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Schon seit meinen Anfängen in der Windsurfindustrie als F2 Brandmanager und dann, als ich 1997 mit Jason Polakow JP gegründet und 20 Jahre gemanagt habe, ist es mir immer wieder durch den Kopf gegangen, dass es eigentlich traurig ist, wie viele Windsurfer diesen fantastischen Sport schon seit vielen Jahren zwar voller Begeisterung und Enthusiasmus ausüben – aber dadurch, dass ihnen die Halse nicht richtig gelingt, können sie den Sport eigentlich nicht im vollen Ausmaß genießen. Dabei beginnt der echte Fun am Windsurfen doch erst mit der durchgeglittenen Halse. Ich habe es immer erstaunlich gefunden und diese Windsurfer dafür bewundert, dass sie so lange durchhalten. Wer würde zum Beispiel jahrelang snowboarden oder skifahren, wenn er bei jedem zweiten Schwung stürzt oder sich nur irgendwie um die Ecke quält?
Als Brandmanager habe ich versucht, diesen Windsurfern Boards anzubieten, die das Halsen beziehungsweise das Erlernen der Halse so einfach wie möglich machen. Wir haben bei F2 mit der Xantos Linie Boards angeboten, die mehr an Komfort als an Leistung orientiert waren. Auch die X-Cite Ride und die Magic Ride Serien waren genau für diese Kundengruppe gedacht, die in erster Linie Spaß haben und einfach halsen wollen – und denen Maximalgeschwindigkeit nicht ganz so wichtig ist. Nachdem sowohl F2 als auch JP jeweils als sehr sportliche Marken konzipiert waren, bedurfte es guter Argumente, um die Vertriebsleute für diese Boards zu begeistern. Wir mussten auch bei den Magazinen erst ein Bewusstsein dafür wecken, dass bei den Boardtests nicht nur die Höchstgeschwindigkeit und die Eignung für eine Race oder Powerjibe, sondern auch für eine Easyjibe für viele Windsurfer wichtig sein kann. Die Boardlinien waren jedenfalls ein Riesenerfolg und Bestseller im jeweiligen Produktprogramm.
Die Powerhalse ist immer noch das Schlüsselmanöver
Nachdem ich aus der Windsurfindustrie ausgestiegen bin, hatte ich aufgrund meiner vielen Reisen noch mehr die Gelegenheit, in vielen Windsurfstationen die Leute zu beobachten und mir ist wieder bewusst geworden, dass dieses Thema so aktuell wie vor 30 Jahren ist. Als mich dann mein alter Freund und vormaliger Kunde Jürgen Niens vom Pro Center in Rhodos angesprochen hat, ob ich nicht einmal ein Halsen-Seminar machen möchte, kam dieser Gedanke wieder, den ich gleich bei meinem Ausstieg hatte: Dass ich mit so einem Camp dem Windsurfen, das mir so viel gegeben hat, was zurückgeben könnte.
Was muss ein Halsenkurs beinhalten, damit das Ergebnis stimmt?
Nun musste ich mich konkret damit auseinandersetzen, was man denn anders als bei herkömmlichen Halsenkursen machen könnte, um das Erlernen der Halse zu erleichtern. Mir war klar, dass es neue Ansätze braucht, um schnellere Erfolge zu erzielen:
- einen neuartigen Halsen-Simulator für den Strand
- Videoanleitungen, in denen die Halse in kleine Schritte zerlegt wird
- ein Mentaltraining, bei dem man sich den Bewegungsablauf der Halse mit allen Einzelschritten geistig vorstellt
- optimierte Videoanalyse unter Einsatz einer Drohne
- Funkgeräte, mit denen man am Wasser Einzelschulung machen kann
- einen Mini-Windsurf-Simulator, mit dem man am Schreibtisch die Halse erklären kann
Wie muss der perfekte Halsen-Simulator ausschauen?
Zuerst habe ich mich mit einem Halsen-Simulator beschäftigt, der es ermöglichen sollte, am Strand die wichtigsten Schritte der Halse zu üben, ohne gleich bei jedem Fehler im Wasser zu landen. Im Gegensatz zu bisher verwendeten Simulatoren, die größtenteils sehr in die Jahre gekommen sind, sollte diese neue Variante vor allem auch das Aufkanten des Boards ermöglichen. Ich habe mir nächtelang Gedanken gemacht, wie so ein Ding funktionieren könnte, und drei Prototypen gebaut, bei denen ich jeweils die Geometrie weiterentwickelt habe. Diese Prototypen wurden mit einem Tunnellüfter der Feuerwehr getestet, mit Prototyp drei war ich dann zufrieden.
Parallel dazu habe ich bestehende Halsen-Schulungsvideos neu geschnitten und in einzelne Schritte zerlegt und habe darauf aufbauend ein Mentaltraining entwickelt, bei dem man sich beim Trockentraining den Ablauf der Halse mit geschlossenen Augen genau vorstellt und damit die einzelnen Schritte verinnerlicht.
