Wie kommen die Grafiken aufs Brett?
In der September-Ausgabe setzt surf einen Schwerpunkt aufs Board-Design. Und damit ist nicht nur der Shape gemeint (dazu später mehr), sondern auch die Grafik. Damals schwenkte die Industrie gerade vom knalligen Kunterbunt zu einem reduzierten - manche sagen langweiligen - Weiß-Look. surf hat die Grafiker der großen Marken besucht und mit ihnen über das Erscheinungsbild der Bretter philosophiert. F2 - die kurz zuvor mit einem Gorbatschow-Konterfei einen Riesen-Flop hingelegt hatten - setzt auf ein technisches, dynamisches Design, um das sportliche Image der Marke zu unterstreichen. Brandmanager Martin Brander ließ Tests und Umfragen durchführen, um kein Risiko einzugehen. Grafikerin Gudrun Geiblinger hat für die 94er Bretter ein spaciges Design mit vielen Schattierungen geschaffen, dass sich unter anderem gegen ein pastelliges Rosa-Grün und eine Andy-Warhol-Suppendosen-Hommage durchgesetzt hat.
Bei Mistral ist man konservativer, seit einigen Jahren sind die Boards mit einem “elegant schimmernden und edlen Farbverlauf” verziert. Das kam bei der Vorstellung gut an und wurde seither nur wenig verändert - genauso, wie es die ältere Zielgruppe mag. Im Trend liegen 1993/1994 vor allem weiße Boards mit wenig Dekor. Das imitiert den technischen Look der Worldcup-Customs und bringt manche Designer zur Verzweiflung: Fanatic-Grafiker Werner Richter findet das allgenewärtige Weiß “total boring”, will sich aber auch dem Trend nicht widersetzen. Ganz anders Gudrun Geiblinger von F2: “Alle, die nicht wissen, wo es langgeht, müssen halt in einem Strom mitschwimmen. [...] Bevor die was falsch machen, tun sie lieber gar nichts drauf!”. Der Weiß-Trend kommt auch HiFly entgegen, die ihre Entwürfe ohne große Tests und Befragungen auswählen. Die kleineren Boards rücken damit optisch an die unsportlicheren, geblasenen Bretter heran, die aus Kostengründen nur mit einem Sticker dekoriert werden. Und welches Design ist denn nun das Beste? das können die surf-Leser entscheiden und in einem Gewinnspiel ihr Lieblingsboard wählen.
No Nose is good nose
Im Sommer 1993 manifestiert sich ein Trend, der große Teile der 90er anhalten soll: Erste Marken nehmen vorsichtige No Nose-Shapes ins Programm, im Worldcup sind die “Hinkelstein-Boards” schon weit verbreitet. Bevor die 94er Modelle mit einer No Nose-Flut über den Markt hereinbrechen, erklärt surf die Shapes und was dahinter steckt. Kurz zusammengefasst: Die breiteste Stelle wandert hinter die Brettmitte nach hinten, das Heck wird breiter, das Volumen vor dem Mastfuß wird deutlich verringert. Dadurch sollen die Boards wie auf dem Teller drehen und schneller werden. Im August 1993 wird auch angepriesen, dass die Bretter einfacher zu fahren und allenfalls “gewöhnungsbedürftig” seien - aus heutiger Sicht muss man Mitleid haben mit zahllosen Hobbysurfern, die jahrelang ein Rodeo mit den störrischen Hightech-Brettern ausfochten und nicht selten genervt an Land blieben.
Möglich wurden die neuen Shapes erst durch gute Finnen und moderne Segel mit twistendem Topp sowie einem vorne liegenden und relativ stabilen Druckpunkt. Vor allem im Worldcup werden die Shapes teilweise extrem. Während Dunkerbeck seine Erfolge nicht riskieren möchte, ist Patrice Belbeoc’h mutiger und experimentiert bereits seit 1991 mit No Nose-Shapes. Durch dessen Erfolge springen andere Shaper auf, doch beispielsweise Jutta Müller greift nach ersten Probeläufen lieber weiterhin zu konventionellen Brettern. Und auch surf lässt 1993 noch einen kleinen Teil Skepsis durchblitzen: Schotstarts und Wenden seien mit den neuen Brettern deutlich schwerer, außerdem können die dünnen Näschen leicht brechen.
Gu-Ru Mark Angulo
Er erfand die Gu Screw, heute eher als Wave 360 bekannt, und galt als neuer Robby Naish. Doch Mark Angulo kam nach den ersten Erfolgen auf Hawaii beim Worldcup nicht zurecht und legte sich schnell ein äußerst negatives Image zu. Mit 25 lebt er Anfang der 90er wieder zurückgezogen auf Maui und plant, mit seiner Band auf Welttournee zu gehen. Nebenbei pusht er seinen kleinen Bruder, einen gewissen Josh Angulo: “Er wird einmal der beste Waverider der Welt, versprochen!” Josh kann das Versprechen halten 2003 und 2009 wird er Weltmeister - hat allerdings vorher heftige Drogen- und Alkoholprobleme.
Traumland Neuseeland
188 Tage im Jahr Böen mit sieben Windstärken oder mehr, 41 Tage sogar mit 50 Knoten aufwärts: Wellington in Neuseeland ist nichts für empfindliche Gemüter. surf-Chefredakteur Gerd Kloos durfte 1993 ans andere Ende der Welt reisen und dort die Windsurf-Szene beleuchten. Angesichts der exorbitanten Windstatistik gehören 3,0er zum Standard, Locals empfehlen, sich am halbwegs gemäßigten Spot Tangimoana einzufahren, bevor man sich an die Wavespots im Norden wagt: “Für Flachwasserfahrer und Slalomfuzzies nicht geeignet!” Bessere Wellen als auf Hawaii versprechen die Locals, nur leider ein bisschen kälter. “Damit das Wasser im Winter ein bisschen wärmer wirkt, gehen die Freaks vormittags snowboarden auf dem Taranaki.” Überhaupt sind die Neuseeländer äußerst gastfreundlich, offen und optimistisch. Auch auf der Südinsel, dort gibt es dann auch Spots für “Slalomfuzzis”.
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Und sonst so?
- Verletzungen durch Schnitte an der Finne mehren sich, surf misst nach: Bei einer G10-Finne ist die Abrisskante gerade mal 0,3 Millimeter dick, nur 0,1 Millimeter mehr als bei einem Küchenmesser!
- Mehr als 20 000 surf-Sticker wurden an Leser verschickt, die an der Aktion “surf im Segel” teilnehmen wollen. Action-Bilder mit Sticker können eingeschickt werden, bei Abdruck gibt es 200 Mark
- In der Galerie der ISPO-Neuheiten zeigen sich die oben beschriebenen Trends äußert deutlich: Fast nur weiße, schmale Bretter und Segel komplett aus transparentem Monofilm...
- “Vom Bademeister zum Boardhero”: surf gibt Tipps für die perfekte Surfkarriere, vom Teenager-Heißsporn bis zum gesetzten Surfer über 40.
- Beim Worldcup in Pozo wird nur Slalom gefahren, viele Profis greifen aber im Über-Hack dennoch zum Waveboard, um überhaupt halbwegs Kontrolle zu haben. Dafür gibts dann beim anschließenden Wave-Worldcup auf Teneriffa nur einen halben Meter Welle, dennoch wird gestartet - sehr zum Unmut der Fahrer. Jutta Müller feiert ein Comeback in der Double Elimination, bei den Herren treffen Bernd Flessner und Robby Seeger aufeinander.
Weitere surf-Rückblicke:
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