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Vor rund zwei Jahren haben wir 13 Boards getestet, die echte Allrounder sein sollen. Ihr Kerngebiet liegt im Windfoilen und Wingfoilen, aber auch als SUP-Boards oder Kinderbretter eignen sich einige der Kanidaten hervorragend. Viele der damals getesteten Boards sind auch heute noch erhältlich, zudem sind die Crossoverboards auf dem Gebrauchtmarkt heiß begehrt!
Bei diesem Test und seinen Resultaten landet man schnell in den Tiefen der Philosophie: Wenn ein Board mehrere Einsatzbereiche abdeckt, aber keinen wirklich weltmeisterlich, ist dann das sprichwörtliche Glas eher „halb leer“ oder „halb voll?“ Denn eins ist klar: Zwischen reinen Spezialisten würde keines dieser Boards dreimal Gold abräumen. Aber einmal Silber und noch zwei Plätze im vorderen Mittelfeld klingen auch nicht schlecht, oder? Und soviel vorab: Einige Boards sind tatsächlich in einer Disziplin top geeignet und ergänzen das mit einer wirklich guten Eignung für einen weiteren Einsatzbereich. Statt eines etwas übertriebenen Marketings als „4 in 1“ würde „2 plus 1“ in vielen Fällen besser passen. Denn während zwei Disziplinen oft noch gut abgedeckt werden, reicht es für die dritte häufig nur zum Reinschnuppern. Doch auch das ist weniger ein Nachteil, als ein zusätzliches Plus. Denn wenn z.B. das drehfreudige Wave-SUP mit guter Windsurf-Foileignung auch noch die Möglichkeit bietet, das Wingfoilen zumindest auszuprobieren – ohne dabei den Wing-Experten zu begeistern – sollte man das vielleicht als zusätzliches Extra verbuchen – als „halb volles“ Glas eben.
Shapes von SUP-Surf bis Wingfoil
„Wingen“ lässt sich eigentlich alles, was die Montage eines Foils ermöglicht. So provokant das klingen mag, tatsächlich sind die Anforderungen an die grundsätzliche Eignung zum Wingen am geringsten. Für anspruchsvolles Wing Foilen sieht das natürlich ganz anders aus. Dennoch „Wing Foilen“ Experten mit Boards von unter 90 Liter Volumen bei gerade mal 1,50 Meter Länge. Das größte Board in diesem Test hat über 140 Liter und ist ebenfalls ein reinrassiges Wing-Board.
Eine so breite Range wäre bei Boards zum SUP-Surfen in der Welle dagegen nicht denkbar. So legt auf jeden Fall diese dritte Disziplin – wenn SUP-Surfen ohne Foil auf dem Wunschzettel steht – die Eckdaten eines Boards fest, mit denen man für die anderen Sparten dann leben muss. Denn: Damit ein Board auch für Nicht-Profis in der Welle zu paddeln ist, sind mindestens 120 Liter Volumen sinnvoll, die Breite sollte nicht unter 75 Zentimeter liegen und zum Anpaddeln von Wellen liegt die Mindestlänge bei 2,20 Meter und mehr, für weniger geübte Paddler dürfen es gerne auch 2,30 bis 2,50 Meter sein – Längen, die beim Windsurf-Foilen und erst recht beim Wing-Foilen mittlerweile gigantisch klingen. Logischerweise haben damit die Boards mit der Wave-SUP-Option (Fanatic Bee, JP Wave Slate, Indiana All in One, Naish Crossover, RRD Wassup und Starboard Hyper Nut) nicht die optimalen Startbedingungen für den Einsatz mit Segel oder Wing (aber auch nicht die schlechtesten, dazu später mehr).
