Gleich mehreren surf-Lesern war es beim Lesen der Regattaberichte aufgefallen: „Wieso fahren die Frauen und Männer im Worldcup eigentlich mittlerweile alle mit Hüfttrapezen?“
Die Frage, warum das bewährte Sitztrapez in der Raceszene offensichtlich aus der Mode gekommen scheint, konnten wir, ehrlich gesagt, auch nicht so ohne Weiteres beantworten. Also haben wir sie einem gestellt, der es wissen muss: Vincent Langer!
Vincent, früher galt: Wer tricksen will oder in der Welle surft, nimmt ein Hüfttrapez, wer schnell sein will oder gar Slalomregatten fährt, braucht ein Sitztrapez. Ist diese Regel fürs Trapezsurfen überholt?
Ja, eindeutig! Der Trend zum Hüfttrapez hat sich unter den Regattafahrern bereits vor etwa fünf Jahren durchgesetzt. Antoine Albeau war damals der Letzte der großen Namen, der noch mit Sitztrapez unterwegs war, aber auch er hat dann schnell auf ein Hüfttrapez gewechselt, vor allem bei viel Wind. Heute gibt es keinen Top-Fahrer mehr, der ein Sitztrapez fährt.
Was sind konkret die Vorteile für euch?
Es ist definitiv mehr als eine Modeerscheinung, es bringt wirklich was. Ich erinnere mich gut daran, wie ich vor einigen Jahren auf Teneriffa mit Matteo Iachino (PWA Slalom-Weltmeister im Jahr 2016; die Red.) Trapeze getestet habe. Wir hatten sämtliche Arten von Trapezen dabei – Hüfttrapeze, enge Sitztrapeze und solche, die etwas mehr Freiraum bieten und am Körper rutschen können. Das Ergebnis war eindeutig: Egal in welchen Bedingungen, das Hüfttrapez war immer schneller!
Woran liegt das genau?
Der Haken sitzt bei Hüfttrapezen naturgemäß höher. Bei viel Wind können wir den Hintern und die Hüfte weiter rausschieben, das bringt den Schwerpunkt nach außen beziehungsweise unten und sorgt für eine bessere Kontrolle im Grenzbereich. Und mehr Kontrolle bedeutet für uns auch immer mehr Speed. Bei ganz wenig Wind kann man, die nötige Körperspannung vorausgesetzt, das Segel durch die höhere Hakenposition auch aufrechter fahren, auch das wirkt sich positiv auf die Gleitleistung und den Speed aus. Man hat einfach mehr Power im Segel. Auch der Aspekt, dass wir durch ein Hüfttrapez die Gabel höher fahren können, was dafür sorgt, dass das Brett mehr über die Finne fliegt und eine freiere Gleitlage bekommt – ist ein großer Vorteil, vor allem bei Leichtwindbedingungen. Hinzu kommt, dass man in Manövern natürlich die viel bessere Bewegungsfreiheit hat.
Reden wir hier über die Feinheiten, die ohnehin nur Raceprofis wie du spüren? Oder kann auch ein ambitionierter Hobbyracer, der mit Cambersegeln und Slalombrett unterwegs ist, den Unterschied beim Speed spüren?
Die Vorteile sind auch für gut surfende Amateure spürbar! Allerdings ist Hüfttrapez nicht gleich Hüfttrapez.
Worauf kommt es beim Hüfttrapez an?
Die Auflagefläche zum Körper sollte möglichst groß sein, das Trapez selbst muss fest am Körper sitzen und darf nicht verrutschen oder sich verdrehen. Manche Neos haben im Hüftbereich auch kleine Gummipads aufgeklebt, durch die das Trapez fest am Körper sitzt und sich nicht verdreht. Gerade bei wenig Wind arbeiten wir Profis mit viel Körperspannung und verdrehen den Oberkörper beim Geradeausfahren nach vorne. Wenn sich dann ein locker sitzendes Trapez auf die Seite dreht, ist der ganze Effekt verpufft.