Dann entwickelte ich mit einer 3D-Drucker-Firma einen Mini-Simulator. Mit diesem einzigartigen Hilfsmittel kann man genau vorzeigen, wie die Riggsteuerung und die Kantenbelastung funktioniert – und kann auch alle anderen physikalischen Dinge rund ums Windsurfen gut begreiflich machen. Natürlich kann man damit auch den Ablauf der Halse gut simulieren.
Außerdem besorgte ich mir wasserfeste Funkgeräte von BbTalkin und habe sie dann ausgiebig in der Praxis getestet. Ich bin zertifizierter Drohnenpilot und habe viele Stunden Erfahrung im Filmen von Windsurfern und Schneiden von Videos.
Ich brauchte nur noch ein Hotel mit einem modernen Meetingraum nahe am Wasser und einen entsprechenden Reiseveranstalter. Mit dem Blue Horizon Hotel in Rhodos und der Surf & Action Company fand ich dafür die perfekten Partner. Nachdem mir Jürgen Niens vorschlug, solche Camps zu machen, war es natürlich klar, dass ich es in seinem Pro Center machen werde.
Das Halsencamp mit Martin Brandner auf Rhodos
Da muss ich erst einmal vorausschicken, dass über allem mein Ziel steht, dass die Teilnehmer durch die Fortschritte, die sie im Camp machen, einfach noch mehr Spaß am Windsurfen haben sollen. Sie bleiben dadurch hoffentlich dem Windsurfen treu und werden durch ihre Begeisterung eventuell sogar zu Botschaftern des Windsurfens, die andere mit ihrem Enthusiasmus anstecken.
Am Ankunftstag gab es am Abend einen Welcome-Drink auf dem Balkon des Meetingraumes im Blue Horizon, von dem man das Meer und das Pro Center sehen kann. Schon da war klar, dass es eine richtig nette Woche werden wird, da sich alle Teilnehmer sehr gut verstanden haben und man gleich eine gute Gruppendynamik spürte. Der erste Tag begann mit einer Vorstellungsrunde und einem ersten Theorieteil, in dem wir nach etwas Materialkunde die Grundvoraussetzungen fürs schnelle Erlernen der Halse besprochen haben.
Zu Beginn gab es Materialcheck und Video-Training
Nach einem Materialcheck, bei dem alles entsprechend getrimmt wurde, ging es zum Einsurfen – und ich konnte mir einen Eindruck vom Fahrkönnen der Gruppe machen. Im Anschluss ging es zurück in den Meetingraum, wo wir mein spezielles Video anschauten, in dem die Halse in 18 Schritte zerlegt ist.
Dieses Video wurde dann auch dazu genutzt, die Halse in einer Art Trockentraining vom Bewegungsablauf her zu üben – und dann im Weiteren auch für ein Mentaltraining, bei dem die Halse mit geschlossenen Augen im Trockenen geübt wird, um die Bewegungsabläufe zu verinnerlichen.
Danach ging es dann wieder aufs Wasser und es wurden alle beim Halsen mit der Drohne oder vom Land her gefilmt. In Kleingruppen gab es später eine erste Analyse der Aufnahmen.
Halsen-Simulator, Mentaltraining, Meeting, Video-Check...
Am zweiten Tag ging es in kleinen Gruppen zum Halsen-Simulator, um das im Schulungsvideo Gesehene und beim Mentaltraining Geübte umzusetzen und zu vergeistigen. Mit dem Halsen-Simulator werden alle einzelnen Schritte von der Einleitung inklusive Riggsteuerung und Kantenbelastung über den Fußwechsel, das Segelschiften, wieder Dichtholen und Fahrt aufnehmen geübt.
Das ging die ganze Woche so weiter. Immer wieder Halsen-Videos anschauen, Trocken und Mentaltraining im Meetingraum, Simulatortraining, Videoaufnahmen und Analyse.
Dazwischen gab es dann Videos mit den häufigsten Fehlern beim Halsen, und wir besprachen im Detail, wie man diese Fehler am einfachsten vermeidet oder behebt. Hier gab es für die meisten Teilnehmer ein Aha-Erlebnis, da es eigentlich immer wieder die gleichen Fehler sind, die man beim Erlernen der Halse macht.
Für interessierte Teilnehmer gab es Einzeltraining
Für einige Teilnehmer, die Interesse hatten, gab es auch Einzeltrainings, bei denen ich mit den Leuten auf dem Wasser über Funk verbunden war. Das kam sehr gut an und hilft vor allem, wenn es darum geht, das Timing bei der Halse zu optimieren – und ist immer wieder ein ganz spezielles Erlebnis, da man auf dem Wasser nicht brüllen muss, sondern beim Surfen ganz normal miteinander reden kann.
Zwischendurch haben wir auf dem Simulator auch die richtige Position fürs Speedsurfen geübt. Viele Teilnehmer meinen oft, es ginge ihnen nicht unbedingt darum, superschnell zu sein – Hauptsache, es mache ihnen Spaß. Ich vertrete da eher die Meinung, dass, wenn man gut angepowert, aber nicht überpowert ist, die beste und schnellste Körper- und Riggposition gleichzeitig auch die entspannteste und komfortabelste ist.
