Jeder surfende Österreicher, der sich in unbekannte Salzgewässer wagt, kennt vermutlich diese Situation: Man kommt mit Gleichgesinnten ins Gespräch, was unvermeidlich zur Frage führt: „Where are you from?“ Die Antwort: „I am from Austria“ lässt das tropfende Gegenüber häufig stutzen. „What? You can surf there?“ Ja, kann man! Nicht selten folgt auf die verdutzte Frage eine minutenlange Ösi-englische Antwort inklusive einer sehr genauen Beschreibung des Geburtslandes von Arnold Schwarzenegger und den Koordinaten unserer liebevoll genannten „Gatschlackn“, dem Neusiedler See.
Herrscht danach bei dem Gesprächspartner noch immer Verwirrung, kapituliert man schließlich: „It’s like Lake Garda.“ Nur ohne tiefes Wasser, Thermik und Italiener. Dass in Österreich nicht nur Skirennen veranstaltet werden, weiß man spätestens seitdem hier jedes Jahr der Surf-Worldcup haltmacht. Und weil man im Burgenland durchaus am Vormittag eine Snowboardsession und eine Abendsession auf dem Wasser unter einen Hut bringen kann, muss sich die Region bezüglich des Freizeitwertes nicht hinter internationalen Top-Spots verstecken.
Dass ausländische Touristen den Neusiedler See bisher wenig oder gar nicht auf dem Zettel haben, hat einen Grund: Man unterschätzt ihn! Aber atemberaubende Sonnenuntergänge, Föhntage, an denen das Thermometer schon mal 35 Grad anzeigt und der See bei 25 Knoten kocht, Top-Weine und eine hervorragende Gastronomie, die einen wieder zurück ins Leben holen kann sowie die Nähe zur großen Kulturmetropole Wien bilden ein Gesamtpaket, welches durchaus reizvoll ist.
Der (hinter vorgehaltener Hand) als „Meer der Wiener“ bezeichnete Steppensee befindet sich im Osten des Landes und ist mit 320 Quadratkilometer der größte See Österreichs, wobei der untere Teil zu Ungarn gehört und knapp die Hälfte von Schilf bedeckt ist. Hier sind verschiedene Tier- und besonders Gelsenarten (= das österreichische Wort für fiese Stechmücken) heimisch.
„Lago di Gatsch“ hat, was die Thermik angeht, nichts mit seinem italienischen Bruder gemeinsam, da die Region fast den gesamten Wind aus durchziehenden Nordwestfronten bezieht, die besonders im Frühjahr, bei starken Temperaturschwankungen, beste Bedingungen mit sich bringen. Im Sommer fegen Südwinde über den See, die so manches Surferherz höher schlagen lassen. Luft und Wasser erreichen dann Karibiktemperaturen, Boardshorts oder Bikini reichen aus.
Der Name „Gatschlackn“ kommt aber nicht von irgendwo: Der gesamte Seeboden ist mit Schlamm bedeckt, der allerdings im Bereich der Seebäder vermehrt mit Sand und Steinen aufgeschüttet wurde. Eine Alternative zum Neusiedler gibt’s ebenfalls mit dem kleinen Bruder, dem Zicksee, in unmittelbarer Nähe. Das Wasser ist dort deutlich glatter und deutlich flacher. Der größte Pluspunkt: Es ist immer genug Platz auf dem Wasser.
Die besten Ecken stelle ich euch nun vor – vielleicht kann ich euch ja dazu bringen, unser „Meer“ in die kommende Urlaubsplanung mit einzubeziehen – ihr werdet es nicht bereuen!
Allgemeine Infos
Wind, Wetter & Neoprenempfehlung: Die beste Zeit für eine Reise ins Burgenland ist von März bis Juni. Laut Statistik kommt man dann auf knapp 50 Prozent Gleitwind, ein Wert, mit dem sich der Spot im internationalen Vergleich nicht verstecken muss. Während man an anderen Alpenspots wie dem Gardasee oder an Nord- und Ostsee im April und Mai oft noch mit einstelligen Wassertemperaturen leben muss, reichen einige warme Tage am flachen Neusiedler- und Zicksee aus, um das Wasser auf Badewannentemperatur zu erwärmen. Dementsprechend ist hier im Sommer auch schon mal der Shorty angesagt. Umgekehrt geht‘s leider ebenso schnell wieder bergab, wenn Kaltfronten durchziehen, ein Langarm-Neo muss zur Sicherheit ins Gepäck. Stabile Hochdrucklagen sind eher ein Windkiller, am besten ist die Region bei Nordwestwind, der oft zwischen 18 und 30 Knoten erreicht. Südwind ist ebenfalls ein gerne gesehener Gast, wenngleich moderater wehend.