Für Hobbyracer macht der Wechsel aufs Hüfttrapez nicht automatisch Sinn - Fahrkomfort und Rückenbelastung sind wichtige Argumente für Sitztrapeze
Was ist, neben dem strammem Sitz am Körper, noch wichtig, wenn man Hüfttrapeze zum Racen verwenden will?
Es sollte möglichst bequem sein und idealerweise dick gepolstert. Anprobieren im Shop ist ratsam. Die ganz starren Hüfttrapeze mit Carbonschalen sind mir persönlich zu hart, die Wavetrapeze oft zu weich. Irgendwas dazwischen sollte es sein.
Halten die Schnellverschlüsse die Belastungen beim Racen aus?
Ich denke, dass die Verschlüsse mittlerweile ausgereift sind und man keine Bedenken haben muss, dass einem der Schnellverschluss um die Ohren fliegt. Hilfreich ist es auf jeden Fall, wenn unter dem Haken eine Platte sitzt, auch das sorgt für eine bessere Kraftübertragung und mehr Komfort, weil sich die Kräfte besser verteilen und es keine Druckstellen an den Rippen gibt.
Früher gab’s von vielen Herstellern „Racehöschen“ mit besonders kleiner Auflagefläche. Sinnvoll?
Davon ist man komplett weg! Früher war die Idee dieser kleinen Racetrapeze, dass sie möglichst eng am Körper sitzen und maximal leicht sind.
Macht es für Hobbyracer in deinen Augen generell Sinn, auf ein Hüfttrapez zu wechseln?
Das würde ich so nicht sagen. Wie bereits erwähnt, muss man bedenken, dass man beim Trapezsurfen recht viel Körperspannung mitbringen muss, um den Vorteil von Hüfttrapezen beim Racen umzumünzen. Bei Leichtwindbedingungen beispielsweise haben wir Pros eine viel gestrecktere Haltung auf dem Brett als bei Starkwind, wo wir den Hintern maximal weit rausschieben. Wer aber wenig Körperspannung mitbringt und auch bei Leichtwind im Trapez „hängt“, hat nicht nur keine Vorteile, sondern eher Nachteile.
Welche sind das?
Vor allem der Fahrkomfort, denn eines ist unbestreitbar: Hüfttrapeze sind in Verbindung mit großen Cambersegeln immer unkomfortabler zum Trapezsurfen als Sitztrapeze und belasten den Rücken stärker. Besonders bei Leichtwind geht das ständige Anspannen des Rumpfs schon auf den Rücken und als Profi muss man da natürlich gegenarbeiten mit entsprechenden Fitnessübungen. Aber auf diesem Niveau können wir es uns natürlich nicht erlauben, einen Vorteil liegen zu lassen. Wir müssen an jeder Stellschraube drehen. Wer hingegen zehn- oder 15-mal im Jahr aufs Wasser kommt und naturgemäß weniger im Training ist, sollte für große Cambersegel im Zweifel besser beim Sitztrapez bleiben.
Viele Surfer wechseln zwischen unterschiedlichen Disziplinen wie Slalom, Freeride und Welle hin und her. Macht es Sinn, unterschiedliche Trapeztypen zu verwenden, etwa Hüfttrapeze für die Welle, Sitztrapeze zum Racen?
Zu Beginn habe ich das auch gemacht. Allerdings habe ich festgestellt, dass die Umstellung zwischen verschiedenen Trapeztypen beim Trapezsurfen ziemlich groß ist. Wer nicht so oft aufs Wasser kommt, hat dabei nur Nachteile, in diesem Fall ist es besser, sich auf ein System festzulegen, unabhängig von der Disziplin. Dann muss man auch die Trapeztampenlänge nicht jedes Mal anpassen.
Basic-Tipps zu den Trapez-Einstellungen gibt’s auch in diesem Clip.