Schwere Unfälle gehören beim Windsurfen zum Glück zur Ausnahme, besonders wenn man den Vergleich zu anderen Funsportarten wie Snowboarden, Skifahren oder Skaten bemüht. Stürze gehen dank der Landung im Wasser meist glimpflich ab. Doch genau das Wasser ist es, was die Sache auch so gefährlich machen kann – immer wieder stürzen Windsurfer aufs Material und laufen dann, bewusstlos im Wasser liegend, Gefahr zu ertrinken: Die Unfälle von Worldcupper Boujmaa Guilloul – der wie erst kürzlich Sara Garcia Asensi, bei einem Sprung auf dem Material landete und beinahe ertrunken wäre – oder der von Regatta-Urgestein Thomas Gläser, der sich im Frühjahr 2016 bei einem Schleudersturz so schwer an der Halswirbelsäule verletzte, dass er gerettet werden musste, zeigen, dass uns das Meer nicht nur Glücksmomente beschert, sondern auch Gefahren birgt. Umso wichtiger ist es, im Fall der Fälle, schnell und richtig helfen zu können. Wenn du also die Frage "Ob du in einem solchen Fall wüsstest, was zu tun ist?" mit "Nein" beantworten musst, werden dir diese Tipps helfen, dich mental auf solch einen Notfall vorzubereiten.
1. Bring dich selbst nicht in Gefahr! Diese wichtigste Regel gilt für den Straßenverkehr genauso wie auf dem Wasser. Klingt im ersten Moment komisch, aber jedes Jahr sterben Helfer bei unüberlegten Rettungsversuchen. Keinem Helfer ist geholfen, wenn sie/er anstelle eines Verletzten mehrere Menschen retten muss.
2. Sichern und Unterstützung holen Wenn du einen Sturz beobachtest und sich der Surfer anschließend nicht mehr bewegt und nicht ansprechbar ist, gilt: Verliere nie dein Brett aus deiner Reichweite: Dein Brett ist deine Rettungsinsel, du kannst sie nutzen, um den Verletzten darauf zu transportieren und die eigenen Kräfte zu schonen. Falls der Surfer auf dein Ansprechen nicht reagiert, hole dir Hilfe, indem du weitere Surfer herbeirufst. Je mehr Hilfe du hast, desto besser. Falls mehrere Surfer zur Hilfe kommen, sollte einer zum Strand fahren und die Rettung (DLRG/Wasserwacht) informieren. Die Notrufnummer an Land ist in Deutschland die "112". Bei Unfällen auf hoher See, z.B. wenn jemand vom rettenden Ufer abgetrieben ist, kann man die Nummer der Seenotrettung DGzRS anrufen. Diese lautet +49/421/536870. Es ist hierbei egal in welchem Land der Unfall passiert, Hilfe wird garantiert von den Seenotrettern organisiert! Die Telefonnummern am besten ins Handy einprogrammieren.
3. Transport im Wasser Neo und Trapez sorgen im Normalfall dafür, dass ein Bewusstloser im Wasser treibend nicht untergeht. Wichtig ist aber, dass du das Untergehen des Kopfes verhinderst: Schwimme vom Kopf her an den Bewusstlosen heran, drehe ihn auf den Rücken und halte seinen Kopf mit beiden Händen über Wasser. Achtung: Nicht am Hals festhalten, hier besteht die Gefahr des Würgens! Du kannst ihn auch unter den Armen greifen und Schwimmbewegungen mit den Beinen machen. Dabei müssen deine Arme auf jeden Fall gestreckt bleiben, damit deine Beine nicht beim Schwimmen behindert werden. Schwimme so rückwärts zu deinem Brett, deiner Rettungsinsel. Achte beim Schwimmen besonders darauf, dass der Kopf des Bewusstlosen über der Wasseroberfläche bleibt. Wenn du/ihr es schafft, legt den Bewusstlosen in Rückenlage auf das Brett.
4. Hilfe auf dem Wasser oder schnell zum Strand? Was hat Vorrang? Umfassende Hilfsmaßnahmen gelingen nur am Strand. Maßnahmen wie Atemspende und Herzdruckmassage sind auf dem Wasser nur sehr schwer durchzuführen und viel weniger effektiv als an Land. Diese Maßnahmen sollten den Transport ans Ufer nicht unnötig verzögern. Daher gilt: Der schnelle Transport ans Ufer ist wichtiger als eine schwierige Erstversorgung auf dem Wasser.
