Um die Bedienung aller gängigen Karibik-Klischees kommt man bei einer Reise nach Guadeloupe nicht herum – Palmenstrände, Rum und Wasserfarben, die man sonst nur von Fototapeten kennt, verleiten zum Träumen. Wenn man dann noch weiß, dass der Passat hier an bis zu 80 Prozent aller Tage weiße Schaumkrönchen aufs Wasser zaubert und man, um hierher zu reisen, Euroland nicht verlassen muss, beginnt man sich allmählich zu fragen, warum man nicht schon viel früher eine Reise hierher ins Auge gefasst hat.
So geht es auch mir, als ich nach achtstündigem Direktflug von Paris, ohne irgendwelche Grenzen zu passieren, Visums zu beantragen oder Geld zu wechseln in der französischen Kolonie lande. Camille Juban, der wohl bekannteste Windsurfer der Insel, Local und Worldcup-Kollege, empfängt mich mit einem breiten Grinsen und berichtet aufgeregt von einem heranrollenden Nordswell, der in den nächsten Tagen auf die Insel treffen soll. Wir fahren mit seinem klapprigen Jeep auf engen Straßen durch die kleinen Dörfer entlang der Küste, Bob Marley Beats dröhnen in voller Lautstärke aus den Radioboxen, und die letzten Sonnenstrahlen hüllen die Landschaft in ein goldenes Licht. Menschen sitzen in kleinen Gruppen vor ihren Häusern, Kinder spielen auf der Straße und herumstreunende Hunde suchen nach etwas Essbarem.
Die Uhren ticken hier definitiv etwas langsamer und Stress scheint für viele der knapp 400.000 Einwohner ein Fremdwort zu sein. Aber ich bin nicht hier, um – wie an der touristisch stark geprägten Südküste Guadeloupes durchaus üblich – als Pauschaltourist am Strand abzuhängen, sondern will als Reisender Neuland entdecken, den karibischen Flair wie ein Schwamm aufsaugen und vor allem viel Zeit auf dem Wasser verbringen – und zwar mit meinem Windsurfboard unter den Füßen.
In den darauffolgenden Tagen cruisen wir die Küsten auf und ab und entdecken dabei atemberaubende Sandstrände, tropischen Regenwald, perfekte Flachwasser-Lagunen, beeindruckende Wellen und vor allem viel Wind. Die beste Zeit für einen Ausflug auf dieses französische Fleckchen Erde ist für uns Windsurfer zwischen November und Mai, wenn die Passatwinde in dieser Region am konstantesten blasen. Auch wenn Guadeloupe, wie fast alle Karibik-Reviere, nicht zu den absoluten Starkwindrevieren gehört, kann man hier zur richtigen Jahreszeit an etwa 80 Prozent der Tage mit mehr als vier Windstärken rechnen.
Guadeloupe besteht aus zwei Hauptinseln, namens „Grande-Terre“ und „Basse-Terre“, die durch eine Brücke verbunden sind. Die Umrisse von Guadeloupe ähneln so einem gigantischen Schmetterling, weshalb sie auch „L’ile Pappillon“, Schmetterlingsinsel, genannt wird.
Auf einer Fläche von 588 Quadratkilometern besteht Grand-Terre aus niedrigen Hügeln, auf denen hauptsächlich Zuckerrohr angebaut wird, der Rohstoff für das wichtigste Exportgut der Insel: Rum. Wobei ein beträchtlicher Anteil des hergestellten Rums vermutlich im Lande bleibt und den Einwohnern fast schon als Grundnahrungsmittel zu dienen scheint, da er in Massen und zu beinahe jeder Gelegenheit getrunken wird.
Der westliche Teil Guadeloupes, Basse-Terre, ist zerklüftet, besteht aus dichtem Regenwald und wird vom bis zu 1470 Meter hohen Vulkanmassiv „La Soufrière“ durchzogen. Hier gibt es unzählige sehenswerte Plätze – die heißen Quellen, die Carbet- Wasserfälle und zahlreiche Wandertouren lassen die Herzen jedes Abenteuer-Urlaubers höherschlagen.
„Gwada“, wie die Locals ihre Insel liebevoll nennen, besticht deshalb nicht nur durch seine Windsurf-, SUP- oder Wellenreitmöglichkeiten, sondern vor allem aufgrund seiner Alternativen für die nichtsurfende Begleitung.
Und auch wenn Guadeloupe mit seinen Fünf-Sterne-Resorts und luxuriösen Appartement-Anlagen auf den ersten Blick etwas elitär wirkt, gibt es hier doch auch günstigere und oft nicht minder traumhafte Alternativen.
