Lange bevor Lennart Neubauer seinen Skatepark aus Schanzen gebaut hat (wer sich nicht erinnert: Hier wird das Projekt vorgestellt), leistete Sigi Pertramer 1985 Pionierarbeit. Der Tüftler aus Feldmoching baute eine knapp halbe Tonne schwere Schanze für den heimatlichen See, weil er daheim nicht auf Sprünge verzichten mochte. Ein surf-Autor beschreibt das Schanzen-Erlebnis: “Mit einem kurzen Schlag fädelt die Finne in die Führungsnut ein. [...] Das Brett beschleunigt auf der Konststoffschanze enorm, weil jetzt der Wasserwiderstand schlagartig fehlt. Lange, glückliche Sekunden folgen, dann grapscht die Schwerkraft nach dir.” Petramer brachte seine Schanze sogar nach Fehmarn zu den surf-Testwochen, wo neben Dutzenden anderen Surfern auch ein Tandem über die Rampe sprang.
Testen auf Fehmarn, da klingelt doch was? Genau, die surf-Testwoche am Südstrand gab es 1985 bereits zum fünften Mal, sie ist damit ein Vorläufer des heutigen Surf-Festivals. Die Zutaten haben sich nicht viel verändert: 26 Hersteller, knapp 500 Test-Boards, Seminare zu Fahrtechnik und Trimm, viele Stars und abends Party - das war 1985 genauso wie heute. Wo heute das Beachcamp ist, stand damals noch ein Zirkuszelt - in dem “Profi-Entertainer Vossi-Bär” mit “heißer Musik” einheizte.
Der große Riggvergleich
“Latten oder nicht Latten - das ist die große Frage dieser Saison”. Weil im Vorjahr “bahnbrechende Profilsegel” auf den Markt kamen, und “surf eine Entwicklungslawine losgetreten” hatte, wurden nun in einem Mega-Test über 40 Segel gegeneinander getestet. In der August-Ausgabe gab es zur Einführung erstmal einen Gesamtüberblick, die einzelnen Testgruppen sollten in den späteren Heften folgen. Eine der Erkenntnisse: “Profilsegel sind für weniger geübte Surfer schwieriger zu fahren”. Denn Segel ohne Latten signalisieren dem Fahrer mit einem flatternden “Gegenbauch”, dass das Rigg noch nicht richtig angestellt sei. Bei besseren Surfern und Starkwind haben die Latten-Segel hingegen Vorteile, weil besagter “Gegenbauch” eben nicht mehr auftritt und bremst. Besonders entscheidend ist für die surf-Tester die Fußlatte, die - geschickt platziert - Luftverwirbelungen minimieren kann.
“Damentauglichkeit” auf dem Prüfstand
Achtung, Chauvi-Alarm! “Na wat denn, da gibt’s wohl’n paar, die knallen auch bei sechs Windstärken noch so richtig dicht, aber dat sind doch so wenige. Und det solln se doch ooch gar nicht! Die solln doch an Land bleiben und ne schöne Torte backen! - Außerdem: Wer paßt sonst auf det ganze Material an Land auf?” sprach Manfred Charchulla auf die Frage, warum weniger Frauen als Männer nach dem ersten Surfkurs weitermachen. Würde man heute zum Glück nicht mal mehr denken, geschweige denn sagen und noch weniger drucken - und war auch 1985 schon grenzwertig.
surf schickte drei Damen los (ausgerechnet nach Fehmarn, wo auch die Charchullas leben), um das neue Board “Lady Fun” von Cobra zu testen und mit anderem Material zu vergleichen. Neben den Fahreigenschaften lag der Fokus auch auf dem Handling: Lässt sich das Board auch von einer Frau vom Autodach heben? Wie viel Kraft braucht man für Mastschiene, Gabelbaum und Trimm? Das Fazit: Mit nur einer Ausnahme (es galt, ein störrisches Gabelbaum-Endstück mit dem Hammer von den Holmen zu trennen) kamen die drei Testerinnen wunderbar alleine klar, konnten auch kleinere Boards fahren und einstellen. Fazit: “Es gibt keine spezielle Damen- und Herren-Ausrüstung. Es gibt nur gutes oder schlechtes Material!”
Otto, Röhrl und Charles: Prominente Windsurfer in der surf
1985 lieferte surf eine große Einsteiger-Serie, um neue Leute in den Sport zu holen. Nach Gesundheits- und Fitness-Themen kommen im August-Heft nun die “gesellschaftlichen Gesichtspunkte” dran. Besonders schön: Prominente Windsurfer berichten, warum sie surfen. “Windhosen sind mir lieber als Unterhosen”, sagt Otto Waalkes, Schriftsteller Martin Walser kann beim Surfen abschalten: “Nach der Schreibtischarbeit verschafft mir Windsurfen körperlichen Ausgleich.” Showmaster Michael Schanze war sogar mal Sechster bei der WM auf den Bahamas, Sänger Wolfgang Ambros bekommt einen Kick: “Für mich entsteht beim Surfen a ähnlich wildes Gefühle, wia wenn i mich auf der Bühne total verausgab’.” Walter Röhrl, die ewige Rallye-Legende, bekommt auf dem Brett gar einen “Geschwindigkeitsrausch wie auf der Piste bei Tempo 190.” Nur Charles, damals noch Prinz und “zukünftiger König”, reagierte offenbar nicht auf die surf-Anfrage.
