„Warst du schon auf der Wörnitz paddeln“, fragte ich Stephan letzten Sommer bei einem Kaltgetränk im Biergarten. „Nein“ lautete seine knappe Antwort. Er wurde aber neugierig und wollte mehr erfahren: „Du kennst ja Flüsse, von denen ich noch nie gehört habe. Gibt’s dort was Spannendes zu entdecken?“ Als Antwort habe ich vorgeschlagen, einfach eine schöne Spätsommer-Tour mit ein paar Freunden auf dem fränkisch-schwäbischen Fluss zu machen und sich überraschen zu lassen. Gesagt getan! An einem traumhaften Herbsttag geht es für uns nach Bayerisch-Schwaben, genauer gesagt nördlich von Donauwörth.
Treffpunkt: Harburg in Schwaben – unser späteres Ziel. Dort hat die Wörnitz schon rund 120 Kilometer von der Quelle im fränkischen Schillingsfürst hinter sich. Und nur noch 13 Kilometer bis zur Mündung in die Donau vor sich. Hier finden wir auch einen Parkplatz für ein Fahrzeug direkt bei der späteren Ausstiegsstelle für 0,30 Euro/Tag am Wochenende – wie süß.
Die Wörnitz ist auch für SUP-Einsteiger und Familien geeignet
Ihren Namen erhielt die Wörnitz der Überlieferung nach von den Kelten. Sie nannten den Fluss Warantia, was „die sich Krümmende“ bedeutet. Und warum die Kelten mit ihrer Namenswahl goldrichtig lagen, werden wir auf unserer rund 13 Kilometer langen Tour, die ohne große Hindernisse oder Gefahren daher-kommt, noch erfahren. Daher ist sie auch optimal für Flusstoureneinsteiger und SUP-begeisterte Familien geeignet.
Start unserer Tour ist das kleine malerische Dorf Wörnitzostheim. Direkt an der Brücke über die Wörnitz finden wir einen Parkplatz. Wo gibt es hier den besten Einstieg? Gar nicht so einfach, denn offiziell ausgeschilderte Ein- und Ausstiegsstellen sucht man leider vergebens. Direkt an der Brücke führt ein steiler, aber gut begehbarer und befestigter Hang zum Fluss hinunter. Breit genug, dass wir mit unseren Inflatable-Touring-Boards hinunterkommen. Einstieg gefunden, heißt jetzt erst mal pumpen, pumpen, pumpen. Wir stecken kurze Flussfinnen in die Boards – diese werden hier dringend benötigt. Vor allem auf den ersten Kilometern ist die Wörnitz an einigen Stellen extrem seicht. Wie seicht wird sich gleich zeigen.
Wir paddeln los und sind inmitten einer wunderschönen Naturoase im Nördlinger Ries. Hier ist die Balance zwischen Mensch und Natur noch in Ordnung. Kein Lärm, keine Hektik, grüne Landschaft. Die ersten Kilometer schlängelt sich die Wörnitz in Richtung Süden. Von den weiten Flächen bekommen wir allerdings wenig mit. Die tiefer liegende Wörnitz und die üppig begrünten Hänge verhindern den Blick. An einer Stelle wird es so flach, dass wir kurz von unseren Boards steigen und sie über die Seichtstelle heben müssen.
Hinter jeder Kurve neue Entdeckungen
Geprägt wurde die Landschaft durch einen gewaltigen Meteoriteneinschlag vor rund 15 Millionen Jahren. Ein etwa ein Kilometer großer Asteroid und ein 150 m großer Trabant schlugen mit über 70.000 km/h hier auf die Erde. Eine unglaubliche Wucht. Gestein wurde aus dem Krater geschleudert und bildete große Trümmermassen am Kraterrand. Im Krater entstand ein rund 400 Quadratkilometer großer See, der nach rund zwei Millionen Jahre verlandete. Das heutige Nördlinger Ries entstand. Der Krater mit seinem Durchmesser von gut 25 Kilometern ist einer der weltweit am besten erhaltenen Einschlagskrater dieser Art. Wer vor oder nach der Tour noch Zeit hat, kann sich im Geopark Infozentrum in Nördlingen ausführlich informieren. Auch erläutern Infotafeln im gesamten Riesgebiet die Entstehungsgeschichte.
Wir paddeln weiterhin entspannt durch das natürliche Flussbett und warten hinter jeder der zahlreichen Kurven auf neue Entdeckungen. Vögel zwitschern, Schmetterlinge und Libellen umkreisen uns. Und der eine oder andere Fisch schwimmt unter unseren Boards umher. An diesem traumhaften Spätsommertag sind wir die einzigen Paddler auf der Wörnitz. So können wir die Natur noch intensiver und ohne Stress genießen.
Die Wörnitz ist ein langsamer Fluss
Wirklich fließen tut die Wörnitz nur an ein paar Stellen. Kein Wunder, denn sie gilt als langsamster Zufluss zur Donau. So können wir uns bei gemächlichem Paddeltempo die Häuser des Dorfes Schrattenhofen anschauen, die nach rund drei Kilometern vorbeziehen.
