Egal ob Ostsee oder Südfrankreich, an vielen Top-Spots Europas ist die Seegrasfinne zwischen Juni und Oktober im Dauereinsatz. Durch den flachen Neigungswinkel (“Rake”) von 40-50 Grad wird Seegras links liegen gelassen. Das Problem: Durch den flacheren Winkel verlagert sich auch der Druckpunkt der Finne um mehrere Zentimeter weiter nach hinten, teilweise sogar bis hinter das Heck. Ein weniger freies Fahrgefühl sowie schlechteres Höhelaufen sind die Probleme, mit denen sich Hobbysurfer während der Seegraszeit herumschlagen müssen. Nicht selten fragt man sich, was denn eigentlich schlimmer ist: Das Gras oder die Seegrasfinne?
Damit das Board mit dem Seegras-Spurhalter nicht komplett zur lahmen Gurke mutiert, muss die Größe passen, diese ist abhängig von mehreren Faktoren:
- Brettvolumen und Breite
- Art und Qualität der Seegrasfinne
- Fahrkönnen bzw. Schlaufenposition
Brettvolumen und Breite
Wir haben vor einiger Zeit Tests sowohl mit einem Vertreter der klassisch gestreckten Freerideboards, einem Tabou Rocket 135 mit 44er-Serienfinne, sowie einem Vertreter der kurzen und breiten Freerider, einem JP Magic Ride 119 mit damals serienmäßigem 40er-Spurhalter, durchgeführt. Beide Boards wurden mit unterschiedlichsten Seegrasfinnen getestet.
Ein 1:1-Tausch, also z.B. die 40er-Serienfinne des Magic Ride gegen eine Grasfinne mit gleichem Tiefgang zu tauschen, macht in keinem Fall Sinn, denn durch den flachen Neigungswinkel hat eine durchschnittliche Grasfinne dann 40 bis 55 Prozent mehr Fläche. Weil diese große Fläche auch weiter hinten sitzt, werden die Dreheigenschaften reduziert, der Speed spürbar gedrosselt, Fahrwiderstand und Segelzug steigen. Der Wechsel auf eine kleinere Seegrasfinne mit 32 bis 34 Zentimeter Tiefgang entpuppte sich als ideal – die Finnen lieferten dann noch genügend Lift, um das Brett halbwegs frei laufen zu lassen. Geht man noch kürzer, etwa auf eine Grasfinne mit nur 30 Zentimetern Länge, surft man zunehmend auf der Luvkante, es fällt schwer, das Brett in Windlöchern und auf der Kreuz frei über die Kabbelwellen fliegen zu lassen.
Deutlich wurde anhand des Rocket 135, dass die klassisch gestreckten Freerideboards auch bei der Seegrasfinne ein paar Zentimeter mehr Tiefgang vertragen können – 35 bis 37 Zentimeter Tiefgang boten hier bei den Grasfinnen den bestmöglichen Kompromiss aus Gleitleistung, Speed und Dreheigenschaften.
So ermittelst du die richtige Länge für eine Seegrasfinne
Die passende Grasfinnenlänge für euer Board lest ihr in der Grafik ab:
Ein Beispiel: Euer Brett hat eine Breite von 75 Zentimetern, also zieht ihr dort eine senkrechte Linie (1). Die Schnittpunkte mit den Geraden ergeben die passenden Finnenlängen. Wenn ihr auf einem klassischen Freerideboard surft, dürfte euer Brett serienmäßig mit einer Finnenlänge zwischen 44 und 46 Zentimetern ausgestattet sein (2). Sucht ihr für dieses Brett eine Seegrasfinne, bieten solche zwischen 34 und 38 Zentimeter die beste Kombi aus Gleitleistung, Speed und Dreheigenschaften (4). Wer hingegen auf einem der breiten und kurzen Shapes der Kategorie “Freeride Wide” surft, kann seine 40 bis 42 Zentimeter lange Serienfinne (3) gegen eine Seegrasfinne mit Tiefgang 32 bis 34 Zentimeter tauschen (5).
