Spot Guide Sardinien NordDie besten Spots von Alghero bis Castelsardo

Chris Hafer

 · 16.06.2024

Rund um die lang gestreckte Halbinsel im Nordwesten Sardiniens findet man Flachwasser, aber auch Wellenspots, die aber  im Vergleich zu den Hardcore-Revieren an der Nordküste eher gemäßigt sind.
Foto: Chris Hafer
Sardinien, die zweitgrößte Mittelmeerinsel, bietet ein reichhaltiges Angebot an Windsurfspots für alle Könnensstufen. Der Nordwesten ist vor allem in der Vor- und Nachsaison eine weniger bekannte Option, die man nicht so ohne Weiteres ausschlagen sollte.

“Ich mache dir ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst …“ Bilder gehen durch meinen Kopf. Ein Hafenspaziergang, allerdings mit Betonschuhen? Ein Bad in Salzsäure in einem Fass, das dann in irgendeiner Schlucht verschwindet? Ein Pferdekopf auf dem Kopfkissen?

Vielleicht lag es aber auch am italienischen Rotwein, den ich gerade trinke. Denn die Stimme des Paten klingt beim nächsten Satz weniger nach Don Vito Corleone als eher verdächtig nach Manuel vom surf Magazin, als er fragt, ob ich eh wieder im Frühjahr auf Sardinien bin. „Dann fahr doch mal in die Nordwestecke, da oben soll es ja ganz nett sein …“

Isola dell’Assinara mit dunkler Geschichte

Der Nordwesten Sardiniens – damit ist die Landzunge von Stintino gemeint, vor der sich die Isola dell‘Asinara, die drittgrößte der Sardinien vorgelagerten Inseln, befindet. Diese bietet neben den berühmten weißen Eseln auch einiges an gruseliger Geschichte: Bereits im Ersten Weltkrieg wurde die Bevölkerung der Insel umgesiedelt und Kriegsgefangene aus Österreich und Ungarn unter erbärmlichen Verhältnissen interniert. Tausende von ihnen starben an Krankheiten und Unterversorgung.

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Nach dem Krieg wurde auf der Insel ein moderneres Gefängnis errichtet, in dem Schwerverbrecher, insbesondere auch Mafia-Angehörige, ihre Strafen verbüßten. Bis 1997 gab es ein Hochsicherheitsgefängnis auf der Insel, quasi das Alcatraz Sardiniens. Noch heute ist der Kon­trast zwischen den Ruinen der ehemaligen Haftanstalt und den unfassbaren Wasserfarben des schmalen Wasserstreifens, der die Isola dell‘Asinara von Stintino trennt, mehr als beeindruckend.

Sardiniens Norden bietet vielfältige Spot-Auswahl

Immerhin ist unsere Sicht auf die Bucht nicht durch Gitterstäbe eingeschränkt, als wir in Stintino über den Hügel kommen und uns auch erst mal angesichts der wirklich karibischen Wasserfarben die Worte fehlen. Die Kulisse am Spot La Pelosa bietet fast alles: pulverfeiner weißer Sand, Wasserfarben in allen denkbaren Blau- und Türkis-Tönen, schroffe, schwarze Felsen vom Capo Falcone, mittelalterliche Wach- und Signaltürme und im Hintergrund die Isola dell‘Asinara mit den Ruinen des besagten Gefängnisses. Blickt man dagegen in Richtung Süden, also auf Porto Torres, fällt es schon schwerer, den Raffinerien und Öltanks der Hafenstadt landschaftliche Reize abzugewinnen.

Reizvoll ist diese Ecke Sardiniens für Windsurfer trotzdem, bietet sie doch auf relativ geringem Raum eine Vielzahl von Spots für jedes Surfniveau und jede Vorlieben. Von guten Wavespots bis hin zu perfekten Speedrevieren – bei fast jeder Windrichtung geht irgendwo irgendwas. Hinzu kommt, dass gerade an der Landzunge von Stintino der Wind noch mal lokal beschleunigt wird und die vorhergesagten Werte meistens übertrifft. Anders als an den bekannten Spots der Insel wie etwa Porto Pollo wird es auf dem Wasser auch nicht voll und mit Alghero im Süden bietet sich eine der schönsten sardischen Altstädte ebenso als Alternativprogramm wie die Natur rund um die beeindruckenden Klippen von Capo Caccia.

