Wingsurf-HistoryVom Ur-Wing zum Trendsport in 40 Jahren

Manuel Vogel

 · 12.06.2023

Wingsurf-History: Vom Ur-Wing zum Trendsport in 40 Jahren
Wingsurfen ist neu? Nicht ganz! Denn bereits vor fast genau 40 Jahren hatten Jim Drake, der Erfinder des Windsurfens, und Uli Stanciu, die Idee für den ersten Wingsurfer. Ein Blick in die Wingsurf-History.

Wingsurfen ist der neueste Trend auf dem Wasser. Aber wie so oft, gab es in der langen Historie des Surfsports bereits vor langer Zeit Typen, deren Ideen aus heutiger Sicht ziemlich revolutionär waren – und damit ihrer Zeit eindeutig voraus.

Uli Stanciu, der Gründer des weltgrößten Windsurf-Magazins “surf”, war einer von ihnen. Jetzt, 40 Jahre später, gibt er uns Einblicke in die Geschichte des Wingsurfens.

Uli: Die Idee zum ersten „Wing“-Rigg kam im August 1981 auf, als Jim Drake mich in der surf-Redaktion in München besuchte. Jim und ich waren seit 1977 befreundet, als die Zeitschrift surf gegründet und mein Artikel über den „wahren Erfinder“ des Windsurfens veröffentlicht wurde. So sprachen wir im August 1981 beim Abendessen über unsere Erfahrungen, die wir über ein Jahr zuvor beim PanAm Cup auf Hawaii gemacht hatten – die Entwicklung von Funboards, die ersten richtig hohen Sprünge über die Wellen. In der Zwischenzeit hatte ich bei unseren Magazin-Tests auf Gran Canaria immer wieder fliegende Fische beobachtet, die neben unseren Boards aus dem Wasser schossen und dann oft viele Meter neben uns hersegelten. Ich fragte Jim, ob wir nicht etwas Ähnliches wie die fliegenden Fische mit unseren Surfbrettern machen könnten und schilderte meine Beobachtung, dass unsere normalen Windsurf-Riggs einfach nicht symmetrisch sind und man nach einem Sprung auf eine Seite kippen und ins Wasser fallen würde.

Wingsurf-History – die Originalskizze von Jim DrakeFoto: Uli StanciuWingsurf-History – die Originalskizze von Jim Drake

„Wie wäre es“, fragte ich, „wenn unsere Riggs irgendwie symmetrisch wären und man beim Springen wie ein fliegender Fisch ein wenig fliegen könnte.“ Ich hatte keine Ahnung, wie so etwas aussehen könnte, aber Jims Augen blitzten sofort auf. Er sagte: „Ich glaube, ich habe die Lösung.“ Als begnadeter Flugzeugkonstrukteur und Aero-
­dynamik-Experte erklärte er mir das Prinzip seiner Flügelkonstruktion: Die beiden Flügelhälften müssen gleich groß sein, leicht abgewinkelt und nur einen zentralen Ausleger haben. Denn dann kippt der Flügel automatisch zur einen oder anderen Seite, wenn man die Nase leicht aus dem Wind dreht. Um ehrlich zu sein, habe ich das nicht sofort verstanden. Wir machten eine Zeichnung auf ein Stück Papier und Jim beschrieb das Prinzip. Ich war begeistert. Schon am nächsten Tag baute ich ein kleines Modell aus einem Stück Surfbrett-Schaumstoff (Clark Foam), das ich heute noch besitze.

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Zwischen diesem ersten “Modell” und dem neuen Sport Wingsurfen liegen 40 Jahre DornröschenschlafFoto: Uli StanciuZwischen diesem ersten “Modell” und dem neuen Sport Wingsurfen liegen 40 Jahre Dornröschenschlaf

Dann hielt ich das Modell vor einen Ventilator, um es zu testen. Und siehe da, es funktionierte perfekt. Da wir den Flügel unbedingt auf einem Brett und im Wind ausprobieren wollten, fragte ich bei einigen Surfbrett-Firmen in Deutschland, ob sie Prototypen bauen könnten. Schließlich bekam ich eine Zusage bei den Schütz Werken, die damals gerade mit der Marke „Fanatic“ gestartet waren. Jim Drake und ich trafen uns im Oktober 1981 im Werk, wo Jim in der Konstruktionsabteilung genaue technische Zeichnungen des „Wing“ anfertigte, die ich heute noch habe.

Dann wurden in der Prototypenabteilung zwei Riggs aus Aluminiumrohren gebaut. Zur gleichen Zeit fragte ich meinen Freund, den Segelmacher André Lefebvre (Bostalsee im Saarland), ob er uns zwei Segel schneidern würde. Jim machte ihm auch einen Schnittplan mit genauen Maßen. André fertigte daraufhin drei Segel an, ein gelbes für Jim, ein dunkelrotes für mich und ein grünes für sich selbst, das er später auf dem Bostalsee mit einem Stützmast auf dem Brett ausprobierte.

Wingsurf-History: Statt luftgefüllter Kammern gab’s 1981 allerlei Aluminium-RohreFoto: Uli StanciuWingsurf-History: Statt luftgefüllter Kammern gab’s 1981 allerlei Aluminium-Rohre

Jim Drake nahm einen Prototypen und das gelbe Segel mit nach Kalifornien und später, Ende Januar 1982, zum PanAm Cup in Kailua, wo Pete Cabrinha, Richard Whyte und Randy Naish den „Wing“ ausprobierten. Meinen Prototyp nahm ich mit nach Thailand. Es war der 11. November 1981, ich war also der Allererste, der den „Wing“ ausprobierte. Leider waren die Bedingungen nicht gut – wenig Wind und kabbelige Wellen. Ich versuchte, durch die kleine Brandung zu kommen, das Rigg stürzte ins Wasser und der mittlere Ausleger brach beim ersten Versuch. Ich war ziemlich verzweifelt, aber ich habe nicht aufgegeben.

Uli Stanciu fährt den vermutlich ersten Wing der Welt – am 11. November 1981 in Thailand.Uli Stanciu fährt den vermutlich ersten Wing der Welt – am 11. November 1981 in Thailand.

Am Nachmittag nahm ich einen Mast von meinem Windsurfing-Rigg, sägte ihn auf die richtige Größe und baute ihn in den Flügel ein. Am nächsten Tag ging ich wieder raus und hatte mindestens so viel Erfolg, dass ich ein paar Mal hin- und zurücksegeln konnte. Dieser Wing-Prototyp mit dem dunkelroten Segel steht noch in meiner Garage.

Dass es danach noch 40 Jahre dauerte, bis Wingsurfen aus dem Dornröschenschlaf erwachte, ist eigentlich unbegreiflich.

Auch die Wind Weapon von Tom Magruder gehört sicher zur Wingsurf-History – HIER gibt’s die Story.

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