Kaufberatung und SystemvergleichWelches 6-qm-Segel passt zu mir?

Stephan Gölnitz

 · 14.09.2023

Die Segelfamilie von Wave bis Freeride auf einen Blick. Welches Segel passt zu mir?
Foto: Stephan Gölnitz
Fünf Mitglieder einer Familie treten stellvertretend gegeneinander an. Vom Wavesegel bis zum Camberprofil haben wir in der Größe 6,0 bis 6,2 Quadratmeter getestet, wie groß die Unterschiede im Handling, in Manövern und in der Leistung tatsächlich sind. Für deine beste Kaufentscheidung.

In diesem Artikel:


Speedruns mit Freeracesegeln unterschiedlicher Marken haben einige unserer Tester schon Tausende Kilometer abgespult. Aber mit einem Wavesegel gegen ein 2-Cam-Freeracesegel antreten? Mit einem 7-Latten-Segel gegen ein Fünflatter in die Manöversession gehen? Das waren im Test neue Erfahrungen mit einigen nicht vorhersehbaren Ergebnissen. Am Beispiel der NeilPryde-Palette haben wir das mit fünf Segeln, die in der Größe 6,0 bis 6,2 Quadratmeter theoretisch alle nebeneinander zur Auswahl stehen, ausgiebig ausprobiert, um die wichtigsten Fragen zu beantworten:

  • Zu welchen Boards passt ein Segeltyp?
  • Benötigt man für ein Wavesegel oder Freeracesegel beispielsweise auch ein hohes Fahrkönnen?
  • Wie groß sind die Speedunterschiede zwischen den Segel-Gattungen tatsächlich?
  • Welche Manöver lassen sich mit einem bestimmten Segeltyp noch gut surfen – und wo hört der Spaß auf?

Speedwertung der Segel ist eindeutig

Hinsichtlich der Fahrleistung ist das Rennen schnell ausgefahren, zumindest zwischen den zwei Blöcken. Auf der einen Seite die Freeracesegel, hier Speedster und V8, die sich deutlich absetzen können. Das interne Duell zwischen den beiden – Camber/NoCam – geht dagegen ziemlich eng aus. Der zweite Block mit dem Wavesegel, dem Freemove- und dem Freeridesegel ist in sich zwar nicht homogen, aber nah beieinander, der Abstand zu den beiden Leistungsbolzern am Ende eines Runs von einem Kilometer allerdings beachtlich und auch nicht mit etwas besserer Fahrtechnik auszugleichen. Nach einem Kilometer auf identischen Boards liegt der Freeracer zwischen zwischen 50 und 100 Meter vor dem Wavesurfer. Wer Speed sehr ernst nimmt, greift zum Freeracesegel – egal, ob mit oder ohne Camber.

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Ob man dafür auch hohes Fahrkönnen benötigt? Gerade beim Heizen sind die 7-Latten-Segel nicht anspruchsvoller, sondern besonders easy. 180 km/h auf der Autobahn sind mit der Oberklasse-Limousine auch entspannter und einfacher zu fahren als im Kleinwagen – und zwar für den Langstreckenprofi genauso wie für einen Fahranfänger. In Manövern müssen leistungstarke Segel dabei nicht benachteiligt sein. Wer gerne mal schnelle Race Jibes surft, bekommt mit einem Wavesegel wie dem Atlas Pro natürlich das leichteste Handling geliefert, mit dem Freeracesegel ist der Eingangsspeed und der Zug in die Halse aber deutlich höher. Bei gutem Fahrkönnen ist das Leistungssegel für diese spezielle Manövervariante daher sogar besser geeignet.

Diese Segel haben wir miteinander verglichen

Systemvergleich 6-qm-SegelFoto: Stephan Gölnitz
  • 1 Atlas Pro 6,2: Wavesegel mit fünf Latten und Hightech-Tuchmaterial: Spezialist für sämtliche Wavereviere.
  • 2 V8 6,2: Pure Performance mit sieben Latten und zwei Cambern. Für engagierte Heizer und schnelle Freeride- und Freeraceboards.
  • 3 Speedster 6,2: Vertreter der schnellsten camberlosen Segelklasse mit Sieben-Latten-Korsett.
  • 4 Fusion 6,0: Freemove-Allrounder für gemäßigte Wellen, Bump&Jump, Flachwasser und für Gleitaufsteiger.
  • 5 Ryde 6,2: Freeride ist die Golf-Klasse im Windsurfen: effizient, unkompliziert und sehr vielseitig.

