Ob mit Segel, Wing, Paddel, Welle oder durch reine Beinkraft – der Swiss Water Man ist immer auf dem Wasser zu finden. Sein persönliches Surf-Mekka liegt dank der Foil-Revolution nun direkt vor seiner Haustür, am Bielersee in der Schweiz. Den Spaten gegen das Foil getauscht, lebt der gelernte Gartenbauer und Familienvater dort seinen Traum: vom und für den Wassersport zu leben. Früher zusammen mit seinen Brüdern oftmals als Surf-Punker bezeichnet, fasst der Pragmatiker jede mögliche Innovation ins Auge und probiert sie einfach auf seine ganz eigene Art und Weise aus. Dies scheint manchmal sehr wild und roh, doch das Multitalent weiß absolut, was es tut. Mit klaren Zielen und Ambitionen schaut der 30-jährige Foil-Freak in die Zukunft … und hier mit uns auch einmal in die Vergangenheit.
Wann hast du eigentlich das erste Mal vom Foilen gehört oder überhaupt ein Foil gesehen?
Das ist schon ewig her, bestimmt 25 Jahre, ob man es glaubt oder nicht. Das war ein Foto von Laird Hamilton auf einer großen Welle in Jaws, mit Snowboardboots fest auf einem gelben Foilboard angebunden. Das war verrückt. Es sah ein bisschen aus wie Freeriden auf dem Snowboard und ich glaube, so muss es sich auch angefühlt haben. Laird Hamilton war echt ein Pionier im Foiling. Ich weiß noch gut, wie ich das als Kind gesehen habe und dachte: Wow, dreidimensionales Surfen … was will man mehr? Es hat mich von Anfang an fasziniert, doch es sollte noch einige Jahre dauern, bis ich dann zum ersten Mal selbst abhob.
Wann geschah dies?
Das war 2016 während des World Cups auf Sylt. Also viel, viel später. In der Zwischenzeit hat man nicht viel vom Foilen mitbekommen, bis die französischen Windsurf-Racer um William Huppert die Teile plötzlich auf Sylt dabei hatten.
Dort hast du es einfach ausprobiert?
Genau. Ich glaube, an dem Tag auf Sylt, an dem einer der Jungs mir bei schlappen zwölf Knoten sein Foil lieh, war ich acht Stunden auf dem Wasser. Das waren damals ja eigentlich noch Freeride-Foils. Ich bin völlig durchgedreht. Das war wie eine Revolution für mich oder fast wie eine Droge. Dieses erste schwebende, schwerelose, freie Gefühl – das lässt dich nicht mehr los. Mir war sofort klar, dass ich auch so ein Teil brauche!
Wie war die Stimmung bei dir zu Hause am Bielersee, nach deiner Rückkehr von diesem besonderen Ausflug nach Sylt?
Wie soll ich sagen … wir hatten plötzlich ein Surf-Mekka vor der Haustür (lacht). Ich meine, Foilen macht absolut Sinn bei uns am heimischen, böigen Binnengewässer. Es hat das Surf-Mekka von Hawaii an die europäischen Binnengewässer verschoben. Für uns wurde ein Traum wahr.
Wir hatten plötzlich ein Surf-Mekka vor der Haustür.”
Wie viel mehr Surf-Tage hattest du dann plötzlich zu Hause durch das Foilen?
Ja 100 Prozent, kann man fast sagen (lacht). Bei uns am See gibt es höchstens 25 windige Big Days im Jahr, also gute Tage auf der Finne. Und ich meine, jetzt, mit den Foils, da sind wir bei über 300 Surftagen im Jahr angelangt. Vergangenes Jahr hatte ich zum Beispiel 310 Surftage und einen Großteil davon bei uns zu Hause in der Schweiz. Es ist verrückt, was es mittlerweile für ein Angebot an Foil-Sportarten gibt. Es ist ja nicht mehr nur Windsurf-Foilen. Jetzt mit Wing-Foilen, SUP-Foilen, Kite-Foilen, Pump-Foilen … da kommst du ja eigentlich jeden Tag aufs Wasser.
