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Die gute Nachricht auf Basis unserer Testerfahrung: Viele Serienfinnen passen gut zu den Freerideboards und bieten solide Fahrleistungen. Das gilt allerdings nur, wenn man ein typischer Durchschnittssurfer ist. Wer zwischen 70 und 90 Kilo wiegt und die für das jeweilige Board empfohlenen Segelgrößen fährt, kommt damit gut hin. Wer aber keinen XL-Fuhrpark besitzt und sein Freerideboard auch bei sehr leichtem bzw. starkem Wind nutzen möchte, kann mit zusätzlicher Finne den Einsatzbereich massiv erweitern. Gleiches gilt für Leichtgewichte oder Surfer, die ein paar Kilo mehr auf die Waage bringen.
“Eine zweite Finne erweitert den Einsatzbereich – ähnlich wie eine zusätzliche Segelgröße.” - Stephan Gölnitz, surf-Redakteur
Hier verraten wir euch alle Basics rund um die Themen Finne, Funktion, passende Größe und typische Fehler beim Finnen-Kauf.
Funktionsweise der Finne
Die Finne sorgt für Spurtreue und ist gewissermaßen der Motor des Boards. Beim Geradeausfahren wird die Finne allerdings nicht direkt von vorne angeströmt, denn das Board fährt nicht genau in Richtung des gewählten Kurses, sondern leicht versetzt. Grund dafür ist die seitliche Abdrift. Das führt dazu, dass sich auf der Leeseite der Finne ein Überdruck bildet, auf der Luvseite ein Unterdruck (siehe Grafik unten).
Hinzu kommt, dass sich die dünne und weiche Finnenspitze unter Wasser etwas biegt. Sie steht im Vollgleiten also nicht kerzengerade unter dem Board, sondern ist leicht sichelförmig in Richtung Luvseite gebogen. Die an der Finne ansetzende Kraft (Fa) wirkt somit nicht nur in Richtung des Unterdrucks auf die Luvseite, sondern auch nach oben. Das bewirkt ein Anheben der Luvkante des Boards.
Wer sportlich freeriden und hohen Topspeed fahren möchte, kann sich dies zunutze machen, indem er das Brett bewusst leicht auf die Leekante stellt. Dadurch erzeugt die Finne mehr Lift, das Board wird freier – und im idealen Windbereich auch schneller. Dass diese Kraft nicht zum Aufkentern des Bretts führt, liegt an der Standposition. Diese ist bei Freerideboards nicht zentral über der Boardmitte, sondern nach außen versetzt. Das bedeutet: Je breiter das Heck des Boards ist, und je weiter außen die Schlaufen montiert sind, desto mehr Kraft kann man dem Auftrieb der Finne entgegensetzen.
Heckbreite, Schlaufenposition und Finnenlänge müssen folglich aufeinander abgestimmt sein. Im Idealzustand hebt der Auftrieb der Finne die Luvkante des Boards in Gleitfahrt leicht an, sodass das Board frei über die Kabbelwellen gleitet.
Beispiel 1: zu große Finne
Je länger die Finne, desto größer ihr Auftrieb und damit das Kentermoment. Wer mit zu langer Finne unterwegs ist, spürt dies im Gleiten durch zunehmenden Druck auf dem hinteren Bein. Kommt dann noch eine Böe dazu oder ein Kurswechsel auf Amwindkurs, lässt sich der Auftrieb der Finne nicht mehr bändigen. Die Luvkante steigt unkontrolliert – und ein Wheelie ist die Folge.
Beispiel 2: zu kleine Finne
Surft man mit zu kurzer Finne, kann diese aufgrund ihrer geringen Länge nicht genug Auftrieb produzieren, um die Luvkante des Boards im Gleiten leicht anzuheben. Man surft dann gewissermaßen auf der Luvkante durchs Wasser. Problematisch ist dies, weil die Luvkante dann hart in jede Kabbelwelle einsetzt, was Fahrkomfort und Speed limitiert. Auch die Fahrleistungen beim Angleiten und beim Durchfahren von Windlöchern sind reduziert - man kommt also später ins Gleiten und parkt schneller wieder ein.
