Michi, wann hast du Stand Up Paddeln zum ersten Mal gesehen?
Das war 2004. Dave Kalama und Laird Hamilton sind damals auf Tandem-Surfboards die Küste runter gepaddelt. Manchmal war auch ihr Freund Loch Eggers dabei. An einem Tag – ich war gerade am Camp One Beach und testete Windsurfboards – da landete Loch nach solch einem Downwinder am Strand und sagte zu mir: „Probier’ doch mal mein SUP aus!“
Und wie war es?
Ziemlich kippelig, denn Loch verwendete ein Wellenreit-Longboard; SUPs gab es noch nicht. Trotzdem fand ich es so witzig, dass ich bald darauf unserem Shaper Harold Iggy vorschlug, ein eigenes SUP zu bauen.
Wie sah das aus?
Groß. 12 Fuß lang, doch nur 25 Inches breit. Also auch ’ne ziemlich wackelige Angelegenheit. Als wir Freunde darauf stellten, fielen sie ins Wasser. Unser erstes Serienboard machten wir dann breiter, es kam 2007 auf den Markt und es war ein guter Allrounder. Auf dem hatten dann alle Spaß.
Wo gehst du am liebsten paddeln auf Maui?
In Kauai oder an den Außenriffen. Da wo niemand ist. Das ist leicht geworden, denn die meisten gehen nicht mehr SUPen. Die SUP-Szene auf Maui schrumpft.
Wie erklärst du dir das?
Auf Maui wollen die Leute Wellenreiten. Andere Disziplinen sind spannender geworden. Prone Foilen und Wingfoilen zum Beispiel. Oder viele kehrten zurück zum klassischen Wellenreiten. Nur auf der Südseite im Flachwasser ist SUP noch eine große Nummer.
Hat das damit zu tun, dass das Image des SUP verpufft ist, wenn jeder ein Lidl-Board im Keller hat?
Das glaub’ ich gar nicht. Das hängt eher damit zusammen, dass Wellenreiter und SUPler schlecht zusammen passen. Mit dem SUP ist es so easy, Wellen zu kriegen. Daher paddelten plötzlich Leute in der Brandung rum, die dort eigentlich nix verloren hatten und sich mit ihrem Verhalten unter Wellenreitern keine Freunde machten. Doch der Hauptgrund ist, dass viele jetzt vom Foilen fasziniert sind. Das ist neu, das ist hipp und Foilen besitzt die gleiche Faszination wie SUP.
Die wäre?
Du kommst von den anderen Leuten weg, kannst an abgelegenen Spots surfen und Wellenreiten, die zum klassischen Surfen nicht taugen.
Dünungswellen zum Beispiel. Das machst du mittlerweile mit dem Foil-SUP. Ist das die neue Evolutionsstufe des SUP?
Downwinden mit dem Foil ist ein irres Erlebnis. Du reitest eine Welle für 30 Minuten – endless Surfing! Ja, ich sehe Foil-SUP als Evolution des SUP – das wird noch eine spannende Zukunft.
Wie funktioniert das genau?
Ich benutze mein normales Foilboard, mit dem ich auch Wingfoilen gehe. Es besitzt 95 Liter Volumen und ein High-Aspect-Foil. Ich paddle damit in Maliko Bay raus, wenn es windig ist. Dann kommt die Initialzündung: Mit einer guten Paddeltechnik pumpe ich mich aufs Foil. Bin ich einmal oben, kann ich den Windswell die ganze Küste runter abreiten.
Wie lange kannst du dich oben halten?
Wenn ich keinen Fehler mache, reißt die Strömung nie ab und ich foile ich die ganzen 15 Kilometer durch.
Und wie oft musst du paddeln?
Immer dann, wenn ich die einzelnen Windswells miteinander verbinden muss. Da helfe ich mit dem Paddel nach oder ich pumpe das Foil mit den Beinen. Meist pumpe ich mehr als dass ich paddle.