Was haben deine Brüder und du früher den ganzen Tag getrieben, bevor euch das Foilen segnete?
Wir waren Formula-Windsurfen und haben uns beim Segelhochziehen den Rücken kaputt gemacht (lacht). Und sonst haben wir uns halt mit kleinem Freestyle-Material angepumpt wie die Verrückten und konnten hier und da mal einen Willy Skipper am Ende des Sees raushauen. Das ist auch ganz cool, aber kein Vergleich zu den Möglichkeiten auf dem Foil im unteren Windbereich. Wenn gar kein Wind war, waren wir viel skaten und im Winter snowboarden – Brettsport durch und durch, das war schon immer so.
Du hast bereits von deinem ersten Kontakt mit dem Windsurf-Foilen erzählt. Wann und wie kam das Wingfoilen für dich ins Spiel?
Ich würde sagen, zu früh, denn es hat dem Windsurf-Foilen die Show gestohlen. Ich bin davon überzeugt, dass es viel mehr junge Leute geben würde, die Wind-surf-Foilen abfeiern würden, wäre der Wingfoil-Trend nicht so früh aufgekommen. Bereits 2019 kam der erste Wing in die Schweiz. Für mich war auch da sofort klar, das wird der Wahnsinn … Antrieb ohne direkt Verbindung zum Board, das erweiterte die Möglichkeiten enorm, besonders im Freestyle. Das allererste Mal, das ich Wingfoilen überhaupt gesehen habe, war bei diesem Dude, der ein Windsurfboard genommen hat und darauf einen kleinen Kite mit einem Paddel als Gabelbaum zum Manövrieren in der Hand hatte. Da habe ich auch sofort gedacht: Das brauche ich auch! Das war Tony Logosz von Slingshot. Der Dude hat mit diesem Bild mein Leben verändert … oder vielleicht sogar ruiniert (lacht).
Es ging dann gefühlt kontinuierlich so weiter, es kam immer eine neue Foil-Sportart auf. Plötzlich sah man dich nur noch beim Pump-Foilen und dann SUP-Foilen – ganz ohne Windantrieb.
Ja, genau, das hat’s mir auch voll angetan. Ich sag mal so, wenn ich wählen könnte, würde ich wahrscheinlich nur Wellen abreiten. Aber in der Schweiz kann man sich ja eigentlich nicht Surfer, also Wellenreiter nennen. Aber jetzt, dank der Foils, wird die kniehohe Seewelle durch den Mast sozusagen auf Brusthöhe erhöht. Du kannst über den Mast hochsteigen und anschließend wieder runtergleiten. Und dieses Gleitgefühl, wenn du im Sinkflug bist, kombiniert mit der Welle, das ist der Wahnsinn – dann surft man wirklich. Man kann sich somit durchaus Surf-Foiler oder Lake-Surfer nennen. Selbst beim Pump-Foilen auf Flachwasser hat man dieses Gefühl.
Interessant! Also du foilst auf einer nur ein Meter hohen Windwelle, aber plus 80 Zentimeter Mast. Wenn du dann von der Lippe oben rein droppst...
... genau! Dann droppst du gefühlt eine kopfhohe Welle runter, bis ins Wellental. Und jetzt stell dir vor, du hättest einen 20 Meter langen Mast, dann muss man nicht mehr nach Jaws (grinst).
Ahnst du immer ungefähr, was in der Welt des Foilens als Nächstes aufkommt?
Ich habe die arge Vermutung, dass die Zukunft einfach zu technisch und gar nicht mehr so sportrelevant wird. Ich habe echt Bedenken, dass man bald mit irgendwelchen modernen Hoverboards übers Wasser schwebt. Das ist aber eigentlich auch so ein bisschen mein Traum, wenn du dir vorstellst, dass du dann so einen Magnet an der Stelle hast, wo eigentlich das Foil sitzt ... Aber ich meine, den Wunsch vom Fliegen haben wir ja alle. Und Foilen ist für mich die einfachste Art zu fliegen. Denn du kannst tausendmal ins Wasser fallen, es passiert dir nichts. Wenn du mit dem Gleitschirm fliegst und dich aufs Maul haust, dann sieht es meist nicht so gut aus. Deshalb gibt es für mich nichts Schöneres. Es ist wie Fliegen, aber sicherer – egal, welche Technik dahintersteckt. Ich war jedes Mal überrascht, wenn etwas Neues aufkam. Und jedes Mal bin ich beim Ausprobieren wieder auf die Fresse geflogen. Der Anfang war nie einfach. Foilen ist unberechenbar und jede Foil-Session fühlt sich anders an.
