Abheben, Speed, HandlingWindsurf-Foilen oder Wingfoilen - Das Duell

Manuel Vogel

 · 02.06.2024

Zwei surf-Redakteure trafen sich zum ultimativen Foil-Duell Wing vs. Segel.
Foto: Marius Gugg
Wer hebt früher ab? Wer wird schneller? Wenn es darum geht, ob Windsurf-Foilen oder Wingfoilen die bessere Sportart ist, hat jeder (s)eine eigene Meinung. Zeit für ein Duell.

Wenn es um Glaubensfragen geht, ist Schluss mit lustig! Dann schwellen selbst dem sonst so besonnenen surf-Redakteur beim morgendlichen Teams-Meeting die Halsschlagadern zu dicken Kabeln an: Hat der Kollege gerade ernsthaft behauptet, mit seinem Windsurffoil käme er früher ins Fliegen als mit einem Wing? Das ist ja wohl ein Witz!

Ich windsurfe, seit ich sechs Jahre alt bin, und wenn es hier an Nord- oder Ostsee mit über 20 Knoten pfeift, schnappe ich mir mein Windsurfzeug und gehe aufs Wasser, am liebsten in die Welle. Ans Wingfoilen verschwende ich dann keinen Gedanken. Bei Leichtwind sieht die Sache anders aus: Früher war ich auch bei wenig Wind mit dem Windsurffoil unterwegs – seit drei Jahren gehe ich dann nur noch Wingfoilen.

Mein Redakteurskollege Julian Wiemar nutzt ebenfalls jede windige Minute, um aufs Wasser zu kommen. Er freestylt auf Worldcupniveau, aber wenn der Wind nicht mehr zum Tricksen mit Finne reicht, brauchst du dem mit einem Wing nicht zu kommen – er schnappt sich dann aus Überzeugung sein Windsurffoil: „Mit dem 7,0er Foilsegel und dem 1400er Foil komme ich mindestens so früh raus wie du mit deinem Wing!“

Ich entgegne, dass ich schon eine halbe Stunde auf dem Wasser meinen Spaß habe, wenn er noch mit Aufriggen beschäftigt ist. Unser Chefredakteur Andreas zieht unserer Diskussion den Stecker: „Macht doch mal ein Duell – Wingfoilen gegen Windsurffoilen.“

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Das Material fürs Duell

Einige Wochen später stehen wir schwer bewaffnet am Strand von Großenbrode, bereit für den Kampf der Systeme. Der Wind weht an diesem Morgen noch mit über 20 Knoten, soll zum Abend hin aber immer weiter abnehmen. Jeder von uns durfte – das war die Vereinbarung – zwei Board-Foil-Segel beziehungsweise Wing-Kombinationen mitbringen. Als erstes wäre da ein „Spaß-Set“ für Manöver, Sprünge und Wind über 12 Knoten. Julian setzt hier auf ein Severne Predator Foilboard mit einem 800er Starboard GT-R Foil. Als Motor dient ihm wahlweise ein 4,8er Freek oder 5,2er Foil-Freek-Segel: „Das ist seit einiger Zeit meine Lieblingskombi für Foil-Bedingungen zum Freestylen und für Manöver“, erklärt Julian. Ich ziehe mein 88 Liter JP-Wingboard samt 1100er Foil aus dem Kofferraum, dazu einen 5,0er Vayu Eos Wing. Ich weiß, dass ich damit von 12 bis 20 Knoten gut ausgerüstet bin, früh abhebe und zudem genug Speed für Jumps bekomme. Und für Speedduelle gegen Julian. Als zweites Set-up hat jeder von uns ein Leichtwindset am Start, mit dem man auch bei Wind in homöopathischer Dosis noch seine Bahnen ziehen kann. Bei Julian ist das ein Severne Alien 125 mit einem 1400er Redwing Foil samt 7,0er ­Severne Foil-Glide-Segel. Ich halte mit einem 7,0er Duotone Ventis Wing und einem schmalen Naish Hover Downwind Board, unter dem ein 1840er Naish Jet HA Foil montiert ist, dagegen und bin mir sicher: „Bei absolutem Leichtwind fahre ich damit Kringel um den Kerl!“

Disziplin 1: Transport und Materialhandling

Tja, gute Argumente für oder gegen eine Sportart gibt’s eben nicht nur auf dem Wasser, sondern auch an Land. Und daher habe ich als Wingfoil-Vertreter natürlich auf diese Disziplin bestanden. Das kleine Spaß-Set-up kriegt sogar Julian noch gehandhabt; spätestens aber, als wir das Leichtwind-Equipment ans Wasser bringen, kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Während ich mit Rucksack und kleinem Foilboard auf der Schulter noch eine Hand frei habe, verliert Julian alle zehn Meter ein Teil. Ich schaue mir das Drama eine Minute an, dann leihe ich ihm eine Hand und heimse den ersten Punkt ein.

