Fitness-GuruScott Sanchez - Der Meister-Macher im Interview

Wenn Kai Lenny in Jaws Riesen-Wellen reitet, steckt Trainer Scott Sanchez dahinter
Foto: John Carter
Er machte Francisco Goya, Jason Polakow und viele andere Windsurf-Talente zu Weltmeistern, heute arbeitet Scott Sanchez mit Allround-Waterman Kai Lenny. Ein Gespräch über seinen Werdegang, Psycho-Tricks und wie Hobby-Surfer fit werden.

Scott Sanchez sagt selber, er sei ein Experte für Weltmeister. Im Interview mit Slalom-Worldcupper Maciek Rutkowski gibt der legendäre Coach seine Geheim-Rezepte preis und verrät, was viel wichtiger für den Erfolg ist als reines Training.

Ich würde dich fragen wie es dir geht, aber ich hab auf Instagram gesehen, dass du mit über 60 Jahren noch Kniebeugen mit 150 Kilo Gewicht machst, also denke ich mal, alles ist gut.

Ja, ich muss ja irgendwie mit den Jungs mithalten (lacht).

Ist das wichtig für dich, dass du die Aufgaben für die Jungs auch selbst schaffst?

Oh ja, außer natürlich die Riesenwellen!

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, es gibt so viel zu erzählen. Du warst ein erfolgreicher Skifahrer, bist zweimal für Bolivien bei Olympischen Spielen gestartet. Wie bist du dann zum Windsurfen gekommen?

Nach den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo wurde mir angeboten, beim Aufbau einer Ski-Akademie zu helfen. Ich hab also meine Karriere beendet, obwohl ich noch ein bisschen länger hätte dabei bleiben können. Ich hatte vorher schon Windsurfer gesehen und gedacht, dass das bestimmt Spaß macht. Als es in San Francisco einen Worldcup gab, hab ich mir das angeschaut und dachte: Das ist es! Ich hab dann kurz danach meine Frau getroffen, mit der ich jetzt schon fast 37 Jahre verheiratet bin (Rhonda Smith-Sanchez, Anm. d. Red.). Sie war damals schon Weltmeisterin und hat die Entwicklung des Sports mitgemacht, der sich von der Windsurfer-Klasse zu einem professionellen Zirkus gewandelt hat. So bin ich also mit dem Sport in Kontakt gekommen.

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Wie war das damals im Vergleich mit dem Skifahren?

Bei den Regatten war es durchaus schon recht strukturiert und professionell. Aber in den Monaten und Tagen vorher, in der Vorbereitung, hat niemand trainiert, sondern die sind nur gesurft. Ich bin sicher, jeder hat mal ein paar Klimmzüge oder so gemacht, aber ich hab einfach so viele Möglichkeiten gesehen, um große Fortschritte zu machen, die dann auch auf dem Wasser eine Steigerung bringen würden. Oft werden Finals in suboptimalen Bedingungen gewonnen, am Ende des Tages, wenn die Wellen schlechter werden oder im Slalom, wenn es böig wird. Viele würden in solchen Bedingungen nicht rausgehen, weil sie sagen, es ist zu klein, es zu schwach oder so. Da haben wir angesetzt.

Also ist deine Frau deine erste Kundin gewesen?

Ja, das Versuchskaninchen (lacht). Ich erinnere mich an einen Contest in Hood River. Normalerweise fuhr man dort 5,7, aber kurz vor der Regatta blies es fürs 3,5er. Ich hab ihr also gesagt, dass sie ihre Finnen und Segel testen sollte. Irgendwann hatte sie einen üblen Abgang, als sie reinkam, war ihr Gesicht ganz geschwollen und sie schrie: „Schick mich nicht noch mal da raus!“ Sie war echt sauer. Ich hab dann gesagt: „Du musst noch mal raus, du musst noch diese Finne testen! Wenn es so windig ist, musst du die kennen.“ Sie hat dann kaum 300 Meter geschafft, bevor der Spinout kam. Als sie zurückkam meinte ich: „Gut dass wir getestet haben, jetzt wissen wir dass sie nicht funktioniert!“ Am nächsten Tag war es dann wieder passend für 5,0 oder 5,7, und sie hat gewonnen! Es gab damals nur sehr wenige, die sich so wie wir professionell vorbereitet haben.

Ich muss schon irgendwie mit den Jungs mithalten – außer in den Riesenwellen”

Windsurfing ist komplexer als viele andere Sportarten und zudem vom Wetter abhängig. Ist es da schwieriger, dem Ganzen eine Struktur zu geben?

