So testet surf, Teil 1Wie wird das Test-Material ausgewählt, wer sind die Tester?

Tobias Frauen

 · 03.03.2023

So testet surf, Teil 1: Wie wird das Test-Material ausgewählt, wer sind die Tester?Foto: Stephan Gölnitz
Das surf-Testteam in Langebaan - viele Jahre der Ort für den großen Test
Wie läuft ein surf-Test ab? Wie werden die Boards und Segel ausgewählt, die getestet werden? Ein Blick hinter die Kulissen!

Leserinnen und Leser verlassen sich auf sie, Hersteller fürchten sie: Die Material-Tests des surf-Teams. Doch echte Verrisse gibt es kaum noch, auch das Prädikat “Testsieger” wird seit vielen Jahren nicht mehr vergeben. Warum ist das so? Test-Chef Stephan Gölnitz und Manuel Vogel über Eimer voller Schrauben, Straf-Torten und Keller voller Kartons.

  • Stephan Gölnitz ist stellvertretender surf-Chefredakteur und hält die Windsurf-Fahne am Standort München hoch. Der Diplom-Ingenieur ist daneben für die komplette SUP-Sparte zuständig und findet mit verbundenen Augen zum Gardasee.
  • Manuel Vogel kennt jeden Strand an Nord- und Ostsee und fuhr jahrelang “aus Spaß” in die Top 3 bei Wave-Windsurfcups. Der Fahrtechnik-Experte testet nicht nur Windsurf-Material von der Finnenschraube bis zum Mast, sondern auch noch alles rund ums Wingsurfen. Zum Glück kennt er keine Schmerzgrenze, was die Temperaturen angeht.
Stephan Gölnitz (l.) und Manuel Vogel vor einigen Jahren auf dem Foto-Turm in Ägypten.Foto: Manuel VogelStephan Gölnitz (l.) und Manuel Vogel vor einigen Jahren auf dem Foto-Turm in Ägypten.

Könnt ihr euch noch an euren ersten Test erinnern?

SG: Ja, das war 1996 auch gleichzeitig mein erster Arbeitstag bei surf. Ich bin direkt nach El Yaque geflogen, ohne den Umweg über die Redaktion in München. Ich hatte nach einem dreiviertel Jahr Diplomarbeit ziemliche Bürohände und hatte nach einer Woche nur noch rohes Fleisch an den Händen.

MV: Bei mir war das 2003, damals hat mich Stephan irgendwo vor Frankfurt an der Autobahn aufgesammelt, wo ich vorher ausgesetzt worden war. Das war noch zu Studentenzeiten, da war ein anderer Tester ausgefallen, und ich bin dann durch den Kontakt zu Gunther Baade auf Norderney reingeraten, der auch im Testteam war.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Wie groß ist das Test-Team generell?

SG: Das ist ein Stamm von Testern, die immer neu zusammengewürfelt werden, je nach Verfügbarkeit oder Aufgabe. Das Team, was in den letzten Jahren immer nach Südafrika gefahren ist, hat sich aus sechs bis sieben Leuten rekrutiert. Manuel hat im Norden ja auch noch einige Tester, in Summe sind das dann vielleicht acht Leute, die zum harten Kern gehören, die aber nicht bei jedem Test dabei sind.

MV: Manchmal holen wir uns ja auch Leute dazu, die von außen reinkommen. Das kann manchmal ganz gut sein, sich Feedback von außen dazuzuholen.

SG: Das mit den Gast-Testern ergibt sich manchmal einfach so. Ich hatte beim Foil-Test am Gardasee den Fall, dass ein Shop-Kunde sich für ein Foil interessiert hat, was wir im Test dabei hatten. Den hab ich dann einfach ein bisschen eingebunden. Der hat dann nicht nur das eine Foil ausprobiert, sondern auch drei, vier andere.

Ist der Kern der Tester nach bestimmten Kriterien zusammengestellt, wie etwa nach Gewicht?

MV: Wir gucken natürlich, dass die Leute ein gewisses Surf-Niveau haben. Aber wichtig ist auch, dass die einen Bezug zu normalen Hobby-Surfern haben, durch Arbeit im Shop oder als Surflehrer, damit man auch die Probleme der Leser nachvollziehen kann. Und bei Leuten, die einen Fulltime-Job haben, ist es natürlich schwierig, wochenlang bei uns dabei zu sein.

SG: Zu deiner Eingangsfrage und den Gewichten, da schauen wir, dass wir immer zwei Leute haben, die etwa gleich schwer sind. Gewisse Unterschiede im Fahrkönnen bleiben natürlich, aber wenn man einen Gewichtsunterschied von mehr als fünf Kilo hat, das merkt man dann schon. Der eine gleitet dann immer besser und der andere ist immer ein bisschen schneller. Am Gardasee haben wir mit Gewichten gearbeitet, weil der eine Tester grad ein bisschen dünner geworden ist, der andere hatte grade eine kleine Party- und Pizza-Phase hinter sich, so kann man das ein bisschen anpassen.