Anreise & Materialmitnahme:
Mit Air France, Corsair oder Air Caraibe gibt es fast täglich Flüge nach Pointe-a-Pitre. Ab Paris kann man Tickets ab 500 Euro finden. Von Deutschland gibt es Verbindungsflüge nach Paris, wodurch der Ticketpreis unterm Strich bei etwa 800-1200 Euro liegt. An den Hauptspots wie St. Anne kann man Material ausleihen, perfekt ausgestattete, große Center wie in Europa sollte man aber nicht erwarten. Wer vor Ort mobil sein will und Ausflüge an die verstreut liegenden Wavespots plant, braucht eigenes Material. Die Airlines berechnen für den Materialtransport auf „Inlandsflügen“ ab Paris 55 Euro/Strecke, allerdings für maximal 23 Kilo pro Bag.
Wind, Wetter & Neopren-Empfehlung:
Das Klima auf Guadeloupe ist ganzjährig tropisch heiß. Die Temperaturen ändern sich im Jahresverlauf kaum und schwanken zwischen durchschnittlich 31 Grad (Juli/August) und 28 Grad in den Wintermonaten. Der für Windsurfer interessante Winter ist aufgrund der konstanten Passatwinde gut erträglich, dass das Wasser dann „nur“ etwa 25 Grad hat, kann man verschmerzen. Man surft hier also in der Regel in Boardshorts, mehr als ein Shorty muss nicht ins Gepäck. Wichtig sind für Wassersportler vor allem Lycra und guter Sonnenschutz. Wer an den Wavespots raus will, sollte Schuhe im Gepäck haben, die Riffe sind scharf und auch Seeigel muss man oft nicht mit der Lupe suchen. Guadeloupe gilt prinzipiell als Ganzjahresziel, zwischen Mai und Oktober wird es jedoch zunehmend heißer, feuchter und das Windsystem setzt öfter mal aus. Zwischen August und Ende Oktober ziehen zudem immer wieder Hurricans über die Region. Der Nordostpassat weht im Winter extrem konstant an durchschnittlich 80 Prozent der Tage über vier Bft. Die Windstärke bleibt in der Regel moderat zwischen zwölf und 25 Knoten, ein Revier für kleine Segel ist Guadeloupe nicht. Wer die Wavespots schlitzen will, sollte also genügend Volumen und mindestens ein 5,3er-Segel im Gepäck haben.
Wellen:
Wellen-Spezialisten kommen vor allem bei nördlichen Swells auf ihre Kosten, die in den Wintermonaten von Stürmen im Nordatlantik produziert werden. Bei ausbleibendem Swell bringt der konstante Passat aber fast immer ein paar Windwellen aus östlichen Richtungen mit, die an den Riffen der Südküste surfbar brechen und Guadeloupe zu einer der besten Wavedestinationen der Karibik machen. Präzise Swellvorhersagen bietet
www.magicseaweed.com
Unterkunft & Mietwagen:
Guadeloupe ist kein Schnäppchen, mit etwas Muße findet man auf Plattformen wie airbnb.de aber Appartments und Zimmer in allen Preisklassen. Am besten quartiert man sich im nordöstlichen Teil auf Grand-Terre, zwischen Le Moule, St. François und St. Anne ein, da sich die besten Windsurfspots hier in unmittelbarer Nähe befinden.
Local-Tipps fürs Wohnen in Spotnähe:
St. Anne: www.malueva.net
St. François: www.villa-location-guadeloupe.com & www.sunsetsurfcamp.com
Gut zu wissen:
Moskitos sind ein Thema. Ein Netz über dem Bett und Mückensprays sind gut investiertes Geld, auch aufgrund einzelner Fälle des Zika-Virus. Malaria-Prophylaxe ist hingegen nicht notwendig. Scharfe Riffe und manchmal auch Seeigel können den Spaß trüben, Stachel unbedingt sofort entfernen, sonst drohen Entzündungen!
Shops:
Wer die Wavespots der Insel surfen will, sollte UV-härtendes Boardrepair etc. im Gepäck haben, im Notfall bekommt man aber Ersatz in:
Sainte Anne:
Windy Sails: Facebook: „Windy Sails Voilerie“
Looka Surf: www.lookasurf.pagesperso-orange.fr/
Paul Thong Boardrepair: Bd Georges Mandel;
Tel.: +590 88 11 90
Le Gossier:
Mister Good Surf: Facebook: „MGS Surf Shop Guadeloupe“
Materialverleih/Center:
Sainte Anne: La Freestyle School (www.windsurfguadeloupe.net)
St. François: Club Nautique (www.station-nautique.com/acteur/club-nautique-de-saint-francois-act-2164)
Petit Bourg (Basse-Terre): Centre Nautique Voile et Loisirs (www.guadeloupe.fr/planche-a-voile)
Restaurant-Tipps:
Das Restaurant „Kote Sud“ (Rue de la Caravel) am Strand des Club Med ist eines der besten der Insel. Bei „Chez Jeannot“ in St. François gibt’s Sandwiches und lokales Essen zu fairen Preisen.