Ich glaube nicht, dass das etwas damit zu tun hat. Ich hab in den späten Achtzigern das „Gorge Junior Team“ gestartet, da waren Micah Buzianis, Chris Wyman und ein paar andere mit dabei. Das lief nur acht oder zwölf Wochen im Sommer, weil ich nur da Zeit hatte und sonst die Ski-Nationalmannschaft trainiert habe. Wir hatten Anders Bringdal als Gast und ich sagte, Anders, willst du ihnen nicht ein paar Tipps geben. Und dann hieß es: „Keine Ziele, geht einfach raus und habt Spaß!“ Für einige Leute funktioniert das, es gibt da kein Richtig und Falsch, du musst nur rausfinden was für dich am besten ist. Einige mussten angetrieben werden, andere mussten gemanagt werden, einige brauchten jede Menge Feedback, einigen musste ich beibringen, wie man einen Wettbewerb angeht.

Es gibt also nicht den einen Ansatz, wie man das Beste aus jedem Sportler herausholt. Micah und ich kennen uns seit 36 Jahren. Es ging von einer Diktatur über ein Trainings-Verhältnis und ein Management bis hin zu einer echten Partnerschaft. Und die gleiche Beziehung hab ich zu Kai Lenny, mit ihm arbeite ich zusammen seit er elf ist. Das ist eine lange Zeit. Als der Trainer, als Gegenpart, muss ich dem Sportler zugestehen, manchmal Fehler zu machen.

Es gibt ja auch welche, die man daran erinnern muss auch mal Spaß zu haben und die Arbeit nicht zu übertreiben.

Es ist egal, was dich motiviert, ob du auf das Cover eines Magazins kommen möchtest oder deinen Kumpel schlagen möchtest. Für mich ist das egal, aber du musst mir sagen, was dich antreibt. Es gibt Sportler, die sehr altruistisch sind und einfach nur einen perfekten Lauf haben wollen. Andere sagen: „Vergiss das, ich will nur gewinnen!“ Mir ist das egal, aber ich muss das wissen, um das richtige Holz nachlegen zu können. Unser Job als Coach ist es, ein Spiegel für den Sportler zu sein.

Das klingt danach, dass es das komplette Paket sein muss, aber dass es mit dem mentalen Teil anfängt. Du bist hauptsächlich bekannt als Trainer für Kraft und körperliche Vorbereitung, aber das eine geht ja nicht ohne das andere, oder?

Ehrlich gesagt hab ich kein Zertifikat in irgendeinem dieser Gebiete. Was ich aber vorweisen kann, sind Weltmeister. Ich bin kein persönlicher Krafttrainer, ich bin kein Ernährungsberater, ich bin nicht physiologisch ausgebildet, ich bin kein Psychologe, aber ich habe meine Finger in allen diesen Bereichen. Am Ende des Tages ist für mich das Ergebnis das Entscheidende, und das macht mir Spaß.

Du hast Micah Buzianis erwähnt und das Gorge Junior Team. Wer hat da wen angetrieben? Hat Micah gesagt, ich sehe die Ergebnisse, lass uns das Vollzeit machen, oder hast du ihm gesagt, du hast Riesenpotenzial, lass uns dauerhaft zusammenarbeiten?

Lass mich ein bisschen weiter zurückgehen. Wir haben uns an einem kleinen See bei Salt Lake City kennengelernt. Als es dann das „Gorge Junior Team“ gab, war er dabei, und eines Tages fragte er mich, ob ich mit ihm ein Trainings-Camp machen würde. Kurz danach hatte er beim Worldcup in Almanarre ein gutes Resultat, und von da an ging es rasend schnell. Die Geschichte ist also, dass Micah mich gefragt hat. Micah war wie ein Traktor, eine unglaubliche Arbeitskraft. Er ist mit der Planung und Struktur regelrecht aufgeblüht. Andere wollten da eher flüchten.

Du arbeitest also mit Micah, er hat Erfolg, und dann machst du da einen Vollzeit-Job draus. Du surfst selber, also ist es vermutlich etwas einfacher, das Ganze biomechanisch zu dekonstruieren. Was sind die Bewegungen, was braucht der Fahrer? Du hast dir also alle Details angeschaut, und was ist dabei rausgekommen?