Spin-outs: Ursachen und Gegenmaßnahmen
Der Begriff Spin-out bezeichnet einen unkontrollierten Strömungsabriss an der Finne. Das Heck rutscht dann unkontrolliert seitlich weg – und die Gleitfahrt findet ein jähes Ende. Häufigste Ursachen des Spin-outs sind Belastungsfehler, oft auch als Folge eines falschen Segeltrimms. Aber auch eine zu kleine Finne kann der Grund für häufige Spin-outs sein, da kleine Finnen vor allem beim Höhelaufen dem starken, seitlichen Druck des Fahrers nicht standhalten können. Wer während einer Session häufig mit Spin-outs zu kämpfen hat, sollte eine etwas größere Finne montieren und versuchen, das Heck beim Höhelaufen nicht zu stark zu belasten. Auch Finnen mit dickeren Profilen helfen, da sie stabiler angeströmt werden.
Finnenprofile
Das Profil beschreibt den Dickenverlauf der Finne. Ähnlich eines Flugzeugflügels ist eine Finne im Mittelbereich dicker als an Anström- und Abrisskante. In der Regel liegt die dickste Stelle im vorderen Drittel – darüber, wo genau die dickste Stelle einer Finne liegen sollte, zerbrechen sich Designer täglich die Köpfe. Generell gelten bei Finnenprofilen folgende Grundsätze:
Dicke Profile bieten
mehr Auftrieb, d.h. mehr Leistung beim Angleiten
stabilere Anströmung bei Belastungsfehlern, d.h. eine geringere Anfälligkeit für Spin-outs
besseres Höhelaufen
höheren Fahrwiderstand – und damit einen geringeren Topspeed auf Raumwindkurs
Viele Serienfinnen von Freerideboards sind bezüglich ihres Profils Kompromisslösungen, die Angleitpower, eine stabile Anströmung und gutes Speedniveau unter einen Hut bekommen sollen.
Flex & und verwendete Materialien
Vor allem über den Flex haben Finnendesigner die Möglichkeit, die Fahreigenschaften massiv zu beeinflussen. Wie stark sich eine Finne an bestimmten Stellen biegt, wird von der Profildicke, dem verwendeten Material und der Anordnung der einzelnen Lagen beeinflusst. Hier ein Überblick über die gängigsten Materialien und ihre Eigenschaften:
G10-Finnen
G10 besteht aus, unter hohem Druck verpressten, GFK-Platten. Einzelne Lagen sind hier nicht erkennbar, das Material ist sehr dicht. Aus diesen Platten werden die Finnenprofile herausgefräst. Das oft einfarbig gelblich oder grünlich aussehende G10 gilt als robust, lässt sich gut schleifen und ist vergleichsweise steif. Deshalb statten viele Hersteller ihre Freeride- und Freeraceboards mit G10-Finnen aus. Steifigkeit und Flex können die Designer bei diesem Material allerdings nur über die Dicke des Profils steuern. Damit sind die Möglichkeiten für Designer hier limitiert, wodurch G10 bei Highend-Slalomoder Racefinnen kaum Anwendung findet.
GFK-Finnen
Hier werden Glasfaserlagen in einer Form aufgelegt, mit Harz getränkt und anschließend verbacken. Dadurch bleiben einzelne Lagen erkennbar. GFK-Finnen sind leicht, Flex und Profilverlauf lassen sich über die Anordnung der einzelnen Lagen steuern. Nachteil: Bei Steinkontakt sind GFK-Finnen weniger robust und können aufplatzen – die Reparatur ist dann aufwändiger.