Ob man sich bei der Wahl der Seegrasfinne eher zum unteren oder oberen Rand des Empfehlungsbereiches orientiert, hängt von der Art der Finne sowie dem Fahrkönnen ab.
Seegrasfinnen mit Vorbau im Vorteil
Besonders spannend war für uns der Vergleich zwischen “normalen” Seegrasfinnen und den auf der Basis nach vorne versetzten Modellen wie z.B. der Lessacher Duo Bull Weed, der MFC Weed Burner oder der Unifiber Anti Weed FWD. Bei diesen Modellen ragt die Finne mehrere Zentimeter nach vorne über Basis und Finnenkasten heraus und soll auf diese Weise den Druckpunkt der Finne weiter vorne halten.
Entscheidend ist bei Seegrasfinnen eher die Fläche, weniger der reine Tiefgang
Unsere Testfahrten zeigten ein eindeutiges Bild – im Vergleich zu den "normalen" Modellen mit gleichem Tiefgang konnten die nach vorne versetzten Seegrasfinnen spürbare Vorteile beim erzeugten Lift verbuchen. Beide Testboards liefen auf Halbwind- und Amwindkursen freier über den Chop, man konnte den Druck auf der Finne auch in Windlöchern länger halten und so in Summe auch besser Höhelaufen. Kleine Nachteile hatten diese Modelle in Summe nur beim Speedgefühl auf Raumwindkurs – hier war etwas mehr Fahrwiderstand spürbar, was eine Folge der breiteren Finnenbasen sein dürfte. Wer sich für eines der nach vorne versetzten Modelle entscheidet, bekommt bei gleicher Länge unterm Strich mehr Gleitleistung, oder kann die Finnen, bei gleicher Leistung, nochmal ein bis zwei Zentimeter kürzer wählen, was für extreme Flachwasserreviere ein Vorteil sein kann. In unserem Beispiel kann man sich dann zum unteren Ende des Empfehlungsbereichs orientieren (34/32).
Einfluss des Fahrkönnens bei einer Seegrasfinne
Auch Fahrkönnen und Schlaufen-Setup haben einen Einfluss darauf, wie groß die Seegrasfinne gewählt werden sollte: Wir haben während unserer Tests beide Fahrertypen simuliert: Auf einer Seite unserer Testboards waren die Schlaufen in aufsteigerfreundlicher Innenposition montiert, auf der anderen Seite wählten wir eine weit außen liegende Position zum Heizen. Die Unterschiede waren auch hier spürbar: Weiter außen auf der Kante stehend steigt automatisch der Druck auf die Luvkante durch einen größeren Körperhebel, das Brett fliegt nicht mehr frei und klebt mit der Luvkante im Wasser.
Unterm Strich lässt sich auch hier festhalten, dass Fahrer/-innen, die ihr Board meist mit drei Schlaufen surfen und eher entspannt unhercruisen statt Vollgas mit maximal großen Segeln zu geben, sich zum unteren Ende des Empfehlungsbereichs unserer Grafik orientieren sollten. Wer gerne Topspeed und mit weit außen montierten Schlaufen fährt, orientiert sich besser zum oberen Ende des Empfehlungsbereichs.
Freeride Classic und Freeride Wide - das verbirgt sich dahinter:
- Freeride Classic: Die klassischen Freerideboards zeichnen sich durch eine etwas gestrecktere Outline aus – schmaler im Mittelbereich, insgesamt länger und mit durchschnittlich größerer Finnenabstufung.
- Freeride Wide: Dieses Shapekonzept findet seit einigen Jahren zunehmend neue Fans – bei gleichem Volumen sind diese Boards im Mittelbereich fünf bis zehn (!) Zentimeter breiter als die klassischen Shapes, insgesamt dünner, im Heckbereich aber schmaler und mit kürzeren Serienfinnen ausgestattet.