Kann das ein Normalo lernen?
Kann er. Doch er muss sich richtig reinhängen. Meine ersten Runs waren mühsam, weil ich vielleicht zwei Mal aufs Foil kam und dann nur für 20 Meter. Doch das reichte aus, um mich zu begeistern. Mit der Zeit wurden die Foil-Strecken immer länger. Ich hab’ 10 Runs gebraucht, dann konnte ich bereits lange Strecken auf dem Foil surfen.
Ist das ein tolles Gefühl?
Super – ein irres Gefühl! Du fliegst übers Wasser die Küste runter. Mir macht das enorm viel Spaß.
So weit draußen im Meer – viele schreckt das. Was kann schief gehen?
Wenn du keinen Herzinfarkt kriegst beim Anpaddeln (lacht), dann eigentlich nix. Denn du hast ein Board mit genug Volumen und ein Paddel. Du kannst also jederzeit an Land paddeln.
Aber als Connor Baxter das machte, biss ein Tigerhai in sein Foil.
Verrückt, ich weiß. Der Hai hat das Foil vermutlich für einen Fisch gehalten. Doch der Hai ist sofort abgehauen als er merkte, dass das Foil nicht schmeckt. Nein, ich habe keine Angst vor Haien – ich steh’ ja auf dem Board.
Das klingt nach Waterman. Wer darf sich Waterman nennen?
Das ist so ein Mode-Begriff, den jeder anders auslegt. Für mich ist ein Waterman jemand, der Respekt fürs Meer hat, schwimmt, surft, taucht, windsurft, paddelt ... was auch immer und sich nicht kategorisieren lässt.
Danach wäre selbst ich ein Waterman.
Natürlich. Waterman ist doch kein Adelstitel wie König, Graf oder Baron.
Also sind nicht nur Kai Lenny oder Laird Hamilton Watermen?
Nach meiner Definition nicht.
Watermen reiten doch große Wellen wie Jaws. Reizt dich Jaws mit dem SUP?
Nein, denn Jaws ist mir viel zu voll. Wenn Jaws bricht, tummeln sich dort alle. Das ist wie auf dem Jahrmarkt. Ich geh lieber woanders hin.
Und wohin gehst du?
An die Außenriffe. Auf Maui oder Oahu. Dort habe ich schon ähnlich hohe Wellen mit dem SUP gesurft.
Du bist auch Freediver – hilft das in großen Wellen?
Das hilft, verhindert Panik und stärkt das Selbstbewusstsein. Für große Wellen musst du dich mental und körperlich vorbereiten. Ich trainiere das und kann daher auch unter Stress die Luft lange anhalten.
Wie tief kommst du runter mit einem Atemzug?
30 Meter. Mein tiefstes war 45 Meter. Da geht’s eigentlich erst los im Freediving. Mit der richtigen Atemtechnik lernst du das ziemlich schnell.
Watermen-Stuff! Gibt es auch Waterwomen?
Na klar. Die erste, die mir in den Sinn kommt ist Andrea Moller. Sie ist eine der Top-Frauen in Jaws. Sie foilt, windsurft, paddelt – sie hat das Race „Molokai to Oahu“ einige Mal gewonnen. Doch auf Maui gibt es eine ganze Waterwomen-Szene.
Kai Lenny ist der Inbegriff eines Waterman. Er war euer Teamfahrer. Warum kann er alles?
Kai ist im Meer aufgewachsen und besitzt die richtige Mentalität: Er will immer besser werden. Das treibt ihn an. Sein Vorteil: Er hat viele Wassersportarten gelernt und verbindet sie. Das Gefühl für Speed hat er z.B. beim Windsurfen gelernt und er überträgt es aufs Wellenreiten. Das hilft ihm in großen Wellen.
Ist Kai Lenny ein größerer Athlet als Robby Naish?
Was Robby in seinem Leben erreicht hat, ist schwer zu überbieten. Das ist jetzt eine andere Zeit.