Wenn du zwei Fahrer hast mit den exakt gleichen körperlichen Voraussetzungen, aber einer zehn Prozent stärker ist und mehr Beweglichkeit hat, dann wird dieser immer mehr Möglichkeiten haben, um schnell zu sein. Das ist ein Fakt, den ich immer anerkannt habe. Er kann mehr riskieren, er kann schneller aus brenzligen Situationen rauskommen, er kann die Rail (Brettkante, die Red.) besser steuern und den Kurs halten, er kann besser auf drohende Spinouts reagieren und so weiter.

Ja, aber man hat halt nie Fahrer mit den gleichen Maßen, mit dem gleichen Stil...

Genau, und deswegen brauchst du einen Trainingspartner, mit dem du Sachen testen kannst, einfach nur geradeaus fahren und verschiedene Stile und Material auszuprobieren. Für Micah war das Jimmy Diaz, sie haben viel zusammen trainiert. Das ist eine sehr bescheidene Position, seinen Stolz und sein Ego beiseite zu schieben und einfach nur konstant zu fahren. Viel von Micahs Erfolg kann man dem zuschreiben, was er mit Jimmy zusammen gemacht hat.

Hast du gleich gedacht, dass ein Team erfolgreicher sein würde als ein individueller Sportler?

Im Racing ja, da musste man einfach zusammenarbeiten. Es gab ein Pryde-Team, ein Gaastra-Team und so weiter, aber im Waveriding war das ganz anders, das war viel individueller. Ich erinnere mich, dass ich Francisco Goya sah und dachte, da ist sehr viel ungeschliffenes Potenzial. Das ist vermutlich derjenige, wo meine Arbeit direkt am deutlichsten zu sehen war, dessen Ergebnisse auf einmal durch die Decke gingen, als er etwas Struktur und etwas Coaching bekam.

Wie hast du ihn dann in so kurzer Zeit zum Wave-Weltmeister gemacht?

Er hat am meisten in Sachen Selbstvertrauen dazugewonnen. Das war eigentlich alles. Ich hab mit ihm ein Training speziell für die Competitions gemacht: Wir sind nach Waiehu gefahren, es waren schlechte, kleine Onshore-Wellen, und ich hab gesagt: „Du bist jetzt in Europa und wir trainieren für die Events. Schließ die Augen, und ich male dir ein Bild: Wir sind auf Sylt, alle Sponsoren haben große Erwartungen, und deine Gegner fragen, warum ist dieser Typ überhaupt hier, der ist ein totaler Idiot. Du fährst jetzt gegen Nik Baker, du weißt was Nik macht, wie er fährt und was du tun musst, um ihn zu schlagen.“

Francisco Goya kam zurück, hat sein Material auf den Strand geworfen, ich hab gelacht und er hat angefangen zu weinen”

Er ist dann rausgefahren und es war ein totales Desaster. Ich selber wäre besser gefahren. Er kam zurück, hat sein Material auf den Strand geworfen, ich hab gelacht, und er fing an zu weinen. Ich hab gesagt: „Deine Fantasie ist so mächtig! Wir sind nicht auf Sylt, Nik ist nicht da, gar nix! Aber ich hab dir das in den Kopf gesetzt, du hast es wie ein Schwamm aufgesogen und das Szenario durchlebt. Alles, was ich machen muss, ist dir das Drehbuch zu schreiben, dann wirst du Weltmeister!

Ein anderes Mal waren wir da unten und ich sagte, bring ein 6er-Segel mit und ein Serienboard. Damit hab ich ihn dann rausgeschickt und ihn Frontloops springen lassen. Ich sagte: Wenn du damit an diesem Spot so viele Frontloops springst, wirst du das in Pozo wie am Fließband machen. Und der Kontrast zwischen diesem Dickschiff und den Boards, die er gewohnt war und diesem Spinnaker-artigen Segel war krass. Alles, was du danach machen wirst, wird ein Spaziergang sein.

Von dem Morgen in Waiehu bis zum WM-Titel, war das in einem Jahr?

Nein, ich glaube er war Dritter in dem Jahr, und hat dann in dem Jahr danach gewonnen. Ich glaube, das größte Kompliment für Francisco kam von Björn: „Wir hätten zehn Wave-Events in dem Jahr haben können und du hättest trotzdem gewonnen!“ Wir hatten nur drei, das waren, glaub ich, Pozo, Sylt und Irland. Irland war phänomenal, wir hatten geübt, mitten im Heat das Material zu tauschen. Ich sagte: „Du musst rausgehen und einen perfekten Doppelloop springen mit dem Material was dafür am besten ist, und dann aufs Zeug fürs Waveriding wechseln.“ Er hat das wie ein Uhrwerk gemacht, das war wie ein Boxenstopp in der Formel 1. Wir hatten jede Segelgröße zwei- oder dreimal aufgeriggt, weil immer was kaputt geht und wir darauf vorbereitet sein wollten.

