Wind-SpecialKernpassat – Im Zentrum des Passats

Dr. Michael Sachweh

 · 20.12.2022

Warm, windig und traumhaft schön: Viele Spots im Kernpassat-Bereich sind ein Paradies für Windsurfer
Foto: remedia
Der Bereich des Kernpassats darf getrost als das Paradies für Windsurfer angesehen werden. Fast das ganze Jahr über Gleitwind, tropische Temperaturen – und ein nicht enden wollendes Beach Life charakterisieren die Spots der Kapverden, Nordbrasiliens, der südlichen Karibik und von Mauritius.

INHALT:


Da sich die Passatzone im Laufe des Jahres einige Breitengrade nach Norden und dann wieder nach Süden verlagert, gehen die Randbereiche (Wurzelzonen des Passats) leer aus, wenn es um ein ganzjähriges Gleitwind-Zertifikat geht. Bloß die Spots in der inneren Passatzone und einige Ausnahmereviere, die von ganz besonderen Gunstfaktoren profitieren, erhalten dieses Premiumsiegel: Kernpassat-Spot. Dort ist ganzjährig oder mindestens über neun Monate hinweg auf den tropischen Gleitwind aus Ost Verlass.

Zu diesen Destinationen, die man getrost schon lange im Voraus buchen kann, ohne vorher auf die Wettervorhersage schauen zu müssen, wo man nach Lust und Laune am besten überwintert oder übersommert, zählen:

Ceará-Küste in Nordostbrasilien

Denkt man an den Norden Brasiliens, hat man dichte Urwälder, drückende Schwüle und tropische Regengüsse vor Augen - wie es halt typisch ist für eine Region in der Nähe des Äquators. Doch es gibt einen kleinen Küstenstreifen im Nordosten des Landes, im Bundesstaat Ceará, der völlig aus der Reihe schlägt: Dünen mit einigen, handverlesenen Palmen– und Sandstrände, soweit das Auge reicht. Dazu ein lebhafter Wind und eine lange Trockenzeit im Jahr mit viel Sonnenschein.

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Mit der Entdeckung von Jericoacoara ging ein neuer Stern am Surfhimmel auf.

In Brasilien liegt die äquatoriale Tiefdruckzone mit ihrer schwachwindigen und zu Regenfällen neigenden Witterung während des größten Teil des Jahres weit entfernt von der Nordküste im Landesinnern. Der von ihr ausgehende Sog zapft die Passatströmung des Nordatlantiks an und ist stark genug, sie weit nach Süden bis an die Strände von Ceará zu bringen. Dort trifft der Nordostwind auf eine annähernd westostorientierte, teils gebirgige Küstenlinie, die den Passat auf eine schräg sideshore und Ostnordost-Richtung bringt – und zugleich beschleunigt (Leitplankeneffekt). Auflandige thermische Brisen (Brisa do mar) geben dem Passat an der Küste tagsüber dann noch einmal einen echten Extrakick.

Jericoacoara ist die Ursache für den Hype um Brasilien. Windig, lässig, voll.Foto: reemediaJericoacoara ist die Ursache für den Hype um Brasilien. Windig, lässig, voll.

Die für den Windsurfer empfohlene Jahreszeit dauert ungefähr neun Monate, von Juni bis Februar. Dann ist der Passat mit 84 bis 91 Prozent Beständigkeit nicht nur am zuverlässigsten. Er weht zu der Zeit auch am stärksten, mit durchschnittlich 21 Gleitwind-Tagen pro Monat im Juni und Februar und sonst 25 bis 31 Tagen pro Monat. Im Unterschied zur südlichen Karibik oder den Kapverden dreht der Wind abends und nachts – und geht dann auch deutlich zurück: ein Effekt der dort ausgeprägten thermischen Landbrise (Terral).

Drei Monate im Jahr schwächelt also der Passat, in dieser Zeit von Ende Februar bis Ende Mai muss auch mit teils sintflutartigen Regenfällen gerechnet werden.

Die besondere Windgunst der Ceará-Küste hat Energieunternehmen auf den Plan gerufen. Ganze Windparks zeugen von der Beständigkeit und Stärke des Passats.

Ein unter Windsurfern beliebter Spot ist Jericoacoara. Seine Strände bieten in der neunmonatigen Surfsaison eine Gleitwind-Häufigkeit von 78 bis 100 Prozent. Dazu Lufttemperaturen, die je nach Monat zwischen 22 bis 25 (morgens) und 29 bis 31 Grad (nachmittags) liegen. Und Wassertemperaturen, die nie unter 27 Grad fallen. Und Sonne bis zum Abwinken. Ein Traum!