Webcams: Unter www.neusiedlersee.webcam betreibt Upside Down zwei Webcams in Podersdorf. Wetterwerte gibt’s ebenfalls von einer Station direkt beim Leuchtturm Podersdorf, zu finden unter www.usd.at/usdworld/wind-wetter.html
Local-Tipp: Windguru und Windfinder sind bei Nordwest verlässlich. Meist kann man einige Knoten auf die Vorhersage draufschlagen. Ebenfalls bewährt hat sich www.windyty.com (aber bitte das genauere NEMS-Modell). Bei Westwind sind die Vorhersagen sehr mit Vorsicht zu genießen – oft kommt der Wind nicht in der Region an!
Anreise: Als Anlaufpunkt bieten sich Podersdorf oder Neusiedl an. Neusiedl ist 45 Minuten von Wien entfernt, man erreicht es über die Autobahn A4. Von München fährt man etwa fünf bis sechs Stunden. Alternativ gibt es noch den Flughafen Wien Schwechat, etwa 30 Minuten entfernt.
Wohnen & Campen: Die Region ist touristisch hervorragend erschlossen, vom 5-Sterne-Palast bis zum Campingplatz direkt am Wasser gibt es die volle Bandbreite. Wildes Campen ist allerdings tabu. Neben zahlreichen kleinen Pensionen und Zimmervermietungen gibt es in Podersdorf und in St. Andrä am Zicksee einen Campingplatz. Am besten die Webseiten der Fremdenverkehrsbetriebe checken: Buchen ist an langen Wochenenden empfehlenswert:
Surfcenter: Die Gegend ist diesbezüglich perfekt erschlossen, an allen Spots kann man Windsurf-Material und SUP-Boards ausleihen sowie Kurse oder Surfcamps buchen.
Podersdorf:
- Surf- und Segelschule Nordstrand: Aktuelles North/Fanatic-Material, großes Testcenter und nebenbei eine kleine Bucht, die mitunter die beste ist, um Surfen zu lernen. www.nordstrand.at
- Mission to Surf: Kleine, feine Surfschule direkt neben dem Campingplatz: www.surf-schule.at
Neusiedl:
- Segelschule Neusiedl: Aktuelles Material von North/Fanatic; www.segelschule-neusiedl.at
Weiden:
- Surfschule Kreindl: www.kreindl.at
Surfcamps: Jedes Jahr veranstaltet der Surfshop Upside Down mit der Surfschule Nordstrand ein Kindercamp für die jüngsten Surfer (6-11 Jahre). Dank Unterstützung von Boards & More gibt’s aktuellstes Material und die leichten iRigs. Informationen auf www.nordstrand.at und www.usd.at. Auch Mission to Surf organisiert mehrere Kinderwochen für Kids ab zehn Jahren in den Sommerferien – sogar mit Unterkunft. Mehr Infos bald unter www.surf-schule.at
Surfshops:
Podersdorf:
- Surfshop Upside Down (größter Surfshop Österreichs): Gaastra, NeilPryde, North Sails, Tabou, JP-Australia, Fanatic, Flikka und vieles mehr. www.usd.at
- Sport Schneider: Starboard, NoveNove, Patrik, Point-7, Severne und vieles mehr. Direkt am Nordstrand beim Haupteingang, hinter dem ehemaligen „PoDo“ Restaurant. www.sport-schneider.com
Alternativprogramm: Die Kulturmetropole Wien ist nur 45 Minuten entfernt; diverse Weinkeller mit Verkauf; Nationalpark Seewinkel; Wellness in der St. Martinstherme bei Frauenkirchen; Family-Erlebnispark in St. Magarethen; Wakeboardanlage in Györ/Ungarn
Neusiedler See & Zicksee - das sind die besten Windsurfspots
1) Podersdorf
Podersdorf funktioniert am besten mit Wind aus Nord und Nordwest, dann wird es besonders im Sommer oder an langen Wochenenden aber richtig voll auf dem Wasser. Auch reiner Westwind ist zumindest in der Theorie gut surfbar, allerdings sind die Prognosen bei dieser Windrichtung sehr mit Vorsicht zu genießen. Richtungen wie Süd und Südwest sind im Normalfall gut, bei Südost sollte man besser auf einen anderen Spot ausweichen. Für die meisten Windsurfer ist der Nordstrand Anlaufstelle Nummer 1. Der Zugang ist während der Hauptsaison (Mai–Oktober) verschlossen und es muss Eintritt (ca. 9 Euro) gezahlt werden, das Parken selbst ist dann aber gratis. Vorsicht für Wohnmobil- oder Busreisende, das Parken in Podersdorf ist ab 22.00 bis 6.00 Uhr nicht erlaubt und man wird zur Kasse gebeten wenn man stehenbleibt – lieber auf den nahen Campingplatz ausweichen oder eine günstige Pension buchen! Der Campingplatz verfügt über einen eigenen Seezugang und der Spot in dieser Bucht ist wirklich klasse. Surfschulen und Shops samt Sailrepair sind in Podersdorf ebenfalls vor Ort. Besonders die Surfschule Nordstrand, deren Inhaber liebevoll „Kurtl“ genannt wird, ist empfehlenswert, hier gibt’s auch einen kleinen Imbiss direkt am See.