Wie oft hörst du von den Waveridern oder auch Kai, wenn du ihnen Tipps gibst, „Was weißt du schon?“

Noch nie. Wenn das jemand gesagt hat, hat er das heimlich gemacht (lacht).

Gab es mal die Gefahr, dass jemand die Lust am Sport verlieren könnte? Ich meine, wir machen das alles weil wir den Sport lieben, nicht weil wir Millionäre werden wollen. Du erzählst den Jungs, du musst bei zwölf Knoten Onshore-Chaos und Regen trainieren.

Nicht alles ist wie Hookipa, perfektes Wetter, Parkplatz für dein Auto, ein paar Mädels am Strand. Hier ist das wie im Märchen, aber in Europa ist das nicht so. Du kommst nach Pozo und hast überall Sand, auch zwischen den Zähnen, das ist hart. Und um sich daran zu gewöhnen, musst du aus deiner Komfort-Zone heraus. Wir haben einen Team-Spirit, um zu zeigen: Du schaffst das! Und um sich gegenseitig anzutreiben. Und dann macht es auch Spaß!

Mal angenommen, du hast dir vorgenommen, Heat-Planung mit den Waveridern zu trainieren oder die Slalom-Fahrer sollen ihr Material testen, aber die Bedingungen passen einfach nicht. Improvisierst du dann und änderst den Plan?

Ich habe immer einen Plan, aber auch kein Problem damit, den Plan zu ändern. Wenn die Jungs reinkommen, weiß ich in drei Sekunden, was ich heute machen kann. So gut kenne ich sie! Ich muss sie nicht mal fragen, wie sie sich fühlen oder was der Körper macht. Es ist vorgekommen, dass es komplett flach war und ich gesagt habe, wir gehen zum Schulhof und skaten. Wir versuchen, dynamischer zu werden, mal goofy, mal regular. Dann schaffen wir viele Kon­traste, machen Dinge zehnmal schwieriger als sie eigentlich sind. Wenn man es danach wieder normal macht, ist es einfach!

Plauder ein bisschen aus dem Nähkästchen: Wer hat am härtesten gearbeitet?

Kommt drauf an, wie man harte Arbeit definiert, aber ich würde sagen, Micah war am konstantesten, aber Francisco war dicht dran. Aber in aller Fairness, hab ich mit denen auch am längsten zusammengearbeitet. Aber ich muss auch Kai hervorheben, weil er bei mir ist seit er elf ist, und jedes Jahr haben wir etwas mehr gemacht und sein Talent intensiver genutzt. Aber auch andere konnten sehr hart arbeiten, Robby Swift hat sogar mal bei uns gewohnt.

Nähkästchen, Teil zwei: Wer war der Faulste?

(lacht). Ich kann soviel sagen, dass Levi Siver gerne schlief. Er mochte das Leben in einer anderen Geschwindigkeit. Aber so war er nun mal! Aber ich muss sagen, dass er absolut seinen Weg gefunden hat. Wenn man sich die späteren Jahre ansieht, und was er aus seiner Karriere gemacht hat: Der Typ ist unglaublich! Ich würde nicht sagen, er war der Faulste, das ist ja eine Art Anschuldigung, er mochte es einfach ein bisschen langsamer. Dann war er am besten!

Levi Siver schlief gerne. Er mochte das Leben in einer anderen Geschwindigkeit. So war er nun mal. Aber ich muss sagen, er hat seinen Weg gefunden”

Du arbeitest schon ewig mit Kai Lenny, er macht so viele Sportarten. Wie groß ist dabei dein Anteil? Wenn bei ihm etwas anderes in den Fokus rückt, muss sich das Training ja anpassen, da muss dann ein Kompromiss gemacht werden, oder?

Ich sehe das nicht als Kompromiss, ich schaue, wo gerade die Priorität liegen muss. Dieses Jahr war wegen Covid einzigartig, das erste Mal in unserer Partnerschaft hatten wir eine Zeit, in der wir Grundlagen bilden konnten. Wir haben eine deutliche Steigerung bei seiner Gesundheit und seinem Energielevel erreicht. Sonst musste er ja immer für seine Sponsoren hierhin oder dorthin. Meine Verantwortung ist es, seine Reserven zu kontrollieren. Da ist es sehr herausfordernd, große Fortschritte zu machen, aber sehr leicht, Schaden anzurichten.