Nach einem kurzen geraden Stück mit einer kleinen, Spaß machenden Stromschnelle kommt das Dorf Heroldingen in den Blick, an dem die Wörnitz direkt vorbeiführt. Ein schönes Fotomotiv bietet dort die evangelische Martinskirche, die direkt am Ufer steht. Quasi um Heroldingen herum macht die Wörnitz dann eine große Kehre. Sind wir zunächst von Norden nach Süden gepaddelt, geht es nach der Kehre südostwärts weiter. Wir paddeln an der Egermündung vorbei, die von rechts kommend die Wörnitz mit zusätzlichem Wasser speist. Langsam nähern wir uns dem östlichen Ende des Rieskessels. Die Landschaft wird hügeliger. Und so blicken wir auf einen überwiegend kahlen Hügel – den Rollenberg. Das Gipfelplateau umgibt ein Ringwall. Forscher vermuten auf Basis dortiger Funde, dass dort einmal ein Brandopferplatz gewesen sein muss.
Auf Höhe des Rollenberges, bei einer kleinen Siedlung, wartet die nächste kleine Stromschnelle, die gemeistert werden will. Nach einem weiteren gepaddelten Kilometer versperrt bei Hoppingen eine Holzbrücke die Weiterfahrt. Zum unten Durchfahren ist die Brücke zu niedrig, das einfache Absteigen auf die Brücke erschweren gespannte Stahlseile. Wir müssen unsere akrobatischen Künste auspacken und klettern zwischen den Seilen auf die Brücke. Unsere SUPs schieben wir mit einem Schups unter der Brücke durch. Wir nutzen die Gelegenheit für eine kurze Trink- und Essenspause. Mehr als sieben Kilometer sind an dieser Stelle geschafft.
Die Kurven werden weniger, die Wörnitz fließt in einem engen Tal in diesem Abschnitt überwiegend geradeaus. Wir unterqueren die Eisenbahnbrücke und paddeln nach einer markanten und engen S-Kurve direkt auf den nächsten Ort zu: Ronheim. Die kleine Fußgängerbrücke stellt dieses Mal kein Hindernis dar und wir paddeln problemlos unter ihr hindurch. Wir legen noch einmal eine kurze Trinkpause ein, um danach die letzten gut zwei Kilometer in Angriff zu nehmen. Kurz hinter Ronheim geht es erneut unter einer Eisenbahnbrücke mit markanten Pfeilern hindurch.
Die alte Steinbrücke in Harburg als malerisches Zieltor
Direkt dahinter macht die Wörnitz eine letzte große Richtungsänderung. In einem weiten Bogen und mit einer 180-Grad-Kurve sucht sich der Fluss seinen Weg durch den Rand des Nördlinger Ries. An der Kurvenaußenseite ist eine markante Felswand am ehemaligen Wörnitz-Prallhang zu erkennen. Heute fließt die Wörnitz deutlich tiefer und wahrscheinlich ruhiger dort entlang.
Wir paddeln unter der dritten und letzten Eisenbahnbrücke hindurch. Und dann thront sie direkt vor uns: die Harburg, die der Stadt zu ihren Füßen ihren Namen gibt. Eindeutig das Highlight der Tour. Und das auf den letzten Metern. Quasi die Belohnung. Sie zieht unsere Blicke an. Ende des 13. Jahrhunderts gelangte die ehemals staufische Reichsburg in den Besitz der Grafen und späteren Fürsten zu Oettingen. Heute gehört die Harburg zur Gemeinnützigen Fürst zu Oettingen-Wallerstein Kulturstiftung. Fast 900 Jahre Burggeschichte kann bei einem Rundgang, der absolut lohnenswert ist, entdeckt werden. Die zu einer Burg schon standesgemäßen Tore und Türme können genauso besichtigt werden wie Gefängniszellen, Schießscharten oder die Kirche. Einblick ins herrschaftliche Burg-leben geben die prächtigen Festsäle. In Süddeutschland zählt die Harburg zu den ältesten und besterhaltenen Burganlagen.
Wir paddeln auf das Ortszentrum Harburgs zu. Vor der alten Steinbrücke teilt sich die Wörnitz in zwei größere Flussläufe. Ein Wehr direkt unter der Brücke verhindert die Weiterfahrt. Wir entscheiden uns für den linken Flussarm. Noch wenige Meter, dann ist das Ziel erreicht. Zunächst werfen wir noch einen Blick auf die alte Bruckmühle – einen leicht heruntergekommenen Bau am Brücken-beginn. Wir sind uns einig: Eine Renovierung täte dem Haus ganz gut. Ein kleiner Steg vor einer Schilffläche ist der perfekte Ort, um anzulanden und die Tour zu beenden. „Habe ich zu viel versprochen“, frage ich Stephan beim Abklatschen. „Nein! Das war eine klasse Tour. Abwechslungsreich. Naturnah. Und der Blick auf Harburg: einzigartig.“ Puh. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Alles richtig gemacht - im Biergarten gedeihen eben die besten Ideen!
Informationen zur SUP-Tour auf der Wörnitz
Dieser Artikel erschien erstmals in SUP 2/2022