  • 1:0 fürs Wingen
Beim Thema Material-transport sind Wingsurfer im Vorteil.Foto: Marius GuggBeim Thema Material-transport sind Wingsurfer im Vorteil.

Disziplin 2: Aufbauzeit

Mit einer Führung im Rücken duelliert es sich leichter, vor allem, wenn man weiß, dass es gleich 2:0 stehen wird. Denn was soll beim Aufbau schon schiefgehen? Ich muss anstöpseln und pumpen, fertig. Julian muss Mast und Tampen einfädeln, trimmen und den Gabelbaum anbauen. Als das Startsignal ertönt, geht’s los. Anfangs pumpe ich zügig, der Puls steigt. Als ich sehe, wie schnell Julian riggt, gehe ich in den Duracell-Modus über. Der Sack hatte Verlängerung und Gabelbaum schon vorher richtig eingestellt und gibt richtig Gas. Nach 1:55 Minuten hält Julian triumphierend sein Segel hoch. Ich gebe vor, ebenfalls fertig zu sein. „Braucht dein Wing nur sechs psi Druck? Da steht doch acht psi als Empfehlung“, merkt der Kollege nicht ganz unberechtigt an. Meine Anmerkung, dass jede und jeder einen Wing in drei Minuten aufpumpen kann, aber kein Hobby-Windsurfer jemals so schnell sein wird wie er als Profi, wird abgeschmettert.

Zumindest bekomme ich noch eine Chance zur Revanche, schließlich müssen auch die großen Sets noch geriggt und aufgepumpt werden. Noch mal kann ich mir so eine Schmach nicht erlauben. Während ich mit medizinisch bedenklicher Herzfrequenz den 7,0er Wing belüfte, hat Julian erstmals kleinere Probleme: Das Fädeln am Vorliek über die vielen Rollen dauert länger als beim Freestylesegel, und auch die Camber des Segels anzuklappen, raubt ihm kostbare Sekunden. Diesmal bin ich rund eine Minute schneller und kann in dieser Disziplin zumindest ein Remis ins Ziel retten.

  • 2:1 fürs Wingen

Disziplin 3: Speeeeeed & Kontrolle

Ab geht’s aufs Wasser. Weil es noch immer mit knapp 20 Knoten pustet, geht’s erst mal mit dem kleinen Equipment raus. In Lee der Mole von Großenbrode gibt’s 1-A Flachwasser, perfekt zum Gas geben. Natürlich ist uns klar, dass der mögliche Topspeed extrem von den verwendeten Foils abhängen wird. In unserem Fall zeigt sich, dass mein etwas leichterer Kollege mit dem 800er Starboard Foil in etwa so früh ins Fliegen kommt wie ich mit dem 1100er Flügel – das passt also. Aber wer hat im Speedduell die Nase vorn? Auf Halbwindkurs kann ich mit meinem kleinen Set überraschend gut mithalten, solange wir voll angepowert sind, denn Julian kämpft hier offensichtlich immer wieder damit, die Brettnase unten zu halten, während ich den Wing spielend leicht öffnen und in extremen Böen sogar neutral stellen kann. Die Kontrollwertung geht eindeutig an den Wing, die Dinger haben einfach eine große Windrange. Sobald wir im passenden Windbereich unterwegs sind und Julian voll dichthalten kann, zeigt sich aber auch: Durch die kleinere Foilgröße, die beim Windsurffoilen verwendet werden kann, wird er einfach etwas schneller. Ich schaffe an diesem Tag mit meinem kleinen Set knapp 39 km/h, trotzdem zieht Julian auf der Kreuz langsam aber stetig weg und holt sich den Speed-Punkt.

  • 3:2 fürs Wingen

Disziplin 4: Manöverpotenzial

Auf geht’s zum Manöverduell. Halsen, Foil-360er, Duck­jibes – bei beiden Disziplinen gibt’s hier keine Limits. Dass ich auch Wenden durchfoile, bei vergleichbarem Speed höher springen und durch den Auftrieb des Wings auch länger schweben kann, verbuche ich als Erfolg. Andererseits springen Kiter ja noch höher und länger – und das ist für uns beide nicht, wo wir hinwollen. Dafür beeindruckt mich Julian mit geduckten Tricks auf dem Foil – er kann tatsächlich viele seiner Freestyle-Tricks wie ­Shakas, Konos oder Burner aufs Foilen übertragen. Am Ende ist uns das Ergebnis eigentlich wurscht, denn wir haben beide unseren Spaß, und jeder hat ein paar Moves in petto, die der andere nicht kontern kann. Ein klassisches Remis, ich halte meine Führung knapp, und es steht jetzt

  • 4:3 fürs Wingen
Das Manöverpotenzial ist grenzenlos – das haben beide Sportarten gemeinsam.Foto: Marius GuggDas Manöverpotenzial ist grenzenlos – das haben beide Sportarten gemeinsam.