Das Kraft- und Grundlagentraining sind nur 25 Prozent von dem, was ich mache. Ich habe keine 400.000 Dollar teuren Geräte, wir haben ein bisschen Eisen, Balance-Boards und so weiter, aber das ist nur ein kleiner Teil. Es geht eigentlich um den Dialog, um die Belastbarkeit und die Beziehung und das Vertrauen, dass ich die Dinge anfasse, bei denen die Athleten spüren, dass sie mehr Selbstvertrauen bekommen.

Ja, die ganzen Reisen. Wie kann man das mit einem Trainingsplan unter einen Hut bringen?

Natürlich hast du einen Plan, und wenn du ankommst und noch nicht auf dein Zimmer kannst, dann bricht auch keine Welt zusammen. Lass deinen Kram im Auto, stell den Sitz runter und mach ein Nickerchen und sei zufrieden damit. Wenn du dich zur Geisel deiner Planung machst und sowas negativ siehst, dann trübt das deine Sichtweise. Diejenigen, die Spaß haben und das genießen, statt sich aus der Balance bringen zu lassen, das sind diejeningen, die den klarsten Blick haben. Die Intensität muss da sein und du musst sie hochfahren und auch mal rausnehmen, damit du danach wieder die gleiche Intensität bringen kannst.

Die beste Person mit der ich je gearbeitet hab, die in der Lage war, die Intensität einfach ein- und auszuschalten und dabei jederzeit bereit war, das war Nik Baker. Er war voll dabei, aber sobald der Heat abgesagt war, machte er Witze und hatte eine gute Zeit. Ging es weiter, dann war er wieder voll konzentriert. Wenn du die Intensität ständig hochhältst, kann das sehr anstrengend sein. Mal angenommen, es gibt einen großen Wave-Contest in Peahi, und es gibt gerade keine Sets. Wenn du dann im Wasser bist oder auf dem Jetski sitzt, und die ganze Zeit voll fokussiert bleibst, dann laugst du dich aus. Du brauchst eine mentale Routine, mit der du wieder aufladen kannst.

Gab es Sportler, die im Training nicht sonderlich gut waren, aber dann im Contest richtig aufgedreht haben? Vielleicht weil sie einfach konstant waren und die anderen nachgelassen haben?

Da kommen mir zwei Leute in den Kopf, eine ist die Skirennfahrerin Julia Mancuso. Sie konnte Olympia-Medaillen gewinnen, aber keine nationale Meisterschaft. Sie wuchs mit ihren Aufgaben. Und dann glaube ich, es gibt nur wenige, die den Wettbewerb so mögen wie Kai. Er liebt es, sich zu messen. Er versucht, das zu trainieren, auf den Punkt seine Leistung bringen zu können. Wenn ich es danach beurteile, wer am härtesten gearbeitet hat oder so, dann ist das nicht wirklich fair, weil am Ende des Tages zählt nur das Ergebnis. Mir ist egal, wie du trainierst. Wenn es das ist, was für dich am besten ist, dann muss ich das respektieren und das unterstützen.

Aber es hört sich so an, dass du das eher mit einem mentalen Ansatz verbindest als mit einer physischen Verbesserung, durch Training oder Ernährung.

Ja, zu 100 Prozent! Wenn du das Verlangen hast und die Zähigkeit, auch mal eine Durststrecke durchzustehen, dann kannst du in deinen älteren Jahren auch noch den großen Durchbruch haben. Manchmal müssen meine Sportler einfach Dinge ändern, sich mit anderen Leuten zusammentun, eine neue Freundin oder einen neuen Freund suchen, einen neuen Sponsor suchen, irgendwas, was das Feuer wieder anfacht. Jemanden, der an sie glaubt oder sie motiviert. Sie haben nur einfach nicht die richtigen Knöpfe gedrückt, und dann waren sie frustriert.

Dann sage ich: Ändere deine Denkmuster, nimm einen anderen Blickwinkel ein. Was willst du ändern? Wenn du so weitermachst wie bisher, wirst du auch das Gleiche bekommen wie bisher. Und ich glaube, dass die Sportler-Laufbahnen durch Wissenschaft, Ernährungslehre und besseres Management deutlich länger geworden sind. Wenn du auf das Leben eines professionellen Sportlers schaust, dann war es vor 40 Jahren noch so, dass die Leute mit 25 aufgehört haben. Da hat die Erfahrung ja noch gar nicht angefangen. Ein Sportler-leben geht jetzt bis in die 40er hinein!