Kapverden

Das Archipel der Kapverdischen Inseln vor dem tropischen Westafrika ist das klassische Passatrevier. Schon Kolumbus hörte von den Vorzügen der Kapverdenwinde und wählte für seine Reise von Sevilla zum karibischen Trinidad den südlichen Weg über die Kapverden. Auch heute noch wird von den Transatlantikseglern anstatt der kür- zeren Großkreisroute die südliche Route bevorzugt. Dabei lautet die wichtigste Empfehlung auf der größten Atlantikregatta, der Atlantic Rally for Cruisers (ARC), die im Frühwinter von Las Palmas nach St. Lucia in die Karibik führt: Halte auf jeden Fall zuerst nach Süden, bis du bei den Kapverden auf den Kernpassat triffst, dann erst richte den Bug auf die Karibik.

Ponta Preta auf Sal spiegelt mit seinen Weltklasse-Wellen nicht den wahren Charakter der Insel wider. Sal ist eigentlich ein klassisches Freeride-Revier.Foto: John Carter/PWAPonta Preta auf Sal spiegelt mit seinen Weltklasse-Wellen nicht den wahren Charakter der Insel wider. Sal ist eigentlich ein klassisches Freeride-Revier.

Der Passat überwintert auf den Kapverden, heißt es. Doch von Winterschlaf keine Spur, gerade im Winterhalbjahr glänzt der Archipel als Windperle. Aber auch im Sommerhalbjahr sind die Kapverden eine Empfehlung. Abgesehen von August und September, wenn die tropische Tiefdruckzone der Inselgruppe von Süden her zuweilen recht nahekommt und dabei vereinzelte Gewitterschauer und Windaussetzer verursacht, weht der Passat in der meisten Zeit des Jahres mit einer Beständigkeit von 90 Prozent und mehr – und in einer typischen Stärke von vier bis fünf Beaufort. Ein Windklima, das weltweit in dieser Zuverlässigkeit fast unübertroffen ist!

Schon Kolumbus wusste von den guten Winden der Kapverden.
Auf Sao Vincente zwängt sich der Passat zwischen zwei Bergrücken und wird dadurch beschleunigt. Am Spot San Pedro gibt es Hotel und Station – sonst nichts.Foto: VeranstalterAuf Sao Vincente zwängt sich der Passat zwischen zwei Bergrücken und wird dadurch beschleunigt. Am Spot San Pedro gibt es Hotel und Station – sonst nichts.

Ein beliebter Kapverden-Spot ist die Insel Sal. Und das nicht ohne Grund:

  • Sal zählt zu den sonnigsten Spots auf den Kapverden. Ursache ist zum einen die Flachheit der Insel: Es gibt keine Berge, an denen sich Wolken stauen könnten, und das Gewölk zieht bei dem flotten Wind auch rasch vorüber. Zum anderen geschieht es relativ selten, dass die Ausläufer der äquatorialen Gewitterzone von Süden her auf Sal übergreifen. So muss man auf dieser Insel durchschnittlich nur an acht Tagen im Jahr mit Regen rechnen.
  • Sal liegt im Nordosten des Archipels. Diese Lage garantiert einen steten Luftstrom ohne Windschatteneffekte, da es in Luv keine weiteren Inseln gibt.
  • Dank der Flachheit der Insel und ihrer Vegetationsarmut wird der Wind kaum gebremst, durch die verstärkte Thermik über den Sandflächen kann er sogar an den (stets stärkeren) Höhenwind ankoppeln. Dank atmosphärischer Austauschprozesse vermag sich der angezapfte Höhenwind vor allem in den Mittags- und Nachmittagsstunden in Buchten wie der von Santa Maria bis zum Boden durchsetzen. Das ergibt einen guten Surfwind auch in Leelagen, wegen der geringen Bodenrauhigkeit hält sich die Böigkeit des Passats in Grenzen.
Kapverden: Top-Revier SalFoto: John Carter/PWAKapverden: Top-Revier Sal

Südliche Karibik

Eigentlich zählt die Karibik zur Auslaufzone des Passats – dort also, wo er immer wieder mal schwächelt und stets mit lokalen Schauern und Gewittern gerechnet werden muss. Doch dies trifft nur für den mittleren und besonders nördlichen Teil der Region zu. Im Süden der Karibik läuft der Passat in puncto Sonne und Wind zur Hochform auf. Hier trifft der Surfer auf eine Windqualität, wie man sie sonst nur von den Kapverden her kennt. Hier beugen sich sogar die Bäume dem Willen des Passats.