Foilen ist für mich die einfachste Art zu fliegen. Haben wir nicht alle den Wunsch zu fliegen?”
Um ein wenig auf die Unterschiede zwischen den Sportarten einzugehen: Wo bist du schneller? Beim Wing- oder Windsurf-Foilen?
Was ich sagen kann: Ich fühle mich beim Windsurfen bei höheren Geschwindigkeiten generell wohler. Und ich glaube, ich bin auch meist schneller. Mit dem Wing wird die Geschwindigkeit schnell mal atemberaubend, denn es verzieht dich ohne die Fixierung durch den Mast in alle Richtungen. Beim Windsurfen habe ich mehr Kontrolle und kann dadurch gefühlt schneller werden. Obwohl das nicht mehr ganz stimmt, denn die Geschwindigkeiten beim Wingen, die gehen aktuell auch durch die Decke.
Und was gleitet früher an beziehungsweise hebt einfacher ab?
Ha! Ich komme mit dem Wing ja ohne Wind los (lacht), deswegen sage ich Wing. Je nach Brettform und Foil-Größe nehme ich durch bloße Pumpbewegungen Speed auf, kann ohne wahren Umgebungswind abheben. Diese Schwingungen kann ich mit dem Wing in den Händen sogar besser erzeugen als ohne. Das ist dann so eine schmetterlingsartige Bewegung mit dem Wing. Und das Schöne ist, einmal oben, setzt der relative Wind durch Fahrtwind ein und erzeugt ein wenig Druck im Wing. Das heißt, ich kann mich also bei null Wind mit dem Wing hochpumpen und Foilen, bis mir die Puste ausgeht (lacht). Das geht mit dem Windsurf-Segel nicht so gut. Der Wing ist effizienter einsetzbar, um von null ins Fliegen zu kommen. Das Windsurfsegel ist wiederum effizienter, wenn man im unteren Windbereich bereits fliegt, denn es erzeugt mehr Vortrieb und zieht dich super durch Windlöcher. Der Wing sorgt in diesem Moment für etwas mehr Widerstand.
Was sind abgesehen davon deiner Meinung nach weitere wichtige Unterschiede?
Wingen ist irgendwie pragmatischer. Ja, ich glaube, das ist das richtige Wort. Es ist ein kompakter Flügel, der schnell und simpel aufgebaut ist. Jeder kann es nachvollziehen und hält ihn auf Anhieb meist richtig in der Hand. Zudem ist die Windrange größer, wie ich finde. Und das Teil ist natürlich federleicht – es fliegt von ganz allein. Dazu kommt das freiere Gefühl, ohne die Verbindung durch den Mast. Aber man hat halt nicht dieses „Reinhänge-Gefühl“, das ich als Windsurfer so liebe: dichtnehmen, reinhängen und Gas geben. Beim Windsurfen spürt man den Vortrieb viel intensiver.
Aber für dich ist das einfach alles „Funboarden“, wie du gerne sagst, oder? Egal, was du dabei genau in der Hand oder unter den Füßen hast?