Vergleichsfahrten mit zwei etwa gleich schweren TesternFoto: Stephan GölnitzVergleichsfahrten mit zwei etwa gleich schweren Testern

Habt ihr auch Frauen dabei?

SG: Im Test-Team nicht, nein. Die Frage kommt immer wieder, das ist ein kritisches Thema: Ich bin der Meinung, dass es überhaupt kein Frauen-Material gibt, außer Neoprenanzüge und Trapeze vielleicht. Alles andere wird einfach nur danach ausgesucht, ob man schwer oder leicht ist. Eine große, kräftige Frau braucht das gleiche Material wie ein gleich großer, gleich kräftiger Mann. Und ein Mann mit kleinen Händen hat auch gerne eine dünne Gabel. Der zweite Grund, der es für uns fast unmöglich macht eine Frau im Team zu haben ist der, dass wir erstmal zwei bräuchten, die wirklich ein hohes Fahrkönnen haben. Frauen, die auf einem Niveau fahren wie die meisten unserer Tester, die fahren dann im Worldcup mit, und die sind dann auch voll gesponsert. Nicht gesponsorte Frauen mit dem Surf-Level sind halt nicht so viele da, und daran liegt es in erster Linie.

Lass uns einmal einen Test durchgehen von der Planung bis zum fertigen Test im Heft. Fangen wir vorn an: Wie plant ihr die Testgruppen und die Produkte, die dabei sind?

SG: Die Testgruppen, die orientieren sich natürlich am Interesse der Leser. Die größte Zielgruppe ist im Bereich Freeride, daneben auch Wavesegel, weil die in der Regel nicht nur in der Welle gefahren werden, sondern auch als kleine Segel auf flachem Wasser. Wenn wir zum Beispiel Freestylewaveboards testen, dann fragen wir bei einigen Herstellern ab, welche Größe am häufigsten verkauft wird. Wobei wir da auch variieren, so dass man nicht jedes Jahr die gleiche Größe hat.

Die Testgruppen orientieren sich am Interesse der Leser.” (Stephan Gölnitz)

Dann kommt im zweiten Schritt die Frage „Welche Marken nehmen teil?“ Und da geht es nach Verfügbarkeit am Markt, Leser-Interesse, Bedeutung für den Markt. Wir versuchen aber auch, das Ganze mit Marken, die nicht so viel verkauft werden, zu erweitern und interessanter zu machen und denen auch eine Bühne zu bieten. Also Marken wie Ezzy, wie Hot Sails, wie Lorch. Die spielen von den Stückzahlen nicht so eine große Rolle, bei uns im Test tauchen die aber immer mal wieder auf.

MV: Wir haben natürlich nicht genügend Kapazität, in allen Gruppen alle Produkte zu testen. Es gibt halt Marken, die sind für bestimmte Bereiche einfach nicht so relevant. Die großen Marken bekommen übers Jahr gesehen natürlich mehr Slots, das liegt daran, weil sie verfügbarer sind und sich mehr Leute dafür interessieren. Nichtsdestotrotz versuchen wir, die kleinen Marken als Salz in der Suppe auch immer mal wieder dabei zu haben, um eine Bandbreite darzustellen.

Und wie läuft denn die Zusammenarbeit mit den Herstellern? Fragt ihr an und sagt „Ich möchte das Brett und das Segel haben“ oder bieten die auch was an?

MV: Wenn wir zum Beispiel Freestylewave 95 als Testgruppe festgelegt haben, dann schauen wir, was haben die einzelnen Marken? Häufig läuft das in Rücksprache mit dem Hersteller, wir fragen „Was würdest du denn empfehlen?“ Wir suchen das nicht alles von oben herab aus.

SG: Manchmal schreiben wir auch Anforderungen aus, wie das der Kunde auch im Shop machen würde – also Revier, Fahrkönnen und vorhandenes Material als Eckpunkte. Da kommen dann auch teilweise überraschende Dinge. Wir hatten das im letzten Foil-Test, da hat für eine Gruppe von Freeracefoils eine Marke ihr Racefoil geschickt. Das hieß zwar Racefoil, war aber für die Zielgruppe wirklich gut geeignet. Das hätte ich sonst vielleicht sogar nicht ausgewählt.

Ein paar Testgruppen kommen jedes Jahr, aber daneben gibt es ja immer wieder besondere Tests, wie zum Beispiel Frühgleiter oder der Vergleich der Klassen Freeride/Freerace/Slalom. Habt ihr da einen Themen-Pool oder wie macht ihr diese etwas unregelmäßigeren Testgruppen auf?

