Halsen klappt nicht, ohne irgendwann mal die Schlaufen zu verlassen und Surfschuhe stinken! Das war schon immer so und so wird es auch in 100 Jahren noch sein. Aber weil es Windsurfer gibt, die sich hartnäckig und unter Einsatz von Säge, Hammer und Schleifpapier weigern, derartige Naturgesetze zu akzeptieren, entstehen immer wieder Ideen, die irgendwo zwischen „lustig“, „pragmatisch“ und manchmal auch „genial“ pendeln. Wir haben mal einen Blick links und rechts des Windsurf-Mainstreams gewagt und stellen euch einige Heimwerkerkönige und ihre Ideen vor.
Kai Sundin Gjessing und sein Board mit verstellbarem Rocker
Kai, du hast in Eigenregie ein Brett gebaut bei dem man über ein Pedal den Rocker, also die Aufbiegung im Heck, verändern kann. Was ist die Idee dahinter?
Die Idee entspringt dem Traum, den jeder Windsurfer hat – einem Brett das alles kann: Es soll gut gleiten, schnell sein in einer großen Windrange und trotzdem drehfreudig bleiben. Mein Brett kann ich auch ohne Körpereinsatz, quasi aus dem Fußgelenk, schnelle und enge Haken schlagen lassen – ein tolles Gefühl. Ich hatte dieses Konzept schon zehn Jahre im Kopf. Das vor einiger Zeit aufgetauchte 2in1-Concept von F2 (ein Board, bei dem man eine flachere Unterwasserkurve aufstecken konnte, die Red.), bestärkte mich in meinem Unterfangen, denn wenn Serienhersteller damit anfingen, musste es ja auch einen tatsächlichen Bedarf geben. Unterm Strich finde ich, dass ein Konzept wie meines deutlich sinnvoller ist als das von F2, schließlich kann man den Rocker bei mir während des Surfens verstellen und muss dafür nicht an den Strand.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung?
Das Schwierige war, den Klappmechanismus möglichst klein zu konstruieren, aber trotzdem mit großer Wirkung. Zusätzlich musste er leicht aber trotzdem stabil sein und zu guter Letzt sollte alles noch schick aussehen.
Was ist dein handwerklicher Hintergrund? Ein derartiges Konzept baut man nicht mal eben als Laie, oder?
Ich bin kein ausgebildeter Ingenieur oder sowas – aber als kreativ würde ich mich schon bezeichnen. Ich habe Filmproduktionen, Möbeldesign, Fahrradmechaniker und Musik gemacht.
Wie funktioniert dein Konzept technisch genau?
Die Mechanik, die ich entwickelt habe, um die verstellbaren Flügel zu bedienen, ist simpel und robust. Das schwierigste war der Pedal-Mechanismus: Was würde am besten funktionieren, solide, leicht und vor allem nicht im Weg sein? Hydraulisch oder per Kabelzug, leicht- oder schwergängig, einrastende oder frei bewegliche Flügel? Es gab 1000 Dinge zu bedenken. Allein das Pedal hat vier Tage Arbeit gemacht. Mit dem Fuß kann ich jetzt das Pedal hinter den Schlaufen bedienen und damit die beweglichen Flügel im Unterwasserschiff hoch- oder runterklappen. Zum Geradeausfahren kann ich die Kurve flacher machen, dann ist das Brett schneller, will ich ein drehfreudiges Brett, stelle ich die Bodenkurve runder ein.
Hast du alle Teile selbst angefertigt?
Nein. Für die beweglichen Teile habe ich Aluminium verwendet, welches ich, ehrlich gesagt, auf einem Wertstoffhof und in einem alten Industriegebäude gefunden habe. Auch eine alte Skibindung lieferte Teile. Die Flügel im Unterwasserschiff sind aus dem gleichen Material wie die Schutzschilde der Polizei – mit freundlicher Genehmigung meines kleinen Bruders.
Auch das Brett an sich sieht nicht nach Serie aus...
Ich habe natürlich kein nagelneues Board genommen, um das auszuprobieren! Es ist der alte Tabou 3S eines Freundes, den ich etwas modifiziert habe, indem er kürzer und hinten etwas breiter wurde. Es war ein komisches Gefühl, an einem funktionierenden Brett die Säge anzusetzen (lacht). Aber es musste einfach sein!
Wie waren die ersten Erfahrungen auf dem Wasser?
Das System hat jetzt ein Jahr problemlos funktioniert und war viele Stunden auf dem Wasser. Ich bin sehr happy damit und insgeheim hoffe ich, dass ein Bretthersteller meine Idee mal aufgreift und in Serie bringt.
Die Konstruktion sieht ein wenig martialisch und schwer aus...