Wavesegel: Stärken und Schwächen

Die beste Wahl zum Abreiten brechender Wellen, aber auch auf Flachwasser für fortgeschrittene Manöversurfer eine echte Option.

Besonders handlich und agil
Neutral in Manövern
Unschlagbar in der Welle
Nicht zum Heizen
Mehr Segelgefühl erforderlich

surf-Tester Christian ist mit dem Neilpryde Atlas zu seinem Spielplatz am Pigeon-Point-Außenriff (Tobago) ausgebüchst.Foto: Stephan Gölnitzsurf-Tester Christian ist mit dem Neilpryde Atlas zu seinem Spielplatz am Pigeon-Point-Außenriff (Tobago) ausgebüchst.

Das Wavesegel im Test (Atlas Pro) ist in Manövern handlicher, neutraler und agiler als alle anderen Segel. Da kommt auch das Freemovesegel Fusion nicht ganz heran. Ohne Winddruck zieht sich das Segel komplett flach, so wie man es beim Abreiten von richtigen Wellen wünscht. Für erfahrene Surfer ist das Wavesegel aber auch auf Flachwasser keine schlechtere Wahl – wenn es auf Waveboards, Freestyleboards oder Freemoveboards geschnallt wird. Es eignet sich bestens für sämtliche (auch New School) Freestylemoves, die es bereits gibt – und auch alle, die noch erfunden werden. Experten können es auf Flachwasser und in der Welle flinker dirigieren und blitzschnell rotieren lassen.

Wavesegel lassen sich aber zum Speeden auf Flachwasser nicht auf dem Board ablegen. Da, wo das berühmte „close the gap“ zwischen Segel und Board passieren sollte, steht die Tür weit offen. Das kostete ein paar Stundenkilometer bei unseren Vergleichen. Außerdem haben Wavesegel zugunsten der Agilität nicht die absolute Fahrstabilität eingebaut und reagieren bei Winddrehern, in Böen und Windlöchern sensibler und müssen feinfühliger angestellt werden. Wer noch nicht sicher stabil geradeaus gleitet, bekommt mit dem Freemovesegel die nötige Fahrstabilität zum Festhalten, erfahrene Windsurfer können aber auch für fast ausschließlichen Einsatz auf Flachwassser statt zum Freemovesegel gleich zum Wavesegel greifen. Optimal passende Boards sind alle Wave- und Freemoveboards (auch als Freestylewaveboards bezeichnet). Auf Komfort-Freerideboards wie einem JP Magic Ride fühlen sich kraftvolle 5-Latten-Modelle wie das NeilPryde Atlas ebenfalls noch halbwegs wohl, sie sind zum „nur“ Heizen und Halsen aber nicht die optimale Wahl.

“Ich würde auch auf einem Freestylewaveboard zum Wavesegel Atlas greifen.” (surf-Tester Tobias Holzner)

Freemovesegel: Stärken und Schwächen

Auf der einen Seite Manöver-Allrounder für Flachwasser, Kabbelwasser und kleinere Brandung, dazu optimal für Aufsteiger.

Sehr gutes Manöverhandling
Ordentliche Leistung
Sehr breite Zielgruppe
Für nahezu alle Reviere
Keine Spezialeignung

Die Freemove-Klasse wird gerne auch als Bump & Jump bezeichnet, was Tester Christian hier gerne bestätigt.Foto: Stephan GölnitzDie Freemove-Klasse wird gerne auch als Bump & Jump bezeichnet, was Tester Christian hier gerne bestätigt.

Mit dem Fusion fühlten sich unsere Tester auf dem mal kabbeligen, mal flachen Gewässer am Pigeon Point – so wie es auch auf Fehmarn, am Neusiedler See oder am Gardasee aussehen könnte – sichtlich wohl. Das Freemovesegel liegt eine Spur stabiler in der Hand als das Wavesegel. „Das ist sogar für Anfänger gut geeignet“, war die einhellige Meinung, um dann gleich in der nächsten Testrunde Speedloops, Air Jibes und Spocks damit vor den Strand zu zaubern. Das Fusion zieht fast genauso früh los wie das Freeridesegel Ryde, wirkt aber deutlich spielerischer und handlicher. Mit dem weniger ausgestellten Unterliek hast du einfach mehr Beinfreiheit für Manöver wie 360er oder Carving Jibes – und ein bisschen mehr Zug dabei als mit dem Wavesegel.