Ja, nur was ist Funboarding überhaupt? Der Begriff stammt ursprünglich aus den Zeiten des Stehsegelns. Als das Stehsegeln sich weiterentwickelte, die Boards kleiner und somit immer schneller und spritziger wurden, wurde es teilweise Funboarding genannt. Ich möchte diesen Ausdruck wiederbeleben. Es ist so ein geiles Wort, das für mich absolut Sinn macht in Bezug auf die ganzen verschiedenen spaßigen Boardsportarten. Wenn man Funboarding googelt, kommen fast keine Ergebnisse. Ich glaube, es waren die Franzosen, die das übernommen und beibehalten haben. Sie dachten: Hey, das kann man doch nicht mehr Stehsegeln nennen, das ist Funboarding! In Frankreich hört man das heutzutage teilweise noch. Aber mit meinem neuen Downwindboard „Waltz“ den See hinunterfliegen – das ist für mich auch Funboarding. Du baust irgendetwas auf und unter dein Board, um auf jedem Gewässer, bei allen Bedingungen „Fun“ zu haben, oder nimmst dabei etwas in die Hand, sei es ein Paddel, Wing oder ein Kite. Funboarding ist Einstellungssache, es ist meine Lebenseinstellung. Wenn du Spaß haben möchtest, besorg dir ein Board und schmeiß dich ins Wasser.
Hast du momentan eine Lieblings-Foil-Sportart innerhalb der Welt des Funboardens?
Nein, das kann ich so nicht sagen. Das Coolste ist, wenn du den ganzen Tag über alles machen kannst, wo du gerade Bock drauf hast. Was ich jedoch sagen kann, vor welcher Disziplin ich am meisten Respekt habe, ist das reine Surf-Foilen (auch Prone-Foilen genannt, Anm. d. Redaktion), also das Abreiten von Wellen ohne Windkraft. Ich finde es absurd, mit dem Foil im Weißwasser einer Welle zu sein. Und das, obwohl meine Leidenschaft für das Wellenreiten eigentlich die Größte ist – da bin ich am meisten abhängig von, von diesem Rausch, eine Welle abzureiten. Aber ich habe gemerkt, dass ich mit dem Foil immer den Peak und das Weißwasser meide. Dann habe ich angefangen, die nicht brechenden, lang gezogenen Windswells in der Mitte des Sees abzureiten, und dabei das entdeckt, was mir momentan am meisten Spaß bereitet. Und zwar das Abreiten von Wellen in der Schweiz, die man früher gar nicht wahrgenommen hat. Dank des Foils kann ich jetzt bei mir vor der Haustür Wellen surfen. Die Möglichkeiten, die das Foil mit sich bringt, sind für mich immer noch unfassbar.
Nehmen wir an, du wachst morgens bei dir am Bielersee auf und es sind den ganzen Tag 15 Knoten aus West gemeldet. Welches Foil-Gerät packst du ein?
Ich habe einen Fahrradanhänger und eine Garage voller Spielzeug. Ich packe dann morgens so viel drauf wie möglich. Dass ich nur eine Art von Foilgerät auflade, das kommt sehr selten vor. Denn wenn der Wind morgens noch nicht ganz so stark ist, kann ich schön eine Runde Kite-Foilen, wenn der Wind dann zulegt, kann ich Windsurf-Foilen, und wenn er schließlich mittags die volle Stärke erreicht, ist es Zeit den Wing aufzublasen. Und dann am Abend, wenn der Windswell, der sich über den Tag aufgebaut hat, groß genug ist, kann ich einen Downwinder machen. Am Ende des Sees angekommen, brechen die Wellen dann oft ein wenig – dort könnte ich zum Abschluss noch eine Runde Surf-Foilen. Ein Traumtag – der perfekte Foil-Tag! Paradoxerweise sehen ungefähr so die meisten meiner Sessions aus (grinst).
Gibt es Überschneidungen zwischen den verschiedenen Disziplinen, was die Foils angeht? Oder hast du für jede Disziplin ein spezielles Set-up?
Ja, aber es gibt Überschneidungen. Ich fahre inzwischen zum Beispiel beim Wind- und Wingfoilen im Prinzip dasselbe Foil. Der einzige Unterschied ist eine 25 Zentimeter längere Fuselage beim Windsurf-Foilen.
