“Attention Competitors, this is an official announcement...” Zuschauer beim World Cup Sylt kennen diese Durchsagen, die immer mal wieder über die Lautsprecher durchgegeben werden. Aber was bedeutet das eigentlich? Und wie kommen die Wertungen im Waveriding zustande? Was machen die Fahrer, die gerade nicht auf dem Wasser sind? Wir geben euch einen Einblick in die Regeln und Abläufe beim Windsurfen:
Windsurfen als Natur-Sport ist natürlich nicht planbar wie etwa ein Fußballspiel. Deswegen müssen die Rennen möglichst gut auf die Bedingungen abgestimmt werden. Für den World Cup Sylt bedeutet das, dass bei stärkerem Wind das Waveriding den Vorrang hat, während die Slalom-Piloten mit ihren deutlich größeren Segeln und Boards auch bei eher schwachem Wind starten können. Durch die Foils wurde die Windgrenze nochmals deutlich nach unten gedrückt, so dass schon bei knappen drei Windstärken offizielle Wettfahrten möglich sind. Freestyler brauchen hingen wieder etwas mehr Wind, allerdings nicht ganz so viel wie die Waver. Außerdem sind sie nicht auf optimale Wellen angewiesen und deswegen etwas flexibler.
Waveriding und Freestyle: Single und Double Elimination
Im Waveriding werden Sprünge bewerten und Wellenritte, also möglich viele und radikale Turns auf einer Welle. Dabei können auch Manöver oder Sprünge in Wellenritte eingebaut werden. Auch die Auswahl der Wellen fließt in die Bewertung ein. Es zählen also neben dem reinen Fahrkönnen auch Taktik und Erfahrung. Die genauen Kriterien werden beim Skippers Meeting bekannt gegeben. Im Freestyle werden komplexere Manöver und Kombinationen bewertet, außerdem die Vielseitigkeit und die Fähigkeiten auf beiden Seiten bzw. Fahrtrichtungen (Tacks).
Die Judges geben die Wertungen für Manöver über ein Tablet ein, die jeweiligen Punkte werden dann automatisch errechnet. Je nach Spot und Bedingungen können beispielsweise nur Wellenritte oder nur Sprünge bewertet werden. Im Beispiel unten gingen die zwei besten Sprünge und der beste Wellenritt in die Wertung ein (grün markiert). Während im Waveriding prinzipiell so viel probiert werden kann wie möglich, sind im Freestyle die Moves pro Seite teilweise begrenzt. Der Stand kann nahezu in Echtzeit im Livestream auf der PWA-Seite verfolgt werden.
Die Surfer fahren in K.O.-Runden gegeneinander. Gestartet wird immer mit der Single Elimination. Das bedeutet, wer gewinnt ist eine Runde weiter, wer verliert ist (vorerst) ausgeschieden. In der nächsten Runde treffen dann die Gewinner aus der ersten Runde aufeinander und immer so weiter. Je nachdem, wie groß das Feld ist und wie konstant die Bedingungen sind, werden Zweier-Heats gefahren oder Vierer-Heats, bei denen die ersten beiden Fahrerinnen oder Fahrer weiterkommen. Auch zwei Zweier-Heats gleichzeitig aufs Wasser zu schicken ist möglich. Damit lässt sich Zeit sparen und die Bedingungen optimal ausnutzen. Am Ende steht ein Sieger der Single Elimination. Ab Platz fünf teilen sich jeweils die Fahrer einen Platz, die gleichzeitig ausgeschieden sind.
Wenn es die Bedingungen und die Zeit erlauben, wird anschließend eine Double Elimination gefahren. Dabei treten zunächst die Verlierer aus der ersten Runde der Single Elimination gegeneinander an, die Gewinner treffen dann in der nächsten Runde auf die Verlierer der zweiten Runde, und so geht es dann Runde für Runde weiter. Jede Fahrerin und jeder Fahrer hat also die Chance, seine Platzierung aus der Single Elimination zu verbessern. Jeder greift in dem Stadium wieder ins Geschehen ein, in dem er zunächst rausgeflogen ist, gleichzeitig “darf” jeder einmal verlieren. Schon zahlreiche Fahrer konnten so nach einem frühen Ausscheiden eine fulminante Aufholjagd starten. Am Ende trifft dann der beste Fahrer der Double auf den Sieger der Single. Gewinnt dieser, hat er oder sie den Event gewonnen. Verliert der bisherige Sieger jedoch, dann treffen beide in einem sogenannten “Superfinale” nochmals aufeinander und entscheiden über den Event-Sieg.
