“Das hab ich auch mal gemacht!“ Gefühlt hat fast jeder irgendwann mal gewindsurft, sehr viele haben aufgehört. Aber Wassersport boomt und bei vielen wächst die Lust, das Windsurfen mal wieder zu versuchen. Ein Blick aufs aktuelle Material macht aber dann schnell klar: Nichts ist mehr so wie früher! Wo es früher ein Modell für alles gab, gibt es heute Brett- und Segeltypen für unterschiedlichste Einsatzbereiche und Disziplinen – das kann verwirren.
Wir erklären, was Wiedereinsteiger beim Windsurf-Material beachten sollten und mit welchen Boards und Segeln der Neuanfang gelingt. Außerdem haben wir zwei erfahrene Designer nach den markantesten Änderungen der letzten 20 Jahre gefragt – den Segeldesigner von NeilPryde, Robert Stroj, und den JP-Boarddesigner Werner Gnigler.
Das richtige Board für den Wiedereinstieg
Heute gibt’s alleine im Flachwasserbereich diverse Brettklassen – das erhöht die Chance, das perfekte Brett für die eigenen Ansprüche zu finden, aber auch die Fehlkaufgefahr.
Sehr gut geeignete Brettklassen für den Wiedereinstieg ins Windsurfen sind WindSUPs bzw. Longboards. Mit Längen von 250 bis 360 Zentimeter und Volumina zwischen 150 und 300 Litern sind WindSUPs auf entspanntes Cruisen bei Leichtwind bis hin zu ersten Gleiterfahrungen optimiert und bieten nebenbei den Doppelnutzen zum Stand-up-Paddeln (SUP). Auch als Familienboard eignet sich diese Brettklasse ideal. Aufblasbare Konzepte können die Packmaße auf ein Minimum reduzieren. Wer mit seinem SUP-Brett Windsurfen möchte, muss darauf achten, dass das Board ein Gewinde für den Mastfuß und nach Möglichkeit eine Mittelfinne oder ein Schwert als Abdrifthemmer besitzt.
Wer seinen Schwerpunkt eher im Gleitsurfen setzt, für den dürfte die Brettklasse Freeride relevant sein. Freerideboards gibt’s in Größen von 100 bis 170 Litern, diese vereinen müheloses Angleiten mit einfacher Kontrolle und guten Manövereigenschaften. Ein breiter Centerbereich und multiple Schlaufenoptionen verleihen Freeridern einen großen Einsatzbereich von ersten Gleitversuchen, bis hin zu flotten Speedruns, Powerhalsen und sogar ersten Sprüngen.
Windsurf-Material der Kategorie Freemove bzw. Freestyle-Wave unterscheiden sich von Freerideboards insofern, dass sie ein schmaleres Heck, kürzere Finnen und mehr Aufbiegung haben. Dadurch drehen sie bei Gleitmanövern wie Powerhalsen, Carving-360ern oder Wellenritten enger, sind jedoch auch anspruchsvoller zu fahren und gleiten später an. Für den Einsatz bei Leichtwind sind sie, nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe mit nur 85-125 Litern Volumen, kaum geeignet.
Verlockend ist für viele Neueinsteiger oft die Brettgruppe Freerace oder Slalom – das Versprechen auf höchsten Top-Speed fasziniert. Um diesen auch ausreizen zu können, ist allerdings ein hohes Fahrkönnen mit sicherem Schlaufensurfen in weit außen liegenden Positionen und eine entsprechende Motorisierung mit einem leistungsstarken Cambersegel nötig.
Segelguide für Wiedereinsteiger
Auch die Segelpaletten der Hersteller haben sich über die Jahre immer weiter spezialisiert. Die am weitesten verbreitete Segelgruppe Wave sollte dich als Wiedereinsteiger nicht abschrecken. In Größen unter 5,0 qm wird im Prinzip nichts anderes angeboten als Wavesegel. Diese werden ausnahmslos auf dünnen RDM-Masten aufgebaut und bieten, neben der zu erwartenden Brandungstauglichkeit, auch weniger geübten Windsurfern genügend Kontrolle, ein leichtes Manöverhandling und moderate Trimmkräfte. Sie zeichnen sich aus durch ein eher flaches Profil, welches von nur vier bis fünf Segellatten stabilisiert wird.
Im Bereich zwischen fünf und sieben Quadratmetern hat man dann mehr Auswahl. Segel der Kategorie Freemove bieten im Vergleich zu Wavesegeln hier oft noch etwas mehr Profiltiefe. In Verbindung mit etwas längeren Gabelbaummaßen ergibt sich eine verbesserte Gleitleistung und ein ausbalancierteres Fahrverhalten - Eigenschaften, die auf Flachwasser immer von Vorteil sind.
Segel der Kategorie Freeride decken Segelgrößen von 5,5 bis 8 qm ab und gehen im Vergleich zu Freemovesegeln sogar noch einen Schritt weiter: Ein tieferes Profil mit längerer Gabel und mehr Latten sorgen für Gleitpower und Kontrolle auf Flachwasser.