Du bist nun seit einiger Zeit Familienvater. Ihr seid oft zusammen als Familie unterwegs …
Sehr oft, ja! Und meine Frau Eva ist auch viel auf dem Wasser. Den Nachwuchs heranwachsen zu sehen und unsere Leidenschaft weiterzugeben – das ist das Beste. Ich bin sehr, sehr aktiv und ich merke jetzt schon, dass unsere Tochter diesen aktiven Lebensstil gerne mag. Ich habe sie letztens im Pool zum ersten Mal auf ein Foilboard gelegt und fliegend umhergeschoben – sie wollte gar nicht mehr aufhören. Ich musste sie dann mehrere Stunden im Kreis schieben (lacht). Das war anstrengend.
Du bist – egal in welcher Disziplin – für deine draufgängerische Herangehensweise und radikalen Abgänge bekannt. Hat der Fakt, dass du nun Familienvater bist, Einfluss auf deine Risikobereitschaft auf dem Wasser?
Ich denke, ich hatte schon immer einen gesunden Respekt und auch Menschenverstand. Aber ich mag es einfach, mich ständig ans Limit zu pushen und meine Komfortzone zu erweitern. Daran hat sich nichts geändert – ich lebe sicher risikofreudig. Mit den richtigen Leuten auf dem Wasser und bei guten Bedingungen kann ich den Kopf ausschalten und alle Ängste lösen sich in Luft auf. Dann probiere ich Sachen wie den Shifty into Forward. Mit Foils kann schon viel schiefgehen, ja, aber es ist definitiv immer noch gefährlicher mit dem Auto an den Spot zu fahren, als auf dem Wasser einen Shifty into Forward zu probieren.
Hattest du schon Foil-spezifische Verletzungen?
Ich habe mal im Shorebreak mein Foil vom Weißwasser ins Gesicht gewaschen bekommen – das war fies. Dann habe ich mir den Flügel vor zwei Jahren mal durch die Wade gebohrt. Das war ein Durchstich von sieben Zentimetern. Wir spielen da mit Küchenmessern, das muss man einfach so sagen. Paradoxerweise fokussiert sich die Industrie nur auf reine Performance und denkt kaum daran, das Equipment benutzerfreundlicher zu konstruieren. Die Kanten der Foils könnten wahrscheinlich deutlich runder sein und die meisten Leute hätten trotzdem ihren Spaß damit. Man darf nicht darüber nach-denken, was im schlimmsten Fall passieren kann (klopft auf den Holztisch).
Wie schätzt du das Verletzungsrisiko im Vergleich zum „normalen“ Windsurfen auf der Finne ein?
Ich habe mich mit Finnen schon genauso oft geschnitten und auch genauso gravierend. Und ich finde, dass Foilen generell etwas sanfter ist. Man fährt oft im Leichtwind und dabei verhältnismäßig kleines Material. So ein Foil hat jedoch mehr Fläche als die Finne, das macht es riskanter. Aber vor allem beim Windsurf-Foilen ist man eigentlich immer sehr fern vom Foil – da fühle ich mich sicher. Anders ist das beim Wingfoilen, wo das Board unverbunden unter dir fliegt. Wenn du in die Luft absegelst, landest du meistens auf dem Board beziehungsweise Foil. Wenn ich vom Windsurf-Foilen auf den Wing umsteige, merke ich den Unterschied besonders extrem – da habe ich die ersten paar Minuten teilweise sogar etwas Panik. Doch vor den Schnittverletzungen habe ich eigentlich weniger Respekt. Es ist die Hebelwirkung der Foils im Wasser, die man keinesfalls unterschätzen sollte, um sich nicht die Fußgelenke zu brechen oder Bänder zu reißen.
Du bist das ganze Jahr in der Schweiz auf dem Wasser. Es scheint, als interessieren dich die Temperaturen nicht wirklich. Was ist dein bester Wintersurftipp?
Na ja, ich meine, alle mögen Boardshorts und warme Temperaturen, aber bei uns in der Schweiz sind die besten Bedingungen nun mal die Winterstürme, da geht dann echt die Post ab an den Seen. Mein bester Tipp? Nicht zögern! Einfach umziehen und rausgehen. Nicht erst in den Klamotten nach den Bedingungen schauen und dann wieder ins warme Auto setzen. Bist du einmal im Neo, dann geht’s los! Wintersurfen ist Einstellungssache! Zähne zusammenbeißen und mit warmer Einstellung ans Werk, das ist das Wichtigste. Zehn Minuten leiden, dann noch mal ans Ufer, die Hände warm schütteln, und dann surfst du anschließend den ganzen Tag. Wenn du älter bist, hast du dann zwar wahrscheinlich Prostataprobleme … aber na ja.