Craig, der Crack
Craig Maisonville war in den 80ern ein großer Star: Er sah gut aus, shapte für Hi-Tech überragende Boards und hatte mit seinen weißen Handschuhen ein unverkennbares Markenzeichen. surf-Autor Wolfgang Bernhard besuchte den Shaper auf Maui. Damals gab es den Spruch, Maisonville sei der einzige Surfer vor dem sich die Welle fürchte. Das findet er selber nicht so lustig, doch damals war vor allem sein unglaublich kraftvoller Stil berühmt - “Der Typ schießt mit vollem Speed an ihr [der Welle] herunter, kippt sein Brett senkrecht auf - wobei er nicht eine einzige Finne im Wasser läßt - und zieht seine Kante in die glatte Front, daß der Welle die untere Gesichtshälfte als Fontäne davonfliegt.”
An Land ist Maisonville entspannter und pendelt zwischen Shaperaum in der Cannery (noch heute das Epizentrum der Material-Entwicklung), Hi-Tech-Shop und Hookipa-Lineup. “Seine Behausung, der man die Bezeichnung Hütte ruhigen Gewissens verwehren und sie schlicht als ausrangierte Baracke bezeichnen darf, ist eine Sensation für sich!” schreibt der surf-Autor. Auf die Frage nach dem Geheimnis seines rasanten Aufstieges sagt Craig Maisonville: “80 Prozent des Erfolges beruhen immer und überall auf ein und derselben Sache - Selbstvertrauen. [...] Du brauchts die absolute Überzeugung, das Bewußtsein, daß du es schaffen wirst - im Training auf dem Wasser genauso wie im Geschäft. Ohne diese hunterprozentige Überzeugung bleibst du irgendwann auf deinem Weg stehen, obwohl du eigentlich viel weiter gehen könntest!” Sein eigener Weg führte Maisonville später dann zum Glauben. Anfang der Neunziger soll er auf Maui als Prediger aktiv gewesen sein und dem Windsurfen den Rücken gekehrt haben - seinen Platz in der Windsurfing Hall of Fame hat er aber mehr als verdient!
Das gesamte Heft gibt es oben in der Galerie zum Durchklicken!
Und sonst so?
- Das Bundesverkehrsministerium dementiert Gerüchte um einen “Surferführerschein”. Im Vorjahr habe es keinen Anstieg der Unfälle gegeben, deswegen sehe man für einen “Befähigungsnachweis” keinen Anlass, heißt es.
- Flextails im Trend: Flexible Hecks sollen sich optimal anpassen - surf stellt einige Ansätze vor. Von gefederten Platten bis hin zu extrem dünnen Heckpartien, bei denen das Laminat federt, gibt es diverse Ideen. surf rät aber, eigene Versuche zunächst mit “alten Schrottgurken” zu starten.
- In der Leichtwind-Serie zeigt Karsten Kemmer Vorübungen für Duck Jibe und Pirouette an Land.
- Perlen aus der Werbung: Sport-Riese Adidas bewirbt mit dem “Windsurfing Super” einen speziellen Surf-Schuh. 600 “Mini-Saugnäpfe” sollen für Halt auf dem Board sorgen, der hohe Schaft einen “nahezu nahtlosen” Übergang zum Anzug herstellen. Optisch erinnert das Schuhwerk eher an Box- oder Wanderschuhe.
- Bleiben wir beim Fuß: In einer kleinen Meldung berichtet surf über die ersten Footpads, erfunden vom Entwickler des Gabelbaum-Belags Bob Beadle. Auch diese sollen durch eine Art “Mini-Vakuum” die Füße ansaugen und obendrein warm halten.
- Schon damals ein großes Thema: Camping und Windsurfen. Autor Joachim Rubel berichtet über seinen Selbstversuch, mit einem Wohnmobil Urlaub am Gardasee zu machen (”Innen Plüsch und außen plump, sie [...] wankten in der Kurve mit ihrem Surfshop auf dem Dach - ganz oben sichtbar ein Sinker fürs Prestige”) und gibt Tipps zu Miete, Kauf, Kosten und Ausbau.
- Streit um hohle Boards beim Funboard-Cup: Zunächst werden Axel Ohm und Heiko Hoffmann aus der Wertung genommen, weil sie hohle Raceboards fahren, von denen angeblich keine 500 Stück (die Grenze zwischen Serienboards und Prototypen) hergestellt wurden. Am letzten Tag der Regatta beweist HiFly per Telex, dass 628 Bretter ausgeliefert wurden, Ohm und Hoffmann rücken wieder in die Rangliste und Ohm gewinnt. Anschließend hebt die Vereinigung Deutscher Regattasurfer die Unterscheidung zwischen Protos und Serie auf.
Weitere surf-Rückblicke:
- Das waren die Highlights in surf 4/1979
- Das waren die Highlights in surf 4/1981
- Das waren die Highlights in surf 5/1982
- Das waren die Highlights in surf 9/1984
- Das waren die Highlights in surf 8/1986
- Das waren die Highlights in surf 8/1988
- Das waren die Highlights in surf 4/1990
- Das waren die Highlights in surf 3/1992
- Das waren die Highlights in surf 6/1991
- Das waren die Highlights in surf 4/1994
- Das waren die Highlights in surf 11-12/1996
- Das waren die Highlights in surf 7/1997