Freemovesegel wie das Fusion passen zu nahezu allen Könnensstufen und allen Revieren. Idealerweise auf Freemoveboards oder Freerideboards gesurft, lassen sich damit bereits fortgeschrittene Freestylemanöver zaubern, aber auch ebenso gut Gleiten und Wasserstart lernen. Gegenüber dem Freeridesegel verlierst du bei starkem Wind geringfügig im Speedduell, bei normalen Powerhalsen mit gutem Eingangsspeed konnten wir zwischen einem Ryde, Speedster oder Fusion keinen großen Unterschied feststellen: Alle rotieren wunderbar, lediglich nach dem Schiften gibt das Speedster gleich wieder Gas, da ist etwas präzisere Beinarbeit gefragt. Ein Fusion zieht dich dagegen auch bei kleinen Unstimmigkeiten im Timing nicht gleich über Bord. Vor allem echte Gleitanfänger, die auch mal bei wenig Wind üben, gewinnen daher mit dem Fusion in der Halse ge- gen das Freeracesegel Speedster. Zwischen 5,0 und 6,5 Quadratmetern sind Freemovesegel die vielleicht wichtigste Segelklasse für Windsurfer aller Könnensstufen, solange sie nicht regelmäßig in richtigen Brandungswellen surfen, extrem freestylen oder auf maximalen Speed aus sind.


Freeridesegel: Stärken und Schwächen

Die Klassiker für Flachwasser: Mit guten Leistungen und ausgewogenem Handling. Vom Wasserstart bis zu Duck Jibe und 360er wachsen diese Segel mit.

Einfach zu surfen
Gute Leistung
Handling in Halsen
Preis-Leistung
Keine Spezialeignung

Lässige Duck Jibe gefällig? Auch mit dem Freeridesegel für Tester Tobi kein Problem!Foto: Stephan GölnitzLässige Duck Jibe gefällig? Auch mit dem Freeridesegel für Tester Tobi kein Problem!

Mit sechs Latten und einem leichten Profilshape im Segel – auch ohne Winddruck – ist das Ryde ein klassischer Freeridevertreter. Das Segel gehört nach unserem Testeindruck einfach auf ein Freerideboard, vielleicht noch auf ein Aufsteigerboard (mit Schwert). Zu einem Magic Ride beispielsweise passt es perfekt. Solche Segel verbinden gutes, passives Angleiten (einen Tick besser als das Freemovesegel) mit mehr Topspeed, besserer Kontrollierbarkeit und sie lassen sich – für Leistung und sportives Feeling – gut auf dem Board ablegen: Die leistungsmindernde Lücke wird geschlossen. Mit etwas mehr Haltekräften als das Freemovesegel liegt es sehr stabil gelockt in den Händen und sorgt für guten Speed im gesamten Windbereich – und das ohne fahrtechnische Raffinessen.

Gleich als Windsurf-Aufsteiger kannst du zu so einem Segel greifen, damit vom Wasserstart bis zur Powerhalse alle Manöver lernen und richtig Gas geben – für die Duck Jibe oder einen 360er passt die Outline und der Segelshape auch noch. Natürlich kannst du damit auf einem Freemoveboard auch mal eine Air Jibe probieren, aber als Besitzer eines Freemoveboards greifst du besser gleich zum passenden Freemovesegel. Denn für die zusätzliche Leistung des Freeridesegels gehört das schnellere Freerideboard eigentlich so wie die breiten Reifen zum getunten Motor.