Das Pedal wiegt 260 Gramm, die ganze Konstruktion inklusive der Klappen 450 Gramm. Man könnte es deutlich leichter machen, wenn man Carbon, Dynemaa oder verstärktes Plastik verwenden würde. Ich würde gerne das System mit einer Marke gemeinsam weiterentwickeln und das eventuell sogar auf elektronischem Wege zu lösen versuchen, mittels Fernbedienung – ein derartiges System könnte komplett im Deck verschwinden. Bei hohem Speed und Chop das Pedal zu bedienen, kann manchmal mühsam sein.
Jörn Hesse und sein Board, bei dem sich die Schlaufen in der Halse mitdrehen
Jörn, du bist ebenfalls kreativ gewesen und hast ein Brett mit drehenden Schlaufen entwickelt. Warum?
Ich bin Hobby-Windsurfer und wohne 50 Kilometer südlich von Hannover. Somit ist der Weg an die Küste lang und lohnt sich nur übers Wochenende oder für eine Urlaubsreise. Die guten Tage, um das Level beim Windsurfen zu entwickeln, sind deshalb begrenzt. Ich habe einst das Halsen auf großen Brettern und flachem Wasser gelernt und auch zumindest so beherrscht, dass ich um die Kurve gekommen bin. Die weiteren Schritte waren mühsam – wenn die Wellen höher wurden, die Bretter unter 100 Liter Volumen hatten und der Wind zunahm, bin ich beim Fußwechsel regelmäßig baden gegangen. Ich habe mich immer im Kreis gedreht, ab und zu die Halse gestanden, aber dann spätestens nach dem langen Winter wieder von vorne angefangen. Daraufhin habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich das Halsen einfacher gestalten kann und mit der Konstruktion verschiedener Prototypen begonnen. Das Ziel war eine Konstruktion zu entwickeln, die mechanisch gesehen so einfach wie möglich funktioniert, ein minimales Gewicht hat und zudem resistent gegenüber Salzwasser und Sand ist.
Wie genau funktioniert der Mechanismus?
Im Deck ist eine Schiene eingebaut, in der die hintere Schlaufe nach vorne bis in einen Drehteller rutschen kann. Dieser dreht um 135 Grad weiter und gibt wiederum die andere Schlaufe frei, um nach hinten zu rutschen.
Was sind deiner Meinung nach die Vorteile des Konzepts?
Die Vorteile dieses Systems sind, dass der Surfer seine Füße auf vorgegebenen Bahnen auf dem Board bewegen kann, ohne die Fußschlaufen verlassen zu müssen. Das garantiert zum einen, dass die Füße nicht an einer „falschen“ Position stehen können und zum anderen, dass der Surfer immer maximale Verbindung zum Surfboard hat. Des Weiteren kann die hintere Fußposition beliebig auf der Längsachse des Surfboards je nach gewünschtem Kurs verschoben werden. Das System bietet die Möglichkeit beim Halsen einer vorgegebenen Bahn zu folgen. Dieser Bewegungsablauf kann nach kurzer Eingewöhnungszeit sehr schnell erlernt werden.
Wie stellst du sicher, dass Schlaufen und Drehteller sich beim normalen Surfen nicht ungewollt bewegen?
Das ungewünschte Verrutschen der Fußschlaufen auf dem Board während des Surfens ist nicht möglich, da das System so konzipiert ist, dass die feste Position immer dann gewährleistet ist, wenn über die Hacken Druck auf das Board ausgeübt wird. Wenn also eine Bewegung der Fußschlaufen auf dem Board stattfinden soll, dann muss bewusst die Belastung vom Hacken genommen werden und nach vollendeter Bewegung wieder ausgeübt werden, um die Schlaufe zu fixieren.
Was passiert, wenn du mal eine Wende fahren willst? Dann sind nach dem Fußwechsel die Schlaufen auf der falschen Seite, oder?
Auch das geht: Hinteren Fuß vollständig nach vorne rutschen, Board anluven. Dann den vorderen Fuß aus der Schlaufe ziehen und an den Mastfuß stellen, den hinteren Fuß aus der Schlaufe nehmen und dabei die Drehbewegung des Tellers einleiten. Nach dem Seitenwechsel mit dem vorderen Fuß die Drehbewegung des Tellers vollenden, in die Schlaufen gehen und den hinteren Fuß wieder nach hinten auf die gewünschte Fahrposition bewegen.
Dein System ist handwerklich top umgesetzt. Woher kannst du sowas?
Ich habe an der Universität Hannover Maschinenbau studiert und arbeite in einem mittelständischen Unternehmen im Projektmanagement. Die Konstruktion erstelle ich mittels CAD/CAM-Lösungen (3D-Computerprogramme, die Red.). Für die Umsetzung habe ich Zugriff auf CNC-Fräsen, mit denen ich die Fertigung durchführe.
Welches Board hast du für deine Modifikation verwendet?