Lac Bay auf Bonaire ist nicht nur ein riesiger Spielplatz für Ein- und Aufsteiger, hier wuchsen auch einige der besten Freestyler der Welt auf.Foto: Dunkerbeck Pro CenterLac Bay auf Bonaire ist nicht nur ein riesiger Spielplatz für Ein- und Aufsteiger, hier wuchsen auch einige der besten Freestyler der Welt auf.

Die passatische Gunstzone der südlichen Karibik geht schon bei Barbados los, mit einer durchschnittlichen Gleitwind-Häufigkeit zwischen 85 Prozent (Oktober) und 95 Prozent (Juni) und mittleren Winden zwischen elf Knoten (Oktober) und 15 Knoten (Juni). Hier gibt’s aber leider immer wieder Schauer, besonders von Juni bis Dezember.

Auf wirklich traumhafte Bedingungen trifft der Windsurfer auf den Inseln vor der venezolanischen Küste. Von Tobago im Osten bis zu Aruba ganz im Westen überwintert der Passat nicht nur, hier erlebt er seinen zweiten Frühling! Das ganze Jahr über bläst der Ostwind mit einer durchschnittlichen Gleitwind-Häufigkeit zwischen 85 und 95 Prozent, besonders zuverlässig von Februar bis Juli mit durchwegs mehr als 90 Prozent Beständigkeit. Sehr windige Monate sind Februar und März mit durchschnittlich 17 bis 18 Knoten. Ganz vereinzelte Schauer oder Gewitter – weitaus seltener als auf Barbados – sind am ehesten von Juni bis November möglich. Wenn sie der Surfer überhaupt mitbekommt, denn im Unterschied zum Festland oder den größeren Karibikinseln bevorzugen die klassischen, von See her kommenden Passatschauer ohnehin eher die Nachtstunden.

Was macht diese Inseln zu Premium-Spots für Surfer? Es ist die starke Thermik über dem südamerikanischen Festland. Die gigantischen Thermikschlote dort in Gestalt hochreichender Gewittertürme benötigen frische Luft als Ersatz für die in den Wolkentürmen aufstrudelnden Luftmassen. Sie holen sie sich aus der Umgebung. So saugen sie in den unteren Luftschichten von allen Seiten die Luft an. Das macht sich an der karibischen Seite des Festlands in einer Verstärkung der dort wehenden Passatwinde bemerkbar, wobei die Leitplanke der Küstenkordillere dem übermütigen Passat noch einen Extrakick gibt!

Zu den beliebtesten Windsurf-Spots gehörte El Yaque auf Isla Margarita, mit 320 Gleitwind-Tagen im Jahr. Mit wohlig warmer Luft, die sich tagsüber immer zwischen 27 und 32 Grad bewegt – und auch in einer Winternacht dank der ständigen Luftbewegung nie unter 23 Grad sinkt. Leider ist der Traum-Spot durch die aktuelle, politische Situation in Venezuela für Ausländer absolut nicht zu empfehlen.

Barbados liefert zuverlässig Wind – meist mit moderater Stärke.Foto: John CarterBarbados liefert zuverlässig Wind – meist mit moderater Stärke.

Mauritius

Wer an „Jenseits von Afrika“ denkt, erinnert sich an den Kinoklassiker, in dem es um enttäuschte Hoffnungen geht. Ganz anders sieht es bei dieser Destination jenseits von Afrika aus. Zugegeben, kein Kurzstreckenflug. Aber diese Insel ist die Anreise wert, sie erfüllt auch die Erwartungen verwöhnter Windsurfer. Das im südindischen Ozean gelegene Mauritius bietet Surfspots in einem exotischen Warmluftrevier, eingebettet in ein Passatklima par excellence.

Das Seegebiet liegt mitten im Herrschaftsbereich des Südost-Passats. Auf Mauritius befinden wir uns im Reinluft-Klima des südindischen Ozeans. Die Luft, die dort über die Strände weht, hat eine Seereise von nahezu 4000 Kilometern hinter sich. Sie ist deshalb von außerordentlicher Klarheit, hier weht der Passat auch mit großer Konstanz.

Bei der Erschaffung von Mauritius hat sich der Surf-Gott alle Mühe gegeben.

Im Sommerhalbjahr Südasiens herrscht beständig tiefer Druck über Indien. Das Tief bewirkt einen riesigen Sog, der den gesamten nordindischen Ozean mit in seinen barometrischen Bann zieht: Dort weht der Sommermonsun aus Südwest. Der beschleunigte Abtransport von Luftmassen in Richtung Südasien hat nun zur Folge, dass die dergestalt ausgedünnte Atmosphäre sofortigen Nachschub benötigt. Die fehlenden Luftmassen holt sie sich vom Südindik, indem sie den dortigen Passat stärker ansaugt als man es sonstwo auf der Welt beobachten kann. Das Ergebnis ist ein besonders starker und beständiger Südost-Passat über dem südindischen Ozean.