Hast du denn speziell im Winter eine Lieblingsdisziplin? Was ist dir an den ganz kalten Tagen am liebsten?
Ganz klar Downwind-Foilen! Denn wie der Name schon sagt, man bewegt sich mit dem Wind und nicht parallel dazu – somit fällt der Windchill weg. Das ist im Winter sehr angenehm. Ich war letzte Woche bei minus vier Grad Downwinden. Segel und Gabelbaum wären im Wind sofort eingefroren. Doch beim Downwinden hingegen konnte ich sogar ohne Handschuhe an den Start gehen, und mir war gar nicht kalt. Erstens, weil die Pumpe geht, und zweitens, weil ich mich eben mit dem Wind bewege. Der Unterschied ist enorm.
Um ein wenig auf deine Karriere einzugehen: Du konntest früher, als du dich hauptsächlich im Windsurfen gepusht hast, nicht wirklich vom Wassersport leben und hast hauptberuflich als Landschaftsgärtner gearbeitet. War es die Foil-Revolution, die es dir ermöglicht hat, Profi zu werden?
Ja, definitiv. Da sich das Mekka durch das Foilen zu meinen Gunsten verschoben hat und die Binnengewässer auch ein attraktiver Markt wurden, bekam ich die Chance, vom und für den Wassersport zu leben. Das war schon immer mein Kindheitstraum. Ich habe mich mir früher immer als Surfprofi auf Hawaii in Boardshorts vorgestellt … Und jetzt bin ich Surfpro, bei mir vor der Haustür, mit 6/5er-Neo und Haube (lacht). Ich lebe hier nun als Athlet, der Wettkämpfe bestreitet und Videoclips dreht, und dazu noch als Materialentwickler. In der Materialentwicklung steckt noch so viel Potenzial. Wir stecken da noch in den Kinderschuhen. Ich habe gemerkt, dass man besonders beim Foilen es noch so gut versuchen kann zu simulieren und in der Theorie aufs Blatt zu bringen. Doch das Gefühl und die Sensation, die man erfährt, wenn man etwas Neues auf dem Wasser ausprobiert, das ist das Entscheidende. Und ich glaube, da müssen noch ganz viele Stunden auf dem Wasser verbracht werden.
Hand aufs Herz: Welche Sportart bezahlt die Rechnungen?
Es ist sicher eine Kombination, also der gesamte Funboard-Lebensstil. Aber ich sag mal so: Ohne das Wingfoilen hätte es für mich sicherlich nicht hingehauen. Und das ist eigentlich frustrierend, denn ich bin seit meiner Kindheit leidenschaftlicher Windsurfer. Aber ich glaube, man darf da nicht klassifizieren. Das Entscheidende ist die Einstellung: Leute zu motivieren und aufs Wasser rauszubringen, auf diesen einzigartigen Spielplatz, und dort eine gute Zeit zu haben. Das ist es! Am Ende des Tages bin ich ein Motivator. Ich möchte Leute aufs Wasser bringen und diese tollen Gefühle teilen.
Wie oft kamst du aufs Wasser, als du noch als Gärtner tätig warst?
Fast genauso viel (lacht). Ich habe halt dazu noch mal neun Stunden am Tag im Garten Trockentraining gemacht. Mein Chef hat die Welt nicht verstanden und sich gefragt, weshalb ich die ganze Zeit die Schaufel durch die Luft schwinge.
Mein Chef hat sich früher gefragt, weshalb ich die ganze Zeit die Schaufel durch die Luft schwinge.”
Dein Tagebuch zählt 310 Wassertage im letzten Jahr. Mehr als die Hälfte davon mit dickem Winterneo und Haube. Bis du jeden Tag gleich motiviert?
