Rund 40 Prozent meiner Arbeitszeit verbringe ich im Moment mit Foildesign“ – sagt Robert Stroj, dessen Initialen bisher überwiegend auf nahezu jedem NeilPryde-Segel prangen. Ein Foil im Wasser folgt aber den gleichen Gesetzen wie ein Segel im Wind. Weil Wasser so viel dichter ist als Luft, erzeugen schon viel kleinere Profile gewaltige Kräfte, das ist bereits der wesentliche Unterschied. Und die Erwartungen und Hoffnungen im Foilsurfen sind so groß, dass sich auch ein renommierter Segelmacher vom Segel profilieren zum Profile schleifen locken lässt.
Foils sind langsamer
„Es wird vielfach diskutiert, dass mit einem Hydrofoil höhere Geschwindigkeiten möglich sind – diese Annahme ist aber falsch“, setzt Dipl.-Ing. Dietrich Hanke von Maui Ultra Fins aber erst mal alle Speedrekord-Träumer mit dem Sitztrapez wieder auf den Strand. Die Grafiken des ehemaligen Forschungsspezialisten bei der DLR belegen, wie der Widerstand eines Foils mit steigender Geschwindigkeit extrem zunimmt, deutlich stärker als bei einer Finne.
Der Grund liegt wohl im Gesamtsystem „Foil“, bei dem man ziemlich viele Bauteile mitschleppt, damit das Gerät überhaupt fahrbar wird, die aber eben auch viel Widerstand erzeugen. Wie der hintere Flügel. „Wir wären froh, wenn wir beim Foil den Heckflügel nicht bräuchten, weil er negativen Lift erzeugt und viel Widerstand“, klagt Robert Stroj, „aber er ist ja ein wichtiges Stabilitätsfeature.“
Denn „der Heckflügel sorgt für Dämpfung“, erklärt auch Hanke, „je größer der Heckflügel, oder je länger die Fuselage (Red.: Der Längsträger, an dem die beiden Flügel befestigt sind) gewählt wird, umso stärker fällt die Dämpfung aus.“ Neigt sich das Board beim Surfen ungewollt nach unten, so erhöht sich automatisch der Abtrieb am Heckflügel, was die Boardspitze wieder nach oben lenkt. Ein Foil ohne Dämpfung wäre wie ein Auto mit Federn, aber ohne Stoßdämpfer – mit unkontrollierbarem Känguru-Fahrverhalten in beiden Fällen. „Kurze Fuselages benötigen dabei größere Heckflügel, um die gleiche Stabilität zu erzeugen wie lange Fuselages“, weiß auch Robert Stroj aus der Praxis. Schlaufüchse planen vermutlich schon die ellenlange Fuselage mit einem Miniflügel hinten dran, der dann zwar das System im Gleichgewicht hält, aber nur noch wenig Widerstand hat. „Es bleibt aber ein Design-Kompromiss“, wiegelt Robert dazu gleich ab, denn „die Fuselage erzeugt ebenfalls einen ansteigenden Widerstand, je länger sie wird. Wir müssen also in der Praxis die Balance aus Länge der Fuselage und Größe des Heckflügels finden.“
Wer schon mal bei zwölf Knoten Wind von einem Foiler überflügelt wurde, fragt sich vermutlich, „wie passt das zur Theorie vom langsameren Foilsurfer?“ Tatsächlich kommt der hohe Widerstand des Foil-Monsters im Wasser erst bei höheren Fahrgeschwindigkeiten zum Tragen. Im unteren Gleitwindbereich überwiegen die Vorteile des Foils. Denn während beim Windsurfen mit Finne die Gleitfläche durch den Wasserkontakt den nötigen Auftrieb liefert, um Brett, Rigg und Fahrer frei gleitend über Wasser zu halten und dabei auch viel Widerstand bietet, übernimmt beim Foil der Flügel gleich nach dem Take Off die Aufgaben von Finne und Board zusammen – und das deutlich effizienter. Auf der einen Seite tritt ein recht planes Board an, das im unteren Gleitbereich nur halb fliegt, halb aber noch auf dem Wasser „klebt“ und gegen kleinere Wellen schiebt. Auf der anderen Seite ein genau berechnetes Profil, das in 30 Zentimeter Tiefe durch perfektes, ruhiges Wasser gleitet und 50 Zentimeter über Wasser jede Kabbelwelle ignoriert.