SG: Wir sammeln solche Themen, teilweise kommen die auch von unseren Testern, die im Shop arbeiten. Die kennen die Fragen, die da auftauchen und das ist natürlich auch unsere Aufgabe, diese Fragen zu beantworten. Kaufe ich mir jetzt das Freeraceboard oder kaufe ich mir das Freerideboard? Oder Leute, die nicht wissen, ob sie jetzt in ihr Sieben-Quadratmeter-Segel den dicken oder den dünnen Mast reinstecken können. Das entsteht nicht am Schreibtisch, sondern aus Fragen, die draußen am Strand entstehen.

MV: Manchmal ist es auch ein bisschen dem geschuldet, dass wir für irgendeinen bestimmten Bereich wie zum Beispiel Freerace ein Thema bieten wollen. Es gibt aber ja nicht jedes Jahr neue Produkte von allen Marken, und dann ist es natürlich gut, wenn man allgemeine Aspekte beleuchtet und einen exemplarischen Test macht, die man auch auf andere Marken übertragen kann.

Jede Menge Material - auch Wing-Equipment wird gleich mitgetestetFoto: Manuel VogelJede Menge Material - auch Wing-Equipment wird gleich mitgetestet

Seit einigen Jahren gab es keinen großen Freestyle-Test mehr, einfach wegen mangelndem Interesse an der Gruppe?

MV: Natürlich sind die Prioritäten immer ein bisschen unterschiedlich. Früher haben wir das jedes Jahr gemacht, aber wir haben auch gemerkt, dass es auch ein bisschen langweilig werden kann, wenn man jedes Jahr die gleiche Abfolge in den Heften hat. Mit Corona war noch das Problem, dass viele Sachen auch gar nicht rechtzeitig verfügbar waren. Früher waren die Freestyle-Sachen die ersten, jetzt sind es teilweise die letzten, die rauskommen. Aber es ist schon geplant, dass wir alles abbilden, dass wir auch Freestyle-Sachen zumindest in loser Form in „Schon Gefahren“ vorstellen, aber auch mal wieder einen richtigen Test machen.

Ihr hattet es gerade schon erwähnt, das Material was dann von den Herstellern kommt, landet bei euch in den Kellern. Können eure Postboten da noch mit umgehen?

SG: Mehr schlecht als recht (lacht). Das ist tatsächlich eine logistische Sache, weil das Material ja auch nicht wie manche glauben hinterher von uns bei eBay eingestellt wird und wir uns dann den Rest des Jahres damit versüßen, sondern das wird erfasst, das wird ausgepackt und das muss hinterher auch für den Rück-Versand wieder eingepackt werden. Da gibt es eine Situation, da muss man eigentlich ganz schnell weglaufen können: Wenn der DHL-Mann das Board bei uns in der Münchener Redaktion in den dritten Stock hoch getragen hat, dem laufen die Schweißperlen runter und dann sagt die Dame am Empfang, das muss unten in den Keller, dann ist es Zeit das Weite zu suchen, wenn der das alles wieder runter wuchten kann.

Die Zeit auf dem Wasser ist nur ein Teil von der Zeit, die man mit dem Material zugange ist. (Manuel Vogel)

MV: Die Kartons müssen ja auch aufgehoben werden, wir schmeißen die ja nicht weg, damit kein Müllberg entsteht. Und dann muss man das natürlich alles irgendwo lagern und den Überblick behalten. Die ganze Logistik, alles wiegen, sortieren, wieder verpacken, wieder versandfertig machen, Lieferscheine schreiben, das alles hängt an einem Test mit dran. Die eigentliche Testzeit auf dem Wasser ist nur ein Teil von der Zeit, die man mit dem Material zugange ist.

Wie ist das mit den Messwerten, messt und wiegt ihr alles selber?

MV: Wir haben den Standard, dass wir die Gewichte zumindest immer checken, auch weil wir uns keine leichteren Dummy-Boards unterschieben lassen wollen. Dass es Toleranzen gibt ist klar, aber der Leser erwartet ja, dass ein Sechs-Kilo-Board im Test bei ihm nicht plötzlich 7,5 kg wiegt. Länge und Breite messen wir auch immer wieder. Da geht es dann um so banale Sachen wie „Passt das Ding noch in meinen Bulli rein oder die Boardbag?“. Auch die Höhe der Gabel-Aussparung und so, das sind Angaben, die bekommt man sonst nirgends.

Eine wichtiger Wert bei Segeln: Die Höhe der Gabel-Aussparung, handgemessen von surf.Foto: Stephan GölnitzEine wichtiger Wert bei Segeln: Die Höhe der Gabel-Aussparung, handgemessen von surf.