Welcher SUP-Athlet beeindruckt dich?
Kai hat im SUP-Racing und SUP-Wellenreiten viele Standards gesetzt. Im Racing: Connor Baxter und in Europa Casper Steinfath. Was Abenteuer und Ausdauer betreffen, beeindruckt mich Bart de Zwart.
Reizt es dich auch den Yukon runter zu paddeln wie Bart de Zwart?
Nein. Das wäre mir viel zu anstrengend. Ich habe zwar schon 12 Mal beim Race „Molokai to Oahu“ mitgemacht, doch die Distanz ist für Bart eher ein Sprint (lacht).
Das Race „Molokai to Oahu“ gilt als Härteprüfung. Was ist daran so herausfordernd?
Du querst den Kaiwi Channel, übersetzt: Knochen-Kanal, denn der Pazifik ist hier beinhart. Der Channel ist angeblich eine der wildesten Meeresengen der Welt. 42 Kilometer mit Strömungen und riesigen Dünungswellen. Da brauchst du eine gute Strategie und das richtige Mindset.
Und das Race „Battle of the Paddle“?
Da fährst du um Bojen und durch die Brandungszone durch. Beide Rennen sind hart, doch ich mag Open-Ocean-Rennen, denn das ist mehr ein Kampf mit dir selbst als gegen andere und du bist weit draußen auf dem Meer.
Erstaunlich, wie sich SUP entwickelt hat, dabei war dein Boss Robby Naish anfangs skeptisch.
Nur so lange bis er es selbst ausprobiert hat. Das geht den Leuten ja heute noch so: erst skeptisch, dann begeistert. Gerade in Europa hat Robby als SUP-Botschafter dazu beigetragen, dass der Sport so populär wurde.
Hattest du geahnt, dass SUP so groß werden würde?
Nein. Darüber hab’ ich gar nicht nachgedacht. Es hat mir Spaß gemacht, und ich war mir sicher, dass es vielen anderen Leuten auch so gehen würde. Es steckt nicht in meiner DNA, zu sagen: „Wir müssen das jetzt machen, denn das wird ein großes Business.“
Welche SUP-Disziplin ist am stärksten?
Die Boards verkaufen sich am besten, mit denen die meisten Menschen Spaß haben. Allen voran natürlich die Inflatables.
Kritiker behaupten, im SUP wurden die gleichen Fehler gemacht wie im Windsurfen: immer extremere Boards. Stimmt das?
Ja, so war es. Doch das liegt in der Natur des Menschen. Statt selbst besser zu werden, greift man lieber zu einem radikaleren Board. Dabei ist das Limit der Sportler selbst. Ich sage: lieber mehr Boardvolumen und genügend Breite und das beherrschen, als ein schmales Mini-Board und damit rumtaumeln. Du solltest gemütlich drauf stehen können, um in Ruhe die Wellen anzupaddeln. Ich sehe oft Leute auf zu kleinen Boards. Die Hälfte der Zeit fallen sie ins Wasser und erwischen keine Wellen. Kein Wunder, dass das frustriert.
Tut sich noch was im Board-Design?
Das kommt auf die Disziplin an. Doch ein gutes Board ist ein gutes Board, auch wenn es ein paar Jahre alt ist.
Ich denke da an euer Inflatable Naish One.
Stimmt. Das ist baugleich wie ganz am Anfang, vor mehr als 12 Jahren. Es fährt gut und ist universell einsetzbar. Es gibt keinen Grund, da was zu ändern.
Inflatables haben die Neigung, dass sie sich vertwisten. Ist das ein Fertigungsproblem?
Inflatables haben den Vorteil, dass sie in einen Rucksack passen, doch den Nachteil, dass sie ein Inflatable sind. Ein Aufblas-Board ist nicht so direkt wie ein Composite- Board und der Shape ist nicht garantiert wie bei einem Composite-Board. Das muss dir bewusst sein. Twist sollte in der Qualitätskontrolle aber bemerkt werden. Doch manchmal stellt sich Twist auch später erst ein. Meist ist er ein kosmetisches Problem.