Carbon-Sandwich-Finnen
Auch hier werden einzelne Lagen in einer Form unter Zugabe von Epoxidharz verbacken. Im Vergleich zu normalem Glasfasermaterial ist Carbon aber sehr steif. Damit können auch dünne (und damit schnelle) Profile realisiert werden – ohne, dass die Finne weich wie Gummi wird und sich zu stark biegt. Weil sich durch die Anordnung der Carbonlagen Steifigkeit und Twist exakt steuern lassen, findet Carbon vor allem bei Slalom- und Racefinnen Anwendung. Nachteile: Steinkontakt mögen die edlen Carbonflossen überhaupt nicht, und die Preise sind deutlich höher als bei G10 oder GFK.
Boxensysteme
Das im Freeride- und Freerace-Bereich am meisten verwendete System ist die Powerbox. Dabei ist die Position der Finne festgelegt, verbunden wird mit einer Schraube von oben durchs Deck. Das geht schnell und bietet den besten Bedienungskomfort. Aus Gründen der Haltbarkeit kommt die Powerbox nur bei Finnen mit einer Länge bis etwa 50 Zentimeter zum Einsatz. Sportliche Freerace- oder kleine Slalomboards werden oft mit einer Tuttlebox ausgestattet. Hier sitzt die Finne ebenfalls an einer vordefinierten Position, wird allerdings mit zwei Schrauben von oben durchs Deck verbunden. Bei großen Slalomboards, die ein breites Heck haben und damit auch eine lange Finne erfordern, wird aus der Tuttle- dann die Deep-Tuttlebox. Diese tiefere Box bietet eine größere Aufnahmefläche und ist aufgrund einer besseren Kraftverteilung stabiler.
Die richtige Finnenlänge
Bleibt die Frage nach der passenden Finnenlänge. Welche Länge sinnvoll ist, hängt von Körpergewicht, Segelgröße, Heckbreite und nicht zuletzt von den Bedingungen ab. Unsere jahrelange Testerfahrung hat gezeigt, dass die Hersteller ihre Freeride- und Freeraceboards durchweg mit recht üppigen Finnenlängen ausstatten, denn: je länger die Finne, desto einfacher fallen Angleiten, Durchgleiten in Windlöchern und das Höhelaufen. Wer also ein Brett kauft, bekommt für den normalen Windbereich in der Regel auch eine passende Serienfinne dazu. Ist beim Brettkauf keine Finne dabei – und findet man keine Informationen über die Länge der Serienfinne, kann eine kleine Faustregel helfen: Normalerweise entspricht die maximal sinnvolle Finnenlänge der Heckbreite des Boards vor dem Finnenkasten, dem sogenannten One-Foot-Off-Maß, also der Breite in etwa 30 Zentimeter entfernt vom Heck.
Die Serienfinnen können naturgemäß nur einen Kerneinsatzbereich abdecken. Vor allem, wenn man einen begrenzten Board-Fuhrpark hat und für überschaubares Investment den Einsatzbereich seines Bretts erweitern will, macht eine zweite Finne Sinn.
“Eine gute Finne zu kaufen ist die günstigste Möglichkeit, Fahrspaß und Einsatzbereich zu erweitern.” - Manuel Vogel, surf-Redakteur
Extra-Power für Jumbos
Wer über 90 Kilo wiegt und naturgemäß größere Segel als der Durchschnitt fährt, kommt mit den Serienfinnen mitunter ans Limit. Um das An- und Durchgleiten zu verbessern und das Risiko von Spin-outs mit großen Segeln und beim Höhelaufen zu reduzieren, macht eine alternative Finne Sinn, die drei bis fünf Zentimeter länger ist als die Serienfinne. Wer gerne lange Schläge fährt und viel Höhe ziehen will, profitiert von längeren Finnen.