Vorsicht geboten ist für Auf- und Wiedereinsteiger bei Windsurf-Material der Kategorien Freerace und vor allem Race. Diese sind in Größen von fünf bis zehn Quadratmetern auf dem Markt und werden auf Top-Speed und Kontrolle im Grenzbereich optimiert. Erreicht wird dies über die Verwendung von dickeren Masten (SDM) und starren Profilverläufen, die durch den Einsatz von „Cambern“ – das sind Kunststoffspangen, welche die Segellatten in der Masttasche am Mast abstützen – erreicht werden. Um das Leistungspotenzial auszureizen, ist allerdings ein hohes Fahrkönnen nötig, will heißen: Sicheres Gleiten und Speedfahren auf sportlichen Freerace- oder Slalomboards und sicheres Wasserstarten. Der Preis für mehr Speed: Höhere Trimmkräfte beim Riggen, ein schlechteres Handling in Manövern und vor allem beim Wasserstarten, da die breiten Masttaschen viel Wasser aufnehmen. Last but not least, sind Segel der Kategorien Freerace und Race meist deutlich teurer als typische Freeridesegel.
Das sollte man über modernes Windsurf-Material wissen:
So hat sich das Windsurf-Material verändert
Früher war alles besser und angebliche Neuentwicklungen sind nur Marketing-Gags? Segeldesigner Robert Stroij und Shape-Legende Werner Gnigler erklären im Interview, warum modernes Windsurf-Material mehr Spaß macht und einfacher zu fahren ist!
Robert, was waren in den letzten 20 Jahren die entscheidenden Innovationen beim Segeldesign?
Ein Meilenstein war sicherlich der Wechsel auf die Masten mit reduziertem Durchmesser (RDM). Die Idee war damals, die Bruchfestigkeit zu erhöhen, aber es war schnell klar, dass es viele positive „Nebeneffekte“ gab: Leichteres Riggen, besseres Greifen, mehr Fahrkomfort. Heute ist es so, dass im Prinzip alle Segel, die noch auf einen 430er Mast passen, für reduzierte Durchmesser designt werden. Erst ab einer Mastlänge von 4,60 Meter gibt’s den Wechsel auf die Masten mit Standard-Durchmesser (SDM).
Wie haben sich Freeridesegel bezüglich ihrer Maße und Profile im besagten Zeitraum verändert?
Früher gab’s, grob gesagt, längere Mast längen und die hintere Seite des Segels, das Achterliek, war noch straffer gespannt. Aus dem Racingbereich hat sich dann der Trend durchgesetzt, Segel mit mehr Twist zu bauen, weil diese dann in Böen den überschüssigen Druck besser ablassen können. Das verbessert Kontrolle und Handling im Vergleich zu alten Segeln enorm.
Werner, auch bei Boards hat sich viel verändert. Was muss man beachten, wenn man wieder ins Windsurfen einsteigt?
Vor 15 bis 20 Jahren ging es für uns noch darum, die Eckdaten zu definieren – Länge, Breite, Volumen. Schnell waren die Bretter auch damals schon. Heute wird den Details viel mehr Beachtung geschenkt: Es gibt bei jedem Bretttyp Schlaufenpositionen für jedes Fahrkönnen, ausgefeilte Deckshapes, um entspannter stehen zu können und natürlich wurden die Maße extrem überarbeitet. Freerideboards z.B. sind heute viel kürzer und breiter als früher.
Warum wurden damals die Brettlängen derart eingekürzt?
Früher hatten die Segel noch deutlich mehr Querkräfte, dadurch brauchte man längere Boards – also eine lange Kante im Wasser, um gut ins Gleiten zu kommen. Moderne Segel bieten spürbar mehr Vortrieb, daher geht’s auch mit kürzeren Boards.
Trotzdem, kurze Bretter liegen nicht jedem, schließlich muss man auch seine Fahrtechnik gehörig umstellen...
Es gab sicher eine Zeit, da wurde der Trend zu kürzeren Boards von der Industrie etwas übertrieben – wie so oft bei Trends der Fall. Man hat dann aber festgestellt, dass zu kurze Boards Probleme beim passiven Angleiten und der Richtungsstabilität mit sich bringen, vor allem, wenn man eher passiv an Deck steht und nicht anpumpt. Aus diesem Grund sind wir seit einigen Jahren wieder einen Schritt zurück und haben, denke ich, jetzt ein gutes Mittelmaß gefunden aus leichtem Angleiten und den Vorteilen von kompakten Shapes.
Welche sind das deiner Meinung nach?
Moderne Freerider sind in der Mitte recht breit und liegen damit stabil im Wasser. Aufgrund der Breite kann man etwas längere Finnen fahren als früher, das verbessert z.B. das Durchgleiten in Windlöchern. Und natürlich wirkt ein kompaktes Brett im Gleiten agiler, leichter und schlägt weniger im Chop. In Manövern profitiert man ebenfalls von der Breite in Form von besserer Kippstabilität. Ich kenne selbst viele Wiedereinsteiger, die sich nach langer Pause draufstellen und losfahren, als hätten sie nie aufgehört. Windsurfen war nie intuitiver als heute!
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