Die Prototypen habe ich von Dieter Jocham (Horney Windsurfing, die Red.) für meine Bedürfnisse shapen lassen, da das Oberwasserschiff und die innere Boardkonstruktion speziell auf das System und die Belastung angepasst werden musste. Die Deckform haben wir zusammen gestaltet, damit meine Konstruktion passgenau eingesetzt werden konnte. Das Board wurde praktisch um die Konstruktion gebaut. Ich benutze ein 95-Liter-Twinser-Waveboard, für das ich ein eigenes Design sowie das „Jibemaster“-Logo entwickelt habe.
Axel Semke und seine Belüftung für stinkende Surfschuhe
Trotz Ausspülen und sorgfältigem Aufstellen zum Trocknen stanken meine Surfschuhe oft nach einigen Tagen. Meine selbstgebauten Surfschuh-Lüfter lösen das Problem. Leise und stromsparende Lüfter pusten frische Luft in die Schuhe (<1 Knoten „Windgeschwindigkeit“). Durch den ständigen Luftaustausch wird die Feuchtigkeit heraustransportiert. Schon nach einer Nacht fühlen sich die Schuhe trocken an, nach etwa zwei Tagen sind die Schuhe komplett getrocknet.
Zum Bau benötigt man pro Schuh: 20 Zentimeter gerades Abflussrohr, einen Bogen, PC-Lüfter mit etwa 40 mm Durchmesser, Lüftergitter, vier Edelstahl-Schrauben M3x20 mm und etwas Silikon.
Vom geraden Rohr den Rand oberhalb des Flansches absägen, Lüfter anschrauben (mit 2,5 mm vorbohren und Schrauben in den Kunststoff drehen), zuletzt den Bogen aufstecken. Da der PC-Lüfter nicht genau auf das Rohr passt, habe ich Dichtungen aus 1 mm Silikon geschnitten und zwischengelegt, aber etwas Silikon aus der Tube tut’s auch.
Als Stromversorgung nutze ich ein 12V-Steckernetzteil. Mit „Molex-Adaptern/Verteilern“ (aus dem PC-Zubehör) können bequem mehrere Lüfter angeschlossen werden. Man kann die Lüfter auch an der Autobatterie (Zigarettenanzünder-Dose oder Anhänger-Dose) betreiben. Dazu unbedingt einen Stecker mit 1A-Sicherung verwenden, da die dünnen Litzen der Lüfter nicht zur 16A- oder 25A-Sicherung passen. Bitte die Autobatterie nicht durch tagelanges Lüften vieler Schuhe entladen (zehn Stunden lüften benötigen ca. 1Ah).
Uli Kallenberger und sein Halsentrainer für die Terrasse
Auf die Idee, mein Trainingsgerät Jibe@home zu bauen, kam ich, weil ich jedes Jahr nur wenige Tage zum Surfen komme. Also musste ein Trainingsgerät für die Terrasse her, auf dem man auch mal eine halbe Stunde für ein kurzes Training nutzen kann. Ich habe in den paar Surftagen der Saison nach dem Bau von „Jibe@home“ schon ein paar Halsen gestanden!
Unter dem Brett sind sieben Rollen so angebracht, dass sich das Brett um 360 Grad um einen Drehpunkt zwischen Mastfuß und vorderen Fußschlaufen drehen kann. In waagerechter Position berühren nur die zwei mittleren Rollen vorne und die mittlere Rolle hinten den Boden, dadurch ist das Ganze ziemlich kippelig – man muss das Gleichgewicht halten beziehungsweise kann eine Gewichtsverlagerung auf die Boardkante bewusst vornehmen. Durch Segelsteuerung kann ich das Brett auf der Stelle drehen und Fuß- und Griffwechsel üben, erst hier kommen dann die äußeren Rollen ins Spiel. Als Rollen verwende ich ganz normale Inliner-Rollen. Das Board auf den Bildern war mal eine Fanatic Racy Cat, die großen alten Planken sind besser, weil man da mehr Dicke hat, um die Rollen unterzubringen.
Wolfgang Mielke und seine ausfahrbare Wasserstart-Hilfe
“In einer surf-Sommerausgabe 2015 war ein Foto der Wasserstarthilfe von Kurt Denk. Mich hat es gefreut, dass wieder mal jemand mitdenkt. Meine Konstruktion ist ebenfalls leicht nachzubauen und über die Schlaufenplugs fixiert. Ich fahre seit etwa sechs Jahren mit einer etwas aufwändigeren Gummizug-Teleskop-Konstruktion. Sobald die Gabel beim Wasserstart angehoben wird, schnappt das Rohr zurück, da sich im inneren ein Gummizug befindet. Das Polster am Ausleger dient nur dem Segelschutz. Ein Wasserstart ohne diese Hilfe wäre sonst bei steilen, hohen Wellen auf der Ostsee nur kraftaufwändig und schwierig. Auch kann ich damit das Board problemlos in jede Position bringen und bin bei einer Böe sofort auf dem Brett. “
Dieser Artikel erschien erstmals in surf 4/2016