontloop von Liam, der als Backloop gedacht war, wegen einer Böe in der Luft aber zum Vorwärtsloop wurde. Überschattet wurde dieser Heat von einer schweren Fuß-Verletzung bei Alessio Stillrich. Bei einer missglückten Landung brach sich der Deutsch-Canario einen Knochen im Fuß und musste ins Krankenhaus gebracht werden.
Sensationelle Performances von Julian Salmonn und Marino Gil
Im Redemption-Heat hätte Campello dann die Chane gehabt, doch noch ins Halbfinale einzuziehen. Gegen Julian Salmonn und Dieter van der Eyken, die beide sehr überlegte und auf sich fokussierte Heats zeigten, spielten aber am Ende wie so oft die Nerven nicht mit. Salmonn hingegen blieb im Flow und gewann anschließend auch sein Halbfinale gegen keine Geringeren als die Locals Philip Köster und Liam Dunkerbeck. Campello sagte anschließend unter Tränen, dass er noch nicht wisse, ob dies sein letzter Event gewesen sei. Erstmal wolle er nach Hause fliegen und sich darauf freuen, dass er bald Vater wird.
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Van der Eyken hingegen unterlag gegen einen wie entfesselt fahrenden Marino Gil Gherardi. Der Zweitplatzierte des letzten Jahres hat sich nochmal deutlich sichtbar verbessert und fuhr wie von einem anderen Stern. Im Finale stand Marino somit Julian Salmonn gegenüber, der seine zwischenzeitliche Führung aber nicht über die Zeit retten konnte. Wobei “retten” die Performance nicht ganz trifft, beide zeigten bis zum Schluss-Signal spektakuläre Moves. Hätte Salmonn noch einen Doubleloop angesetzt, wäre er nochmal an Gil herangekommen. Doch die Sensation war perfekt, der Gießener von Teneriffa hat gezeigt, dass er Brawzinho gestern nicht zufällig ausgeschaltet hat: “Ich kann das noch nicht beschreiben”, berichtete er anschließend überwältigt. “Ich hatte hier zwei Jahre schlechte Ergebnisse, für dieses Jahr hab ich mir ausgerechnet, was ich brauche und wusste, dass ich mit guten Wellen weit nach vorne kommen kann!”
So nah war ich noch nie dran!” (Philip Köster über seinen Versuch eines Dreifach-Loops)
Trippleloop-Versuch von Philip Köster
Und wo Julian Salmonn eine Rotation fehlt, hat Philip Köster eine mehr als alle anderen - zumindest fast: Im Heat um Platz drei setzte Köster tatsächlich zum Trippleloop an. Auch wenn es am Ende nur zwei Umdrehungen und zwei Drittel waren, brachen die Zuschauer an Land in lauten Jubel aus, den sogar sein Gegner Dieter van der Eyken auf dem Wasser hörte. “So nah war ich noch nie dran, es hat nur etwas Höhe gefehlt”, so Köster anschließend.
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