Freerace No-Cam-Segel: Stärken und Schwächen

Die schnellsten Segel ohne Camber. Fast so schnell wie das Cambersegel, aber in Manövern eine Spur vielseitiger

Sehr schnell
Sehr gute Kontrollierbarkeit bei starkem Wind
Große Windrange
Nicht ganz so handlich wie das Freeridesegel

Freerace No-Cam-SegelFoto: Stephan GölnitzFreerace No-Cam-Segel

Das Speedster hat als Vertreter der Gruppe Freerace No-Cam gleich doppelt überzeugt. Das Segel ist super schnell und muss sich dem Cambersegel V8 nur im Topspeed geschlagen geben, da liegt es nach einem Kilometer geschätzte 30 Meter hinten. Die übrigen drei Segel lässt es klar (Ryde) bis überlegen hinter sich. Aber auch im Angleiten und Beschleunigen bietet es sehr gute Leistung, liegt nach unserem Punkteschema einen Punkt vor dem Ryde und zwei vor dem V8. Und das, jetzt kommt‘s, bei wirklich gutem Halsenhandling. Natürlich gelingt auch ein 360er noch ganz ordentlich und auch mal ein Duck Jibe – was mit dem ausgestellten Unterliek aber auch schon nicht mehr der vorgesehene Einsatzbereich ist und ziemlich das Ende der sinnvollen Manöver darstellt. In sportlich schnell angefahrene Carving Jibes zieht es aber mit bestem Speed und gutem Drive in den Turn – und bei guter Fußtechnik und dem richtigen Schiftzeitpunkt dann gleich mit Vollgas wieder aus der Kurve.

Natürlich muss man es etwas beherzter ablegen und aufrichten, wird dafür aber mit dem rasanteren Manöver belohnt. So wie ein Slalomski sicherlich anstrengender zu fahren ist als ein Anfängerski, aber richtig carven kann man damit definitiv besser. Das eine Pünktchen im Topspeed, das das Speedster gegenüber dem V8 verliert, gewinnt es bei mittlerem Wind und in Windlöchern. Damit das V8 insgesamt mithalten kann, müsste man es eine halbe Nummer größer wählen. Zu camberlosen Freeracesegeln wie dem Speedster gehört mindestens ein schnelles Freerideboard – oder gleich ein Freeraceboard wie ein JP Supersport beispielsweise. Und wer sicher in den Schlaufen und im Trapez gleiten kann, muss auch vor dieser Segelklasse, die dich speedmäßig richtig nach vorne katapultieren kann, keine Angst haben. Denn auf der Geraden liegt das Segel stabil wie ein Brett.

“Mit dem V8 konnte ich sogar Perfekte 360er fahren, weil ich so schnell reinfahre – und das Segel super rotiert.” (surf-Tester Frank Lewisch)

Freerace 2-Cam-Segel: Stärken und Schwächen

Zwei Camber in der mittelbreiten Masttasche stützen das Profil. Diese Segel spielen nur eine Klasse unter Profi-Racesegeln.

Sehr, sehr schnell
Großer Einsatzbereich in einem Trimm
Top Kontrollierbarkeit bei starkem Wind
Höherer Preis
Breitere Masttasche
Einschränkungen für bestimmte Manöver

Freerace 2-CamFoto: Stephan GölnitzFreerace 2-Cam

Beim NeilPryde V8 stecken in der breiteren Masttasche zwei Kunststoffspangen, mit denen sich zwei Latten am dünnen RDM-Mast abstützen. Das sorgt für ein permanentes Profil und viel Spannung im Segel. Dennoch rotiert das Segel in der Halse wunderbar und auf der Geraden überzeugt es mit einem riesigen Einsatzbereich in nur einem Trimmzustand. Vom Angleiten bis Topspeed ist es auf Beschleunigung ausgelegt. Um das kleine Turboloch zu überwinden, wählt man so ein Segel gerne mal eine halbe Nummer größer – das ist aber schon der Haupt-“Nachteil“, mit dem man sich die beste Leistung erkauft.

Surfern, die mit dem Wasserstart hadern oder eher zaghaft halsen, würden wir ein Cambersegel nicht empfehlen. Beim aktiven Halsen schiftet das V8 aber genauso leicht wie das Speedster und bietet die gleichen Vorteile: nämlich den höchsten Eingangsspeed, soliden Drive in die Kurve hinein und sofortigen Zug wieder hinaus. Weil es sich nie flach ziehen und neutral stellen kann, ist hier verhaltenes Halsen noch weniger angesagt. Den Totpunkt sollte man so schnell wie möglich durch schnelles Schiften überschreiten. Zu diesem Segeltyp passt eigentlich nur ein Freeraceboard oder ein schnelles Freerideboard. Natürlich mit vier Schlaufen in Außenposition, denn ansonsten lässt sich der Leistungsvorteil, der in dem Freerace-Cambersegel steckt, nicht rauskitzeln.


Video: Segeltypen für alle Einsatzbereiche


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