Bevels erleichtern das Pumpen mit dem Foil
Im Gegensatz zu den recht langen SUP-Boards knacken solche Modelle, die den Schwerpunkt auf Windsurf-Foilen oder Wing-Foilen legen, die magische Zwei-Meter-Marke teils deutlich – oder kratzen zumindest daran. Eine Shape-Besonderheit fällt bei den Boards auf, die offensichtlich mit Wing-Foil-Schwerpunkt an den Start gehen: Neben deutlichen, durchlaufenden „Bevels“, den auf der Unterseite angeschrägten Kanten, ist das Heck hinter den Foilboxen mitunter stark schräg nach oben gezogen. Dadurch soll sich das Board beim Pumpen mit den Beinen leichter um die Querachse wippen lassen – was auch gut funktioniert und bei sauberer Technik den Foilstart beschleunigen kann. Bei Boards mit langer Gleitfläche hinter den Foilboxen ist der Widerstand hierbei deutlich stärker.
Foils zum Wingen und Windsurfen
Das Angebot an Foils ist mittlerweile riesig, wir haben mit den abgebildeten, empfohlenen Foils der Hersteller getestet, soweit eine Empfehlung vorlag. Zu den meisten Boards, die entweder ohne Fußschlaufen, teils nur mit den vorderen oder nur mit weit innen liegender Position gesurft werden können, empfehlen sich zum Windfoilen die typischen „Freeride-“ oder „Cruiser-Foils“ der verschiedenen Marken, das sind Foils mit etwas kompakteren Flügelformen und weniger Hebelwirkung, wie links von Naish, Starboard, Slingshot oder RRD. Das High-Aspect-Foil von Indiana mit seinen schlanken, gestreckten Flügelformen ist schnell, aber auf den Hybrid-Boards schon etwas anspruchsvoller. Die Boards mit 100 Prozent Windfoil-Eignung, z.B. von Patrik, Slingshot und Starboard, haben mit den weit nach außen versetzten 4er Schlaufen allerdings alle Voraussetzungen für sportliche Foils und leistungsorientiertes Windsurf-Foilen. Die zuvor genannten SUP-Hybriden empfehlen sich eher zum Foil-Cruisen bei Leichtwind.
Wer erste Versuche mit dem Wing starten möchte, kann das im Prinzip auch mit seinem Windsurf-Foil. Dieses sollte dann weiter vorne montiert werden, was natürlich auch eine Standposition weiter vorne erfordert. Einige Boards bieten hier die entsprechenden Wing-Positionen, falls diese nicht vorhanden sind, kann man aber auch ohne Schlaufen mit dem Wing loslegen. Wer regelmäßiger Wingen möchte, kann im Normalfall bestimmte Komponenten seines Windsurffoils – oft sind das Mast und Heckflügel – weiterverwenden und mit einer kürzeren Fuselage sowie einem Frontflügel mit mehr Fläche upgraden.
Die Details bei den Crossover-Boards
Die Box-Positionen
Zum sportlichen Windsurf-Foilen sind Box und Schlaufen weit hinten Standard, wie beim Slingshot Wizard (4). Beim Slingshot Shred Sled findet man die typische, weiter vorne liegende, Wing-Position (3), die auch Naish anbietet (2). Bei Naish (2) sind die Schlaufen entsprechend fürs Windsurfen weiter vorne vorgesehen, Slingshot setzt beim Windsurfen auf dem Shred Sled nur auf eine hintere Schlaufe. Extrem lange Boxen sind im Sunova (1) verbaut. Das ermöglicht eine große Trimmrange zum Foilen mit Wing oder Segel, fordert aber Einschränkungen bei der Gestaltung des Rockers am Heck. Dort wo Naish zum Wave-SUPen viel Aufbiegung einbauen kann, oder Slingshot ein hochgezogenes Heck zum besseren Anpumpen, verläuft bei Sunova das Unterwasserschiff zwangsläufig gerade.