Bei Leichtwind: Foils sind vorne
Auch das asymmetrische Profil der Foilflügel im Gegensatz zum symmetrischen Profil bei Finnen – wir müssen damit ja in beide Richtungen surfen – trägt zur positiven Bilanz beim Leichtwind-Foilen bei. Wenn es nur in eine Richtung geht, setzt auch Weltrekordjäger Antoine Albeau auf effizientere asymmetrische Finnen, bei denen „die Speeder mit einem Vorteil von eineinhalb bis zwei Knoten rechnen“, wie Finnenbauer Otmar Schleenvoigt weiß. Den Foil-Vorteil sieht NeilPryde-Designer Robert Stroj aber bislang noch in einem begrenzten Windfenster oder auf speziellen Kursen: „Sobald du mit einem 9,0er-Slalomsegel gut unterwegs bist, bist du auf typischen Slalomkursen, also vielleicht 15 Grad downwind, auch heute noch schneller. Auf Halbwindkurs sieht es aber anders aus und sobald es gegen den Wind geht, ist das Foil deutlich überlegen.“
Finnen- und Foilprofile
Die Querschnitte der Profile, auf denen Foiler fliegen, basieren dabei auf derselben Datenbasis wie die meisten Finnen: Unzählige amerikanische „NACA“-Profile wurden von 1915 bis 1958 für unterschiedlichste Strömungssituationen entwickelt, später legte der deutsche Aerodynamiker Richard Eppler den Grundstein für die verfeinerte Auslegung, ursprünglich für Profile von Segelflugzeugen, die aber wegen der Übertragbarkeit auch heute noch für Finnen und Foils verwendet werden. „Die Profile, die ich mache, sind einem NACA-Profil zumindest sehr nahe“, sagt Schleenvoigt, der mit Hurricane Fins die unter Racern begehrten Slalom- und Formulafinnen baut, „ich gehe nicht von denen aus, aber ich würde unter den NACA-Profilen immer eins finden, das meinen Profilen sehr nahe kommt.“
Bei der Auswahl folgen Finnendesigner und Foilentwickler der gleichen Spur: Für niedrige Geschwindigkeiten und unkomplizierte Fahreigenschaften fallen Profile dicker und die vordere Anströmkante möglichst rund aus. Finnen neigen so weniger zu Spin Outs – dem plötzlichen seitlichen Wegschmieren – und Foils bleiben auch bei wenig Speed und in engen Turns stabiler oben. „Das kommt daher, dass die Strömung an runden Anströmkanten später abreißt“, erklärt Otmar. „Die Finne wird normalerweise in einem Winkel zwischen drei und fünf Grad angeströmt, wenn die Kante vorne scharf ist, entsteht bei noch höheren Anströmwinkeln ein Abrisswirbel. Der Anströmwinkel hängt vom Lift ab, den du gerade benötigst, also auch vom Kurs, ob hart am Wind oder Downwind. Bei einer Finne wird es dann kritisch, wenn du bei wenig Wind versuchst, einen hohen Anströmwinkel zu fahren: Wenn du noch im Angleitbereich bist und gibst bei einer dünnen Finne zu viel Druck, dann trittst du die weg. Wenn die gleiche Finne aber schnell ist, dann greift sie sicher, weil sie bei höherem Speed einen kleineren Anstellwinkel hat – für den gleichen Lift, den du brauchst. Du kannst eine Finne mit sehr runder Kante dagegen auch langsam mit einem großen Anströmwinkel fahren, ohne dass da was passiert.“ Dicke Vorderkanten verhindern allerdings auch absolute Top-Leistungen. Doch eine Finne nur spitz und dünn zu machen, um schneller zu surfen, ist auch nicht das perfekte Speedrezept.