Kleine Finnen als Starkwind-Ergänzung
Umgekehrt kann die Verwendung einer kleineren Finne ebenso viel Sinn machen. Ein Beispiel: Die meisten Freerideboards mit 130 bis 150 Liter sind für Segelgrößen zwischen sechs und neun Quadratmeter optimiert. Wer diese Segelgrößen überwiegend nutzt, hat für die wenigen windigen Tage, an denen das 4,7er geriggt wird, nicht das ideale Board-Finnen-Setup. Damit das zahme Freerideboard nicht zum wilden Hengst mutiert, muss die Finne getauscht werden. Wer z.B. von einer 46er auf eine 40er Finne wechselt, zieht auch bei Hack wieder kontrolliert(er) seine Bahnen – und erreicht darüber hinaus einen deutlich höheren Topspeed. Allgemein gilt: Eine im Vergleich zur Serienfinne um vier bis acht Zentimeter reduzierte Finnenlänge ist für Starkwind ein gutes Maß.
Das Ijsselmeer-Problem
An vielen Binnenrevieren Europas stehen ganz andere Probleme im Vordergrund. An Ijsselmeer & Co. geht es nicht darum, mit welcher Finnenlänge man etwas mehr Leistung auf der Kreuz herausholt, sondern schlicht und ergreifend um die Frage, welche Finne im knietiefen Wasser noch passabel funktioniert. Wer den Tiefgang reduzieren muss, steht vor der Frage, ob er lieber kurze Standardfinnen, Seegrasfinnen oder spezielle Flachwasserfinnen verwenden soll.
Standard-, Seegras- oder Deltafinnen?
Von allen Optionen ist die Verwendung einer kurzen Standardfinne die schlechteste. Wer ein Freerideboard mit 46er Serienfinne im knietiefen Wasser fahren will/muss, kann nicht einfach eine 30er Standard-Finne einschrauben. Die Folgen wären nicht nur schlechtes Angleiten und Höhelaufen, sondern vor allem extreme Spin-out-Anfälligkeit. Der Grund hierfür ist, dass schlicht und ergreifend die nötige Fläche fehlt, um dem ausgeübten Druck aufs Heck standzuhalten.
Aus diesem Grund greifen an flachen Binnenrevieren viele Surfer zu Seegrasfinnen. Diese haben ebenfalls deutlich reduzierten Tiefgang, dabei allerdings viel Fläche. Timm-Daniel Köpke von Maui Ultra Fins erklärt die Zusammenhänge: „Wenn du statt einer 46er Serienfinne eine 38er Standardfinne reinschraubst, hast du acht Zentimeter Tiefgang gespart, aber die Finne hat auch 20 bis 30 Prozent weniger Fläche. Montierst du statt der 46er z.B. eine 38er Seegrasfinne, ist der Tiefgang ebenfalls reduziert – die Fläche im Vergleich zur langen 46er Standardfinne aber sogar um 20 Prozent größer. Das hilft dir vor allem beim Verhindern von Spinouts. Du kannst zwar beim Höhelaufen nicht ganz die gleichen Winkel zum Wind fahren, aber zumindest ordentlich Druck aufs Heck geben und auch höhelaufen, ohne dass dir das Heck wegrutscht. Seegrasfinnen sind generell etwas weniger effizient und benötigen daher mehr Fläche.“
Was aber, wenn auch die Wassertiefe noch geringer ist? Dann sind die sogenannten Deltafinnen die beste und einzige Option. Die Grundidee: maximale Fläche bei minimalem Tiefgang. Timm-Daniel Köpke rät: „Wenn selbst die 38er Seegrasfinne noch zu lang ist, geht auch eine Delta-XT-50. Diese hat nur noch 28 Zentimeter Tiefgang, dafür aber fast 50 Prozent mehr Fläche als z.B. eine gerade 46er Standardfinne. Auf glattem Wasser und bei Raumwind funktionieren die Deltafinnen ideal. Die Wasserlage des Boards ist aber spürbar satter. Daher würde ich mit Seegras- oder Deltafinnen folgende Anpassungen empfehlen:
- Gabelbaum zwei bis drei Zentimeter höher einstellen
- Trapeztampen etwas länger
- Mastfuß nach hinten schieben
- Fußschlaufen eine Position weiter nach hinten Durch diese Maßnahmen kommt das Board etwas freier.“