Schlaufen-Setup
Nicht alle Boards bieten für Wing- und Windfoil die passenden Schlaufenpositionen, wie hier beim Starboard Foil X Wing. Denn das Wing-Foilen erfordert eine Position deutlich weiter vorne als beim Windsurf-Foilen. Gut zu erkennen ist hier auch die weiter hinten und weiter außen vorgesehene Position zum Windsurf-Foilen. Viele Crossoverboards haben gar keine Schlaufenposition zum Wingen. Springen fällt damit aus und Halsen ohne vordere Schlaufe sind deutlich anspruchsvoller, sowohl mit Wing wie mit Segel. Für echte Multi-User könnte die Haltbarkeit der Plugs ein Problem werden, denn alle Marken verwenden selbstschneidende Schrauben in Plastik-Plugs. Wer häufig umschraubt, sollte darauf achten, die Schrauben immer genau wieder in das „alte“ Gewinde zu drehen, um den Plug zu schonen.
So funktionieren die Crossover-Boards auf dem Wasser
Windsurf-Foilen
Alle getesteten Boards bieten eine Mastaufnahme und eignen sich damit erst mal grundsätzlich für den schwerelosen Rundflug auf dem Foil. Ob ein Board eher für sportliches Foilen mit schnellen und schlanken High-Aspect-Foils abgestimmt ist oder zum gemütlichen Cruisen mit dicker profilierten Flügeln („Low-Aspect“), wird maßgeblich von der Schlaufenposition bestimmt. Generell gilt: Sportliche High-Aspect-Foils haben mehr Spannweite und erfordern daher eine weiter außen auf der Kante liegende Schlaufenposition, funktionieren dann aber auch gut in Kombination mit großen Freeride- oder Cambersegeln. Bietet das Brett nur weit innen liegende Plugs, verlangt es automatisch auch einen gemäßigteren Foiltyp mit geringerer Spannweite des Typs „Freeride“ oder „Cruiser“ – eine Abstimmung, die in der Regel ein frühes Abheben mit kleinen Segeln unterstützt.
Wing-Foilen
Erfahrene Wingfoiler schütteln natürlich bei Boards mit 120 Litern oder mehr den Kopf. Sprünge oder Freestyle-Tricks sind damit kaum möglich. Für den Einstieg ist diese Größe hingegen ideal und bietet Surfern bis 95 Kilo durchaus genügend Stabilität, um das Wingen schnell zu lernen. Für Surfer, die nicht 30 oder mehr Wassertage pro Jahr haben oder überwiegend in böigen Binnenrevieren mit Leichtwind surfen, kann ein Wingboard mit 120 Litern aber durchaus eine sinnvolle Dauerlösung sein.
surf-Tipp: Viele weitere Infos rund um das passende Wingsurf-Material findet ihr täglich auf www.wingsurf.world
SUP-Surfen
Generell gilt: Boards die zum Wingen geeignet sind, lassen sich auch für erste Versuche zum SUP-Foilen in der Welle einsetzen! Aber: Beim klassischen SUPen in der Welle mit Paddel und kurzen Surf-Finnen trennt sich die Spreu vom Weizen und viele Bretter dieser Gruppe sind aufgrund des Shapes hierfür schlicht ungeeignet – andere wiederum sind von Natur (vom Shape) aus SUP-Spezialisten, die mit zusätzlicher Foilbox und Mastfußaufnahme für weitere Disziplinen aufgerüstet wurden. So basieren die Boards von Fanatic, JP-Australia, Sunova und Starboard erkennbar auf SUP-Boards für die Welle – was kein Nachteil sein muss.
Fazit
„4 in 1“ – dieses Versprechen der Industrie geht nur mit gewissen Abstrichen auf. Trotzdem bieten viele Boards dieser Gruppe einen Mehrfachnutzen, z.B. Windfoilen und Wingsurfen, der sich sehen lassen kann und dafür sorgt, dass es auf dem Wasser sicher nicht langweilig wird.
Dieser Test erschien erstmals in surf 7/2021
Die Crossover-Boards in der Einzelbewertung
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