Im Waveriding darf nur eine Double Elimination pro Event gefahren werden, im Freestyle mehrere. Wenn der Sieger schon feststeht, aber die Bedingungen noch gut sind, kann die Wettfahrtleitung eine “Supersession” ansetzen. Diese zählt nicht für die offizielle Wertung, sorgt aber für Unterhaltung bei Zuschauern und Sponsoren, außerdem können dabei andere Schwerpunkte gesetzt werden.
Slalom: Keine Regeln - fast
Im Slalom treten die Fahrer in Achter-Heats gegeneinander an, die jeweils besten vier kommen einen Runde weiter. Dort werden sie dann mit vier Gewinnern aus einem anderen Heat wiederum gemeinsam aufs Wasser geschickt. Nach den beiden Halbfinals werden dann das Winners Final und Losers Final ausgefahren, das heißt das auch die Verlierer noch einmal gegeneinander fahren und die Plätze 9 bis 16 ausfahren. Erst in den Finals werden die Platzierungen der jeweiligen Elimination ausgefahren, in den vorherigen Heats geht es alleine ums Weiterkommen. Pro Event können beliebig viele Eliminations gefahren werden. Ab vier Wertungen können die Fahrerinnen und Fahrer ihr schlechtestes Ergebnis streichen, ab sieben Wertungen die schlechtesten zwei, ab zwölf Eliminations sind drei Streicher erlaubt.
Seit 2020 können im Slalom die Fahrer frei entscheiden, ob sie mit Foil oder Finne starten möchten. Während bei leichterem Wind vermutlich alle zum Foil greifen werden, ist die Auswahl bei stärkerem Wind durchaus spannend. In dieser Saison hat sich beim Event in Pozo gezeigt, dass gute Foil-Fahrer auch bei Starkwind oft Vorteile gegenüber den Finnen haben. Nur wenn die Bedingungen so extrem sind, dass Foils im engen Feld zu gefährlich wären, kann die Regattaleitung einen Start auf Finnen vorschreiben. Durch die Foils konnte die offizielle Windgrenze auf fünf Knoten herabgesetzt werden, vorher musste es mindestens mit zwölf Knoten wehen.
Ansonsten gilt im Slalom bei der PWA “No rules”. Das bedeutet, dass es keine Vorgaben zu Vorfahrten oder einzuhaltenden Kursen gibt. Einzig bei grob unsportlichem oder gefährdendem Verhalten kann die Rennleitung eingreifen. In früheren Jahren hatte es nach den Rennen häufig zahlreiche Proteste gegeben, so dass der Sieger oftmals nicht auf dem Wasser, sondern in der Diskussion mit den Judges ermittelt wurde. Durch “No rules” wurde dem ein Riegel vorgeschoben und die Rennen wurden spannender.
Der Kurs im Slalom wird mit Bojen gekennzeichnet, die nach und nach umfahren werden müssen. Üblich ist ein sogenannter Downwind-Slalom, das bedeutet dass die Fahrerinnen und Fahrer im Zickzack Richtung Lee fahren. Vor allem bei leichtem Wind sind aber auch Kursrennen mit komplexeren Kursen möglich, bei denen dann teilweise auch längere Abschnitte auf der Kreuz - also gegen den Wind - absolviert werden müssen. Diese Kurse sind taktisch anspruchsvoller, aber teilweise nicht ganz so attraktiv zu verfolgen.