Disziplin 5: Früh abheben

Bei kaum einem Thema gibt es mehr Diskussionen als bei der Frage: Wer fliegt früher? Dabei ist die Antwort doch klar: Ich! Schließlich habe ich mir ein schmales, langes Downwind-Brett organisiert, darunter ist das große 1840er Naish Jet HA Foil mit satten 112 Zentimetern Spannweite montiert. Motorisieren werde ich das alles mit einem 7,0er Leichtwind-Wing, dem Duotone Ventis – damit bin ich unschlagbar!

Nach einer Mittagspause, während der der Wind wie erwartet deutlich abnimmt, blickt Julian dem Duell immer noch überraschend relaxt entgegen. Wir fahren bewusst weit in Richtung Hauptstrand, hinter die Abdeckung der Häuser und Bäume. Zum Anfahren ordnen wir uns leicht versetzt an – nah genug, damit nicht einer die Böe früher bekommt und schummeln kann, trotzdem aber mit genügend Abstand, um nicht im Windschatten des anderen stecken zu bleiben.

Bei 7 bis 8 Knoten pumpen wir an. Julian muss dabei eine kleine Schwelle überwinden, da der breite Bug seines Boards etwas Wasser schiebt. Mein schmales Down­wind-Brett schneidet durchs Wasser wie ein Pfeil, bei jedem Pumpzug steigt der Boardspeed etwas an, und wenn ich auf meinem schmalen und schlaufenlosen Board genau richtig stehe, hebe ich tatsächlich minimal früher ab. Stehe ich aber nur fünf Zentimeter von der perfekten Position entfernt oder muss mal nachkorrigieren, ist mein Vorteil wieder dahin. Auffällig ist aber auch: Den marginalen Vorsprung beim Anfahren holt Julian nach wenigen Sekunden wieder auf. Während ich mit meinem Foil kaum an die 30 km/h-Grenze komme, zieht Julian mir im Nu komplett weg. Satte 7 km/h schneller ist er mit seinem Leichtwind-Set-up auf der Geraden, sagen die Aufzeichnungen.

Was bedeutet das jetzt für die Wertung? „Ich war ja schon einen Tick früher draußen“, argumentiere ich. „Aber wenn du auf deinem schmalen Schwebebalken einen kleinen Wackler hast, komme ich mindestens gleich früh los, und danach fahr ich dir voll um die Ohren“, entgegnet Julian. Am Ende also wieder remis – dabei war ich sicher, bei dieser Disziplin zu punkten. Trotzdem tüte ich damit den Gesamtsieg ein, denn es steht

  • 5:4 fürs Wingen

Dann kackt der Wind ab.

Disziplin 6: Safety

Eigentlich war der Plan, nach dem (wenngleich deutlich knapper als geplanten) Sieg entspannt an den Strand zurückzucruisen und mit schlauen Sprüchen um sich zu schmeißen. Dass der Wind sich nun im Uferbereich komplett verabschieden würde, war nicht geplant. Während Julian entspannt auf seinem 125-Liter-Board gen Ufer tuckert, kriege ich nach drei Minuten Krämpfe in den Oberarmen. Weil sich der Wing nicht mehr selbst trägt, fühlt sich das Ende unseres Duells in etwa so entspannt an, wie mit eine Bohrmaschine über Kopf Löcher in die Decke zu bohren. Nach einigen Minuten nehme ich den Wing ins Schlepptau und paddele Richtung Ufer. Julians grinsende Visage übersehe ich: „Das ist dann ja wohl ein Punkt für mich“, fordert er. Ich entgegne, dass diese Disziplin so nicht abgemacht war.

Wenn sich der Wing in Windlöchern nicht mehr selbst trägt, bleibt nur Paddeln. Windsurfer haben es da leichter.Foto: Marius GuggWenn sich der Wing in Windlöchern nicht mehr selbst trägt, bleibt nur Paddeln. Windsurfer haben es da leichter.

In der folgenden Diskussion gehen mir allerdings die Argumente aus, denn Zurückdümpeln ist mit Segel nun wirklich viel entspannter. Und auch, dass beim Wingen Leashes reißen und aufgehen und ein Teil des Equipments ohne den Fahrer oder die Fahrerin auf Reisen gehen kann, lässt sich nicht so ohne Weiteres vom Tisch wischen. Und so schnappt er mir auf den letzten Metern noch den sicher geglaubten Sieg weg – auch wenn’s schmerzt.

  • Endstand: 5:5 - unentschieden

Das war’s mit unserem Duell – einige Vorurteile haben sich bestätigt, andere wurden überraschenderweise widerlegt. Eigentlich könnten wir jetzt friedlich einpacken und nach Hause fahren. Aber weil plötzlich wieder genügend Wind ist, drehen wir noch ’ne Runde – Julian mit meinem Wing-Material und ich mit seinem Windsurffoil. Welch ein Spaß!


Meistgelesen in der Rubrik Windsurfen