5. Atmung erkennen, Atemspende geben Geschieht ein Unfall weiter draußen und ist es absehbar, dass ihr es nicht innerhalb weniger Minuten an den Strand schaffen werdet, muss man sich dessen bewusst sein, dass das Gehirn ohne Sauerstoffversorgung nach vier bis fünf Minuten irreversibel geschädigt wird. Daher sollte man in solch einem Fall die Atmung des Verletzten überprüfen. Dies geht, indem du den Kopf des Verletzten vorsichtig überstreckst und dabei auf eine Hebung des Brustkorbs achtest (1).
Wenn du dir nicht sicher bist, ob der Verletzte atmet, handle so, als ob der Verunfallte nicht atmen würde. Atmet er selbständig, konzentriere dich auf einen zügigen Transport ans Ufer und kontrolliere die Atmung regelmäßig. Atmet er nicht, beatme ihn, indem du seinen Mund zuhältst, seinen Kopf vorsichtig nach hinten überstreckst und zwei Mal in die Nase pustest, so dass sich der Brustkorb hebt. Danach schwimme weiter. Es gibt keine genaue Richtlinie, wie oft und wann du beatmen solltest, wenn du in diesem Spezialfall einen Menschen beatmest. Versuche es ungefähr zehn Mal pro Minute. Achte darauf, dass du den Transport dadurch nicht zu sehr verzögerst und achte auch auf deine eigenen Kräfte.
6. Herzdruckmassage auf dem Wasser – sinnvoll oder Zeitverschwendung? Eine Herzdruckmassage ist überlebenswichtig, wenn der Verletzte keinen Puls mehr hat. Schwierig ist es, dies im Wasser schwimmend festzustellen und durchzuführen. Du könntest es allenfalls versuchen, wenn ihr mehrere Helfer seid und der Bewusstlose stabil und sicher auf einem großen Brett liegt. Ein Helfer muss dazu über dem Verletzten knien – auf den meisten Surfbrettern ist dies ein quasi unmögliches Unterfangen. Statt also viel Zeit für eine ineffektive Herzmassage auf dem Wasser zu verschwenden, versucht stattdessen, so schnell es geht an den Strand zu gelangen und setze die Hilfsmaßnahmen dort fort.
7. Vom Wasser ans Land Versuche, den Bewusstlosen möglichst schonend an Land zu bringen, d.h. ohne Wackeln des Kopfes oder Herunterhängen der Arme/Beine und in gestreckter Rückenlage. Ein Surfbrett kann als Trage fungieren. Durch den Sturz können der Hals, die Wirbelsäule oder Arme und Beine von außen nicht sichtbar verletzt sein. Hole dir Helfer dazu. Falls es dir nicht gelingt, den Bewusstlosen auf ein Brett zu ziehen, greife die Unterarme des Bewusstlosen von hinten unter seinen Armen hindurch ("Rautek–Rettungsgriff") und ziehe ihn so rückwärts auf den Strand.
8. Reanimation Hat der Verletzte keinen Puls und atmet nicht, muss er reanimiert werden. Dazu sollte er mit dem Rücken auf einer harten Unterlage liegen (z.B. dem Brett). Beuge dich senkrecht über das Brustbein, strecke die Arme durch und lege einen Handballen auf die Mitte des Brustkorbs (2). Lege die zweite Hand auf die erste und drücke ungefähr fünf Zentimeter tief (3). Dann entlaste deine Arme wieder, damit sich der Brustkorb heben kann. Versuche dies ca. 100 Mal pro Minute. Nach 30 Herzdruckmassagen folgen zwei Beatmungen. Führe die Reanimationsmaßnahmen so lange durch, bis das Rettungspersonal eintrifft oder der Verletzte wieder selbstständig atmet.
In diesem Fall kontrolliere Atmung und Puls mindestens alle zwei Minuten und lege den Verletzten in die stabile Seitenlage (4): Dreh ihn auf deine Seite und überstrecke den Kopf. Zur Stabilisierung schiebe seine Hand unter seinen Kopf und ziehe das oben liegende Knie zu dir hin. So wird der Mund und somit die Atemwege offen gehalten. Bitte den Patienten jetzt möglichst nicht alleine lassen. Er kann jederzeit wieder aufhören, von selbst zu atmen. Dann musst du wieder mit Herz–Lungen–Wiederbelebung beginnen. Deshalb kontrolliere Atmung und Puls mindestens alle zwei Minuten.
Ich wünsche euch allen ein gesundes Jahr und hoffe, dass ihr diese Tipps nicht brauchen werdet.
Viele Grüße, euer Dr. Wolfgang Klauß