2) Neusiedl
2017 findet der Surf-Worldcup erstmals hier und nicht, wie bisher, in Podersdorf statt. Neusiedl ist der nördlichste Spot des gesamten Neusiedler Sees und besonders bei Südwind sehr beliebt, da er hier meist am stärksten und auflandig bläst und sich über den gesamten See hinweg konstant und ohne Böen aufbauen kann. Surfer, die im Sommer in Neusiedl aufs Wasser wollen, müssen eine Tageskarte für 8,50 Euro lösen. Bis auf den Schwimmerbereich gibt es keine Beschränkungen auf dem Wasser – der lokale Bademeister beobachtet mit Argusaugen das Geschehen und holt bei Nichtbeachtung gerne mal die Trillerpfeife raus. Wer 300 Meter aus der Bucht aufkreuzt, findet bei Südwind perfekte Bedingungen mit stehtiefem Wasser und endlos viel Platz zum Racen, Freeriden oder (bei sehr östlichem Wind) einen Abstecher nach Breitenbrunn. Generell ist der Spot Neusiedl eine riesige, sichere Bucht, deren Ränder von Schilf markiert werden. Südwind baut auch eine kurze steile Welle auf, nur einige hundert Meter rechts der Mole West befindet sich eine kleine Bucht, die aufgrund einer Schilfinsel von den Südwindwellen verschont bleibt und spiegelglattes und hüfttiefes Wasser bietet. Allerdings kann man auch bei Nordwest viel Spaß in Neusiedl haben, dann ist es insgesamt deutlich glatter, allerdings auch recht böig, da der Wind dann über Land kommt.
3) Weiden
Der Spot in Weiden funktioniert bei fast allen Windrichtungen, bei Südost und Nordwest ist Weiden ideal. Es gibt genug Parkplätze und ein riesiges Strandbad (auch hier wieder mit Eintritt). Hier muss man beim Einstieg ins Wasser allerdings aus der Abdeckung des Schilfgürtels laufen. Sind die paar Meter mal geschafft, zeigt der Spot seine Stärken. Freestyler finden hier kleine Wellen zum Tricksen, während Free-rider und Slalompiloten einfach endlos geradeaus heizen können. Einziger Nachteil: Wirklich glatt wird das Wasser nie und man muss mit steilem Chop leben, dafür funktioniert Weiden praktisch immer. Hüten sollte man sich vor dem Backwash des Stegs und der Ufermauer des Strandbads, ein kontrolliertes Manöver dort in die aus allen Richtungen kommenden Kabbelwellen zu zaubern, ist kein einfaches Unterfangen.
4) Illmitz
Ballert es rein aus Nord, heißt das nur eines: Auf nach Illmitz! Diese Sessions sind leider sehr selten – kommt dann das Go für einen Spotwechsel dorthin, leuchten bei allen Beteiligten die Augen. Backloops am Neusiedler See?! Ja es ist wirklich wahr. In Illmitz gibt’s kleine Rampen (für uns Locals sind es echte Wellen – aber wir sind ja Österreicher). New-School-Freestyler packen, bei Wind von links, aktuellste Powermoves über die Wellen aus. Für Anfänger, die noch nicht wasserstarten können, ist der Spot eher weniger geeignet, da die Wellen auch hier von der Uferbefestigung zurückkommen und alleine der (Schot-)Start hinaus ins Glück zu einem schwierigen Unterfangen werden kann. Hier bezahlt man nur im Sommer eine kleine Parkgebühr und kann den Strand dann frei benutzen.
5) St. Andrä am Zicksee
Ist es in Podersdorf zu voll? Ist das Wasser im Frühling noch zu kalt oder im Herbst schon wieder zu frisch? Einfach mal Lust auf Flachwasser? Dann kann St. Andrä am Zicksee einen Versuch wert sein, denn dieser See ist kleiner und noch flacher als der Neusiedler See – weshalb er sich im Frühjahr im Zeitraffer erwärmt. Im Spätherbst surft man hier auch bei kaltem Wasser aufgrund der geringeren Tiefe noch sehr entspannt. Auch gibt es hier keine Parkgebühr oder Eintritt. Einfach das Auto beim lokalen Surfclub abstellen (ist nicht zu verpassen, direkt beim See links abbiegen), auf der großen Wiese aufbauen und los geht’s. Hier funktioniert eigentlich nur Nord bis West vernünftig. Der Wasserstand ist relativ niedrig und im Hochsommer ist auch eine Seegrasfinne Pflicht. Für die Speedsurfer unter euch ist der Zicksee auch Anlaufsstelle Nummer 1. Hier knallen die schnellsten Surfer Österreichs häufig ihre Runs aufs Wasser. Wer sich mit den Leuten messen möchte, schaut mal vorbei auf www.windsurfingaustria.at. Ab und zu treffen sich ein paar verrückte Freestyler und üben ihre Moves in windlosen Zeiten beim Tow-in.