Atemberaubende Wasserfarben in La Pelosa und Le Saline

Flo und ich riggen an dem noch leeren Strand von La Pelosa relativ schnell bei ablandigem Wind auf, angesichts der Wasserfarben und des Umstands, dass wir die Einzigen auf dem Wasser sind, ist es eher ein Wettriggen, das Flo gewinnt. Auf dem Wasser ist er speedtechnisch mit seinem Freestylematerial gegen mein Slalommaterial dagegen eher zweiter Sieger, bei der Spaßwertung liegen wir aber definitiv gleichauf und ganz weit im oberen Bereich angesichts der Surfbedingungen und vor allem angesichts der Kulisse und der Farben. Vielleicht hätten die Gefangenen mal über einen Ausbruch per Surfboard nachdenken sollen …

Auch am Nachbarspot Le Saline sind wir wieder alleine auf dem Wasser. Vermutlich weil vereinzelte Wolken am Himmel zu sehen sind. Das wird von den Einheimischen ja schon als unzumutbares Schlechtwetter gewertet, bei dem sich die Fahrt zum Strand eigentlich nicht lohnt. Abgesehen vom angeschwemmten Seegras am Strand bietet auch dieser Spot Flachwasserbedingungen par excellence, dazu die Kulisse der verfallenen Thunfischfabrik. Der Thunfischfang war jahrelang eine der Haupteinnahmequellen in dieser Region, wie die vielen Wandgemälde, die sogenannten Murales, rund um den uralten Hafen von Stintino zeigen. Genau wie das Museum, das sich mit der Geschichte des Thunfischfangs beschäftigt, an der Südseite des Hafens.

Im Sommer kann es voll werden

Dass am Spot Le Saline damals Salz gewonnen wurde, hatte seinen Grund eben auch in der Verarbeitung des gefangenen Fisches, für die das Salz damals dringend benötigt wurde. Noch heute kann man gut nachvollziehen, wie das Salz, nachdem das Meerwasser verdunstet war, dort quasi geerntet werden konnte. Früher geschäftiges Zentrum, ist die Saline heute Naturschutzgebiet für Unmengen von Vögeln, darunter auch die rosafarbenen Flamingos, die auf Sardinien Station machen.

Jetzt in der Vorsaison sind die Vögel gegenüber den Touristen definitiv in der Überzahl. Das ist wohl im Sommer eher anders, wenn auch der schmale Strand mit schneeweißem Sand am Nordende von Stintino vor lauter Badenden kaum noch zu sehen ist.

Vor den schroffen und scharfen Felsen des Capo Falcone nutzen wir die lokale Verstärkung des Windes vor dem ehemaligen Wachturm für eine letzte Session, bevor wir zur Westküste fahren, um dort den Sonnenuntergang zu genießen.

Entspannte Wave-Bedingungen in La Ciacca

Ordentlich Wind am nächsten Tag und auch die Nachrichten unserer sardischen Freunde bedeuten ein wenig Auto fahren, Ziel ist der Spot La Ciaccia, von dem die Sarden sagen, dass er wirklich gut werden kann. Und Sarden, wie angeblich ja auch die Dänen, lügen nicht. In Sichtweite des auf die Steilküste gebauten Castelsardo sehen wir vom in mehrere Stufen am Hang angelegten Parkplatz –erst mal nichts. Zumindest keine nennenswerten Wellen.

Bei Westwind treffen sich die Wavesurfer der Region am Strand von La Ciaccia.Foto: Chris HaferBei Westwind treffen sich die Wavesurfer der Region am Strand von La Ciaccia.

Dafür bietet ein direkt mit Blick auf den Spot gelegenes Café erst mal einen richtigen Kaf­fee und Cornetto, um ganz entspannt zuzusehen, wie die ersten Kandidaten, immer schön in Lee der sichtbaren Felsplatte, in die zunehmenden Wellen wagen. Da es sich im Mittelmeer immer um Wind- und nicht Groundswell handelt, braucht es eben manchmal etwas Zeit, bis sich Wellen aufbauen. Aber so ist das halt mit der Pünktlichkeit in Italien – es kann eben manchmal etwas dauern. Dafür sind die Wellen dann wirklich gut, voll ist es eher auf dem Parkplatz als auf dem Wasser, denn der Shorebreak kann schon für eine gewisse Auslese sorgen.