Es gibt natürlich immer Tage, an denen man mehr oder weniger Freude da draußen hat. Aber weißt du was? Mit dem dicken 6/5er-Winterneo mache ich zu Hause am See mehr Fortschritte als mit Boardshorts in der Karibik. Da fühle ich mich nämlich nackt und ungeschützt. Dann cruise ich eher nur so umher und genieße die Atmosphäre. Bei mir zu Hause im Winter ist das etwas anderes, da gehe ich richtig ans Werk, pushe mich und versuche, das meiste aus jeder Session rauszuholen.
Du sagtest, dein Ziel ist es, generell Leute aufs Wasser zu bringen. Wie lautet dein bester Tipp für Foil-Neueinsteiger?
Überschätzt euch nicht bei der Materialwahl. Mit zu kleinem Material anzufangen bringt gar nichts. Der Neueinsteiger muss das große Material nicht nach zwei Wochen – wenn er schnell Fortschritte macht – wieder verkaufen, denn man kann es anschließend bei weniger Wind immer noch gut als Leichtwind-Waffe weiterverwenden. Ich nutze für Freeride-Sessions im Leichtwind auch ab und zu noch die großen Foils, die wunderbar für den Einstieg geeignet sind. Damit fahre ich dann so 360er auf der Stelle oder probiere 720er. Und auch ein bisschen Volumen im Board schadet nicht – auch nicht bei Freestyle-Einsteigern. Besonders beim Wingen kostet es viel Energie, nach einem Crash mit einem kleinen Board wieder zu starten. Wenn einem das zu anstrengend wird, versucht man den neuen Trick erst gar nicht mehr. Mit einem größeren Board probiert man das Manöver immer wieder, weil man keine Scheu vor dem Crashen und Starten hat. Somit kann man einen besseren Fortschritt erzielen.
Wo siehst du dich in fünf bis zehn Jahren?
Keine Ahnung. Aber ich hoffe, dass ich die nächsten Jahre meine Leidenschaft mit möglichst vielen Leuten und meiner Familie teilen kann – das ist einer meiner großen Träume. Und dafür muss ich wie gesagt nicht um die halbe Welt fliegen. Dies habe ich besonders dem Foilen zu verdanken. Ich möchte meine lokale Umgebung zu Hause noch besser kennenlernen – da gibt es noch so viel zu entdecken. Mein ökologischer Fußabdruck ist mir dabei wichtig, denn meine Kinder sollen hier in 25 Jahren auch noch surfen können.
Ich möchte Wassersportgeräte entwickeln, die anderen Leuten genauso viel Freude bereiten wie mir.”
Meinst du, du bleibst dem Funboarding bis zur Rente erhalten?
Bis an mein Lebensende werde ich versuchen zu funboarden. Mein Traum war es immer, vom und für den Wassersport zu leben. Und das werde ich nun so lange beibehalten wie möglich. Doch ich glaube, ich könnte später nie ein Geschäftsführer von einer Wassersportmarke sein und am Schreibtisch hocken. Ich bin sehr pragmatisch und muss immer alles da draußen ausprobieren. Mein Ziel ist es, die nächsten Jahre den Wassersport weiterzugeben und Wassersportprodukte zu entwickeln, die anderen Leuten genauso viel Spaß bereiten wie mir. Es soll pragmatisch entstehen, brutal pragmatisch. „Brutal Pragmatic“, so würde ich meine Marke nennen. Ich mag es nicht, wenn man etwas in der Theorie erzwingt und dabei alles so streng und ernst abläuft. Ich bin ein großer Fan von diesem Punk-Image, das ich und meine Brüder schon früher hatten. Das hat die Industrie heutzutage verloren. Es wurde alles viel zu seriös, es wurde wie die Autoindustrie. Und da möchte ich probieren, meinen Beitrag zu leisten und einfach weiterhin die pure Leidenschaft für den Wassersport zu teilen.
Balz, vielen Dank für deine Zeit und das ausführliche Gespräch.
Danke, danke, wir sehen uns auf dem Wasser! Yi-haa!