Warum ist die MPG immer kleiner geworden, liegt das nur am wirtschaftlichen Umfeld oder auch daran, dass das, was du tust, vor 20 Jahren revolutionär war, inzwischen aber viel verbreiteter ist?

Es war damals eine Zeit, als die Situation in der Branche einen großen Einfluss hatte. Es gab ein Konglomerat, das auf den Plan kam und sieben große Marken aufkaufte (Jacobs, Anm. d. Red.). Alle Gehälter wurden reduziert, die Fahrer hatten nicht mehr das Geld und die Unterstützung wie vorher und konnten das nicht mehr machen. Ich musste dann einen Weg finden, um auch mein Geld zu verdienen, mit weniger Mitteln und weniger Fahrern.

Ich musste ja auch eine Familie ernähren, ich hatte damals finanzielle Verpflichtungen, die ich eingegangen war, um MPG möglich zu machen. Wir hatten ein großes Haus am Strand, alle wohnten in der Nähe, und das muss man sich auch leisten können. Aber wie du siehst, es ist alles noch da und ich habe immer noch Sportler von überall hier bei mir: Das ist immer noch meine Leidenschaft, ich liebe das Coaching! Sebastian Vettel hat schon mit mir trainiert, er kam vor ein paar Jahren, als er bei Red Bull war. Wir haben viele Wanderungen und Läufe gemacht, das war eine großartige Zeit. Er ist ein großartiger Typ mit einem tollen Sinn für Humor.

Hast du bei allen Weltmeistern einen gemeinsamen Nenner festgestellt? Über alle Disziplinen, ob es nun Vettel ist oder Skifahrer oder Windsurfer, eine Gemeinsamkeit, die alle Champions haben?

Einen unersättlichen Hunger. Sie lieben einfach das, was sie tun! Ob es nun ist, schnell Auto zu fahren, auf dem Footballfeld zu stehen oder einen Bottom Turn, den sonst keiner macht, einen superschnellen Slalom-start. Diese Leidenschaft inspiriert sie, die motivieren sich selbst!

Du hast Skifahrer, Tennisspieler, NFL- und NBA-Stars trainiert. Wo stehen da Windsurfer in Sachen Fitness, soweit man das messen kann?

Jeder Sport hat seine speziellen Anforderungen. Im Slalom muss man nicht unbedingt einen Spagat können. Wenn du beim Spin­out aus der Schlaufe rutschst, dann hilf das bestimmt, aber es ist nicht notwendig. Beim Big-Wave-Tow-in-Surfen brauchst du Schnellkraft, um die G-Kräfte im Bottom Turn auszugleichen. Rennfahrer brauchen Stabilität und Körperspannung. Wenn du dir die Physis dieser Typen anschaust, die sehen nicht wie Kraftsportler aus, die haben keine Muskelberge, sondern eher einen Körper wie Polakow – etwas kümmerliche Beine, aber drahtig.

Jeder hat seine Bedürfnisse, deswegen vergleiche ich nicht. Wenn man ein glücklicher Mensch ist, dann wird daraus eine großartige Grundlage. Wenn du nicht glücklich bist, dann wird es sehr schwierig! Und der Surfer, der auch im Regen sein Glück findet und bei drei Meter hohem Shorebreak rausgeht, der wird im Leben weit kommen. Du musst nur den Blickwinkel ändern.

Was ist dein bester Fitness-Tipp für einen Hobby-Windsurfer mit Schreibtisch-Job?

Du musst Kraft im Unterarm haben! Denn Unterarm-Power ist das, was den Spaß ausmacht. Wenn man aus der Halse kommt, nicht am Gleiten, du musst pumpen, oder wenn du ein bisschen überpowert bist. Die Unterarme sind meistens das Erste, was müde wird. Wenn du nur am Wochenende rausgehst, wirst du nicht so viel Spaß haben können, wenn sie keine Energie mehr haben. Vielleicht hast du nicht das richtige Segel, es ist zu groß oder zu klein, du willst nicht reinkommen, weil du nicht so viel Zeit hast, also musst du die Muskeln spielen lassen, und da brauchst du in erster Linie Kraft in den Unterarmen!


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