So läuft ein Wettkampf-Tag beim Worldcup ab
Jeden Morgen treffen sich die Fahrerinnen und Fahrer zum Skippers Meeting. Dabei legt die Regattaleitung fest, welche Disziplin gefahren werden soll und welche Kriterien bewertet werden bzw. welche Kurse bei den Slalom-Rennen vorgesehen sind. Auch die Heats, also die Paare oder Kleingruppen, die gemeinsam auf dem Wasser sind und gegeneinander fahren, werden dabei festgelegt. Alle Heats sind durchnummeriert und werden nacheinander gestartet. Wenn die Vorhersage schon früh am Morgen gute Bedingungen verspricht, kann das Skippers Meeting auch schon mal in der Dämmerung stattfinden. Alle Informationen sind auch auf den offiziellen Notice Boards zum Nachlesen festgehalten.
Wenn die Bedingungen nicht ausreichen, gibt es den Tag über regelmäßige Announcements, also Ansagen für die Fahrerinnen und Fahrer. Dabei werden die neuesten Wind-Messungen bekannt gegeben und der Zeitpunkt, an dem frühestens gestartet werden wird. So haben alle genug Zeit, sich bei Bedarf vorzubereiten und ihr Material bereitzulegen. Die Abstände zwischen den Announcements sind abhängig von den Aussichten: Wenn die Aussicht auf genügend Wind besteht, wird in kurzer Frequenz angekündigt, bei totaler Flaute gibt es nur zwei oder drei Ansagen pro Tag.
Wenn dann der Startschuss fällt, folgt der Wettkampf-Tag einem vorher bekannt gegebenen Rhythmus. Im Slalom wird beispielsweise angekündigt, alle 15 Minuten einen Heat zu starten, im Waveriding oder Freestyle wären zehn Minuten pro Heat und zwei Minuten Übergangszeit (”Transition”) eine mögliche Einteilung. Die Fahrer können sich dann ausrechnen, wann sie starten müssen und ihre Regattauhren passend einstellen. So haben sie auf dem Wasser immer den Überblick, wie viel Zeit noch bis zu ihrem Heat bleibt.
Das macht die Regattaleitung und die Judges
Die Wettkampfleitung besteht aus einem Regattaleiter, dem Head Judge, und mehreren zusätzlichen Judges. Zentrale Anlaufstelle ist auf Sylt der Judge-Container am Nordende der Promenade. Von dort haben die Kampfrichter einen guten Blick aufs Wasser, auf dem Dach steht zudem die offizielle Fahnenanlage. Damit wird Fahrern und Zuschauern signalisiert, ob beispielsweise gerade ein Heat läuft, ob der Heat abgebrochen wird oder wie lange es noch bis zum nächsten Heat ist. Zusammen mit einer Änderung der Flaggen gibt es meistens auch ein Ton-Signal.
Im Waveriding und im Freestyle sitzen die Judges im Container und beobachten das Geschehen auf dem Wasser genau. Über ein Tablet geben sie ihre Bewertungen für die Sprünge und Manöver ein, diese sind kurz danach auch im Livestream zu sehen. Im Skippers Meeting wurde zuvor bekannt gegeben, wie lange die einzelnen Heats sind und was bewertet wird.
Im Slalom bleibt der Head Judge meistens an Land, alle anderen Judges sind auf den Booten entlang des Kurses auf dem Wasser. Dort überwachen sie die Starts und die Zieldurchläufe und kontrollieren laufend, ob auf dem gesamten Kurs ausreichend Wind ist. Wenn der Wind zeitweise unter 5 Knoten fällt, wird der Heat abgebrochen und später neu gestartet. Lässt sich absehen, dass der Wind dauerhaft nicht ausreicht, werden die Fahrer zurück an Land geschickt.
Besonders spannend sind die Starts im Slalom: Die Fahrer versuchen, möglichst exakt zum Startsignal mit voller Geschwindigkeit über die Startlinie zu fahren. Ein Ende der Startlinie ist mit einer Boje gekennzeichnet, das andere Ende ist das Startboot mit den Judges. Diese überwachen, ob niemand auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu früh über die Startlinie fährt. Wer zu schnell ist und einen Frühstart produziert, wird disqualifiziert, der Heat wird abgebrochen. Die Judges auf dem Zielboot überwachen dementsprechend den Zieleinlauf.