Aber im Vergleich zu den anderen Wavespots der Nordküste von Sardinien, meist gespickt mit Felsen und Seeigeln, bietet La Ciaccia wirklich entspannte Bedingungen. Die, sofern der Wind anhält, im Laufe des Tages immer besser werden, und so ist auch eine Abendsession der krönende Abschluss eines weiteren guten Tages auf meiner Lieblingsinsel. Wobei der Tag eigentlich erst mit einem eiskalten Ichnusa, dem sardischen Bier, am Strand ausklingt, mit Salzwasser und Sonne auf der Haut …

Wer also mal jenseits der bekannten Strände surfen und dabei wirklich spektakuläre Wasserfarben und Kulissen erleben möchte, dem kann man die Spots rund um Stintino definitiv empfehlen. Oder, wie es Marlon Brando alias Don Vito Corleone im Kultfilm „Der Pate“ generös formulieren würde: „… ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst …“

Die besten Windsurfspots in Sardiniens Nordwesten

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1.) La Ciaccia

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Wenn es einen Komfort- und Wohlfühl-Wavespot auf Sardinien gibt, dann ist es La Ciaccia. Bei Westwind, der am besten einige Tage bläst, bietet sich von der Terrasse des Cafés am Strand ein Blick auf einen nahezu perfekten Wavespot. Beeindruckende Wellen brechen sauber über eine Felsplatte am linken Rand der Bucht (Vorsicht – in Luv sehr, sehr flach!) und laden sowohl zum Springen als auch zum Abreiten ein. Durch einen Channel kommt man relativ einfach raus und in Lee bietet der Sandstrand genug Platz für den sicheren Ausstieg. Eine Wiese zum Aufriggen, sanitäre Einrichtungen und ein schöner Blick auf relativ cleane Wellen runden diesen Wave­spot ab. Aber Vorsicht: Je weiter man in Lee anlandet, desto heftiger wird dort auch der Shorebreak.

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2.) Marina di Sorso

40.8296, 8.5528

Einige Zufahrten sind nur für die Mieter/Anwohner der Ferienanlagen offen, aber auch so kann man entlang der Straße durch die Pinien eine der nummerierten Zufahrten aussuchen, mit jeweils einem Parkplatz hinter den Dünen an einer der vielen Strandbars. Die Bedingungen an diesem Küstenabschnitt sind ähnlich – Freeride bis Bump & Jump. Es geht fast jede Windrichtung, bei Nord und Nordwest gibt es etwas Welle, bei Wind aus südlichen Richtungen ist es wegen der Dünen etwas böig auf dem Wasser, dann fährt man besser Richtung Stintino.

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3.) Platamona

40.8191, 8.4733

Die Straße führt parallel zum Strand, es gibt mehrere Optionen an Parkplätzen, um aufs Wasser zu gehen. Beste Windrichtung mit der Option auf Wellen ist hier Westwind, die Wellen brechen dann über eine Sandbank und es kann Shorebreak geben. Die Wellen sind kleiner als am reinen Wavespot La Ciaccia. Am westlichsten Parkplatz gibt es sanitäre Einrichtungen in einer Strandbar, direkt vor dem Parkplatz liegt eine Felsplatte im Wasser, ansonsten ist hier auch bei Ostwind entspanntes Surfen und Freeriden vor schöner Kulisse der Steilküste im Westen möglich.

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4.) Stintino Le Saline

40.8600, 8.2871

Genau genommen sind es zwei Spots: Der eine liegt am ersten Parkplatz im Norden, in der Nähe der alten Turmruine. Der andere liegt etwas weiter südlich. Bei beiden kann man kostenfrei parken, muss sein Material dann allerdings durch die ehemalige Saline über Holzstege zum Strand tragen. Vorsicht: Nach Regen ist der Untergrund der Saline sehr rutschig! Bei Westwind ist das der Treffpunkt für alle Speedfahrer, faltenfreies Wasser bei ablandigem Wind mit relativ großem Stehbereich bietet die Möglichkeit, seinen persönlichen Rekord hochzuschrauben oder an dem aktuellen Freestylemanöver zu feilen. Achtung – südlich der Turmruine geht ein Rohr ins Wasser, das garantiert jede Finne killt! Das Seegras liegt nur angeschwemmt am Strand und bildet eher ein Hindernis auf dem Weg ins Wasser, beim Surfen stört es nicht. Am Parkplatz gibt es sanitäre Einrichtungen, die aller-dings außerhalb der Saison noch geschlossen sind.

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5.) Stintino La Pelosa

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Die Wasserfarben rund um Stintino können locker mit jenen der Karibik mithalten. In der Vor- und Nachsaison surft man hier oft alleine.Foto: Chris HaferDie Wasserfarben rund um Stintino können locker mit jenen der Karibik mithalten. In der Vor- und Nachsaison surft man hier oft alleine.