Spots
1) St. François
Die Lagune von St. François ist eine der schönsten Guadeloupes. Die Bucht liegt östlich der kleinen Hafeneinfahrt und bietet reichlich Platz, um mit ein paar Freunden über das kristallklare und, abgesehen von ein paar Chops, spiegelglatte Wasser zu heizen. Die Bucht ist von Kokospalmen umgeben und am auch bei Badegästen beliebten Hauptstrand befindet sich eine kleine Bar, an der man in Surfpausen wieder auftanken kann. Bei südlichem Swell oder größerer Windwelle aus Ost bricht am Außenriff sogar eine moderate und auch recht harmlose Welle
(1-1,5 Meter), die vor allem bei Flut funktioniert und für Waveeinsteiger gut geeignet ist. Somit bietet sich St. François perfekt als Kombi-Spot für unterschiedliche Könnensstufen und Disziplinen an.
2) St. Anne/Bois Jolan
Das Städtchen St. Anne liegt an einer großen Bucht, welche Surfbedingungen für alle Könnensstufen bereithält und sich ebenfalls als Kombi-Spot für Flachwasser- und Wellenfans empfiehlt. Etwas westlich des knapp 20.000 Einwohner zählenden Zuckerrohr-Städtchens findet ihr eine große und teilweise stehtiefe Lagune, die perfekte Bedingungen für Freeride-, Freestyle und Slalompiloten anbietet. Die dort ansässige Surfstation „La Freestyle School“ vermietet zudem Surfmaterial und bietet verschiedene Surfkurse an. In der Hauptsaison sind hier auch viele Kiter unterwegs und der Strand ist gut besucht.
3) St. Anne/Calif
Calif ist eine Welle, die leicht in Luv der Surfstation bricht. Der Wind weht am Riff schräg auflandig von links, meist gibt die Welle nur einen Turn nach Lee her und eignet sich daher besser für Backside-Wellenritte. Damit der Spot in Fahrt kommt, ist etwas Windwelle aus Ost oder Südost nötig, Wellenhöhe und Kraft sind meist moderat und nicht nur für Brandungs-Cracks geeignet. Vorsicht ist nur vor dem teilweise recht flach liegenden Riff geboten.
4) St. Anne/La Digue
Etwas weiter in Lee von Calif, am Ende des Riffs, dreht die Welle etwas besser rein, so dass der Windwinkel besser passt und hier mehr side- bis leicht sideoffshore weht. Zudem läuft die Welle hier länger als in Calif. Am unmittelbar vor dem „Club Med“ und seinem wunderschönen Palmenstrand gelegenen Spot La Digue lassen sich regelmäßig drei bis vier Turns nach Lee in cleane Wellenfaces schlitzen. Die Welle hat Kraft, wird aber fast nie größer als 1,5 Meter, so dass hier Wellen-Aufsteiger und Cracks gleichermaßen Spaß haben können. Einziger Nachteil: Während der Saison wird es oft voll. Starten kann man direkt vom Club Med aus, oder man fällt aus der Lagune kommend etwas ab.
5) La Communale
„La Communale“ befindet sich einige Minuten westlich von St. Anne. Die Welle läuft eher kurz, bricht aber kraftvoll, clean und eignet sich daher für erfahrene Waver. Locals wie Antoine Martin oder Camille Juban trainieren hier bei Sideoffshorewind ihre Aerials und andere Wellenmanöver. Die Welle läuft auch bei wenig Swell und kann an guten Tagen bis masthoch werden. Positiv: Bei Crashes landet das Material meist im sicheren Channel.
6) Le Moule/Lagune
Le Moule (23.000 Einwohner) ist eine der größten Gemeinden auf Guadeloupe und befindet sich im nordöstlichen Teil von Grande-Terre. Der atemberaubende Strand von Le Moule wird von einem Riff geschützt und hat teilweise stehtiefes Wasser – ideal für Aufsteiger und Flachwasser-Fans, die hier in einer überdimensionalen Badewanne an ihren Manövern feilen können. Zudem funktioniert der Spot in einem großen Windfenster von NNO bis SO. Nur einige Seeigel können den Spaß trüben. Einen Steinwurf entfernt, am vorgelagerten Riff, bricht eine tolle Welle, was Le Moule ebenfalls zu einem echten Kombi-Tipp für Flachwasser und Brandung macht.