Früher konnte man keine Angaben machen, wie lange Inflatables halten. Geht das jetzt?
Das hängt von dir ab. Stellst du es zusammengeknickt für zwei Jahre in die Garage und pumpst es dann wieder auf, kann es sein, dass es dir auseinander fällt.
Was kann ich tun, um die Haltbarkeit zu erhöhen?
Wenn du es eine längere Zeit nicht benutzt, ist es am besten, es leicht aufzublasen. Dann gibt es keine Knicke.
Jetzt bieten auch Aldi und Lidl SUPs an. Was unterscheidet die von euren Boards?
Diese Anbieter kommen nicht aus der Wassersport-Szene. Sie profitieren von der Produkt-Entwicklung, die wir und die anderen Marken machen, sparen sich den Vertrieb und wählen meist Konstruktionen, die billiger sind.
Die ersten Paddel hatten ein Blatt, so groß wie ein Pizza-Blech. Warum lag man da so falsch?
Zuerst orientierte man sich an Kanu-Paddel. Da sind die Blätter sehr groß. Am Anfang sind wir die Paddel auch sehr lang gefahren. Das diktiert dir die Frequenz. Je länger das Paddel, desto langsamer dein Paddelschlag. Doch mit der Evolution des Sports wurden die Paddel immer kürzer, die Frequenz höher und deswegen die Paddelblätter kleiner. Casper Steinfath z.B. hat seine Paddel immer weiter gekürzt, um so schnell paddeln zu können, dass er sein Board in Sprints zum Gleiten bringt. Das wäre mit einem langen Paddel nicht möglich, weil du zu lange brauchst, um es wieder nach vorne zu schwingen. Kurze Paddel sind auch ergonomischer.
Wie kommt das?
Ist dein Paddel zu lang, überstreckst du die Schulter. Du hebst den Arm über die Horizontale, was die Schulter langfristig schädigen kann.
Foil-SUP scheint das nächste Level zu sein. Was tut sich da?
Die High-Aspect-Foils werden besser. Dadurch kannst du früher gleiten und stehst stabiler auf dem Foil.
Windsurflehrer am Gardasee, Worldcup-Windsurfer, Board-Entwickler auf Hawaii - Michi Schweiger liebt das Wasser und richtet sein Leben voll darauf aus.
Deine Vita beeindruckt – vom Windsurfer am Gardasee zum Waterman auf Hawaii und rechte Hand von Robby Naish. Das klingt ein bisschen wie: vom Tellerwäscher zum Millionär.
Ha ha, ich glaube, mein ganzes Leben ist davon geprägt, was ich machen wollte. Nämlich: im Wasser sein. Und all die Sportarten lernen, die mir jetzt am Herzen liegen. Das war die treibende Kraft und deswegen ist alles gekommen, wie es gekommen ist.
Hätte ich dir 1995 am Gardasee erzählt, dass du später mal Jaws surfst und mit Robby Naish die Küste runter foilst – du wärst vermutlich ausgeflippt.
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Damals habe ich nix geplant, nur gemacht, was mir Spaß macht. Der Rest ist Sturheit, Hingabe und der Trieb, das zu machen, wofür mein Herz schlägt. Das geht den meisten so in unserer Szene. Sie haben Wege eingeschlagen, die du nicht in der Schule lernen kannst.
Bist du dankbar dafür?
Und wie! Wenn ich nach einem guten Tag auf dem Wasser mit meinem Freund Mike Eskimo zusammen sitze, sagen wir oft: „Super, dass wir hier gelandet sind. Wir leben an einem schönen Ort und wissen noch immer, wie man das Leben intensiv erleben kann.“
Ihr seid beide nicht mehr die Jüngsten. Ist SUP ein guter Alterssport ?
Ja, das ist es. Solange du kein Paddel verwendest, das zu lang ist.