Während der Woche bekamen alle Teilnehmer die Schulungsvideos und ihre persönlichen Videos auf einem USB-Stick, um ihre eigene Videoanalyse vorm Einschlafen machen zu können.
Auch Muskeltraining stand auf dem Programm
Zusätzlich gab es noch ein Core-Fitness-Training. Hier zeigte ich den Teilnehmern spezielle Bauch- und Rumpfmuskelübungen, die fürs Windsurfen wichtig sind und Rückenproblemen, die ja unter Windsurfern sehr verbreitet sind, vorbeugen sollen. Außerdem machte ich eine Trainingseinheit für die beim Windsurfen wichtige Bein- und Oberkörpermuskulatur und eine ausgiebige Stretching- Einheit. Diese Übungen zeigten, wie man durch bessere Fitness und Flexibilität noch deutlich mehr Spaß am Windsurfen haben kann – und wie man möglichen Verletzungen oder Problemen vorbeugt.
Es wurde also am Camp bestimmt niemandem langweilig, da das Programm recht straff war. Natürlich gab es, wie es sich nach einem guten Surftag auch gehört, öfter mal (oder eigentlich immer) zum legendären Rhodos-Sonnenuntergang ein Bier am Strand. Abends aßen wir alle gemeinsam in typisch griechischer Atmosphäre. Beim Sundowner und beim Essen habe ich dann die eine oder andere Anekdote aus meinen fast 30 Jahren in der Windsurfbranche erzählt.
Das ganze Camp wurde fotografisch von einer jungen Fotografin festgehalten. Am letzten Abend gab es dann ein Best-of der Windsurf-Videos von allen Teilnehmern und eine Bildershow mit den besten Shots der Woche. Da wurde klar, dass alle gute Fortschritte gemacht haben und viel Spaß hatten.
Mit dem Abschiedsessen ging eine richtig coole Woche zu Ende. Obwohl die Teilnehmer aus den verschiedensten Berufs- und Altersgruppen kamen, gab es ein tolles Gruppenfeeling, und wir sind bis zum heutigen Tag alle über eine Whatsapp-Gruppe verbunden. Für mich wurde durch dieses Camp wieder eindrucksvoll klar, was für ein spezieller Menschenschlag die Windsurfer doch sind, da man einfach ein sehr hohes Durchhaltevermögen und eine große Liebe zum Sport braucht, um ihn zu erlernen – das verbindet. Letzten Endes sind wir dann doch alle irgendwie ähnliche Typen.
Ein sattes Paket für die Schüler
Die Teilnehmer bekamen alle Schulungsvideos, ihre Videoaufnahmen und Fotos, die während des Camps gemacht wurden, und Videos von den Fitness- und Streching-Einheiten auf ihren USP-Stick.
Jeder Profi-Wellenreiter ist stets auf der Suche nach der perfekten Welle. Jeder noch so gute Skifahrer oder Snowboarder ist immer auf der Suche nach dem perfekten Schwung. Nachdem beim Windsurfen kein Revier wie das andere ist, und kein Tag – selbst im selben Revier – wie der davor, sind viele Windsurfer stets auf der Suche nach der perfekten Halse in allen Bedingungen – und man lernt jeden Tag wieder was dazu. Daher wird Windsurfen auch nach vielen Jahren niemals langweilig.
Termine für das Halsencamp 2023
Für 2023 habe ich momentan zwei Camps im Pro Center auf Rhodos geplant (4.-11.6. und 3.-10.9.) und es laufen gerade Gespräche für zwei bis drei weitere Camps zwischen Herbst 2023 und Frühjahr 2024 in dafür geeigneten Destinationen. Alle Infos und Termine dafür findet man, sobald sie fixiert sind, bei Surf & Action.
Das sagen die Teilnehmer:
“Mir hat die Trockenübung mit dem ständigen Wiederholen der einzelnen Schritte und ihr zeitlicher Ablauf sehr geholfen. Jetzt habe ich alle Werkzeuge und kann weiter üben, üben, üben.” Matthias Köhne
“Ich war in den letzten Jahren wenig auf dem Wasser. Deshalb hat mir die schrittweise Betrachtung der Halse mit Lehrvideos sehr geholfen.” Thomas Zaug
“Wir hatten auch nach den Lerneinheiten viel Spaß und verbrachten die Abende immer gemeinsam.” Michael Bertignol
“Der Unterschied zu allen anderen Camps war, dass Martin sich wirklich akribisch um jeden Teilnehmer gekümmert hat. Er ist gezielt auf die Probleme von jedem Einzelnen eingegangen.” Achim Leppla
“Die Videoaufnahmen mit der Drohne und die Analysen danach haben es richtig gebracht. Die Abläufe wurden endlich verständlicher und natürlicher.” Markus Gilhofer
“Obwohl ich bereits seit 1984 surfe, ist das Thema Powerhalse eine never-ending Story. Der Mix aus Theorie, das Filmen mit der Drohne und sein Simulator haben dazu geführt, dass ich doch einige Halsen im Gleiten gestanden habe.” Uwe Meyer