7) Le Moule/Les Alizees
Les Alizees wird unter den Locals auch „Mini Hookipa“ genannt. Ähnlich wie auf Maui, weht der Wind hier von rechts und die Wellen können eine Höhe von bis zu vier Metern erreichen, die Regel sind ein bis zwei Meter. Der Spot befindet sich etwa 150 Meter vom Strand entfernt an einem Außenriff und ist durch einen schmalen Channel, der durch zwei Fahnen markiert ist, zu erreichen. Fahrerisches Können ist hier Voraussetzung, denn die Strömung ist nicht zu verachten und das Riff scharf und voller Seeigel. Außerdem hat die Welle durchaus Kraft. Vor allem nach sechs Uhr abends kann der Wind hier schlagartig abschalten, was zu einer ausgedehnten Schwimmeinlage quer durch die Lagune führen kann. Während die Lagune auch bei Nordost gut fahrbar ist, braucht Les Alizees Ost (sideshore) bis Ostsüdost (leicht sideoffshore).
8) Port Louis
Der Spot liegt im nördlichen Teil der Insel und ist bei ordentlich Nordswell mit Abstand die beste Welle Guadeloupes. Der Wind sollte eher aus N-NO kommen und mit 15-20 Knoten recht stark sein, damit man nach den langen Wellenritten zum Ausgangspunkt zurückkommt. Mit einer Wellenrichtung aus Nordost, einer Periode von mindestens zwölf Sekunden und zwei Metern Höhe läuft die Welle am besten. Der Spot funktioniert leider nur einige Tage im Jahr, aber wenn alles passt kann man hier mit Wind von rechts einen Turn nach dem anderen in die spiegelglatte Wasserwand ziehen. Sonst ist der Spot auch erste Wahl zum Wellenreiten ohne Segel. Den Spot findet man unweit nördlich von Port Louis, aus einer flachen Lagune kann man bequem starten. Achtung vor den flach liegenden Korallen, vor allem bei Ebbe! Das Riff hat mehrere kleine Channels, durch die man zum Außenriff kommt. Insgesamt gilt: „For cracks only“ – flaches Riff, schnelle Welle und nur leichter Wind im Uferbereich sind nicht jedermanns Sache.
9) Vieux Fort
Vieux Fort befindet sich am südlichen Punkt von Basse-Terre, gegenüber der Insel „Les Saintes“. Der Spot wird demnach auch „Kanal“ genannt. Der Wind wird hier entsprechend dem typischen Kapeffekt verstärkt, was dazu führt, dass der Spot fast täglich funktioniert und somit der windigste auf ganz Guadeloupe ist. Die etwa 1,5-stündige Anfahrt von St. Anne lohnt besonders dann, wenn der Wind an den übrigen Spots auf Grand-Terre nicht stark genug ist. Der Einstieg befindet sich direkt an einem Leuchtturm, wo eine kleine Treppe zum Wasser hinunter führt. Auch wenn die Bedingungen auf dem Wasser – konstanter Wind und sprungtaugliche Chops – unkompliziert sind, ist etwas Vorsicht geboten: Wer hier Materialbruch erleidet und nicht mehr zurück zum Ausgangspunkt kommt, muss sich auf eine lange Reise mit Endstation Mexiko gefasst machen. In der Hauptsaison ist man hier allerdings meistens nicht alleine. Der Spot eignet sich vor allem für Slalom-, Freeride- und Freestylecracks bei einem durchschnittlichen Wind von 20-30 Knoten und gemäßigten Kabbelwellen.
10) Grande Anse
Rund zehn Kilometer östlich von Vieux Fort, bei Trois Riviere, liegt Grande-Anse. Auch hier wird der Passat im Vergleich zu den Spots auf Grand-Terre spürbar verstärkt, 20 bis 25 Knoten wehen regelmäßig. Die Küstenstraße D6 führt direkt am schwarzen Traumstrand vorbei, der als Einstieg dient. Östlicher Wind weht side- bis sideonshore von links, oft bleibt es bei Bump & Jump-Bedingungen mit ein paar Chops zum Springen. Bei starkem Ostwind oder Swell aus Südost gibt es sogar etwas Brandung und mitunter mäßigen Shorebreak, der dann etwas Erfahrung erfordert. Positiv: Hier surft man, trotz ähnlich starkem Wind, sicherer als in Vieux Fort, denn Abtreiben ist hier weniger ein Thema.
11) Batterie
Etwas in Luv von Grande-Anse, vor der ins Meer hinausragenden kleinen Landzunge, liegt der Spot Batterie. Der Wind kommt hier ebenfalls von links und wird durch die angrenzenden Berge meist um ein bis zwei Windstärken verstärkt. Die Welle an der Landzunge bricht relativ dicht am Ufer auf kleine runde Steine und wird in der Regel ein bis zwei Meter hoch, mehr als drei Meter sind eher selten. Jedoch werden Fahrfehler schnell mit einem Besuch auf den Steinen bestraft. Daher ist dieser Wavespot ebenfalls eher für erfahrene Surfer geeignet. Diese kommen dann allerdings in den Genuss von cleanen Sideshore-Bedingungen und einer Welle, die durchaus „Wumms“ hat.