Die blaurosa Pfeile zeigen, wo der Grundpassat rund um Mauritius durch topgrafische Besonderheiten getunt wird. Besonders Le Morne im Süden profitiert vom Leitplanken-Effekt der Berge.Foto: Dr. Michael SachwehDie blaurosa Pfeile zeigen, wo der Grundpassat rund um Mauritius durch topgrafische Besonderheiten getunt wird. Besonders Le Morne im Süden profitiert vom Leitplanken-Effekt der Berge.

Deshalb präsentiert sich der Passat auf Mauritius von Mai bis September in Bestform. In der übrigen Zeit des Jahres ist der Passat ebenfalls ein treuer Begleiter an den Stränden dieser Tropeninsel. Denn auch im dortigen Sommerhalbjahr, von Oktober bis April, herrscht ein passatisch-konstantes Luftdruckgefälle in diesem Seegebiet. Als mäßige Brise, die sich besonders in den Mittags- und Nachmittagsstunden über die Gleitwind-Schwelle erhebt, sorgt der Passat im Schutz der Riffe für genügenden Surfgenuss.

Auch hier, wie überall auf der Welt, liegen die besonders angesagten Surfspots nicht rein zufällig verteilt. Sie nutzen lokale Verstärkungseffekte, die dem Passat einen Adrenalinschub verpassen. Im Falle von Mauritius ist das die Südwest-Ecke der Insel. Am Fuße der Berge von Le Morne profitieren bestimmte Strandabschnitte der Brabant-Halbinsel von einem perfekten Leitplankeneffekt. Im Strandabschnitt neben der Speedpiste geht‘s in den Windschattenbereich der Berge hinein. So bietet sich der Surfergemeinde hier eine seltene Vielfalt der Wind- und Wellenbedingungen. Vom ruhigen Einsteigerrevier bis zur Starkwindecke mit meterhohen Wellen – alles gibt’s in enger Nachbarschaft!

Der Wind- und Wetter-Steckbrief des Spots Le Mourne:

  • Der Wind weht vorherrschend aus Ost bis Südost. Er erreicht tagsüber in der windärmeren Jahreszeit (Oktober bis April) im Mittel Stärke drei bis vier mit Fünfer-Böen, im mauritianischen Winterhalbjahr (Mai -September) Stärke vier bis fünf mit Sechser-Böen.
  • In allen Monaten des Jahres liegt die Windbeständigkeit bei 80 Prozent oder mehr.
  • Die Lufttemperaturen sind im dortigen Winter subtropisch mit 17 Grad morgens und 24 Grad nachmittags, im Sommer tropisch mit 22 beziehungsweise 29 Grad. In den kühleren Wintermonaten empfiehlt sich nach Sonnenuntergang ein dünner Pullover. Das Wasser hat 23 Grad im Winter und bis zu 28 Grad im Sommer.
  • Mit kurzen Regenschauern müssen wir rechnen, kräftig sind sie aber nur von Dezember bis April. Andererseits: Gerade an der Küste gehen uns die Schauer oft aus dem Wege, weil sie passattypisch die Nacht- und Morgenstunden bevorzugen – und zudem vom Wind rasch weitertransportiert werden. Von ganz anderem Kaliber sind die tropischen Wirbelstürme. Mit ihnen muss man von Februar bis April rechnen. Sie suchen besonders das Seegebiet im Westen und Norden der Insel heim, malträtieren zuweilen aber auch Mauritius mit Sintfluten und Winden bis Orkanstärke. An solchen Tagen ist die Passat-Zirkulation komplett unterbrochen und eine windstabile und regensichere Surfer-Bar das Asyl erster Wahl.

Der Kernpassat – absolut zuverlässig

Die Windstatistiken der südlichen Karibik liefern ein eindeutiges Bild: Ganzjährig kann der Passat hier ohne störende Einflüsse wehen. DIe gefürchteten Wirbelstürme treiben weiter im Norden ihr Unwesen. Die Windstärken sind nicht unbedingt ein Leckerbissen für absolute Starkwind-Freaks, aber genau richtig für entspanntes Genuss-Surfen bei traumhaften Temperaturen.

Stärke und Beständigkeit des Passats - Südliche KaribikFoto: Dr. Michael Sachweh

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