Die schnellste Finne
„Die ‚schnellste Finne‘ gibt es gar nicht“ dämpft daher auch Finnen-Guru Otmar Schleenvoigt euphorische Hoffnungen. „Die Finne muss man immer im Zusammenspiel mit Board, Rigg und Fahrer sehen. Wenn das zusammenpasst, ist die Finne schnell. Da gibt es Finnen mit mehr Power, die etwas mehr Profildicke haben, etwas mehr Fläche, andere mit weniger Power. Da muss jeder ‚seine’ Finne finden. Die Fahrstile sind unterschiedlich, so hat jeder seine Lieblingsfinne. Eine Finne hat weniger Lift, wenn sie dünner ist. Die hebelt das Brett weniger raus, das hat zur Folge, dass eine dünne Finne nicht zwangsläufig schneller sein muss. Eine größere und dickere Finne kann schneller sein, weil das Brett freier läuft oder mehr fliegt und dadurch hast du weniger benetzte Fläche am Board und bist dadurch schneller. Viele glauben, dass sehr dünne Finnenprofile immer die schnellsten sind, das ist aber nicht so.“
Foil-Masten – Am besten megasteif
Auch Robert Stroj gestaltet das Flügel-Profil des besonders einfach zu fahrenden „Glide Windsurf“ rund und dick. „Wie bei Foils zum Surfen ist eine perfekt runde Anströmkante wichtig, weil hier eine große Range an Anströmwinkeln vorkommt. Sie müssen bei wenig Wind in einem großen Winkel arbeiten und dennoch in der Lage sein, relativ schnell zu werden. Eine scharfe Anströmkante und dünne Profile funktionieren dagegen in einem schmalen Fenster von Anströmwinkeln, doch wenn man sich aus diesem Fenster zu weit hinauslehnt, kommt es zum ‚Stall’ – zum Strömungsabriss“.
Zum schnellen Foilen zählen aber noch weitere Kriterien als nur ein dünnes Profil. „Die Steifigkeit hat beim Foilen eine 100-prozentige Relation zur Kontrolle und damit zum Speed“, listet Stroj auf, „am wichtigsten ist der Mast, dann die Fuselage, am Schluss die Flügel. Denn nur gute Torsionssteifigkeit des Masts hält das Foil stabil in der Spur.“ Während beim Windsurfen eine bockharte Finne nicht wünschenswert ist: „Vollcarbon-Finnen halte ich nicht für sinnvoll“ meint Finnenexperte Schleenvoigt, „die sind schwieriger vom Fahrverhalten. Eine winzige, asymmetrische Speedfinne kann sehr steif sein, aber wenn ich eine 70 cm lange Formulafinne bocksteif mache, dann geht gar nichts mehr.“
Was zur nächsten Optimierungsaufgabe beim Foil führt. „Ideal wäre ein dünner, schlanker 60-Zentimeter-Mast mit maximaler Steifigkeit“, sagt Robert. Man flöge dann stabil und mit wenig Widerstand im Wasser. In der Praxis sind aber Kabbelwellen zu überwinden, die man nur mit langen Masten berührungslos und damit schnell – jedes Aufsetzen kostet einen halben bis einen Meter, sagen Racer – überwinden kann. „Zwischen 90 und 110 Zentimeter sind im High-End-Racing Standard“, verrät der Foilldesigner, „es ist aber leider erstaunlich, wieviel Softness ins System kommt, wenn man den Mast zehn Zentimeter länger macht.
Der Widerstand von Boards mit Finne steigt fast linear mit der Geschwindigkeit (orange). Beim Foil dagegen verringert sich nach dem Abheben (bei sieben bis acht Knoten Speed) der Widerstand zuerst (grün) und wird deutlich kleiner als beim Gleitsurfen. Dann steigt der Widerstand wegen der großen Foilfläche aber umso stärker an. Der Segelschub nimmt mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit ab. Wenn Schub und Widerstand gleich sind, ist die Maximalgeschwindigkeit erreicht, höhere Geschwindigkeiten sind theoretisch und praktisch nicht erreichbar.Gerade die wichtige Torsionssteifigkeit nimmt mit zunehmender Länge nicht proportional, sondern im Quadrat ab.“ Aluminiummasten sind dabei aus praktischer Erfahrung aus den surf-Tests oft deutlich steifer als Carbonmasten. „Ja, das stimmt“, bestätigt Stroj, „das liegt aber auch daran, dass die Aluminiumprofile meist auch deutlich dicker sind und breiter – Carbon kann schlanker gehalten werden und wird daher schneller.“ Mal sehen, wie lange 40 Prozent Arbeitseinsatz für dieses Themengebiet noch reichen. Der surf-Test widmet sich zwar weiter überwiegend dem Surfen mit Finne, ein ausführlicher Vergleich der wichtigsten Einsteiger-Freeridefoils kommt aber im Frühjahr im Magazin.