Der Spot für diejenigen, die ihren Freunden via Social Media weismachen wollen, sie seien in der Karibik! Die Parkplatzsituation ist relativ begrenzt, bei schönem Wetter wird es schnell voll. Geparkt wird an einem Parkplatz am Hotel am Spiaggia del Gabbiano, alternativ entlang der Straße. Ein Einstieg ist in der Nähe des Parkplatzes bei der Surfstation im südlichen Teil der Bucht, der andere führt über Treppen zu der malerischen Sandbank. Am Turm, der auf einer kleinen Insel den Wasserstreifen zwischen der Isola di Asinara und dem Festland bewacht, kann es erstaunlich choppy werden, unter anderem auch durch Strömungen in der schmalen Wasserrinne. Ansonsten finden hier Freerider und Freestyler perfekte Bedingungen.

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6.) Porto Ferro

40.6832, 8.2053

Eine wunderschöne Bucht, die nach Angaben der Locals bei Ostwind funktioniert, dann allerdings ablandig. Nord- und Südwind werden durch die Berge abgeschirmt, und Westwind produziert große Wellen, allerdings voll auflandig. Aus unserer Sicht eher ein Tipp für Wellenreiter, es gibt auch vor Ort eine Surfschule. Zum Windsurfen gibt es deutlich bessere Spots.

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7.) Fertilia

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Der lange Sandstrand zwischen Fertilia und Alghero bietet entspannte Freeridebedingungen – bei fast allen Windrichtungen. Bei Westwind wird es schnell choppy und das Revier wandelt sich zum Bump-&-Jump-Spot, immer mit traumhaftem Blick auf die Kulisse von Alghero. Überall Sand, am Strand hat es im Frühjahr viel Seegras, das im Laufe der Saison weggeräumt wird.

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Revier-Infos Sardinien Nord

Anreise

Wie meist bei Inseln gibt es zwei Alternativen für die Anreise, Fähre oder Flugzeug. Vorteil der Fähre mit eigenem Pkw sind die Mobilität auf der Insel und der problemlose Materialtransport. Wählt man eine Nachtfähre, etwa ab Livorno, Genua oder La Spezia, verliert man keine Zeit bei der Anreise und kommt entspannt am nächsten Morgen auf der Insel, etwa in Olbia, an. Von dort aus sind es circa zwei Stunden Fahrt auf mautfreien Schnellstraßen bis nach Oristano. Optional direkt eine Fähre nach Porto Torres buchen.

Fährgesellschaften

Mit dem Flugzeug geht es von verschiedenen deutschen Flughäfen, etwa Düsseldorf, München, Frankfurt, nach Olbia, Al­ghero oder Cagliari. Die Materialmitnahme sollte man vorher abklären.

Wohnen & Campen

Wildes Campen ist generell verboten und auch mit hohen Bußgeldern belegt. Es gibt eine Reihe von Campingplätzen:

Alternativ gibt es es eine Reihe von Ferienwohnungen und Hotels, etwa über Airbnb.

Surfschulen/Surfshops

Es gibt relativ wenig Infrastruktur, deswegen empfiehlt es sich, eigenes Material mitzunehmen.

  • Direkt bei La Pelosa liegt das Windsurfcenter (windsurfingcenter.it). Von dort aus werden auch Bootstouren und Exkursionen auf die Isola di Asinara angeboten.
  • In Sassari bietet Andreas Mariotti auch SUP-Touren an: windsurfandrea.wixsite.com

Beste Reisezeit

Zum Glück fällt die beste Windzeit auf Sardinien nicht in den klassischen Hochsommer. Dann ist die Insel nämlich nicht nur sehr voll, sondern die Preise schießen wie Philip Köster an besten Tagen in Pozo in den Himmel. Die beste Windzeit ist im Frühjahr und Herbst und für hartgesottene Surfer auch im Winter. Dann profitiert Sardinien von den Ausläufern des Mistrals. In der Region um Stintino wird der Wind nicht so stark wie am berühmten Spot Porto Pollo, wo er noch durch die Meerenge zu Korsika beschleunigt wird. Aber auch die Spots um Stintino profitieren von lokalen Verstärkungen und Thermik, sodass man nicht nur auf den Mistral als Energiequelle angewiesen ist.

Von April bis November liegen die Tageshöchsttemperaturen im Durchschnitt über 20 Grad. Und auch im Winter werden sie selten einstellig. Das Wasser erreicht im Sommer Werte von über 20 Grad, im Winterhalbjahr muss man sich mit 12 bis 15 Grad begnügen. Sardinien ist also auch im Winter eine (Surf-)Reise wert.


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