Gibt es die legendäre Badewanne in München noch, wo ihr Liter gemessen hat?

SG: Die wurde im letzten Jahr abgerissen, die haben aber auch schon seit einigen Jahren nicht mehr verwendet. Diese Volumen-Messung war bis vor etwa zehn Jahren sehr wichtig, weil es da große Abweichungen gab. Da hatte man manchmal das Gefühl, dass die Hersteller gerne ein 95-Liter-Board in der Palette haben wollten und das drauf geschrieben haben, egal wie groß das Board wirklich war. Die Shaper haben damals ja ein Board geshapt, dann den Schaumkern gewogen und dann umgerechnet, wie viel Volumen das ungefähr hat. Da kam dann aber noch ein Sandwich-Laminat drauf. Heute ist es so, dass eigentlich alle Shaper mit 3D-Software ihre Boards designen, wo das Volumen sofort angezeigt wird.

Gibt es ein hinterher Kritik oder Feedback von den Herstellern?

SG: Ja, natürlich, das gibt es. Früher war die Kritik noch härter und aus Sicht der Hersteller auch noch ein bisschen wichtiger, weil die Boards auch lange gelaufen sind. Heutzutage kann man ein Produkt, was einen schlechten Test hat, im nächsten Jahr leicht überarbeitet wieder auf den Markt bringen.

MV: Man muss sich seiner Sache dadurch auch immer schon relativ sicher sein. Das sind wir meistens aber auch, deswegen können wir unsere Ergebnisse vertreten. Trotzdem gibt es natürlich den Moment, wo Stephan oder ich das schreiben und wissen, das ist jetzt echt kein guter Test. Dann weiß man schon genau, dass einen Tag nach Veröffentlichung wahrscheinlich das Telefon klingelt. Was dann auch das Schöne ist, wenn man ein oder zwei Jahre später auch von Team-Fahrern etwas Ähnliches hört, da bekommt man dann die Bestätigung für genau das, was man selber rausgefunden hat.

Es gibt Tests, da weiß man schon, dass einen Tag nach Veröffentlichung das Telefon klingelt. (Manuel Vogel)

Kommt es vor, dass ihr euch auf ein Produkt richtig freut, weil es vielleicht einen neuen Trend gibt und ihr die Marketing-Texte vorher gelesen habt und total gespannt seid, wie das jetzt wirklich sich fährt?

MV: Ja, Begeisterung für Neuheiten und Produkte sollte zur Tester-DNA dazugehören. Natürlich ist es immer spannend, wenn man die Boards auspackt und alles da liegt. Die Marken haben es ja auch nicht immer leicht, und wenn die dann mit neuen Ideen kommen, dann muss man dem natürlich offen gegenüberstehen. Da waren in der Vergangenheit auch schon viele Sachen dabei, die sich wirklich bewährt haben.

SG: Mit der Zeit bekommt man ein Gespür dafür, was technisch und fachlich sinnvoll ist. Das, was wir so verbreiten, rührt ja immer aus wirklich praktischer Erfahrung und nicht nur aus Theorie. Da waren schon teilweise abenteuerliche Erklärungen für manche Produkte dabei.

Eine Frage, die immer mal wieder kommt: Warum war lange nichts von Duotone im Test?

MV: Das ist eine einvernehmliche Einigung, die wollen keine Produkte mehr in den Test geben, weil sie mit einem unserer Tests nicht einverstanden waren. Das gab es ja in der Vergangenheit ja auch schon mit anderen Marken, dass die mal bockig waren. Wir glauben auch heute noch, dass wir in dem fraglichen Test das Produkt gut beschrieben haben. Wenn wir so ein Produkt im Test haben, was offensichtlich nicht richtig funktioniert, dann belassen wir es ja nicht einfach dabei. Wir gucken dann schon, liegt es am Mast, liegt es am Trimm – und das haben wir in dem Fall natürlich auch gemacht. Letztendlich ist es die Entscheidung der Marke, ob sie uns was schickt.

SG: Wir könnten natürlich auch Produkte besorgen, aber das würde wirklich zu sehr großen Spannungen führen. Und ein Produkt zu testen, hat ja auch einen gewissen Marketing-Wert für die Marke. Ich sehe auch nicht ein, dass unser Team dann viel Arbeit und Zeit und Geld reinsteckt für eine Marke, die da gar nicht dran interessiert ist, während es andere Marken gibt, die wirklich gerne dabei sein möchten. Es herrscht auch keine richtig schlechte Stimmung zwischen surf und Duotone, aber die sind eben zurzeit der Meinung, dass unsere Tests deren Produkte nicht korrekt beschreiben. Wir sind der Meinung, wir haben das richtig geschrieben, da gibt es dann eben keinen Kompromiss.


Meistgelesen in der Rubrik Windsurfen